Loki hat geschrieben:(09 Nov 2017, 21:30)Eine Abstimmung in einem Parlament ist eine indirekte Volksabstimmung --> Abstimmung durch gewählte Volksvertreter.
Und wegen solchen Abstimmungen durch Volksvertreter können (neue) Gesetze entstehen oder verändert werden; so wie auch Verfassungen.
Die Gleichsetzung von Volksabstimmungen mit Parlamentsabstimmungen über ein Gesetz ist juristisch gesehen Mumpitz. Das GG sieht keine direkten Abstimmungen über Gesetze durch das Volk vor; das Wahlvolk darf den Bundestag wählen, der dann Gesetze beschließen darf. Eine Volksabstimmung ist vom GG nicht vorgesehen. Es bedürfte daher einer GG-Änderung mit 2/3-Mehrheit durch das Parlament. Die Abhaltung einer Volksabstimmung ohne eine vorherige Änderung des GG ist als formeller Verfassungsverstoß unzulässig, da dadurch vom vom GG vorgesehen Gesetzgebungsweg abgewichen werden würde. Gesetze können nur auf dem Wege, den das GG zum Zeitpunkt ihres Beschlusses bietet, beschlossen werden. Daher sind Volksabstimmungen nach jetziger Rechtslage unzulässig.
Loki hat geschrieben:(09 Nov 2017, 21:30)Spanien jedoch möchte sowohl die Abstimmung, wie auch eine daraus resultierende Gesetzesänderung, gar ein Verfassungsändern, verbieten bzw. unter Strafe stellen ?
Das wäre dann die Aushebelung der Demokratie, der Volksvertretung.
Du bringst die Sachen so durcheinander, wie es dir argumentativ passt. Die Abstimmung ist unzulässig, weil sie verfassungswidrig ist, da die spanische Verfassung kein Recht auf Sezession einräumt. Ein solches könnte durch verfassungsändernde Mehrheit im spanischen (!) Parlament möglich gemacht werden. Die eigenmächtige Abhaltung einer Abstimmung in einer Region ist hingegen unzulässig, weil sie den verfassungsmäßig gebotenen Weg der Gesetzgebung und Verfassungsänderung nicht einhält. Gegen die Strafbarkeit rechtswidriger und verfassungsfeindlicher Bestrebungen spricht dabei nichts. Das ist keine Aushebelung der Demokratie, sondern vielmehr deren Gewährleistung. Im Übrigen steht dem katalanischen Parlament kein Recht zur Änderung der gesamtspanischen Verfassung zu. Sie ist als Volksvertretung einer einzelnen Region Spaniens hierzu nicht ermächtigt, da sie nicht das gesamte Volk i. S. der spanischen Verfassung abbildet.
Loki hat geschrieben:(09 Nov 2017, 21:30)Gleiches würde passieren, wenn sonstwer dem Parlament unter Androhung von Strafe verbietet, über eine Änderung des Grundrechteartikels Nr. 4 - oder über Belange, welche die Inhalte dieses Artikels berühren - (demokratisch) abzustimmen; was ebenso für Folgetaten auf das Abstimmungsergebnis berufend gälte.
Der Artikel oder gar das gesamte Grundgesetz bzw. eine Verfassung wäre somit vom Parlament unantastbar.
In einer Monarchie durchaus sinnig.
Unsinnige Schlussfolgerung. Wer ist bitte "sonstwer"? Du schaltest auf stur und scheinst es nicht verstehen zu wollen oder zu können, keine Ahnung.
Loki hat geschrieben:(09 Nov 2017, 21:30)Gut, dann nenne mir bitte eine natürliche oder juristische Person, die wegen "Grundsatzbruch" von einem Gericht verurteilt wurde, denn das war meine Anfrage. Presseartikel hierzu genügt völlig.
Sehr gerne. Vorab: Der Bund ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine juristische Person, damit hier keine Missverständnisse aufkommen. Einer der wichtigsten Fälle des Bundesverfassungsgerichts wurde aufgrund eines Grundsatzbruchs, hier sogar namentlich der Bundestreue, zuungunsten der Bundesrepublik entschieden: Der Deutschland-Fernsehen-GmbH-Fall,
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv012205.html, Randnummer 169 f.:
Im deutschen Bundesstaat wird das gesamte verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und seinen Gliedern sowie das verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen den Gliedern durch den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz von der wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten beherrscht. Das Bundesverfassungsgericht hat daraus eine Reihe konkreter Rechtspflichten entwickelt. Im Zusammenhang mit Erwägungen über die Verfassungsmäßigkeit des sog. horizontalen Finanzausgleichs steht der Satz: "Das bundesstaatliche Prinzip begründet seinem Wesen nach nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Eine dieser Pflichten besteht darin, daß die finanzstärkeren Länder den schwächeren Ländern in gewissen Grenzen Hilfe zu leisten haben" (BVerfGE 1, 117 [131]). Der Verfassungsgrundsatz kann ferner in Fällen, in denen das Gesetz eine Verständigung zwischen dem Bund und den Ländern fordert, eine gesteigerte Mitwirkungspflicht aller Beteiligten begründen und dazu führen, daß der einer allseitigen Verständigung entgegenstehende unsachliche Widerspruch eines der Beteiligten rechtlich unbeachtlich wird (BVerfGE 1,299 [315 f.]). Bei der Entscheidung über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen an öffentliche Bedienstete haben die Länder Bundestreue zu wahren und deshalb auf das gesamte Finanzgefüge von Bund und Ländern Rücksicht zu nehmen (BVerfGE 3, 52 [57]). Noch stärker tritt diese Rechtsschranke aus dem Gedanken der Bundestreue bei der Ausübung von Gesetzgebungsbefugnissen zu Tage: "Bleiben die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den Raum des Landes begrenzt, so muß der Landesgesetzgeber Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder nehmen" (BVerfGE 4, 115 [140]). Aus dem Verfassungsgrundsatz der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten kann sich weiter die Pflicht der Länder zur Beachtung von völkerrechtlichen Verträgen des Bundes ergeben (BVerfGE 6, 309 BVerfGE 12, 205 (254)BVerfGE 12, 205 (255)[328, 361 f.]). Unter Umständen kann schließlich ein Land mit Rücksicht auf seine Pflicht zur Bundestreue verpflichtet sein, im Wege der Kommunalaufsicht gegen Gemeinden einzuschreiten, die durch ihre Maßnahmen in eine ausschließliche Bundeskompetenz eingreifen (BVerfGE 8, 122 [138 ff.]). Auch bei der Wahrnehmung der Bundeskompetenzen auf dem Gebiet des Rundfunks ist, wie oben dargelegt (vgl. I 4 d und D II 7 b), der Satz vom bundesfreundlichen Verhalten von grundsätzlicher Bedeutung.
Die bisherige Rechtsprechung läßt erkennen, daß sich aus diesem Grundsatz sowohl konkrete, über die in der bundesstaatlichen Verfassung ausdrücklich normierten verfassungsrechtlichen Pflichten hinausgehende, zusätzliche Pflichten der Länder gegenüber dem Bund und zusätzliche Pflichten des Bundes gegenüber den Ländern entwickeln lassen als auch konkrete Beschränkungen in der Ausübung der dem Bund und den Ländern im Grundgesetz eingeräumten Kompetenzen ergeben. Loki hat geschrieben:(09 Nov 2017, 21:30)Nach welchen Gesetzen urteilt die Judikative ? Nach welchen Gesetzen handelt mehr oder weniger die Exekutive ? Etwa nach denen, die die Legislative beschloss ?
Nein, ich halte jetzt kein Referat über die Henne-Ei-Problematik, wer von beiden zuerst da war.
Dir mangelt es offensichtlich an grundlegen staatsrechtlichen Kenntnissen und Verständnis hierfür. Die Antwort darauf steht in Art. 20 Abs. 3 GG, der durch die Ewigkeitsklausel geschützt ist: "
Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden."
Ich ziehe das jetzt mal ganz einfach auf:
1. Parlamentarischer Rat beschließt Grundgesetz.
2. Parlament beschließt einfaches Gesetz.
3. Person klagt gegen das Gesetz vor dem BVerfG.
4. BVerfG prüft Gesetz auf Vereinbarkeit mit der Verfassung.
5. BVerfG stellt Unvereinbarkeit des Gesetzes mit höherrangigem Recht fest, hier Verstoß gegen GG.
6. BVerfG erklärt Gesetz für nichtig.
7. Parlament ändert GG mit 2/3-Mehrheit das GG, um das einfache Gesetz zu ermöglichen.
8. Parlament beschließt das einfache Gesetz erneut.
9. Person klagt gegen das Gesetz vor dem BVerfG.
10. BVerfG prüft Gesetz auf Vereinbarkeit mit der Verfassung.
11. BVerfG stellt Vereinbarkeit des Gesetzes mit höherrangigem Recht fest, hier Vereinbarkeit mit dem GG.
Die Arbeit des BVerfG erfolgt dabei nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Dieses ist ein Bundesgesetz.
Loki hat geschrieben:(09 Nov 2017, 21:30)Ein Parlament darf nicht geltendes Recht ändern ?
Magst Du den Mitlesern die Arbeitstätigkeit eines Parlamentes gerne näher erläutern ?
Höherrangiges Recht kann durch niederrangiges Recht nicht geändert oder ausgehebelt werden. Gebietet eine Verfassung einen bestimmten Weg der Gesetzgebung, so darf von diesem nicht abgewichen werden. Soll der Gesetzgebungsweg geändert werden, so ist das GG zu ändern. Ebenso wenig kann daher die niederrangige Gesetzgebung und die sonstige parlamentarische Tätigkeit des katalanischen Parlaments die spanische Verfassung aushebeln. Was ist daran so schwer zu verstehen?
Loki hat geschrieben:(09 Nov 2017, 21:30)dann macht sie eine der Arbeitstätigkeiten, für welche sie von ihren Wählern demokratisch gewählt wurde.
Absurd. Gibt die Volksvertretung sich Vorgaben im höherrangigem Recht, verpflichtet sie sich selbst zur Einhaltung dieses Rechts; dies gebietet der erläuterte Grundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Die Volkvertretung kann dieses höherrangige Recht folglich auch nicht durch niederrangiges Recht willkürlich aushebeln. Darüber kann deine Argumentation mit dem Wählerwillen nicht hinweghelfen; denn das höherrangige Recht ist ebenso vom (schon aufgrund der erforderlichen qualifizierten Mehrheit zur Verfassungsänderung gewichtigeren) Wählerwillen getragen und aufgrund seiner durch das Parlament und damit den Volkswillen geschaffenen und getragenen Höherrangigkeit über dem unterrangigen Recht angesiedelt. Es genießt somit Anwendungsvorrang.
Loki hat geschrieben:(09 Nov 2017, 21:30)Bedeutet, einer Überregierung z. B. verbieten, ohne Gesetzesänderung einer Regionalregierung zu verbieten, ihre Arbeit zu tun. Jetzt als Beispiel.
"Arbeit einer Regionalregierung" ist nicht das Betreiben verfassungswidriger Aktivitäten.
Du bist doch derjenige, der hier monarchischen Fantasien fröhnt. Denn das sogenannte monarchische Prinzip, dass der Monarch über dem Gesetz steht und damit nicht rechtswidrig handeln kann, willst du auf das Parlament übertragen. Dieser Ansatz ist zurecht seit über 120 Jahren ein Anachronismus.
Loki hat geschrieben:(09 Nov 2017, 21:30)Warum gibt es dort dann den "Nein-"Stimmzettel ? Doppelt-gemoppelt ?
Relevant ist dies für Abstimmungen bei einfachen und qualifizierten Mehrheiten. Bei einer GG-Änderung ist die Zustimmung einer 2/3-Mehrheit der Mitglieder des Bundestags erforderlich - d. h., dass die Änderung scheitert, wenn 1/3 plus 1 Stimme des Bundestags sich enthalten. Hingegen reicht bei einfachen Gesetzen die Mehrheit der auf Ja oder Nein lautenden Stimmen. Stimmen 100 Abgeordnete mit Ja, 80 mit Nein und 400 mit Enthaltung, so ist das Gesetz zustande gekommen, da lediglich die Ja- und Nein-Stimmen zählen; Enthaltungen zählen dann nicht.