Steuern und Finanzen
Steuern sind unbeliebt, aber notwendig, damit der Staat seine Aufgaben erfüllen kann. Bund, Länder und Gemeinden entscheiden und verfügen über "ihre" Einnahmen, von denen Teile auch an die EU gehen.
Lesenswerte Infos: "Informationen zur politischen Bildung", Nr. 288, 3. Quartal 2005
1. Abgrenzung von Steuern, Gebühren, Beiträgen
Der Oberbegriff ist "Abgaben". Diese teilen sich auf in
Steuern
Es besteht kein Anspruch auf eine Gegenleistung.
Gebühren
Unmittelbarer Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung.
o zB Verwaltungsgebühren beim Ausstellen eines Passes
o Benutzungsgebühren, zB Hafengebühren
Beiträge
Gegenleistungsangebot
zB Krankenkassenbeiträge [/list]
Geregelt sind die Unterscheidungen in der "Abgabenordnung" (AO).
2. Steuern
Steuern werden also ohne konkrete Gegenleistung erhoben und sind nicht zweckgebunden. Dem entsprechend kann zB die "Ökosteuer" auch überwiegend für die Senkung der Rentenbeiträge verwendet werden.
2.1. Direkte und indirekte Steuern
Jeder zahlt Steuern, direkte und indirekte. Drekte Steuern sind zB die Einkommensteuer und die Kraftfahrzeugsteuer, indirekte Steuern sind uA die Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer, die Mineralölsteuer oder die Tabaksteuer, welche im Endverbraucherpreis eines Produktes oder einer Dienstleistung enthalten sind.
2.2. Wer entscheidet über die Steuererhebung?
Deutschland als förderaler Bundesstaat regelt im Art. 105 Grundgesetz, wer (Bund oder Land) für die Erhebung der Steuern zuständig ist.
In Art. 106 GG findet sich die Etragskompetenz, also wem die Steuern zufließen. So gibt es Gemeinschaftssteuern, Bundessteuern, Ländersteuern und Gemeindesteuern.
2.3 Aufteilung der Steuereinnahmen
o Einkommensteuer (Bund 42,5%, Land 42,5%, Kommunen 15%)
o Körperschaft-/Ertagsteuern (Bund 50%, Land 50%)
o Umsatzsteuer (Bund 51,4%, Land 46,5%, Kommunen 2,1%)
o Zinsabschlagsteuer (Bund 44%, Land 44%, Kommunen 12%)
3. Kommunale Steuern
Die Kommunen sind überwiegend auf die Anteile am Steueraufkommen der Einkommens- und Umsatzsteuer angewiesen, das sich nach ihrer Einwohnerzahl richtet. Darüber hinaus fließen den Kommunen Einnahmen aus der Grundsteuer, der Gewerbesteuer und der Hundesteuer zu, für die die Kommunen die Steuererhebungskompetenz haben.
Sowohl die Grund- als auch die Gewerbesteuer werden über das sog. Hebesatzrecht erhoben. Es gibt feste Sockelbeträge, für die die Kommune einen prozentualen Hebesatz festsetzt, den die Steuerpflichtigen zu entrichten haben. Ein Gewerbesteuerhebesatz von 300% bedeutet also nicht, dass das Unternehmen das Dreifache seines Gewinns an Steuern abführen müsste - was unweigerlich zur schnellen Pleite führen würde - sondern es meint das Dreifache des Sockelsatzes. 2003 lag der bundesweite durchschnittliche Hebesatz bei 387%, seit 2004 muss er mindestens 200% betragen. um "Gewerbesteueroasen" zu vermeiden.
3.1 Grundsteuer
Die Grundsteuer teilt sich in Grundsteuer A (unbebaute Grundstücke) und Grundsteuer B (bebaute Grundstücke bzw. Bauland) auf und wird von den jeweiligen Eigentümern erhoben.
3.2. Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer sind die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Sie wird von den Unternehmen mit Sitz in der Kommune aufgrund deren erzielten Unternehmensgewinnes gezahlt und unterliegt daher größeren Schwankungen, je nach Konkunkturverlauf und individueller Unternehmensentwicklung.
Die Gewerbesteuer ist in Europa einzigartig und steht daher massiv in der Kritik. Nicht nur, weil Freiberufler (Ärzte, Apotheker, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte) sie nicht zahlen müssen - die zahlen Einkommensteuer - sondern weil sie angeblich ausländische Unternehmen von der Investition abhalte. Als Alternative wird zB diskutiert, den Kommunen ein Hebesatzrecht auf die Umsatz- und/oder Einkommensteuer zu geben. Vor allem die kommunen lehnen das ab und pochen auf ihr eigenständiges Steuererhebungsrecht und bevorzugen die Ausweitung der Gewerbesteuer auch auf die Freiberufler.
4. Haushalt
Öffentliche Haushalte werden nach bestimmten Grundsätzen aufgestellt, die im Grundgesetz, im Haushaltsgrundsätzegesetz und in der Bundeshaushaltsordnung festgelegt sind.
4.1. Haushaltsgrundsätze
4.1.1 Grundsatz der Einheit und Vollständigkeit
Alle Einnahmen und Ausgaben müssen in den Haushalt eingestellt werden; es darf also keine "Nebenhaushalte" geben.
4.1.2 Grundsatz des Haushaltsausgleichs
Der Haushaltsplan muss für den gesamtbetrag des Ausgaben die erforderliche Deckung aus Einnahmen und Krediten ausweisen.
4.1.3 Jährlichkeitsgrundsatz
Der Haushaltsplan wird nach Jahren getrennt aufgestellt und in einem Haushaltsgesetz festgeschrieben. Auf kommunaler Ebene nennt man die von dort erlassenen Gesetze Satzungen; entsprechend gibt es dort Haushaltssatzungen.
4.1.4 Grundsatz der Vorherigkeit
Der Haushalt muss als Gesetz beschlossen und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht sein, bevor das betreffende Haushaltsjahr beginnt.
4.1.5 Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
Wirtschaftlich haushalten heißt, ein bestimmtes Ergebnis mit geringstmöglichen Mitteln zu erreichen - oder mit einem bestimmten Einsatz finanzieller Mittel das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
4.1.6 Grundsatz der Gesamtdeckung
Alle Einnahmen dienen grundsätzlich zur Finanzierung aller Ausgaben.
4.1.7 Grundsatz des Bruttoprinzips
Alle Einnahmen und Ausgaben müssen in voller Höhe eingestellt werden. Ausgaben für Straßenbau dürfen also nicht als Nettoausgaben (also nach Abzug des Mineralölsteueraufkommens) veranschlagt werden. In diesem Fall wäre nämlich eine (verbotene) Zweckbindung offensichtlich.
4.1.8 Grundsatz der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit
Im Haushalt dürfen keine Unklarheiten bestehen, nichts darf offen gelassen werden. Aus diesem Grund ist der Haushaltsplan auch gegliedert, und zwar in einen
o Ministerialplan
Hier werden Einnahmen und Ausgaben nach dem jeweiligen Ressort gegliedert.
o Gruppierungsplan
Hier werden die Einnahmen und Ausgaben nachr Arten, ZB Steuereinnahmen, Personalausgaben, geordnet.
o Funktionenplan
Dieser unterscheidet nach Aufgaben zB nach Bildung und Forschung.
4.2. Nachtragshaushalt
Wenn die Einnahmen oder Ausgaben erheblich abweichen vom Haushaltsplan, ist ein Nachtragshaushalt erforderlich. Denn nicht die Regierung bzw. die Verwaltung kann dann einfach entscheiden, welche Einsparungen sie vornimmt oder welche Einnahmen sie erhöht, denn das ist originäres Recht des Parlaments. Das Parlament sagt WAS, die Verwaltung sagt, WIE. Der Nachtragshaushalt unterliegt den selben Grundsätzen, wie der "normale" Haushalt, nur dass er eben nicht für ein ganzes Jahr gilt, sondern für die Restperiode des ursprünglichen Haushalts.
Annex: Doppik
Neben der bisher üblichen Kämeralistik führen inzwischen immer mehr Kommunen und Kreise die Prinzipien der doppelten Buchführung (kurz: Doppik) ein. Die Einführung des doppischen Rechnungswesens in den Kommunalhaushalten soll Politik und Verwaltung eine bessere Steuerung ermöglichen. Betriebswirtschaftliche Instrumente kommen in den Kommunalverwaltungen zunehmend zum Einsatz, um Haushaltsstrukturen transparent zu machen und Einsparpotenziale aufzuzeigen. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass damit auch der Werteverzehr erfasst und abgebildet wird (wie Abschreibungen) und man über die Entwicklung der Vermögensbilanz von Jahr zu Jahr ablesen kann, wie sich die Finanz- und Vermögenslage der Kommune entwickelt.
5. Verschuldung
Nicht immer reichen das Steueraufkommen und die Einnahmen aus Abgaben, um die Ausgaben zu decken. Also nimmt der Staat immer wieder Kredite auf - eine folgenreiche Einnahme, das sie in der Zukunft für steigende Ausgaben für Zinsen und Tilgung sorgt.
5.1 Schuldenstand
Am höchsten ist zur Zeit der Bund verschuldet (61%), es folgen die Länder (33%) und die Kommunen (6%).
o Aktueller Stand: 1.461.136.358.978 EUR
o Schuldenzuwachs pro Sekunde: 1.714 EUR
o Verschuldung pro Einwohner: 17.703 EUR
5.2. Maastricht-Kriterien
Der Schuldenstand der öffentlichen Haushalte wird in einer Schuldenquote gemessen, die die Schulden auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bezieht. Nach den sog. "Maastricht-Kriterien" darf die Schuldenquote nicht höher sein, als 60% des BIP, die jährliche neuverschuldung darf in der Regel maximal 3% des BIP betragen.
6. Grundsätze eines "guten" Steuersystems nach Adam Smith
Der berühmte Wirtschaftstheoretiker Adam Smith hat bereits 1776 in seinem Buch "The Wealth of nations" Forderungen an ein "gutes" Steuersystem aufgestellt, die noch heute Gültigkeit haben:
o Wohlfeilheit
o Bequemlichkeit
o Bestimmlichkeit
o Gleichheit.
6.1. Wohlfeilheit (=Effizienz)
Der Staat muss bei der Erhebung der Steuern darauf achten, dass die Kosten hierfür nicht zu hoch werden.
6.2. Bequemlichkeit (=Angemessenheit)
Auch müsse der Staat die negativen ökonomischen Reaktionen der Bürger in Grenzen halten; die Steuererhöhung soll sich also nicht hemmend auf die Wirtschaft auswirken. Denn bei immer weiter steigender Steuerbelastung sind die Bürger zunehmend unwillig, für mehr Geld auch mehr zu arbeiten, weil ihnen ja netto - also nach Abzug der Steuern und Sozialbeiträge - immer weniger Mehrverdienst bleibt. Und muss ein Unternehmen soviel Steuern zahlen, dass von seinem Gewinn wenig bis gar nichts mehr übrig bleibt, ist es nicht mehr in der Lage zu investieren und so neue Arbeitsplätze zu schaffen oder die bestehenden zu erhalten.
6.3. Bestimmtheit (=Nachvollziehbarkeit)
Die Steuergesetze und die Steuerverwaltung sollen für jeden Nachvollziehbar sein.
6.4. Gleichheit (=Gleichmäßigkeit)
Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung war für Smith eine der wichtigsten Forderungen. Die Steuerzahler sollen die Art und Höhe der Steuern als fair erachten und sie deshalb auch auf politischer Ebene akzeptieren, weil die Regeln transparent und frei von Willkür sind.
mentes Wissensecke: Steuern und Finanzen
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mentes Wissensecke: Steuern und Finanzen
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- John Galt
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Re: mentes Wissensecke: Steuern und Finanzen
Guter Beitrag
Frage:
Gibt es irgendwo eine Prognose über das Aufkommen der Abgeltungssteuer?

Frage:
Gibt es irgendwo eine Prognose über das Aufkommen der Abgeltungssteuer?
Civilization is the progress toward a society of privacy. The savage’s whole existence is public, ruled by the laws of his tribe. Civilization is the process of setting man free from men.
Re: mentes Wissensecke: Steuern und Finanzen
nein, aber unterm strich wird das steueraufkommen definitiv abnehmen.atompussy hat geschrieben: Frage:
Gibt es irgendwo eine Prognose über das Aufkommen der Abgeltungssteuer?
diejenigen, die hohe persönliche steuersätze haben, werden nun einen geringeren steuersatz für diese art einkünfte zahlen.
diejenigen, deren persönlicher steuersatz unter dem abgeltungssteuersatz liegt, können im jahresausgleich das zuvielgezahlte per veranlagungswahlrecht wieder zurückholen.
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- John Galt
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Re: mentes Wissensecke: Steuern und Finanzen
Das denke ich auch. Mit den Zahlen von 2009 kann man das wohl ausrechnen.lostsoul hat geschrieben: nein, aber unterm strich wird das steueraufkommen definitiv abnehmen.
diejenigen, die hohe persönliche steuersätze haben, werden nun einen geringeren steuersatz für diese art einkünfte zahlen.
diejenigen, deren persönlicher steuersatz unter dem abgeltungssteuersatz liegt, können im jahresausgleich das zuvielgezahlte per veranlagungswahlrecht wieder zurückholen.
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Re: mentes Wissensecke: Steuern und Finanzen
Im Gesetzentwurf geht man für 2009 von Mindereinnahmen von ca. 320 Mio. Eur aus. Langfristig wird mit Mindereinnahmen von durchschnittlich 1,3 Milliarden Euro pro Jahr gerechnet. Ob die Abschaffung der Spekulationsfrist dort einberechnet ist kann ich nicht erkennen.
- jmjarre
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Re: mentes Wissensecke: Steuern und Finanzen
Ich schätze 50% mehr als die Kapitalertragssteueratompussy hat geschrieben:Guter Beitrag![]()
Frage:
Gibt es irgendwo eine Prognose über das Aufkommen der Abgeltungssteuer?
Strang über die SED und deren Stasi Aktivitäten -neueste Enthüllungen...Hier:
http://www.politik-forum.eu/viewtopic.php?f=20&t=39858
http://www.youtube.com/watch?v=uDvsezvR7LA
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