Selina hat geschrieben:(15 Dec 2017, 01:07)
Ich stimme dir ja im Großen und Ganzen meistens zu, aber hier (gefetteter Satz) täuschst du dich wirklich. Das Gegenteil war der Fall: Wir hatten einen sehr guten Geschichtsunterricht in den 60ern und 70ern. Die Schüler, also zumindest die aus meinen jeweiligen Schulklassen, haben sich intensiv mit der Nazizeit und allen Widerlichkeiten dieser Zeit befasst. Ich hab viele Spielfilme und Dokus zum Thema gesehen, mit Zeitzeugen gesprochen, Konzentrationslager besucht, Romane über diese Zeit gelesen. Das war bei uns jedenfalls nicht so, wie meine Freundin aus Niedersachsen mal erzählte, die auch in den 60ern in die Schule ging und sie im Geschichtsunterricht - wie sie sagte - überhaupt nichts vom Dritten Reich, dem Holocaust und dem zweiten Weltkrieg gehört hatte. Und auch in ihrem Elternhaus wurde absolut nicht über dieses Thema gesprochen. Was ich so bei uns nie erlebt habe; das war immer Thema, in der Schule, im Freundeskreis und selbstverständlich auch im Elternhaus. Und auch, wenn das immer wieder behauptet wird, ich selbst hab das Ganze nie als "verordneten Antifaschismus" empfunden, sondern immer als interessante und ehrliche Aufarbeitung dieser zwölf Nazijahre. Deswegen bin ich ja heute so entsetzt, wie wenig manche jüngere Leute über diese Zeit wissen. Kein Wunder, dass einige von denen auf so etwas wie die AfD hereinfallen.
Ich weiß nicht so recht, habe natürlich auch weder den Geschichtsunterricht der DDR noch den der BRD der 60-er Jahre genossen.
Aber die Tatsache, dass der Nationalismus bis hin zu Faschismus im ehemaligen ComeCon (nicht nur in der EX-DDR) geradezu einen Lauf hat, ist doch beängstigend.
Ich denke schon, dass da dieses „Faschisten sind die anderen, wir sind die Guten“ mitgewirkt hat, dass man sich sehr plakativ mit dem Thema beschäftigt hat. Und eben die diversen Facetten neben Holocaust und Angriffskrieg nicht so beachtet hat. Und damit den Menschen suggeriert hat, dass sie, wenn sie diese beiden Schandtaten ablehnen (was ich auch fast jedem AfD-Sympatisanten zugestehe) können sie auch gar keine Faschisten sein.
Sind denn Facetten wie zum Beispiel Heinrich Brüning, Otto Wels, Ludwig Czech, Südtirolfrage, Hitler-Stalin-Pakt wirklich adäquat aufgearbeitet worden? Oder war der einzige Antifaschismus der sozialistische?
Bis 1968 gehe ich auch davon aus, dass in der DDR besser informiert wurde, danach denke ich aber hat sich in der BRD sehr viel gedreht. Ich fürchte trotzdem, das die „staatlich verordnete Unschuld“ ein Nährboden für die ein oder andere auch hier gelesene AfD-Argumentation ist.
Ist übrigens in anderer Form auch in Österreich und Italien zu sehen, die nach eigenem historischen Narrariv ja auch Opfer und nicht Täter waren.