H2O hat geschrieben:(21 Jan 2022, 11:36)
Die geostrategische Ausrichtung des Projekts NS2 stellt doch niemand infrage. Sie ist auch beidseitig gewollt, um nur noch von Rußland abhängig zu sein, nachdem es Leute gab, die am Gashahn der Überlandleitungen herumgefummelt hatten. Insofern ganz vernünftig. Nur übernehmen D und die Westliche EU damit Verantwortung, daß Rußland nun nicht seinerseits Spielchen mit der Energieversorgung inszeniert.
Daß Erdgas nur als Brücke zur Vollversorgung mit grüner Energie zu sehen ist, das hatte ja sogar die konservative deutsche Regierung so festgelegt. Daran ist gar nix "grün"; was die EU-Kommission dabei reitet, das weiß der Teufel! Nun wird vom Bund angestrebt, die CO2-Neutralität früher zu erreichen. Das ist sehr vernünftig, politisch gesehen und gut gegen die weitere Erderwärmung.
Ja die Erzählungen. Worüber man sich gefälligst wie zu begeistern hat.
Im Zusammenhang mit Nord Stream 2 muss unbedingt an das gigantische Projekt "Sojus" erinnert werden. Nicht das Raumfahrzeug. Sondern die bis dato größte Erdgasleitung der Welt. Von der Region Orenburg am Ural bis zur Westgrenze der Ukraine. Und von dort über die "Transgas-Pipeline" über die Slowakei nach Österreich und Deutschland. Und von dort nach ganz Westeuropa. Der größte Teil des ukrainischen Abschnitts nannte sich "Druschba-Trasse" und wurde zu einem der größten Kultur- und Propaganda-Objekte der DDR-Zeit gemacht. Die FDJler und sonstigen staatsnahen jungen Leute sahen sich als "Trasniks". "An der Trasse" war ein geflügeltes Wort. Aus meiner heutigen Sicht sollte da so etwas wie eine pseudoromantische Go-East-Bewegung anlehnend an den Go-West-Slogan in Amerika propagiert werden. Trassenarbeiter, die in Schmutz und Schlamm neues Terrain erschließen und abends am Lagerfeuer Soljanka essen und Oktoberclub-Songs mit Gitarre anstimmen.
In
Wirklichkeit war das Projekt Sojus und die Druschba-Trasse nichts als ein riesiges Devisen-Geschäft mit Westeuropa, um die Breshniew-UdSSR am Leben zu halten. Und natürlich auch, um den Energiebedarf Westeuropas zu sichern. Man sollte sich als junger Mensch - aber natürlich nicht nur als junger Mensch - grundsätzlich auf
nichts einlassen. Sie erzählen dir alles mögliche. Lass dich auf
nichts ein!
Wenn man sich für den Fortbestand des Gastransfers durch die Ukraine einsetzt, sollte man sich zumindest kulturhistorisch darüber im Klaren sein, dass man sich damit für eines der bedeutsamsten Projekte des SED-FDJ-Verbunds der DDR einsetzt.
Und darüber hinaus ist natürlich auch die "Sojus-Pipeline" - zumindest zu seiner Entstehungszeit - das weltgrößte Projekt seiner Art. In der Tradition Lenins und Stalins musste alles unbedingt "groß" und bedeutend und mit viel Beton sein: Staudämme, Raketenstartplätze, Raumstationen, Fusionskraftwerke, Denkmäler.
Und sich überlegen, ob der "Systemwettbewerb" nicht vielleicht eher durch einen Rückzug von dieser Ideologie der Naturbeherrschung erreichbar ist. Und durch eine Hinwendung zum Einzelnen, Regionalen, Minimalistischen, Zurückhaltendem.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)