schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Jan 2021, 20:09)Ich sehe zunächst einmal einfach nur, dass es diesen allgemeinen EU-Konsens nicht gibt. Aus ganz verschiedenen politischen und sonstigen Motiven nicht. Den gibt es nicht. Nicht in Polen. Nicht in Frankreich. Nicht in den Niederlanden oder sonstwo in der EU.
Klar. Es wird Konkurrenz- und Unterbietungsstrategien geben solange es freien Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr auf der einen Seite und einen jeweils national organisierten Rechtsstaat auf der anderen Seite gibt. Das föderale Durcheinander haben wir aber auch schon in Deutschland selbst. Aber mal ehrlich: Ist das wirklich so schlimm? Ist das wirklich das Problem? Ein wirkliches Problem ist die Gemeinsame Agrarpolitik der EU. Um nicht zu sagen: Eine Katastrophe! Und zwar nicht nur für die EU selbst.
Es begeistert mich, dass junge Software-Unternehmen aus Talinn, Riga, Prag oder Brno ohne Probleme in der EU Fuß fassen und erfolgreich ihre Produkte vermarkten können. Oder dass meine Kinder ohne weiteres irgendwo in Lyon oder Kopenhagen studieren können. Oder dass ich ein Grundstück in einem EU-Land erwerben kann. Und ich muss von Zeit zu Zeit in ein komplett anderes Land. Mit anderer Sprache, anderen Produkten, anderem Outfit und möglichst auch anderer Währung. Einfach um Luft holen zu können. Polen ist das in meinem Fall. Mehr will ich von der EU nicht. Ich will keine Vereinigten Staaten! Wirklich nicht! Und wenn ich das schon sage, als überzeugter Kosmopolit ....
Dann sind wir auf diesem Feld eben unterschiedlicher Meinung. Mich überzeugt die EU in der Form überhaupt nicht, obwohl ich die schon erreichten Annehmlichkeiten vermutlich stärker nutze als viele andere Gesprächsteilnehmer. Ich möchte gern eine wetterfeste Gemeinschaft, die auch noch aufkommenden Stürmen stand hält. "America first!" war erst ein sehr kleiner Vorgeschmack davon, was uns in Europa bevorsteht. Wenn es keine Klammer gibt, die uns zusammen hält, dann bröckelt das Kunstwerk EU auseinander.
Immerhin hat die EU gemeinschaftlich den Sirenengesängen des BREXIT widerstanden, hat sie Griechen, Spanier und Italiener in der Union halten können, als es denen vermeintlich oder wirklich ziemlich dreckig ging. Dort ist aber politisch etwas geschehen, das ich mit fehlgeschlagener Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik zu Lasten der Gemeinschaft bezeichne. Die Gemeinschaft wird zusammen gehalten, weil sie diese Fehlleistungen finanziert. Dabei müßte sie aber auf Reformen in diesen Staaten drängen, die Fehlleistungen dieser Art abstellen. Irgendwann werden die "sparsamen 6" diesen Sündern einen Vogel zeigen... spätestens dann, wenn die Nachteile für ihre Gemeinwesen insgesamt die Vorteile sehr deutlich überholen.
Die polnische Regierung hat voller Befürchtungen eingelenkt, als ihr klar wurde, daß die EU wirklich Ernst macht und ihre Wohltaten ausbleiben könnten. Ich finde eine solche "Realpolitik" zum Brechen. So lange bei den Nettozahlern insgesamt die Kasse stimmt, wird das auch weiter so gehandhabt. Wenn nicht, dann kommt der Urknall.