Liegestuhl hat geschrieben:(01 Mar 2017, 07:29)
Weil eine Beschneidung im Kleinkindalter aus medizinischer Sicht am sinnvollsten ist.
Dass eine Beschneidung bei Säuglingen risikoärmer als bei älteren Kindern ist, trifft zu.
Dennoch ist der Eingriff bei der überwiegenden Mehrheit der Kinder medizinisch nicht indiziert, wenn denn keine Vorhautverengung vorliegt. Infektionen mit HIV und bösartige Tumoren des Penis - für deren Prävention eine Beschneidung helfen könnte - sind in Deutschland so selten, dass der Eingriff aus epidemiologischen Gründen nicht gerechtfertigt ist.
Jeder medizinische Eingriff ist juristisch gesehen eine Körperverletzung und außerhalb von Notfällen nur dann straffrei, wenn der Patient oder dessen gesetzlicher Vertreter einwilligt. Eine Impfung ist somit ebenfalls eine Körperverletzung, die aber medizinisch und epidemiologisch gerechtfertigt ist.
Was man nun als ethisch gerechtfertigt ansieht, ist eine andere, nicht-medizinische Frage, zumal die Beschneidung ja häufig nicht einmal von Ärzten durchgeführt wird. Letztlich geht es um ein Abwägen des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit mit der Religionsfreiheit.
Ich versuche, die Sache pragmatisch zu sehen. Der Eingriff ist klein und medizinisch gesehen insgesamt eher harmlos, dagegen aber offenbar von großer symbolischer Bedeutung für einige gesellschaftliche Gruppen. Von daher kann ich die momentane Rechtslage nachvollziehen und kann damit leben, auch angesichts dessen, was Kindern sonst angetan wird, ohne dass es strafbar ist. So bin ich mir beispielsweise sicher, dass gerade Juden mehr Wert legen auf eine gute Erziehung und Bildung als der Durchschnitt der Bevölkerung, und dass somit eine jüdische Erziehung, trotz des Aktes der Beschneidung, insgesamt für das Kind eher von Vorteil ist.
Dennoch muss ich eingestehen, dass man, wenn man an Prinzipien festhält und fünfe eben nicht gerade sein lässt, sich eigentlich kaum für die Beschneidung aussprechen kann. Es ist letztlich ein abergläubisches Relikt aus einer voraufklärerischen Zeit; sie ist eine Zwangsmaßnahme, indem sie Kinder für ihr Leben lang markiert für eine bestimmte Religion - und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kinder eben nicht in diese Körperverletzung - denn das ist die Beschneidung - einwilligen können. Dass die Beurteilung bei Jungen und Mädchen so unterschiedlich ausfällt, macht mich auch stutzig; so sind bei Mädchen ja auch kleinere Eingriffe, die durchaus mit der Beschneidung eines Jungen vergleichbar sind, strafbar. Warum diese Ungleichbehandlung?
Man kann das Thema also aus verschiedenen Perspektiven betrachten.