schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Dec 2016, 10:04)
Das Problem ist vielleicht nicht mal, dass Antifaschismus in der DDR als Haltung "von oben verordnet" (also zum Beispiel an Schulen und Universitäten gelehrt) wurde, sondern dass zu einem echten, verinnerlichten Antifaschismus eine Art "weiter Blick", ein verinnerlichtes Weltbürgertum gehört. Und den musste man sich in der engen, kleinen Nischen-Welt der DDR hart erarbeiten. Das konnten nur wenige. Das kostete viel Mühe. Es war aber durchaus möglich.
Da ist was dran. Bis auf das "hart erarbeiten". Denn damals im Sozialismus war es genau wie heute im Kapitalismus, den ihr ja lieber "soziale Marktwirtschaft" nennt: Wenn man in Familie und Schule, vor allem in der Familie, weltoffen und freidenkerisch erzogen wurde, wenn es für einen schon als Kind vollkommen klar war, dass es keine Ausgrenzung von Fremden und Minderheiten geben darf und einem das die Eltern auch vorlebten, dann hat man das verinnerlicht für sein ganzes Leben lang. Hinzu kamen Kunst und Kultur sowie der Freundeskreis. Für mich und die Meinen war es - auch zu DDR-Zeiten - eben undenkbar, kalt und abweisend oder gar geringschätzig und abwertend über Ausländer zu reden.
Und das Argument, wir hätten ja keine Fremden gehabt und erlebt im Lande, stimmt auch nicht. Durch Schule, Ausbildung, Studium und Arbeit konnte man sogar sehr viel mit Ausländern zu tun haben, sofern man wollte. Aber, und jetzt kommt das Aber: Damals wie heute gilt: Dort, wo dieser Humanismus, dieses liberale und weltoffene Verhalten eben nicht von Kindesbeinen an vermittelt, gelehrt und gelernt wird, dort wird es im Erwachsenenleben auch immer Vorurteile oder sogar verfestigte Fremdenfeindlichkeit geben. Letztere gab es in der DDR natürlich auch. Auch wir hatten Neonazis und stinknormale Bürger der so genannten "Mitte" damals (also, was man in der DDR als "Mitte" bezeichnen konnte), die sich verächtlich über Vietnamesen, Angolaner, Kubaner, Russen und Ungarn äußerten. Und nicht nur das, es gab auch schlimme Übergriffe. Und dennoch: All das ist mit der Masse solcher fremdenfeindlichen Haltungen und Delikte von heute in seinem Ausmaß nicht zu vergleichen.
Und der Zusammenhang "Verhältnisse in der DDR = Fremdenfeindlichkeit a la Pegida" ist echt zu kurz gesprungen. Meiner Meinung nach haben erst die Verhältnisse
nach der Wende dieses Gefühl des Abgehängtseins, des "denen da oben sind wir doch sowieso egal" befördert. Für eine kurze Weile während der Wende spürten diese Menschen "ooooh man, wir können ja mit den Füßen abstimmen und damit ein ganzes System hinwegfegen. Wie schön!" Sie erlebten eine immense Kraft als friedlich demonstrierende Menge, die sie in den Jahren danach wieder schmerzlich vermissten. Niemand brauchte sie mehr. Ihr Wort galt nichts mehr. Über
diese Entwicklung sollten wir mal nachdenken.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz