Woppadaq hat geschrieben:(02 Oct 2017, 10:55)
Es war nur ein Test, ob du wirklich konstruktiv bist oder nur Wolf im Schafspelz spielst. Und ja, natürlich hab ich deinen ganzen Post gelesen. Ich teile deine Analyse aber nicht wirklich, ich verstehe nur recht gut, dass Konservative so denken, wie du das vorgeführt hast. Du führst aber - und das bereits in diesem ersten von mir beanstandeten Satz - auch vor, dass du der rechten Propaganda auf dem Leim gegangen bist.
Ich bin hier schon seit 9 Jahren angemeldet, war eine zeitlang im Forum 3 als Moderator aktiv (bzw. ich denke darüber nach, wieder aktiver zu werden) und musste entsprechend natürlich auch hetzerische Beitrage löschen - daher finde ich es interessant, dass man anhand eines solchen Beitrags gleich offenbar schon der Hetze verdächtigt wird. Ich finde eigentlich, dass ich stets sehr um eine sachliche Sprache bemüht bin und solch ein Eindruck eigentlich nicht entstehen sollte.
Es stimmt aber, ich fühle mich bei dem Thema etwas desorientiert. Eigentlich bin ich inaktives Mitglied der Piraten und es überrascht mich selbst, dass ich mal meine, so viel Verständnis für diejenigen haben zu müssen, die um ihre Sicherheit fürchten. Vielleicht magst du mal in dieses Topic von mir hineinschauen, wo ich versucht habe, nach konstruktiven Lösungen für die Flüchtlingskrise zu suchen:
http://www.politik-forum.eu/viewtopic.php?f=5&t=64632
Aber es soll hier nicht um mich gehen. Ich merke, dass du mich bei dem Thema für ein bisschen doof hältst. Zieh daraus bitte keine Rückschlüsse auf andere Themen, in denen ich schreibe.
Das, was mich gerade an eher sachlichen Beiträgen zum Thema eklatant stört, ist diese Suggestion, dass die AfD ohne die Flüchtlingskrise niemals so erfolgreich gewesen wäre. Das also ein einziger "Fehler" von Frau Merkel zu 13 % AfD geführt hat. In Wahrheit war die AfD doch schon vorher da, dort haben sich schon vorher jene versammelt, für die sich die CDU zu sehr nach links entwickelt hat. Minestlohn, Atomausstieg, Homo-Ehe, um jetzt nur ein paar zu nennen, waren schon vorher eine Belastungsprobe für manchen Alt-Konservativen in dieser Partei. Die AfD hatte sich schon vorher auf Merkel eingeschossen, und hätte ohne die Flüchtlingskrise irgendein anderes Thema genommen, um es überproportional aufzubauschen. Sie hätten es dann vielleicht schwerer gehabt zu punkten, aber die Presse hätte es auch schwerer gehabrt, diese Partei als rechtes Sammelbecken vorzuführen.
Eigentlich war die AfD vor der Flüchtlingskrise sehr schwach und schon im Begriff, Auflösungserscheinungen zu zeigen. Erst danach gewann sie an Auftrieb, radikalisierte sich zudem noch und wurde dabei sehr viel erfolgreicher. Ohne dieses Thema wäre sie wahrscheinlich untergegangen bzw. hätte definitiv nicht die 5%-Hürde überschritten. Ich würde dir nicht völlig widersprechen, es gab natürlich auch andere Gründe, aber die Flüchtlingskrise ist in Deutschland schon eindeutig der wichtigste Grund für das Erstarken der Rechten, denke ich.
Zeit Online hatte kürzlich nach der Wahl Menschen gefragt, warum sie die AfD gewählt haben. Das Thema Flüchtlingskrise tauchte als einendes Thema in praktisch jedem Beitrag auf, alles andere war meines Erachtens eher diffus:
http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... d-gewaehlt
[...]
Ich sag das, um klarzumachen: man kann in Punkto Flüchtlingskrise durchaus geteilter Meinung sein, muss aber auch damit leben, dass eine eventuell rechte Position jetzt nicht mehr von der CDU-Selbstverständlichkeit gedeckt wird. [...] Und man sollte sich keine Illusionen machen: auch ein Merkel-Nachfolger kann sich keine Koalition mit der AfD erlauben. Die CDU mag konservativ sein, rückwärts gewandt ist sie nicht.
Was du glaube ich missverstanden hast, ist, dass du mich selbst als einen solchen "enttäuschten Konservativen" identifiziert hast. Ich dachte eigentlich, klargemacht zu haben, eigentlich nicht hinter dem "ausweichenden Idealen" des Konservatismus zu stehen - und dass ich
trotzdem überrascht und etwas besorgt war, dass Merkel so weit gehen würde. Dieses Missverständnis ist aber wahrscheinlich meine Schuld, da ich durch meine subjektive Ausdrucksweise zu sehr rumgeeiert habe und den Eindruck erweckt habe, es ginge mir irgendwie um mich.
Also, ich will es nochmal etwas knackiger zusammenfassen:
Das im Jahre 2015 war eine gewagte Aktion, sicherlich gut gemeint und man konnte nicht tatenlos zusehen. Trotzdem ist es meiner Ansicht nach nachvollziehbar, dass es viele Konservative als einen starken Bruch mit der bisherigen, so legendär vorsichtigen Politik Merkels verstanden haben und darauf entsprechend darauf reagierten. Ich fühlte mich selbst davon zu der Zeit etwas überrumpelt. Insofern ist es meines Erachtens nicht direkt ein Rechtsruck, sondern das, was man aufgrund der politischen Zusammensetzung in der BRD hätte erwarten können. Dadurch, dass diese vorhersehbar entstehenden Zweifler dann auch noch medial als "rechte Gefahr" identifiziert wurden, hat man die Situation verschlimmert und Trotz provoziert. Es war trotzdem wahrscheinlich richtig, es zu tun, auch wenn ein kontrollierterer Ablauf natürlich von Vorteil gewesen wäre.
Ich wollte Aufnahme der Flüchtlinge an dieser Stelle eigentlich gar nicht bewerten, sondern nur sagen, dass der starke Zusammenhang zwischen Flüchtlingspolitik und Rechtsruck meines Erachtens nicht zu leugnen ist. Wenn man ausländische Berichterstattung zur Wahl liest, weisen die auch stets auf diesen Zusammenhang hin, weil er so klar ist. Man kann ja trotzdem der Ansicht sein, dass es zu der Zeit aufgrund der Notwendigkeit der Maßnahme einfach nicht anders ging, als jenen Rechtsruck zu provozieren.
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Davon abgesehen ist ein Thema, was man allgemein gegen Rechts stärker thematisieren sollte, die soziale Frage. Und das ist tatsächlich dann ein Thema, was die Rechten der gesamten westlichen Welt eint. Viele Menschen vertrauen einer Politik, die auf Isolation und einen starken innerstaatlichen Wettbewerb durch eine kompetitive Marktwirtschaft setzt (Post-Brexit-Großbritannien, Trump, auch AfD) mehr als der einer gemeinsamen Absprache. Viele identifizieren unsere gemeinsame, offene Politik als den Schuldigen für die zunehmende Ungleichheit, aber sehen nicht die Chancen, die eine koordinierte Wirtschaftspolitik bieten würde. Wenn wir als EU gemeinsame Standards im Bereich Steuerpolitik hätten, könnten wir dem "Rat Race" durch innerstaatlichen Wettbewerb entgehen. Die AfD will ja ganz offen in ein solches Rat Race einsteigen, wenn man sieht, wie knallhart liberal ihre wirtschaftspolitischen Vorschläge sind.
Wahrscheinlich liegt es daran, dass die EU in den vergangenen Jahrzehnten bei diesem Thema einfach nicht liefern konnte, obwohl es so naheliegend wäre, dort koordiniert zu agieren. Andere Länder würden das auch gerne sehen, aber gerade in Deutschland existiert viel Angst, am Ende der "Zahlmeister" zu sein. Hier fehlt es irgendwie an einer gemeinsamen europapolitischen Vision und es ist schade, dass nicht einmal Martin Schulz bereit war, sie zu liefern.