Terror nach Ferdinand von Schirach

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Schuldig oder nicht schuldig ?

Umfrage endete am Donnerstag 20. Oktober 2016, 21:42

Schuldig
14
40%
Nichtschulding
21
60%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 35
odiug

Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

Habt ihr abgestimmt und wenn ja, wie ?
Der Fall wird hier beschrieben:
http://programm.ard.de/TV/Programm/Send ... 8737698567
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Jekyll
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Jekyll »

Also, so wie ich das verstanden habe, würden die 164 Passagiere so oder so sterben. Dann ein klares Nichtschuldig (so sind wenigstens die 70.000 gerettet).
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
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Billie Holiday
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Billie Holiday »

Interessant fand ich, dass die gesamte Wut der Witwe sich auf den Piloten bezog und nicht auf den Verursacher des ganzen.
Das Flugzeug hätte normal landen können.

Der Verteidiger hat mich auch eher überzeugt als die Staatsanwältin. Übrigens war Martina Gedeck wieder mal hervorragend. :thumbup:

Ich habe auch für nicht schuldig gestimmt.
„Wer mich beleidigt, bestimme ich.“ (Klaus Kinski)

„Just because you’re offended, doesn’t mean you’re right.“ (Ricky Gervais)
Svi Back

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Svi Back »

für mich völlig unzweifelhaft unschuldig im Sinne der Anklage.
Mord als Anklage halte ich für absurd und auch deswegen fällt das Urteil so eindeutig aus.
Zuletzt geändert von Svi Back am Montag 17. Oktober 2016, 21:57, insgesamt 1-mal geändert.
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schelm
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von schelm »

odiug hat geschrieben:(17 Oct 2016, 21:42)

Habt ihr abgestimmt und wenn ja, wie ?
Der Fall wird hier beschrieben:
http://programm.ard.de/TV/Programm/Send ... 8737698567
Die Argumente beider Seiten sind schlüssig. Die Theorie an Hand der Prinzipien, die Praxis an Hand der Konsequenzen. Der Fall allerdings geht von unrealistischen Voraussetzungen aus : 1. Die Cockpittür. Die bekommt man heutzutage nicht mehr auf. Siehe Suizidpilot German Wings. 2. Sonstige Anhaltspunkte, die auf eine mögliche Wendung der Ereignisse schließen lassen, waren reine Spekulation. 3. Es wurde nicht abgewägt zwischen den Passagieren und den Stadionbesuchern, sondern zwischen der Rettung der Stadionbesucher oder dem Tod aller.
Denk ich an D in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, Heinrich Heine.
odiug

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

Das Ergebnis der Fernsehumftage ist eindeutig:
87% Nichtschulding gegen 13% Schuldig.
Und dennoch, ich habe fuer schuldig gestimmt.
Wobei das Strafmass in einem solchen Fall dem moralischen Dilemma Rechnung tragen muss.
Mord, nein, Totschlag aber auf jeden Fall.
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Jekyll
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Jekyll »

@ odiug

Ich wollte gerade fragen, wer hier mit "schuldig" gestimmt hat. Kannst du deine Entscheidung detaillierter Begründen?
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
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schelm
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von schelm »

Billie Holiday hat geschrieben:(17 Oct 2016, 21:55)

Interessant fand ich, dass die gesamte Wut der Witwe sich auf den Piloten bezog und nicht auf den Verursacher des ganzen.
Das Flugzeug hätte normal landen können.

Der Verteidiger hat mich auch eher überzeugt als die Staatsanwältin. Übrigens war Martina Gedeck wieder mal hervorragend. :thumbup:

Ich habe auch für nicht schuldig gestimmt.
Das Pendel schlägt je nach Blickwinkel natürlich nach beiden Seiten. Wie hätte die Witwe reagiert, wenn Angehörige von Toten aus dem Stadion sie mit der Frage konfrontieren würden, warum mussten unsere Angehörigen auch sterben ?
Denk ich an D in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, Heinrich Heine.
Svi Back

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Svi Back »

oding hat zwar schuldig angeklickt, aber seine Begründung sagt das Gegenteil aus.
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Jekyll
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Jekyll »

Vielleicht hat er sich verklickt und will lediglich die Contenance wahren.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
odiug

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

Jekyll hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:03)

@ odiug

Ich wollte gerade fragen, wer hier mit "schuldig" gestimmt hat. Kannst du deine Entscheidung detaillierter Begründen?
Schwierig: muesste ich eine Texttapete schreiben.
Daher kurz:
Das Problem ist, wie es die Staatsanwaeltin bereits beschrieb: wo ist die Grenze ?
Und diese koennen wir nicht ziehen.
Von daher muss das Prinzip hier vor dem "gesunden Menschenverstand" gelten.
Bleibt das moralische Dilemma.
Und das kann ich nur im Strafmass bemessen, nicht aber in der Frage der Schuld.
Kennedy2610

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Kennedy2610 »

Finde es extrem schwer hier zu urteilen. Trotzdem habe ich mich für schuldig entschieden, nach dem ich lange hin und her geschwankt bin.

Der eigentliche Skandal ist, dass das Stadion nicht geräumt wurde. Aus meiner Sicht wäre so der Pilot überhaupt nicht in diese Situation gekommen und das muss das Ziel sein.

Jetzt ist er aber in dieser Situation und handelt eigenmächtig gegen das deutsche Recht. Für mich ist er hier Schuldig. Auch wenn man über das moralische "Recht" streiten kann. Moral ist aber etwas sehr persönliches und subjektives und sollte nicht von einzelnen Menschen für alle Menschen beurteilt werden. Um sachlich und frei von Gefühlen zu handeln haben wir Gesetze. Diese sollten auch in diesem Fall gelten.

Anfühlen tut sich keines von beiden gut - schuldig genauso wenig wie unschuldig.
Zuletzt geändert von Kennedy2610 am Montag 17. Oktober 2016, 22:21, insgesamt 1-mal geändert.
Svi Back

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Svi Back »

der Fall ist vergleichbar mit dem Prozess gegen Wolfgang Daschner.
Er wurde gegen jede Vernunft schuldig gesprochen.

Herrn Baum sein Auftreten ist erbärmlich.
odiug

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

Jekyll hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:13)

Vielleicht hat er sich verklickt und will lediglich die Contenance wahren.
Meine Contenance ist nun wirklich nicht abhaengig von einer Klickoption auf einer Webseite.
Ausserdem habe ich bewusst die Option offen gehalten, seine Wahl zu aendern.
Zuletzt geändert von odiug am Montag 17. Oktober 2016, 22:24, insgesamt 1-mal geändert.
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Jekyll
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Jekyll »

Hm...muss mir das alles erstmal auf mich wirken lassen. Wirklich interessantes Thema.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
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Brainiac
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Brainiac »

Die Würde des Menschen ist unantastbar, sagt unser Grundgesetz. Das bedeutet, der Staat darf nicht Leben gegen Leben aufwiegen, das eine für wichtiger, erhaltenswerter als das andere erklären. Egal, um welche Anzahlen es jeweils geht.

Damit kann es keine offizielle Rechtssprechung geben, die die Tat des Piloten per se straffrei stellt. Es kann auch keine geben, die ihn per se strafbar macht. Solche Fälle liegen ausserhalb unseres Rechtssystems.

Das Urteil kann jeder nur persönlich/moralisch fällen.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Svi Back »

odiug hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:20)

Meine Contenance ist nun wirklich nicht abhaengig von einer Klickoption auf einer Webseite.
Ausserdem habe ich bewusst die Option offen gehalten, seine Wahl zu aendern.
du hast doch eindeutig gesagt, dass es kein Mord ist.
Also ist er, so wie ich es vorher schrieb, im Sinne der Anklage unschuldig.
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schelm
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von schelm »

Svi Back hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:20)

der Fall ist vergleichbar mit dem Prozess gegen Wolfgang Daschner.
Er wurde gegen jede Vernunft schuldig gesprochen.

Herrn Baum sein Auftreten ist erbärmlich.
Baum beharrt auf der Möglichkeit des alternativen Endes der Geschichte. Er verkennt die Notwendigkeit einer Entscheidung die rechtzeitig getroffen werden muss. Keine Entscheidung zu treffen, bedeutet ein Freibrief für Terroristen Menschen und Material als Waffe einzusetzen, um größtmöglichen Schaden anzurichten.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Wasteland »

In meinen Augen klar nicht schuldig.
Kennedy2610

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Kennedy2610 »

Brainiac hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:26)

Die Würde des Menschen ist unantastbar, sagt unser Grundgesetz. Das bedeutet, der Staat darf nicht Leben gegen Leben aufwiegen, das eine für wichtiger, erhaltenswerter als das andere erklären. Egal, um welche Anzahlen es jeweils geht.

Damit kann es keine offizielle Rechtssprechung geben, die die Tat des Piloten straffrei stellt. Es kann auch keine geben, die ihn strafbar macht. Solche Fälle liegen ausserhalb unseres Rechtssystems.

Das Urteil kann jeder nur persönlich/moralisch fällen.
Das heißt man könnte hier gar nicht prozessieren?

Die rein rechtliche Grundlage ist doch eindeutig. Der Staat darf nicht ein Menschenleben gegen ein anderes aufwiegen. So befand der BGH. Der Pilot hat sich rechtlich ohne Zweifel strafbar gemacht.

Die Diskussion dreht sich nun vielmehr darum ob dieses Recht richtig ist oder nicht. 86,9 % finden das Gesetz offenbar falsch.
odiug

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

Ein zweites Argument gegen nicht-schuldig ist die Hemmschwelle fuer einen Schiessbefehl.
Wenn dieser Erteilt wird, oder wie in dem oben beschriebenen Fall, eigenmaechtig an sich gerissen wird, dann muss das Konsequenzen haben.
Gebe ich von vornherein die Absolution, dann fallen die Pauschaltouristen vom Himmel wie Fallobst.
Svi Back

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Svi Back »

schelm hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:29)

Baum beharrt auf der Möglichkeit des alternativen Endes der Geschichte. Er verkennt die Notwendigkeit einer Entscheidung die rechtzeitig getroffen werden muss. Keine Entscheidung zu treffen, bedeutet ein Freibrief für Terroristen Menschen und Material als Waffe einzusetzen, um größtmöglichen Schaden anzurichten.
Mich nervt vor allem wie er auftritt. Das dieser Fall rechtlich und auch moralisch schwer ist, ist klar.
Diese großkotzige Art ist widerlich.
Im Übrigen hat ein Kanzler Schmidt sich gegen das Leben Schleyers entschieden, als er es ablehnte mit den Terroristen zu verhandeln. (war damals Baum nicht Justizminister?)
odiug

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

Svi Back hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:28)

du hast doch eindeutig gesagt, dass es kein Mord ist.
Also ist er, so wie ich es vorher schrieb, im Sinne der Anklage unschuldig.
Das heisst aber nicht, ich wuerde fuer nicht schuldig stimmen.
Wie gesagt, es ist ein moralisches Dilemma und das kann ich nur im Strafmass bewerten.
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JJazzGold
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von JJazzGold »

odiug hat geschrieben:(17 Oct 2016, 21:42)

Habt ihr abgestimmt und wenn ja, wie ?
Der Fall wird hier beschrieben:
http://programm.ard.de/TV/Programm/Send ... 8737698567
Das war wahrlich keine einfache Entscheidung.
Ich habe lange gebraucht, bis ich mich zu einem Urteil durchringen konnte und hätte gerne mehr Zeit für die Entscheidung gehabt.


Im Zuge der Befehlskette ist der Pilot schuldig.
Dagegen spricht, dass er zu dem ausgesuchten Personal gehört, von dem erwartet wird, dass er entgegen der Befehlskette den Abschuss vornimmt.

Leichter wäre mir die Entscheidung wahrscheinlich gefallen, wenn der verantwortliche Minister für seine Anweisung vor Gericht gestanden hätte.
Aber der schwieg. Hoffentlich haben wir im Ernstfall nie eine solche Flachpfeife, der seine Verantwortung schweigend delegiert.

In Betracht muss auch gezogen werden, dass eine unbewohnte Gegend für den Absturz der Maschine zur Verfügung stand.
Wäre die Maschine auf ein bewohntes Gebiet gestürzt, hätte das meine Entscheidung gegenteilig beeinflusst.

Letztendlich habe ich mich für die Sichtweise, "Das Wohl von Vielen, es wiegt schwerer als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen." entschieden und für "nicht schuldig" plädiert, aber mit deutlichen Bauchschmerzen.

Irritierend finde ich Baum, der mich mitsamt der Bevölkerung zu GG Deppen degradiert und mir eine gründlich abgewogene Entscheidung nicht zutraut.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt

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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Jekyll »

odiug hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:34)

Ein zweites Argument gegen nicht-schuldig ist die Hemmschwelle fuer einen Schiessbefehl.
Wenn dieser Erteilt wird, oder wie in dem oben beschriebenen Fall, eigenmaechtig an sich gerissen wird, dann muss das Konsequenzen haben.
Gebe ich von vornherein die Absolution, dann fallen die Pauschaltouristen vom Himmel wie Fallobst.
Gegenargument: Die Hemmschwelle bei den Terroristen. Wenn die sehen, dass die Gegenseite zu allem bereit ist, um solches Unterfangen zu vereiteln, dann würden sie eher weniger dazu neigen, solche Anschläge durchzuziehen.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Svi Back

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Svi Back »

odiug hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:39)

Das heisst aber nicht, ich wuerde fuer nicht schuldig stimmen.
Wie gesagt, es ist ein moralisches Dilemma und das kann ich nur im Strafmass bewerten.
das unterschreibe ich dir, nur die Anklage hiess 164 facher Mord.
Völlig unzweideutig unschuldig
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Jekyll »

Frage: Ich habe den Film verpasst, habe mir nur die (kurze) Inhaltsangabe gelesen; ist es nicht so, dass die 164 Passagiere auf jeden Fall gestorben wären, egal wie sich der Pilot entschieden hätte?
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
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Brainiac
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Brainiac »

Kennedy2610 hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:33)

Das heißt man könnte hier gar nicht prozessieren?

Doch, klar. Es wäre nur eben ein sehr schwieriger Prozess, auf den unser Rechtssystem in Ermangelung geeigneter Normen nicht eingestellt ist.
Die rein rechtliche Grundlage ist doch eindeutig. Der Staat darf nicht ein Menschenleben gegen ein anderes aufwiegen. So befand der BGH.

Ja, aber...
Der Pilot hat sich rechtlich ohne Zweifel strafbar gemacht.

Nein. Das war eine Entscheidung eines Individuums. Nicht des Staates.

Was der BGH sagt, bedeutet sinngemäß:Der Staat darf kein Gesetz erlassen, das solche Aktionen per se straffrei stellt.

Das heisst nicht (!), dass es im Einzelfall (!) nicht doch auf Straffreiheit hinauslaufen kann.
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odiug

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

JJazzGold hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:41)

Das war wahrlich keine einfache Entscheidung.
Ich habe lange gebraucht, bis ich mich zu einem Urteil durchringen konnte und hätte gerne mehr Zeit für die Entscheidung gehabt.


Im Zuge der Befehlskette ist der Pilot schuldig.
Dagegen spricht, dass er zu dem ausgesuchten Personal gehört, von dem erwartet wird, dass er entgegen der Befehlskette den Abschuss vornimmt.

Leichter wäre mir die Entscheidung wahrscheinlich gefallen, wenn der verantwortliche Minister für seine Anweisung vor Gericht gestanden hätte.
Aber der schwieg. Hoffentlich haben wir im Ernstfall nie eine solche Flachpfeife, der seine Verantwortung schweigend delegiert.

In Betracht muss auch gezogen werden, dass eine unbewohnte Gegend für den Absturz der Maschine zur Verfügung stand.
Wäre die Maschine auf ein bewohntes Gebiet gestürzt, hätte das meine Entscheidung gegenteilig beeinflusst.

Letztendlich habe ich mich für die Sichtweise, "Das Wohl von Vielen, es wiegt schwerer als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen." entschieden und für "nicht schuldig" plädiert, aber mit deutlichen Bauchschmerzen.

Irritierend finde ich Baum, der mich mitsamt der Bevölkerung zu GG Deppen degradiert und mir eine gründlich abgewogene Entscheidung nicht zutraut.
Interessant: waere das Flugzeug also nach dem Absturz auf die Nuernberger Innenstadt gestuerzt, dann waere der Pilot deiner Meinung nach schuldig ?
General Zufall rettete ihn vor dem Richter ?
Nach einem Abschuss aus grosser Hoehe ist es in Deutschland wirklich nicht absehbar, ob das Flugzeug auf unbewohnten Gebiet aufschlaegt ... ausser vielleicht ueber dem Meer oder dem Osten von Mecklenburg Vorpommern.
odiug

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

Jekyll hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:42)

Gegenargument: Die Hemmschwelle bei den Terroristen. Wenn die sehen, dass die Gegenseite zu allem bereit ist, um solches Unterfangen zu vereiteln, dann würden sie eher weniger dazu neigen, solche Anschläge durchzuziehen.
Eh ... stimmt ja nicht ganz, denn es gab nach 9.11 keine Anschlaege mehr, in denen Flugzeuge als Waffe von Terroristen missbraucht werden konnten.
Also so wehrlos sind wir nicht ... nur fliegen ist heute um vieles nerviger als vor 9.11.
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schelm
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von schelm »

odiug hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:34)

Ein zweites Argument gegen nicht-schuldig ist die Hemmschwelle fuer einen Schiessbefehl.
Wenn dieser Erteilt wird, oder wie in dem oben beschriebenen Fall, eigenmaechtig an sich gerissen wird, dann muss das Konsequenzen haben.
Gebe ich von vornherein die Absolution, dann fallen die Pauschaltouristen vom Himmel wie Fallobst.
Es geht eigentlich darum sich bewusst zu sein es nicht tun zu dürfen, aber im Zweifelsfall es tun zu müssen. Aus diesem Widerspruch muss die Entscheidung für den Einzelfall getroffen werden, für den es kein Schema geben kann. Ich meine damit, die Hemmschwelle muss aufrecht erhalten werden, um den Möglichkeiten für einen alternativen Ausgang Raum zu lassen, aber gleichwohl das menschliche Ermessen nicht aus Prinzip zu negieren, wann diese Alternativen nicht mehr rational vorstellbar wären und man handeln sollte.
Denk ich an D in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, Heinrich Heine.
odiug

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

Svi Back hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:43)

das unterschreibe ich dir, nur die Anklage hiess 164 facher Mord.
Völlig unzweideutig unschuldig
Das ist aber ein Fehler im Stueck von Schirach.
Denn der Richter muss in seinem Urteil nicht der Anklage folgen.
Es ist halt nur ein Theaterstueck.
Mich wuerde uebrigens die Version von Schuldig brennend interessieren.
Kennedy2610

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Kennedy2610 »

Brainiac hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:45)

Nein. Das war eine Entscheidung eines Individuums. Nicht des Staates.
Naja, ein Soldat im Dienst ist Teil der Exekutive des Staates. Da er aber ohne einen Befehl gehandelt hat, muss er sich als Privatmann oder "Individuum" verantworten - sehe ich auch so.
Was der BGH sagt, bedeutet sinngemäß:Der Staat darf kein Gesetz erlassen, dass solche Aktionen per se straffrei stellt.

Das heisst nicht (!), dass es im Einzelfall (!) nicht doch auf Straffreiheit hinauslaufen kann.
Eben das heißt dieser Urteilsspruch nicht. Ansonsten hätte man ja wieder die Situation das ein einzelner Bürger situativ entscheiden kann was richtig und was falsch ist. Um solche persönliche Entscheidungen, die in diesem Fall andere betreffen, zu verhindern, haben wir Gesetze. Gesetze sind frei von Emotionen - Menschen nicht.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von JJazzGold »

odiug hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:47)

Interessant: waere das Flugzeug also nach dem Absturz auf die Nuernberger Innenstadt gestuerzt, dann waere der Pilot deiner Meinung nach schuldig ?
General Zufall rettete ihn vor dem Richter ?
Nach einem Abschuss aus grosser Hoehe ist es in Deutschland wirklich nicht absehbar, ob das Flugzeug auf unbewohnten Gebiet aufschlaegt ... ausser vielleicht ueber dem Meer oder dem Osten von Mecklenburg Vorpommern.
Mich hat das Szenario von Schirachs irritiert, der damit meines Erachtens eine "nicht schuldig" Entscheidung lancierte.

Diese Annahme, dass bei einem Abschuss immer eine freie Fläche zur Verfügung steht, hat mich schon damals bei Jungs Änderungswunsch des Luftsicherheitsgesetzes aufgebracht. Das lässt sich nämlich nicht steuern, es sei denn, die Cockpitbesatzung entscheidet selbstständig, das Flugzeug mit allen Konsequenzen vor Erreichen eines bewohnten Gebietes in den Boden zu bohren. Die wären dann ebenfalls "schuldig" im Sinne der Anklage.

Insofern hat die freie Fläche meine Entscheidung beeinflusst, ja. Und ich bin sicher, dass auch die "nicht schuldig" TV Entscheider ins Grübeln gekommen wären, wäre der Abschuss über der Innenstadt erfolgt. Denn dann funktioniert die einfache Rechnung 164 Menschenleben gegen 70 000 nicht mehr.


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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Svi Back »

odiug hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:55)

Das ist aber ein Fehler im Stueck von Schirach.
Denn der Richter muss in seinem Urteil nicht der Anklage folgen.
Es ist halt nur ein Theaterstueck.
Mich wuerde uebrigens die Version von Schuldig brennend interessieren.
ja, das hat mich als erstes gestört, weil es in der Realität in diesem Fall wohl um Totschlag gegangen wäre.
Worüber man immer noch streiten kann und ich auch da eher bei "unschuldig" bin.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von JJazzGold »

Jekyll hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:45)

Frage: Ich habe den Film verpasst, habe mir nur die (kurze) Inhaltsangabe gelesen; ist es nicht so, dass die 164 Passagiere auf jeden Fall gestorben wären, egal wie sich der Pilot entschieden hätte?
Ja, das wären sie, aber unser GG gibt vor, jedes Leben zu schützen.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt

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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Brainiac »

Kennedy2610 hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:56)
Eben das heißt dieser Urteilsspruch nicht. Ansonsten hätte man ja wieder die Situation das ein einzelner Bürger situativ entscheiden kann was richtig und was falsch ist. Um solche persönliche Entscheidungen, die in diesem Fall andere betreffen, zu verhindern, haben wir Gesetze. Gesetze sind frei von Emotionen - Menschen nicht.
Ja schön, aber der BGH und ich sagen an dieser Stelle, dass es für solche Fälle kein allgemeines Gesetz geben kann.

Damit entscheidet also ein Gericht nach bestem Wissen und Gewissen, ohne sich auf ein konkret passendes Gesetz stützen zu können. Natürlich nicht jeder einzelne Bürger selbst.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von schelm »

Svi Back hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:35)

Mich nervt vor allem wie er auftritt. Das dieser Fall rechtlich und auch moralisch schwer ist, ist klar.
Diese großkotzige Art ist widerlich.
Im Übrigen hat ein Kanzler Schmidt sich gegen das Leben Schleyers entschieden, als er es ablehnte mit den Terroristen zu verhandeln. (war damals Baum nicht Justizminister?)
Das Beispiel Schleyer ist ein Trugschluss und stärkt eher die Open End - Argumentation von Baum. Man hat Schleyer ja nicht selbst erschossen, sondern abgewartet was passiert. Die Terroristen hätten Schleyer ja auch freilassen können, so wie der Flugzeugentführer sich noch anders entscheiden ( oder überwältigt werden ) könnte. ;)
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Amtsschimmel »

Svi Back hat geschrieben:(17 Oct 2016, 21:56)

Mord als Anklage halte ich für absurd und auch deswegen fällt das Urteil so eindeutig aus.
odiug hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:00)

Das Ergebnis der Fernsehumftage ist eindeutig:
87% Nichtschulding gegen 13% Schuldig.
Und dennoch, ich habe fuer schuldig gestimmt.
Wobei das Strafmass in einem solchen Fall dem moralischen Dilemma Rechnung tragen muss.
Mord, nein, Totschlag aber auf jeden Fall.
Svi Back hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:59)

ja, das hat mich als erstes gestört, weil es in der Realität in diesem Fall wohl um Totschlag gegangen wäre.
Worüber man immer noch streiten kann und ich auch da eher bei "unschuldig" bin.
Mord ist einfach absurd.

Nochmal zur Aufklärung, ich denke, das wird hier nicht richtig verstanden: Totschlag ist kein "Mord light" oder "Tötung im Affekt". Sowohl Totschlag als auch Mord sind vorsätzliche Tötungsdelikte. Nach herrschender Rechtsprechung (entgegen der herrschenden Lehre!) sind Mord und Totschlag zwei unterschiedliche Tatbestände. Der Mord verlangt das Vorliegen von diversen Mordmerkmalen bei der Tötung. § 211 StGB umfasst unter anderem die Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln. Definition der gemeingefährlichen Mittel ist folgende:
"Gemeingefährlich sind Mittel, deren Wirkung auf Leib oder Leben einer Mehrzahl anderer Menschen, der Täter nach den konkreten Umständen nicht in der Hand hat." (Lackner/Kühl, 28. Auflage München 2014, § 211 Rdn. 11)

Das Mordmerkmal ist unzweifelhaft bei einem solchen Fall gegeben, Vorsatz ebenfalls (Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung ist gegeben). Frage ist, ob er rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Der Tatbestand steht nicht zur Diskussion und wird im Übrigen von der zumindest juristischen "Schuldig"-Fraktion auch nicht bestritten. Wenn, dann kann er nur wegen Mordes verurteilt werden.
Kennedy2610 hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:33)

Die Diskussion dreht sich nun vielmehr darum ob dieses Recht richtig ist oder nicht. 86,9 % finden das Gesetz offenbar falsch.
Dann ist aber die Frage: Wie will man das denn beheben, ohne gegen die Menschenwürde zu verstoßen? Art. 1 GG ist unabänderlich. Die Menschenwürde kann nicht eingeschränkt werden, auch nicht mit 2/3-Mehrheit. Es bedürfte einer neuen Verfassung. Und selbst da ist fraglich, wie man sowas formulieren will.
Edmund
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Edmund »

odiug hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:47)
Nach einem Abschuss aus grosser Hoehe ist es in Deutschland wirklich nicht absehbar, ob das Flugzeug auf unbewohnten Gebiet aufschlaegt ... ausser vielleicht ueber dem Meer oder dem Osten von Mecklenburg Vorpommern.
Deshalb wäre es sinnvoll, wenn der Kampfpilot das Verkehrfsflug schon in der Luft nahezu pulverisieren würde, so dass maximal kleine Trümmerteile zu Boden fallen können.

Leider hat Herr Baum sich in der anschließenden Diskussion nicht zu der Menschenwürde dieser 70.000 Menschen im Stadion geäußert, obwohl Herr Jung ihn mehrfach darauf angesprochen hat. So wie ich Herrn Baum verstehe, ist er dazu bereit 70.000 Menschen bewußt zu Tode kommen zu lassen, obwohl man in der Lage wäre diese zu retten. Wie sich das mit der Menschenwürde dieser 70.000 Menschen in Einklang bringen lassen soll, hätte ich gerne von Herrn Baum gehört.
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jorikke
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von jorikke »

JJazzGold hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:41)

Das war wahrlich keine einfache Entscheidung.
Ich habe lange gebraucht, bis ich mich zu einem Urteil durchringen konnte und hätte gerne mehr Zeit für die Entscheidung gehabt.


Im Zuge der Befehlskette ist der Pilot schuldig.
Dagegen spricht, dass er zu dem ausgesuchten Personal gehört, von dem erwartet wird, dass er entgegen der Befehlskette den Abschuss vornimmt.

Leichter wäre mir die Entscheidung wahrscheinlich gefallen, wenn der verantwortliche Minister für seine Anweisung vor Gericht gestanden hätte.
Aber der schwieg. Hoffentlich haben wir im Ernstfall nie eine solche Flachpfeife, der seine Verantwortung schweigend delegiert.

In Betracht muss auch gezogen werden, dass eine unbewohnte Gegend für den Absturz der Maschine zur Verfügung stand.
Wäre die Maschine auf ein bewohntes Gebiet gestürzt, hätte das meine Entscheidung gegenteilig beeinflusst.

Letztendlich habe ich mich für die Sichtweise, "Das Wohl von Vielen, es wiegt schwerer als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen." entschieden und für "nicht schuldig" plädiert, aber mit deutlichen Bauchschmerzen.

Irritierend finde ich Baum, der mich mitsamt der Bevölkerung zu GG Deppen degradiert und mir eine gründlich abgewogene Entscheidung nicht zutraut.
Die Frage "schuldig oder nicht schuldig" drängt die Antwort automatisch in eine juristische Ecke. Dadurch wird, s. Baum, viel Wind um die Ecke geschaufelt.
Wieviel einfacher wäre doch die Frage - und auch die Antwort - ob der Pilot "richtig oder falsch" gehandelt hat.
Letztlich stellt v.Schirach eine moralisch/ethische Frage, keine juristische.
Wer will dann noch ernsthaft behaupten, der Pilot des Kampfjets hätte falsch gehandelt?
Wer will aber bei einer völlig richtigen Entscheidung noch abwägen ob der Abschuss im Nachhinein in juristischer Schönschrift abgesegnet wird.
Für Baum gilt der alte Juristen Spruch: Er wir ein Einser Jurist und auch sonst ein ziemliches Rindvieh.
Ach ja, bevor ich es vergesse, unschuldig, ohne jeden persönlichen Zweifel und moralische Bauchschmerzen.
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Billabong
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Billabong »

Ich möchte in keinem Staat leben, in dem Staazis das Recht haben, mein Flugzeug nach eigenem Ermessen abschiessen zu dürfen.
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schelm
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von schelm »

JJazzGold hat geschrieben:(17 Oct 2016, 22:58)

Mich hat das Szenario von Schirachs irritiert, der damit meines Erachtens eine "nicht schuldig" Entscheidung lancierte.
Da kann ich Sie beruhigen. Ich hab gestern bei " ttt " das Interview mit ihm zum Theaterstück / Film gesehen. Er stand da eindeutig auf Seiten der verfassungsrechtlichen Prinzipien.
Denk ich an D in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, Heinrich Heine.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Amtsschimmel »

Zur Argumentation des BVerfG sei übrigens gesagt: Sie beruft sich im Wesentlichen darauf, dass der Abschuss als staatliche Maßnahme der Menschenwürde zuwiderläuft. "Mit der Menschenwürde ist jener Wert- und Achtungsanspruch gemeint, der dem Menschen kraft seines Menschseins zukommt, unabhängig von seinen Eigenschaften, seinem körperlichen oder geistigen Zustand, seinen Leistungen oder seinem sozialen Status." (https://de.wikipedia.org/wiki/Menschenw ... gsgerichts) Die Menschenwürde ist unveräußerlich, man kann also auch nicht durch Einwilligung auf sie "verzichten", etwa indem man ein Flugzeug betritt. Das Gericht stellt im Einzelnen fest:
In der Situation, in der sich diese Personen in dem Augenblick befinden, in dem die Anordnung der unmittelbaren Einwirkung mit Waffengewalt auf das in den Luftzwischenfall verwickelte Luftfahrzeug gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 LuftSiG erfolgt, muss nach § 14 Abs. 3 LuftSiG davon auszugehen sein, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll. Das Luftfahrzeug muss, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, von denen, die es in ihre Gewalt gebracht haben, zur Angriffswaffe umfunktioniert worden sein (vgl. BT-Drucks 15/2361, S. 20 zu § 13 Abs. 1), es muss selbst von den Straftätern als Tatwaffe, nicht lediglich als Hilfsmittel zur Tatbegehung zielgerichtet gegen das Leben von Menschen verwandt werden (vgl. BTDrucks 15/2361, S. 21 zu § 14 Abs. 3), die sich in dem Bereich aufhalten, in dem das Luftfahrzeug zum Absturz gebracht werden soll. In dieser Extremsituation, die zudem durch die räumliche Enge eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs geprägt ist, sind Passagiere und Besatzung typischerweise in einer für sie ausweglosen Lage. Sie können ihre Lebensumstände nicht mehr unabhängig von anderen selbstbestimmt beeinflussen.

Dies macht sie zum Objekt nicht nur der Täter. Auch der Staat, der in einer solchen Situation zur Abwehrmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG greift, behandelt sie als bloße Objekte seiner Rettungsaktion zum Schutze anderer. Die Ausweglosigkeit und Unentrinnbarkeit, welche die Lage der als Opfer betroffenen Flugzeuginsassen kennzeichnen, bestehen auch gegenüber denen, die den Abschuss des Luftfahrzeugs anordnen und durchführen. Flugzeugbesatzung und -passagiere können diesem Handeln des Staates auf Grund der von ihnen in keiner Weise beherrschbaren Gegebenheiten nicht ausweichen, sondern sind ihm wehr- und hilflos ausgeliefert mit der Folge, dass sie zusammen mit dem Luftfahrzeug gezielt abgeschossen und infolgedessen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getötet werden. Eine solche Behandlung missachtet die Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten. Sie werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst schutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt.

Dies geschieht zudem unter Umständen, die nicht erwarten lassen, dass in dem Augenblick, in dem gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 LuftSiG über die Durchführung einer Einsatzmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG zu entscheiden ist, die tatsächliche Lage immer voll überblickt und richtig eingeschätzt werden kann. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass Verhaltensabläufe eintreten, die den Einsatz der Maßnahme nicht mehr erforderlich sein lassen. Nach den Erkenntnissen, die der Senat auf Grund der im Verfahren abgegebenen schriftlichen Stellungnahmen und der Äußerungen in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anordnung und Durchführung einer solchen Maßnahme stets mit der dafür erforderlichen Gewissheit festgestellt werden können.
Hier kann es nachgelesen werden: http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 35705.html (Rn. 123 ff.)
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Jekyll »

Billabong hat geschrieben:(17 Oct 2016, 23:16)

Ich möchte in keinem Staat leben, in dem Staazis das Recht haben, mein Flugzeug nach eigenem Ermessen abschiessen zu dürfen.
Und was, wenn du im Fußballstadion säßest...zusammen mit den anderen 69.999 Menschen?
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von JJazzGold »

jorikke hat geschrieben:(17 Oct 2016, 23:12)

Die Frage "schuldig oder nicht schuldig" drängt die Antwort automatisch in eine juristische Ecke. Dadurch wird, s. Baum, viel Wind um die Ecke geschaufelt.
Wieviel einfacher wäre doch die Frage - und auch die Antwort - ob der Pilot "richtig oder falsch" gehandelt hat.
Letztlich stellt v.Schirach eine moralisch/ethische Frage, keine juristische.
Wer will dann noch ernsthaft behaupten, der Pilot des Kampfjets hätte falsch gehandelt?
Wer will aber bei einer völlig richtigen Entscheidung noch abwägen ob der Abschuss im Nachhinein in juristischer Schönschrift abgesegnet wird.
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Ach ja, bevor ich es vergesse, unschuldig, ohne jeden persönlichen Zweifel und moralische Bauchschmerzen.
Mich beschäftigt schon die Frage, ob das Flugzeug tatsächlich punktgenau in der Allianz Arena gelandet wäre. Ob die Cockpitbesatzung noch auf ihren Sitzen sitzt, ließe sich ja feststellen und die hätte den Sinkflug ggfls. so steuern können, dass das Flugzeug über die Arena hinausgeschossen wäre.
Nichts desto trotz hätte die geräumt werden müssen und zwar so schnell wie möglich und unabhängig davon ob notwendig oder nicht.

Meiner Meinung nach hätte das Krisenmanagement und der zuständige Minister vor Gericht gehört.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt

https://www.youtube.com/watch?v=9FBu2rVuXGI
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Jekyll »

JJazzGold hat geschrieben:(17 Oct 2016, 23:00)

Ja, das wären sie, aber unser GG gibt vor, jedes Leben zu schützen.
Danke. Nun ja, die 70.000 da unten zählen auch. Hier bedeutete das Nichtabschießen eine größere Schuld als das Abschießen.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von JJazzGold »

schelm hat geschrieben:(17 Oct 2016, 23:17)

Da kann ich Sie beruhigen. Ich hab gestern bei " ttt " das Interview mit ihm zum Theaterstück / Film gesehen. Er stand da eindeutig auf Seiten der verfassungsrechtlichen Prinzipien.
D.h., er hat für schuldig gestimmt?
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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https://www.youtube.com/watch?v=9FBu2rVuXGI
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von schelm »

Billabong hat geschrieben:(17 Oct 2016, 23:16)

Ich möchte in keinem Staat leben, in dem Staazis das Recht haben, mein Flugzeug nach eigenem Ermessen abschiessen zu dürfen.
Andererseits möchte bestimmt auch niemand ernsthaft in ein vollbesetztes Stadion stürzen, wohlwissend selbst nicht rettbar zu sein, aber sich vieler zu verhindernder Opfer bewusst zu werden, weil man den Kampfjet im letzten Moment abdrehen sieht. Es gehört auch zur menschlichen Ethik, im Zweifelsfall sich aufzuopfern, um andere zu retten. Voraussetzung dafür ist gewöhnlich die eigne Entscheidung dazu. Ist hier leider nicht möglich. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, es im Vorfeld prinzipiell zu klären ? Wenn über 80 % für " unschuldig " stimmen, dann doch sicher auch, säße man selber in der Situation im Flieger, oder ? ;)
Denk ich an D in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, Heinrich Heine.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Billabong »

Jekyll hat geschrieben:(17 Oct 2016, 23:21)

Und was, wenn du im Fußballstadion säßest...zusammen mit den anderen 69.999 Menschen?
Dann habe ich ein Recht darauf rechtzeitig gewarnt bzw. evakuiert zu werden. Für was zahlt man denn Steuern?
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