Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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Wähler
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

SZ 18. Oktober 2019 Die Besetzung der neuen EU-Kommission kommt nicht recht voran
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu- ... -1.4646584
"Die vergangenen Wochen haben das Vertrauen der Fraktionen untereinander beschädigt. So heißt es aus der liberalen Renew-Fraktion, man erwarte von Sozial- und Christdemokraten "vertrauensbildende Zeichen", um nach deren Veto gegen die liberale Goulard wieder konstruktiv zusammenarbeiten zu können. Am Montag reist von der Leyen nach Straßburg, um Gespräche zu führen: mit einzelnen Abgeordneten, mit Ausschussvorsitzenden, mit Parlamentariern bestimmter Landesgruppen."
Nicht nur die Briten tun sich mit der Entscheidungsfindung schwer. ;)
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(19 Oct 2019, 13:23)

SZ 18. Oktober 2019 Die Besetzung der neuen EU-Kommission kommt nicht recht voran
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu- ... -1.4646584
"Die vergangenen Wochen haben das Vertrauen der Fraktionen untereinander beschädigt. So heißt es aus der liberalen Renew-Fraktion, man erwarte von Sozial- und Christdemokraten "vertrauensbildende Zeichen", um nach deren Veto gegen die liberale Goulard wieder konstruktiv zusammenarbeiten zu können. Am Montag reist von der Leyen nach Straßburg, um Gespräche zu führen: mit einzelnen Abgeordneten, mit Ausschussvorsitzenden, mit Parlamentariern bestimmter Landesgruppen."
Nicht nur die Briten tun sich mit der Entscheidungsfindung schwer. ;)
An den bisher durchgeführten Prüfungen und Zurückweisungen kann ich keinen Makel erkennen. Man kann der neu zu bildenden Kommission doch nicht vorhalten, daß einige Partner versuchen, für sie national untragbare Kandidaten in der Kommission gut unter zu bringen. Wie gut, daß ein europäisches Parlament solchen Gelüsten erkennbare Riegel vorschiebt!
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Julian
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

Kaum bemerkt von den meisten EU-Bürgern, ist die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit den Westbalkanstaaten, insbesondere Albanien und Mazedonien (welches sich extra deswegen in Nordmazedonien umbenannt hatte) auf unabsehbare Zeit gescheitert - im wesentlichen aufgrund des Vetos Frankreichs.

Man wird sehen, welche Mächte sich stattdessen geopolitisch für diesen Raum interessieren werden, etwa die Vereinigten Staaten, Russland, China oder die Türkei.
So hat Jean-Claude Juncker sich seinen Abschied sicher nicht vorgestellt. Sichtlich verbittert stand der scheidende EU-Kommissionschef am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel vor den Journalisten.

Ein «historischer Fehler» sei das, wetterte Juncker gegen die Gipfel-Entscheidung der Staats- und Regierungschefs. Die hatten sich nicht darauf einigen können, Gespräche mit Nordmazedonien und Albanien über einen künftigen EU-Beitritt zu starten. Und den Schwarzen Peter hatte vor allem einer: der französische Präsident Emmanuel Macron.

Sechs Stunden hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen gestritten - doch es habe nicht für eine gemeinsame Position gereicht, bedauerte auch Merkel. Juncker, der in wenigen Wochen sein Amt an Ursula von der Leyen übergibt, sieht deshalb die Glaubwürdigkeit der EU beschädigt. «Wenn wir respektiert werden wollen, müssen wir unsere Versprechen erfüllen», mahnte er.

Eigentlich hatten die EU-Staaten der Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Albanien und Nordmazedonien bereits 2018 grundsätzlich zugestimmt - aber zunächst weitere Reformfortschritte gefordert. Die EU-Kommission, Deutschland und die meisten anderen EU-Staaten sehen diese erfüllt. Doch Macron - zusammen mit den Niederlanden und Dänemark - blockierte beim Gipfel und löste damit heftige Reaktionen aus.
https://www.stimme.de/deutschland-welt/ ... 95,4266029
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Julian hat geschrieben:(21 Oct 2019, 21:42)

Kaum bemerkt von den meisten EU-Bürgern, ist die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit den Westbalkanstaaten, insbesondere Albanien und Mazedonien (welches sich extra deswegen in Nordmazedonien umbenannt hatte) auf unabsehbare Zeit gescheitert - im wesentlichen aufgrund des Vetos Frankreichs.

Man wird sehen, welche Mächte sich stattdessen geopolitisch für diesen Raum interessieren werden, etwa die Vereinigten Staaten, Russland, China oder die Türkei.
Die Balkanstaaten dürfen sich gerne mit den USA (sicher nicht unter Trump), Russland, China oder der Türkei verbünden. Alles Gute für die Zukunft! Die EU kann auch weiterhin auf diese bettelarmen, korrupten und nationalistischen Staaten verzichten und sollte sich endlich der überfälligen zukünftigen Ausrichtung der EU widmen. Die Vorschläge dafür liegen seit einiger Zeit auf dem Tisch. Liegt es tatsächlich nur am Brexit dass es bei diesem Thema nicht weitergeht?
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(22 Oct 2019, 09:37)

Die Balkanstaaten dürfen sich gerne mit den USA (sicher nicht unter Trump), Russland, China oder der Türkei verbünden. Alles Gute für die Zukunft! Die EU kann auch weiterhin auf diese bettelarmen, korrupten und nationalistischen Staaten verzichten und sollte sich endlich der überfälligen zukünftigen Ausrichtung der EU widmen. Die Vorschläge dafür liegen seit einiger Zeit auf dem Tisch. Liegt es tatsächlich nur am Brexit dass es bei diesem Thema nicht weitergeht?
Auf diesen Bewerbern würde ich nun nicht herum trampeln. Es ist ja wahr, daß sie in ihrer gesellschaftlichen Entwicklung weit vom Standard der EU-Gründungsmitglieder entfernt sind. Mit der Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in die EU hat man von 20 Jahren einen Fehler gemacht. Man hätte diese Länder eng an die wirtschaftliche Entwicklung Europas anhängen sollen und beobachten müssen, wie nahe sie unserer gesellschaftlichen Entwicklung gekommen sind. Erst dann hätte man ihnen eine Mitgliedschaft anbieten sollen. In dem Prozeß fehlt mir auch eine Bürgerbeteiligung der Mitgliedstaaten, wie das in jedem Sportverein bei Neuaufnahmen üblich ist. Von den auf zu nehmenden Staat erwarte ich eine 2/3-Mehrheit für die Aufnahme und die Aufnahmebedingungen.

Vielleicht sollte man die EU nach solchen Gesichtspunkten neu aufsetzen, etwa ein Kerneuropa innerhalb der EU mit 2/3-Zustimmung jedes Mitglieds im Kern.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von TheManFromDownUnder »

H2O hat geschrieben:(22 Oct 2019, 10:20)



Vielleicht sollte man die EU nach solchen Gesichtspunkten neu aufsetzen, etwa ein Kerneuropa innerhalb der EU mit 2/3-Zustimmung jedes Mitglieds im Kern.
Es geht nicht um herumtrampeln. Aber objektivgesehen sollten Laender wie Albanien und Nord Mazedonien keine EU Vollmitgliedschaft bekommen.

Ich war ueberrrascht und irgendwie auch erschuettert als ich diesen September in und um Muenchen herum mich aufhielt und Deutsch nicht die Hauptsprache war, die man auf der Strasse hoerte. Rumaenen, Bulgaren ueberall! Einheimische schildern nach ein paar Biere die Probleme! Meine Nichte sah auf dem Marienplatz wie ein Taschendieb agierte (sie beschrieb ihn als dark looking fellow). Sie ist Aussie born. In Freising kam es mir vor als waere jeder 2 Mensch auf der Strasse kein Einheimischer. Von den maennlichen Bulgaren oder was auch immer sie sind ging eine deutliche Agression hervor.

Happy to be in Australia!


Andrsrum erfuhr ich das es in Deutschland keine Alterspflege gaebe ohne Bulgarinnen und Rumaeninnen. Quasi unangenehme und unterbezahlte Jobs machen die Balkanesen. Aber das kann doch nicht der Sinn der EU sein.

Man koennte diesen Laendern eine Assoziation anbieten, der ihnen wirtschaftlich hilft sich auf di eigenen Fuesse zu stellen aber nicht den freien Personenverkehr innerhalb der EU
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(22 Oct 2019, 11:55)

...

Man koennte diesen Laendern eine Assoziation anbieten, der ihnen wirtschaftlich hilft sich auf di eigenen Fuesse zu stellen aber nicht den freien Personenverkehr innerhalb der EU
Die EU sieht solche Möglichkeiten vor! Die Türkei hat einen solchen Assoziierungsvertrag, der ihr Marktzugang und Teilnahme an Förderungsprogrammen der EU (Jugendaustausch, Studienplätze...) gewährt, aber die Einreise in die EU nur mit Visum. Einfach so einreisen geht da nicht. Inzwischen hat die Türkei sich in ihrem Staatsgebaren weit von der EU fortentwickelt... eine EU-Mitgliedschaft ist so nicht vorstellbar.

Aber eine solche Übergangsregelung könnte man den Balkanstaaten in gleicher Weise anbieten, und dann muß man sehen. Dazu könnte die EU eine Beobachtergruppe einrichten, die sich jährlich einige Monate im Land eines Bewerbers aufhält und dort den Alltag der einfachen und mittleren Bürger beobachtet.
Die könnten dann signalisieren, daß die Gesellschaft des Bewerberlandes beitrittsreif ist.

Und dann natürlich mit Volksabstimmung 2/3 im Land des Bewerbers und Mehrheit auf EU-Ebene. So etwas wie BREXIT möchte ich nicht wieder erleben!
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Orbiter1
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(22 Oct 2019, 11:55)

Es geht nicht um herumtrampeln. Aber objektivgesehen sollten Laender wie Albanien und Nord Mazedonien keine EU Vollmitgliedschaft bekommen.
Es reicht ja schon die Visafreiheit. Die hat dazu geführt das 2015/16 über 200.000 Albaner/Kosovaren Asyl in Deutschland beantragt haben und mit Mrd-Beträgen versorgt wurden. Bei so einem exzessiven Mißbrauch der Visafreiheit hätte man diesen Ländern die Visafreiheit für mindestens die nächsten 25 Jahre entziehen müssen. EU-Mitgliedschaft kommt schon gar nicht in Frage. Ein Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen das vor allem wesentliche Vorteile im wirtschaftlichen Bereich bietet ist mit Nordmazedonien schon seit 2004 und mit Albanien seit 2009 in Kraft.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Atue001 »

Die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen ist etwas ganz anderes, als der bevorstehende Beitritt. Das Verfahren für die Türkei läuft schon eine Weile.....

Eröffnet man die Verhandlungen aber, hat die EU auch eine Möglichkeit ziemlich aktiv darauf hinzuwirken, dass rechtsstaatliche Prinzipien in den Beitrittskandidaten gestärkt, und sukzessive an die EU herangeführt werden.
Eine Garantie darauf gibt es nicht - man sollte sich aber klar machen, dass über viele Jahre hinweg der Beitrittsprozess auch in der Türkei zu recht positiven Entwicklungen geführt hat! Auch wenn vieles davon heute auch wieder in Frage steht oder auf den Kopf gestellt wurde.

Ohne eine Beitrittsperspektive stellt sich für Nordmazedonen und Albaner auch die Frage, wieso sie nicht versuchen sollten, als Wirtschaftsflüchtlinge in die EU zu kommen. Der Druck wird sich kaum unterscheiden - und wenn die EU zu restriktiv mit diesen Ländern umgeht, kann es auch passieren, dass radikale Kräfte gestärkt werden, oder sich Rußland oder China als "Partner" anbieten. Das kann auch nicht im Interesse der EU sein.
Auch der Schutz der Außengrenzen der EU geht leichter, wenn man diese Länder mit an Bord hat, als ohne diese.

In der Signalwirkung ist die Ablehnung der EU für diese Länder fatal. Ich hätte mir es anders gewünscht, auch wenn ich die Skepsis bezüglich der Beitrittsfähigkeit durchaus verstehen kann. Nur - kann die EU jetzt in gleicher Weise auf die Länder einwirken und positive Reformen einfordern wie wenn der Beitrittsprozess anlaufen würde? Wohl kaum!

Im Prinzip hat die EU recht gute theoretische Prozesse, wie aus einem Beitrittskandidat ein erfolgreiches EU-Mitglied werden kann. Schwierig wird es eigentlich erst dann, wenn man aus politischen Gründen alle möglichen Augen zudrückt, und dann ein Land zu früh aufnimmt. DAS hat man meiner Ansicht nach bei Bulgarien und Rumänien so gemacht - aber man hätte diesen Fehler ja nicht bei Albanien und Mazedonien wiederholen müssen.
Im Prinzip ist die EU mit den aktuellen Vertragswerken auch auf weitere Beitrittskandidaten vorbereitet. Die aktuellen Verträge sehen Mehrheitsentscheidungen vor. Ob es nun 20, 27, 28 oder auch 30 Länder sind, macht da keinen so arg großen Unterschied. In der Praxis liegen die Probleme aber darin, dass die Verträge nicht ausgenutzt werden - Mehrheitsentscheidungen sind verpönt. Im Prinzip sehen die Verträge auch schon vor, dass man ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten (bezüglich der einheitlichen Prozesse) zulässt - in der Praxis wird auch dieses Prinzip nur wenig genutzt.
Nicht die Verträge sind schlecht - schlecht ist noch immer, dass zu viele Staaten sich zu wenig auf den in den Verträgen bereits vorgesehenen Prozess der Kohärenz einlassen.

"Mein Land FIRST" ist derzeit eine durchaus weltpolitische Stimmungslage die starke Zustimmung erfährt - für internationale Projekte wie das der EU ist so etwas nicht gerade zuträglich.

Nur: "Mein Land FIRST" will keiner mehr, wenn es beispielsweise um die schädlichen Folgen des Klimawandels geht, um außenpolitische Bedrohungen, oder um Terror, Handelsbeschränkungen, Schwachwährungen, schlechte Wirtschaftsbeziehungen etc. etc. etc......

Eine vernünftige Politik für die EU wäre: "Europe FIRST" - Länder, die diese Politik verfolgen, werden auch sehr aufgeschlossen gegenüber dem Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien sein. "Europe FIRST" würde aber auch für diese Länder konsequenterweise bedeuten, dass sie erst dann und genau dann aufgenommen werden, wenn sie TATSÄCHLICH und nicht nur nach den Buchstaben die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Emin »

Orbiter1 hat geschrieben:(22 Oct 2019, 12:49)

Es reicht ja schon die Visafreiheit. Die hat dazu geführt das 2015/16 über 200.000 Albaner/Kosovaren Asyl in Deutschland beantragt haben und mit Mrd-Beträgen versorgt wurden. Bei so einem exzessiven Mißbrauch der Visafreiheit hätte man diesen Ländern die Visafreiheit für mindestens die nächsten 25 Jahre entziehen müssen. EU-Mitgliedschaft kommt schon gar nicht in Frage. Ein Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen das vor allem wesentliche Vorteile im wirtschaftlichen Bereich bietet ist mit Nordmazedonien schon seit 2004 und mit Albanien seit 2009 in Kraft.
Ich habe durchaus gute Kontakte in diese beiden Länder und kann dir sagen, das war für die Balkaner ein historischer Tag, aber im negativen Sinne. Die EU hat sich quasi die gesamte Glaubwürdigkeit verspielt. Auch die Serben sehen keinen Sinn mehr darin EU-Forderungen nachzugeben, wenn sie am Ende nur abgewatscht werden. Man kann nur hoffen, dass Deutschland dort noch etwas rettet, sonst ist diese Region dauerhaft als europäisches Einflussgebiet verloren. Wie viele Flüchtlinge das dann in Zukunft verursachen wird kannst du dir selbst ausmalen.
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Emin
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Emin »

Orbiter1 hat geschrieben:(22 Oct 2019, 09:37)

Die Balkanstaaten dürfen sich gerne mit den USA (sicher nicht unter Trump), Russland, China oder der Türkei verbünden. Alles Gute für die Zukunft! Die EU kann auch weiterhin auf diese bettelarmen, korrupten und nationalistischen Staaten verzichten und sollte sich endlich der überfälligen zukünftigen Ausrichtung der EU widmen. Die Vorschläge dafür liegen seit einiger Zeit auf dem Tisch. Liegt es tatsächlich nur am Brexit dass es bei diesem Thema nicht weitergeht?
Der sicherste Weg diese Region nationalistisch, kriegsgefährdet, und arm zu halten ist es ihnen die europäische Perspektive zu versperren.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Atue001 »

Worin bitte sollte auch die zukünftige Ausrichtung der EU bestehen, wenn nicht die Staaten rund um die EU möglichst als Pufferzone mit hoher Stabilität und starker wirtschaftlicher Anbindung zu haben?

Sich auf Dauer unsichere Unruheherde in der Nachbarschaft zu halten, kann allenfalls das Konzept eines außenpoltischen Narrens sein!
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Heute früh im DLF: Kroatien beklagt die Abwanderung seiner jungen gut ausgebildeten Leute, seit das Land EU-Mitglied ist.

Hier wird nun geklagt, daß uns aus den nicht zum Beitrittsverfahren zugelassenen Balkanländern wahre Flüchtlingswellen bevorstehen.

Hatten wir nicht auch Flüchtlingswellen aus dem Kosovo, wo die Flüchtenden Haus und Hof versetzten, um in der EU endlich ein besseres Leben führen zu können? Diese Menschen wurden als Wirtschaftsflüchtlinge in den Kosovo zurück geführt.

Aus diesen Erfahrungen heraus verlieren die Drohungen mit "Flüchtlingswellen" aus Balkanstaaten doch sehr an Glaubwürdigkeit. Im Gegenteil setzt die Freizügigkeit in der EU erst die jungen Leute in neuen Mitgliedsstaaten in Bewegung.

Was kann die EU tun? Die EU kann in der Vorbereitungszeit für eine Mitgliedschaft versuchen, durch Investitionen in diesen armen Ländern bessere Arbeitsplätze zu schaffen, die Anreize zur Abwanderung in reichere EU-Länder mindern. Denn auf Dauer kann es auch nicht das Ziel der EU sein, daß einige wenige sehr erfolgreiche Länder immer mehr arme und wirtschaftlich rückständige Mitglieder mit Geld versorgen.

Die ganz große Unbekannte bleibt aber: Entwickeln sich diese Staaten schneller, wenn sie in der EU Investoren jene Rechtssicherheit bieten, die diese Investoren brauchen, oder reicht dazu doch schon die Aussicht auf Mitgliedschaft in der EU?

In der DLF-Sendung zu Kroatien hieß es gegen Ende des Berichts, daß in die Region Slawonien (grenzt an Serbien) nun vermehrt junge Leute zurück kehren, weil sie in ihrer alten Heimat jetzt doch lohnende Beschäftigung finden.

Wenn man diesen Bericht als Hintergrund für andere Balkanstaaten benutzt, dann wäre es sinnvoll, diese Staaten schon in die EU ein zu gliedern, wenn sie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verläßlich eingeführt haben. In der EU muß man abschätzen, wie weit man mit dem ersten Ansturm junger Leute umgehen kann, ohne in den aufnehmenden Staaten in Schwierigkeiten zu geraten, weil Unterbringung und Integrationskurse für Zuwanderer unzureichend vorgehalten wurden.

Ein Bild voller Widersprüche, aber auch eine Chance für Europa und seine Menschen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Atue001 »

Wenn man EUROPA FIRST zugrunde legt, dann sind solche Widersprüche lösbar. Was fehlt ist eine deutliche Perspektive für die einzelnen Peripherieländer für deren Zukunft. Man bräuchte Instrumente wie einen Finanzausgleich, aber auch das gemeinsam formulierte Ziel, gleiche Lebensverhältnisse in Gesamt-EU anzustreben.

Hier fehlt auch klar die Sozialunion!

Solange wir in Ländern wie Kroatien unklare Zukunftsperspektiven für junge Leute haben, gleichzeitig aber fehlende Arbeitskräfte in Deutschland gemeldet werden, ist eine Bewegung dieser Menschen in Richtung Deutschland logisch.

Viele Programme der EU dienen der Idee, dass man vergleichbare Lebensverhältnisse herstellen will - was aber noch fehlt, ist eine EU-Sozialunion, sowie ein stärkerer Finanzausgleich.

Solcherlei Forderungen sind für Länder wie Deutschland aber problematisch, weil nur schwer zu vermitteln ist, dass wir deutlich mehr von der EU profitieren, als wir zahlen.....
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Orbiter1
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Atue001 hat geschrieben:(22 Oct 2019, 23:35)

Die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen ist etwas ganz anderes, als der bevorstehende Beitritt. Das Verfahren für die Türkei läuft schon eine Weile.....

Eröffnet man die Verhandlungen aber, hat die EU auch eine Möglichkeit ziemlich aktiv darauf hinzuwirken, dass rechtsstaatliche Prinzipien in den Beitrittskandidaten gestärkt, und sukzessive an die EU herangeführt werden.
Eine Garantie darauf gibt es nicht - man sollte sich aber klar machen, dass über viele Jahre hinweg der Beitrittsprozess auch in der Türkei zu recht positiven Entwicklungen geführt hat! Auch wenn vieles davon heute auch wieder in Frage steht oder auf den Kopf gestellt wurde.
Mit dem Beispiel Türkei führen sie ihr Argument des Einflusses der EU auf den Beitrittskandidaten ad absurdum.
Ohne eine Beitrittsperspektive stellt sich für Nordmazedonen und Albaner auch die Frage, wieso sie nicht versuchen sollten, als Wirtschaftsflüchtlinge in die EU zu kommen.
Als erste Maßnahme muß die Visafreiheit mit diesen Staaten beendet werden. Und wenn das nichts hilft müssen Sanktionen ausgesprochen werden.
Der Druck wird sich kaum unterscheiden - und wenn die EU zu restriktiv mit diesen Ländern umgeht, kann es auch passieren, dass radikale Kräfte gestärkt werden, oder sich Rußland oder China als "Partner" anbieten. Das kann auch nicht im Interesse der EU sein.
In diesen Ländern gab und gibt es einen hohen Anteil radikaler Kräfte. Noch ein Grund mehr sie nicht in der EU aufzunehmen. Und vor der Zuwendung zu Russland oder China bitte nicht vergessen vorher aus der NATO auszutreten. Da sind sie ja Mitglieder.
Auch der Schutz der Außengrenzen der EU geht leichter, wenn man diese Länder mit an Bord hat, als ohne diese.
Für ein paar Euro öffnen sich problemlos alle Schlagbäume.
In der Signalwirkung ist die Ablehnung der EU für diese Länder fatal. Ich hätte mir es anders gewünscht, auch wenn ich die Skepsis bezüglich der Beitrittsfähigkeit durchaus verstehen kann. Nur - kann die EU jetzt in gleicher Weise auf die Länder einwirken und positive Reformen einfordern wie wenn der Beitrittsprozess anlaufen würde? Wohl kaum!
Werfen sie doch mal einen Blick auf die Begründungen für die ablehnende Haltung. Diese beiden Länder haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Z. B. im Bereich Korruption. Das hat man auch beim Beitrittsantrag Rumäniens bemängelt und 24 Jahre später gehen die Rumänen zu Hunderttausenden auf die Straße und protestieren gegen die nach wie vor exzessive Korruption in ihrem Land und gegen eine Regierung die hier Vergehen unter 50.000 Euro straffrei stellen wollte. Nochmal darf sich die EU von Beitrittskandidaten nicht hinters Licht führen lassen und alle Augen zudrücken.
Im Prinzip hat die EU recht gute theoretische Prozesse, wie aus einem Beitrittskandidat ein erfolgreiches EU-Mitglied werden kann. Schwierig wird es eigentlich erst dann, wenn man aus politischen Gründen alle möglichen Augen zudrückt, und dann ein Land zu früh aufnimmt. DAS hat man meiner Ansicht nach bei Bulgarien und Rumänien so gemacht - aber man hätte diesen Fehler ja nicht bei Albanien und Mazedonien wiederholen müssen.
Zumindest Frankreich, die Niederlande und Dänemark haben aus dem Desaster Rumänien und Bulgarien gelernt und pochen auf Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung und auch im Rechtswesen noch vor Beginn von Beitrittsgesprächen. Da der Migrationsdruck auf Europa hoch bleiben wird sollte die EU nach den schlechten Erfahrungen mit unsolidarischen Mitgliedern zusätlich auf eine Verpflichtung bei der Aufnahme von Migranten bestehen. Vielleicht wird es ja in 30 bis 50 Jahren was mit der EU-Mitgliedschaft wenn man hart an sich arbeitet.
Im Prinzip ist die EU mit den aktuellen Vertragswerken auch auf weitere Beitrittskandidaten vorbereitet. Die aktuellen Verträge sehen Mehrheitsentscheidungen vor. Ob es nun 20, 27, 28 oder auch 30 Länder sind, macht da keinen so arg großen Unterschied. In der Praxis liegen die Probleme aber darin, dass die Verträge nicht ausgenutzt werden - Mehrheitsentscheidungen sind verpönt. Im Prinzip sehen die Verträge auch schon vor, dass man ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten (bezüglich der einheitlichen Prozesse) zulässt - in der Praxis wird auch dieses Prinzip nur wenig genutzt.
Nicht die Verträge sind schlecht - schlecht ist noch immer, dass zu viele Staaten sich zu wenig auf den in den Verträgen bereits vorgesehenen Prozess der Kohärenz einlassen.
Bei wichtigen und sensiblen Entscheidungen ist gemäß den EU-Verträgen Einstimmigkeit gefordert. Z. B. bei Sanktionen. Glauben sie ernsthaft ein Staat wie Serbien würde jemals für Sanktionen gegen seinen "Bruderstaat" Russland stimmen? Oder um bei den aktuellen EU-Mitgliedern zu bleiben, glauben sie ernsthaft Ungarn wird sanktioniert? Immer mehr EU-Staaten führen unvermeidbar zur Handlungsfähigkeit. In der Konsequenz muss sich die EU erst einmal ein neues Regelwerk geben bevor es weitere Mitglieder aufnehmen kann.
Eine vernünftige Politik für die EU wäre: "Europe FIRST" - Länder, die diese Politik verfolgen, werden auch sehr aufgeschlossen gegenüber dem Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien sein. "Europe FIRST" würde aber auch für diese Länder konsequenterweise bedeuten, dass sie erst dann und genau dann aufgenommen werden, wenn sie TATSÄCHLICH und nicht nur nach den Buchstaben die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllen.
So ist es. Deswegen sollte die EU auf die Erfüllung von Grundvoraussetzungen bestehen. Die Balkanstaaten sind davon noch Jahrzehnte entfernt.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Emin hat geschrieben:(22 Oct 2019, 23:39)

Ich habe durchaus gute Kontakte in diese beiden Länder und kann dir sagen, das war für die Balkaner ein historischer Tag, aber im negativen Sinne. Die EU hat sich quasi die gesamte Glaubwürdigkeit verspielt. Auch die Serben sehen keinen Sinn mehr darin EU-Forderungen nachzugeben, wenn sie am Ende nur abgewatscht werden.
Dann wäre das ja geklärt und man darf darauf hoffen dass nach der Schweiz und Island auch mehrere Balkanstaaten ihren Antrag auf Mitgliedschaft zur EU zurückziehen?
Man kann nur hoffen, dass Deutschland dort noch etwas rettet, sonst ist diese Region dauerhaft als europäisches Einflussgebiet verloren. Wie viele Flüchtlinge das dann in Zukunft verursachen wird kannst du dir selbst ausmalen.
Ja, erzählen sie mal. Wieviele Balkanflüchtlinge deren Asylantrag abgelehnt wird und die keine Arbeitserlaubnis erhalten fliehen in die EU? Und wieviele die nach einem besseren Leben streben "fliehen" in die EU wenn diese Länder Mitglied der EU werden?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Emin »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 08:44)

Dann wäre das ja geklärt und man darf darauf hoffen dass nach der Schweiz und Island auch mehrere Balkanstaaten ihren Antrag auf Mitgliedschaft zur EU zurückziehen? Ja, erzählen sie mal. Wieviele Balkanflüchtlinge deren Asylantrag abgelehnt wird und die keine Arbeitserlaubnis erhalten fliehen in die EU? Und wieviele die nach einem besseren Leben streben "fliehen" in die EU wenn diese Länder Mitglied der EU werden?
Mit einem aus politischer Stabilität entstandenen Wohlstandsanstieg werden es langfristig immer weniger werden. Wenn aber die anderen Großmächte zukünftig im europäischen Garten ihre Stellvertreterkonflikte austragen werden, dann kommt diese Region nie zur Ruhe. Um die Flüchtlinge wird sich dann natürlich Europa kümmern dürfen.

Übrigens hat die gesamte Region weniger Einwohner, als Rumänien.

Chapeau an Monsieur Macron mit herausragender Weitsicht einen Krisenherd an Europas Grenze am lodern zu halten.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Atue001 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 00:27)

Wenn man EUROPA FIRST zugrunde legt, dann sind solche Widersprüche lösbar. Was fehlt ist eine deutliche Perspektive für die einzelnen Peripherieländer für deren Zukunft. Man bräuchte Instrumente wie einen Finanzausgleich, aber auch das gemeinsam formulierte Ziel, gleiche Lebensverhältnisse in Gesamt-EU anzustreben.
Diese Ziele sind doch aber formuliert und Grundlage der Ausgleichszahlungen für regionale Entwicklung in den Mitgliedsstaaten. Ich lebe in Westpommern und kann unübersehbar an Straßen, Brücken, öffentlichen Gebäuden und Wohnsiedlungen lesen, daß diese Objekte aus Landesmitteln und Mitteln des EU-Strukturfonds bezahlt wurden. Als Europäer freue ich mich, daß mit dem Geld der Gemeinschaft solche Fortschritte in der Lebensqualität der Menschen in der EU ermöglicht werden. Nationalisten in wohlhabenden Mitgliedsstaaten werden beklagen, daß sie als Nettozahler weniger aus der EU zurück bekommen als ihr Land dort einzahlt. Nationalisten in weniger wohlhabenden Mitgliedsstaaten wenden sich mit aller Kraft gegen Mitwirkung an sozialen Lasten der Gemeinschaft, etwa in einer fairen Verteilung von Flüchtlingen. Leistungen der Gemeinschaft werden als berechtigter Anspruch verstanden.
Hier fehlt auch klar die Sozialunion!

Ja, da waren wir gerade mitten drin!
Solange wir in Ländern wie Kroatien unklare Zukunftsperspektiven für junge Leute haben, gleichzeitig aber fehlende Arbeitskräfte in Deutschland gemeldet werden, ist eine Bewegung dieser Menschen in Richtung Deutschland logisch.
Das beklagen aber Politiker in den von Abwanderung betroffenen Mitgliedsstaaten. Ich meine, daß die EU dort Abhilfe schaffen muß, daß also junge Leute auch in diesen Ländern eine lebenswerte Zukunft für sich erarbeiten können. Wenn der verfluchte BREXIT endlich hinter uns liegt, müssen wir darüber verschärft nachdenken. Das gilt auch für entvölkerte Regionen in Deutschland oder Frankreich... und das Ziel ist erst erreicht, wenn unsere Kinder und Enkel darüber ernsthaft nachdenken, sich dort nieder zu lassen.
Viele Programme der EU dienen der Idee, dass man vergleichbare Lebensverhältnisse herstellen will - was aber noch fehlt, ist eine EU-Sozialunion, sowie ein stärkerer Finanzausgleich.
Ich glaube, daß der Finanzausgleich zur Verbesserung der Infrastruktur ausreicht. Empfängerländer dürfen nicht erwarten, daß Europäer für sie arbeiten und sie nur lange genug abwarten müssen, bis alles fertig geplant da steht. Da muß immer eine gehörige Portion Eigenleistung, etwa 2/3, mit im Spiel sein. Das funktioniert recht gut in Polen.

Eine Sozialunion würde unser Verständnis von Leistung und Gegenleistung arg erschüttern. Ich finde es gerecht und richtig, daß ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland auch die Sozialleistungen deutscher Arbeitnehmer zugestanden werden. Daran hatten sich BREXITeers gehörig gestoßen. Bald werden sie im eigenen Saft schmoren. Aber so einfach Sozialhilfen durchreichen, da pralle ich auch zurück. Zuvor müssen schon ungefähr gleiche Lebensbedingungen auch durch Eigenleistung vor Ort hergestellt worden sein. Wenn solche Zahlungsströme in der Größenordnung eines Länderfinanzausgleichs wie in den alten Bundesländern liegen, dann kann man darüber reden. Vorher: Lieber nicht!
Solcherlei Forderungen sind für Länder wie Deutschland aber problematisch, weil nur schwer zu vermitteln ist, dass wir deutlich mehr von der EU profitieren, als wir zahlen.....
Das halte ich für ein flottes Wort. "Wir" finden in den Staaten der Union mehr und womöglich ertragreichere Investitionsmöglichkeiten als nur in Deutschland. "Wir" finden dort sicher auch mehr Kunden für Produkte aus deutscher Herstellung. Als Verbraucher sollten wir uns freuen, daß unser Warenangebot in Märkten vielfältiger geworden ist. Aber eine Situation, wie seinerzeit in Griechenland, daß nun wirklich wir dafür arbeiten, damit die Menschen dort unsere Waren und Dienstleistungen bezahlen können, die möchte ich schon dauerhaft vermeiden.

Ich meine, daß die EU ein Friedensprojekt ist, weil es einen Ausgleich von regionalen Interessen durch Verträge schafft. Daß wir Europäer durch offene Grenzen und den gemeinsamen Binnenmarkt gemeinsame Vorteile haben, die unseren Wohlstand ohne einen Handschlag Arbeit vermehren, das ist keine deutsche Besonderheit. Im Großen und Ganzen ist das ein Nehmen und Geben aller Beteiligten... und natürlich geben wir mehr als wir nehmen. Im vertraglich vereinbarten Umfang: Gern!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Emin hat geschrieben:(23 Oct 2019, 09:33)

Mit einem aus politischer Stabilität entstandenen Wohlstandsanstieg werden es langfristig immer weniger werden. Wenn aber die anderen Großmächte zukünftig im europäischen Garten ihre Stellvertreterkonflikte austragen werden, dann kommt diese Region nie zur Ruhe. Um die Flüchtlinge wird sich dann natürlich Europa kümmern dürfen.

Übrigens hat die gesamte Region weniger Einwohner, als Rumänien.
Mag ja sein, aber der Balkan hat 6 Kleinstaaten von denen unter den aktuellen EU-Verträgen jeder in der Lage ist die EU dauerhaft zu blockieren. Wie schnell kommt dort ein Nationalist durch Wahlen an die Regierung? Über die Wohlstandsflüchtlinge muß man sich auch nicht wirklich Sorgen machen. Man sieht ja mit welchen kreativen Maßnahmen die weggezogene Bevölkerung aufgefüllt wird. Rumänien dürfte inzwischen fast 1 Mio Bürgern Moldaus (Moldawien) die rumänische (und damit die EU-) Staatsbürgerschaft verliehen haben. Ungarn bietet den ungarischen Minderheiten im Ausland (z. B. in der Ukraine) die ungarische Staatsbürgerschaft an, Bulgarien hat seine Staatsbürgerschaft für ein paar tausend Euro an bulgarischstämmige Ausländer verhökert, für weiteres Geld gab es ein amtliches Dokument dass man auch tatsächlich bulgarischstämmig ist. Was schätzen sie denn wie viele der 145 Mio russischen Staatsbürger bereit wären für sagen wir mal 3.000 € Staatsbürger des Bruderstaats Serbien (und damit EU-Staatsbürger) zu werden?
Chapeau an Monsieur Macron mit herausragender Weitsicht einen Krisenherd an Europas Grenze am lodern zu halten.
Chapeau an Monsieur Macron, aber auch an die Niederlande und Dänemark, dass sie weiteren vollkommen unreifen Staaten den Prozess zur Aufnahme in die EU vorerst verwehren.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Adam Smith »

Emin hat geschrieben:(22 Oct 2019, 23:44)

Der sicherste Weg diese Region nationalistisch, kriegsgefährdet, und arm zu halten ist es ihnen die europäische Perspektive zu versperren.
Die Schweiz ist jetzt auch nicht in der EU.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 11:17)Man sieht ja mit welchen kreativen Maßnahmen die weggezogene Bevölkerung aufgefüllt wird. Rumänien dürfte inzwischen fast 1 Mio Bürgern Moldaus (Moldawien) die rumänische (und damit die EU-) Staatsbürgerschaft verliehen haben. Ungarn bietet den ungarischen Minderheiten im Ausland (z. B. in der Ukraine) die ungarische Staatsbürgerschaft an, Bulgarien hat seine Staatsbürgerschaft für ein paar tausend Euro an bulgarischstämmige Ausländer verhökert, für weiteres Geld gab es ein amtliches Dokument dass man auch tatsächlich bulgarischstämmig ist. Was schätzen sie denn wie viele der 145 Mio russischen Staatsbürger bereit wären für sagen wir mal 3.000 € Staatsbürger des Bruderstaats Serbien (und damit EU-Staatsbürger) zu werden?
Wo ist das Problem? Anfang der 1990er Jahre kamen jährlich 400.000 Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Der Zustrom ist zwar drastisch zurückgegangen, hält aber bis heute an. Die Leute müssen nicht mal was bezahlen. Schadet das der EU irgendwie?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Kohlhaas hat geschrieben:(23 Oct 2019, 13:33)

Wo ist das Problem? Anfang der 1990er Jahre kamen jährlich 400.000 Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Der Zustrom ist zwar drastisch zurückgegangen, hält aber bis heute an. Die Leute müssen nicht mal was bezahlen. Schadet das der EU irgendwie?
Gute Frage, beliebteste Partei bei den Russlanddeutschen ist inzwischen die AfD. Und viele verehren Putin. Ist das ein Problem? In Serbien ist Putin der mit Abstand beliebteste ausländische Politiker. Hier mal ein Stimmungsbild vom Besuch Putins in Serbien vor 2 Jahren.

"Belgrad steht heute im Zeichen der serbisch-russischen Liebe: Der russisch-orthodoxe Kremlchef Wladimir Putin kommt zu Besuch - auf Einladung des serbischen Staatschefs Aleksandar Vučić. Beide Länder pflegen seit langem eine innige Freundschaft. Vielen Serben gilt Russland als Schutzmacht ihres Landes. Es hat während der Jugoslawienkriege – anders als der Westen - Serbien nicht bombardiert. Unvergessen für die Serben ist bis heute, dass am 24. März 1999 die Nato Luftangriffe auf das Land flog, die fast drei Monate anhielten. Auch wenn die umstrittene Bombardierung 20 Jahre her ist, die Stimmung im Land prägt das bis heute entscheidend mit: Putin ist der mit Abstand beliebteste ausländische Politiker in Serbien. Der Westen dagegen ist ein oft bemühtes Feindbild." Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/osteurop ... d-100.html

Ich halte es für ausgeschlossen dass es mit Serbien als EU-Staat Sanktionen gegen Russland geben kann. Das ist aus meiner Sicht ein Problem.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Emin hat geschrieben:(23 Oct 2019, 09:33)

Mit einem aus politischer Stabilität entstandenen Wohlstandsanstieg werden es langfristig immer weniger werden. Wenn aber die anderen Großmächte zukünftig im europäischen Garten ihre Stellvertreterkonflikte austragen werden, dann kommt diese Region nie zur Ruhe. Um die Flüchtlinge wird sich dann natürlich Europa kümmern dürfen.

Übrigens hat die gesamte Region weniger Einwohner, als Rumänien.

Chapeau an Monsieur Macron mit herausragender Weitsicht einen Krisenherd an Europas Grenze am lodern zu halten.
Vollkommen richtig! Und Frankreich bzw. Monsieur Macron steht in dieser Frage in Europa eigentlich auch völlig isoliert da. (Abgesehen mal von den Niederlanden in der Frage Albanien). Alle seriösen politischen Kommentare zur Frage Beitrittsverhandlungen Westbalkanstaaten gehen von einer innenpoliitschen Getriebenheit Macrons aus.

Es wird über Luxusprobleme diskutiert statt das wirklich wichtige im Auge zu behalten: Eine stabile Friedensordnung in Europa. Als wenn man sich in Frankreich oder den Niederlanden einfach so einschließen könnte. Nach dem Motto: Die Fenster in Richtung Osten mauern wir zu. Dann kann uns nix passieren. Das ist so unsäglich dumm wie dieser Spruch in den 80ern, der Strom käme nicht aus dem AKW sondern aus der Steckdose. Wir wollen eine stabile Friedensordnung in Europa! Und dann freien Güter- und Personenverkehr. Ich habe keine Ahnung, was Herr Macron mit diesem "immer enger werdenden" eigentlich meint. Auf der Basis eines freien Güter- und Personenverkehrs und einer stabilen Friedensordnung kann ich meine Beziehungen in Europa so eng oder nicht eng gestalten, wie mirs persönlich behagt. Ich brauche dazu keinen mit einer deutschen Bundeskanzlerin untergehakten französischen Präsidenten. Da muss ich an Honecker und Breshniew denken.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Oct 2019, 14:38)

Vollkommen richtig! Und Frankreich bzw. Monsieur Macron steht in dieser Frage in Europa eigentlich auch völlig isoliert da. (Abgesehen mal von den Niederlanden in der Frage Albanien). Alle seriösen politischen Kommentare zur Frage Beitrittsverhandlungen Westbalkanstaaten gehen von einer innenpoliitschen Getriebenheit Macrons aus.

Es wird über Luxusprobleme diskutiert statt das wirklich wichtige im Auge zu behalten: Eine stabile Friedensordnung in Europa. Als wenn man sich in Frankreich oder den Niederlanden einfach so einschließen könnte. Nach dem Motto: Die Fenster in Richtung Osten mauern wir zu. Dann kann uns nix passieren. Das ist so unsäglich dumm wie dieser Spruch in den 80ern, der Strom käme nicht aus dem AKW sondern aus der Steckdose. Wir wollen eine stabile Friedensordnung in Europa!
Eine stabile Friedensordnung in Europa hat ja offenbar bei ihnen klaren Vorrang. Mit dieser Begründung muß man auch im Fall der Türkei die beiden Augen zudrücken und sie in die EU aufnehmen damit sich der latente Konflikt mit Griechenland und Zypern in Wohlgefallen auflöst. Oder ist ihnen da die Friedensordnung doch nicht so wichtig?
Und dann freien Güter- und Personenverkehr. Ich habe keine Ahnung, was Herr Macron mit diesem "immer enger werdenden" eigentlich meint. Auf der Basis eines freien Güter- und Personenverkehrs und einer stabilen Friedensordnung kann ich meine Beziehungen in Europa so eng oder nicht eng gestalten, wie mirs persönlich behagt. Ich brauche dazu keinen mit einer deutschen Bundeskanzlerin untergehakten französischen Präsidenten. Da muss ich an Honecker und Breshniew denken.
Was ist ihr Problem? Offenbar wollen Deutschland und Frankreich genau das tun. Die Beziehungen so eng gestalten wie es den beiden Staaten behagt. Dazu wurden ja bereits entsprechende Vereinbarungen unterzeichnet.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Emin »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 11:17)

Mag ja sein, aber der Balkan hat 6 Kleinstaaten von denen unter den aktuellen EU-Verträgen jeder in der Lage ist die EU dauerhaft zu blockieren. Wie schnell kommt dort ein Nationalist durch Wahlen an die Regierung? Über die Wohlstandsflüchtlinge muß man sich auch nicht wirklich Sorgen machen. Man sieht ja mit welchen kreativen Maßnahmen die weggezogene Bevölkerung aufgefüllt wird. Rumänien dürfte inzwischen fast 1 Mio Bürgern Moldaus (Moldawien) die rumänische (und damit die EU-) Staatsbürgerschaft verliehen haben. Ungarn bietet den ungarischen Minderheiten im Ausland (z. B. in der Ukraine) die ungarische Staatsbürgerschaft an, Bulgarien hat seine Staatsbürgerschaft für ein paar tausend Euro an bulgarischstämmige Ausländer verhökert, für weiteres Geld gab es ein amtliches Dokument dass man auch tatsächlich bulgarischstämmig ist. Was schätzen sie denn wie viele der 145 Mio russischen Staatsbürger bereit wären für sagen wir mal 3.000 € Staatsbürger des Bruderstaats Serbien (und damit EU-Staatsbürger) zu werden?
Chapeau an Monsieur Macron, aber auch an die Niederlande und Dänemark, dass sie weiteren vollkommen unreifen Staaten den Prozess zur Aufnahme in die EU vorerst verwehren.
Sich über die Einwanderung aus dem Balkan zu beschweren ist natürlich blanker Hohn, nachdem Jens Spahn von seiner Pflegekräftetour aus Albanien gerade zurückgekehrt ist. Aber keine Sorge, vor allem in Nordmazedonien sieht man es als ähnlichen Verrat wie den Trumps an den Kurden, und die putinnahen Kräfte bereiten sich schon zur Machtübernahme vor.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Emin hat geschrieben:(23 Oct 2019, 16:05)

Sich über die Einwanderung aus dem Balkan zu beschweren ist natürlich blanker Hohn, nachdem Jens Spahn von seiner Pflegekräftetour aus Albanien gerade zurückgekehrt ist.
Wer beschwert sich denn über die Einwanderung aus dem Balkan? Hierzulande wurde doch inzwischen das Arbeitskräftezuwanderungsgesetz verabschiedet um gezielt Fachkräfte aus dem EU-Ausland anzuwerben. Jens Spahn macht genau das.
Aber keine Sorge, vor allem in Nordmazedonien sieht man es als ähnlichen Verrat wie den Trumps an den Kurden, und die putinnahen Kräfte bereiten sich schon zur Machtübernahme vor.
Man stelle sich vor die putinnahen Kräfte würden in einem EU-Staat Nordmazedonien an die Macht kommen und die EU in wichtigen Entscheidungen, bei der Einstimmigkeit gefordert ist, blockieren.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Emin »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 16:41)

Wer beschwert sich denn über die Einwanderung aus dem Balkan? Hierzulande wurde doch inzwischen das Arbeitskräftezuwanderungsgesetz verabschiedet um gezielt Fachkräfte aus dem EU-Ausland anzuwerben. Jens Spahn macht genau das. Man stelle sich vor die putinnahen Kräfte würden in einem EU-Staat Nordmazedonien an die Macht kommen und die EU in wichtigen Entscheidungen, bei der Einstimmigkeit gefordert ist, blockieren.
Dass die EU eine Reform bedarf ist unbestritten. Bei dieser Entscheidung gibt es aber um Beitrittsverhandlungen, nicht um einen sofortigen Beitritt. Man hat also erst mal genug Zeit, um EU-Reformen voranzutreiben. Sollte das dann gegen Ende der Verhandlungen immer noch nicht der Fall sein, dann hätte man zumindest erst bei dem Beitrittsvertrag blockieren können. So aber ist das Signal an die Region fatal.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Emin hat geschrieben:(23 Oct 2019, 17:45)

Dass die EU eine Reform bedarf ist unbestritten. Bei dieser Entscheidung gibt es aber um Beitrittsverhandlungen, nicht um einen sofortigen Beitritt. Man hat also erst mal genug Zeit, um EU-Reformen voranzutreiben. Sollte das dann gegen Ende der Verhandlungen immer noch nicht der Fall sein, dann hätte man zumindest erst bei dem Beitrittsvertrag blockieren können. So aber ist das Signal an die Region fatal.
Das Signal ist deswegen fatal weil die EU-Kommission in ihrem Erweiterungswahn bereits letztes Jahr alle Bedingungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen als erfüllt ansah, von den EU-Mitgliedsstaaten die Zustimmung von Beitrittsverhandlungen forderte und damit eine entsprechende Erwartungshaltung bei den Beitrittskandidaten entstehen ließ. Bereits damals hatten Frankreich, die Niederlande und Dänemark klar zu erkennen gegeben dass sie die Voraussetzungen als nicht erfüllt betrachten und sich gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aussprechen werden. Erschwerend kommt hinzu dass Frankreich und die Niederlande sehr schlechte Erfahrungen mit Albanien haben. Die Visafreiheit wurde im Fall Frankreich dazu genutzt dass die Albaner ungestört einreisen und dort einen Asylantrag stellen konnten. Sie stellten dort letztes Jahr die zweitgrößte Gruppe der Asylbewerber. Und in den Niederlanden gibt es Initiativen die Visafreiheit für Albanien nach 10 Jahren wieder abzuschaffen weil sie vor allem von kriminellen Banden und der organisierten Kriminalität genutzt wurde um sich in den Niederlanden festzusetzen. Jetzt besteht man im Gegenzug verständlicherweise auf die volle Erfüllung der Anforderungen um Beitrittsverhandlungen zuzustimmen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Atue001 »

H2O hat geschrieben:(23 Oct 2019, 10:26)
...
Eine Sozialunion würde unser Verständnis von Leistung und Gegenleistung arg erschüttern. Ich finde es gerecht und richtig, daß ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland auch die Sozialleistungen deutscher Arbeitnehmer zugestanden werden. Daran hatten sich BREXITeers gehörig gestoßen. Bald werden sie im eigenen Saft schmoren. Aber so einfach Sozialhilfen durchreichen, da pralle ich auch zurück. Zuvor müssen schon ungefähr gleiche Lebensbedingungen auch durch Eigenleistung vor Ort hergestellt worden sein. Wenn solche Zahlungsströme in der Größenordnung eines Länderfinanzausgleichs wie in den alten Bundesländern liegen, dann kann man darüber reden. Vorher: Lieber nicht!
Eine Sozialunion muss nicht bedeuten, dass in allen Mitgliedsländern gleiche Leistungen bei den Krankenkassen, der Rentenkasse und weiteres gezahlt wird. Man kann da auch mit mehr Diversifikation ran gehen. Ich denke eher daran, dass es eine gemeinsame Definition gibt, was man unter einem modernen Sozialstaat versteht - also welche Themenfelder als soziale Leistungen definiert sind.

Nehmen wir mal das Beispiel der Rente - würde man diese beispielhaft vollständig überall so organisieren, wie dies in Deutschland der Fall ist, könnte es sogar ein einheitliches Punktesystem geben. Nur - damit wäre nicht automatisch verbunden, dass jeder Punkt gleich viel wert ist.

Aktuell ist ja beispielhaft auch in der Diskussion, dass man eine gemeinsame Definition des Mindestlohnes findet. Das könnte beispielhaft sein: 1/2 des monatlichen Durchschnittsbruttoverdienstes / 180. Das wären für Deutschland dann beispielsweise 10,47€, aber für Griechenland 3,10€. (Bitte die genaue Formel nicht zu wörtlich nehmen - es geht hier um einen qualitativen Vorschlag, keinen der final ausgearbeitet ist.) Wenn sich die Lebensverhältnisse vielleicht auch erst über die nächsten 100 Jahre annähern, dann nähert sich bei einem solchen Rahmen auch der Mindestlohn an.

Auch für die Arbeitslosenversicherung sind schon Modelle benannt worden, die helfen könnten, europaweit mehr Einheitlichkeit hin zu bekommen - in der Arbeitslosenversicherung würde sich sogar tatsächlich lohnen, über eine echte Sozialunion nachzudenken, denn es kann schon auch hilfreich insgesamt sein, wenn die unterschiedlichen Konjunkturzyklen, die wir teilweise in der EU dann doch haben, über internationale Ausgleichszahlungen ausgeglichen werden.

All das ist sicher noch nicht zu Ende gedacht, zeigt aber schon auf, dass da Potential ist.

H2O hat geschrieben:(23 Oct 2019, 10:26)
Das halte ich für ein flottes Wort. "Wir" finden in den Staaten der Union mehr und womöglich ertragreichere Investitionsmöglichkeiten als nur in Deutschland. "Wir" finden dort sicher auch mehr Kunden für Produkte aus deutscher Herstellung. Als Verbraucher sollten wir uns freuen, daß unser Warenangebot in Märkten vielfältiger geworden ist. Aber eine Situation, wie seinerzeit in Griechenland, daß nun wirklich wir dafür arbeiten, damit die Menschen dort unsere Waren und Dienstleistungen bezahlen können, die möchte ich schon dauerhaft vermeiden.

Ich meine, daß die EU ein Friedensprojekt ist, weil es einen Ausgleich von regionalen Interessen durch Verträge schafft. Daß wir Europäer durch offene Grenzen und den gemeinsamen Binnenmarkt gemeinsame Vorteile haben, die unseren Wohlstand ohne einen Handschlag Arbeit vermehren, das ist keine deutsche Besonderheit. Im Großen und Ganzen ist das ein Nehmen und Geben aller Beteiligten... und natürlich geben wir mehr als wir nehmen. Im vertraglich vereinbarten Umfang: Gern!
Ich bin mir nicht sicher, ob wir das gleiche Bild dazu haben, was damals in Griechenland passiert ist. Bis zum heutigen Tag hat die Griechenlandkrise nur dazu geführt, dass sich die Griechen bei Deutschland verschuldet haben - was dazu führt, dass wir recht gute Zinsen von den Griechen bezahlt bekommen. Dies würde nur anders werden, wenn wir einen echten Schuldenschnitt bekämen, beispielsweise im Falle einer Pleite Griechenlands, wenn wir dann Bürgschaften und andere Gelder aus Umschuldungen faktisch abschreiben müssten. Derzeit ist das aber nicht der Fall, weshalb dann doch eher die Griechen dafür arbeiten, dass sie unsere Waren bezahlen können.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Atue001 »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 11:17)

Mag ja sein, aber der Balkan hat 6 Kleinstaaten von denen unter den aktuellen EU-Verträgen jeder in der Lage ist die EU dauerhaft zu blockieren.
Nochmals der Hinweis: Die aktuellen EU-Verträge sind besser als ihr Ruf - sehr viele Entscheidungen könnten mit Mehrheitsentscheidungen fallen.
Dass dies in der Praxis vermieden wird, hat andere Gründe.

Insofern ist nach den Verträgen kein einziges kleines Land in der Lage, die EU dauerhaft zu blockieren. Allianzen mehrerer Länder hingegen schon - das aber ist auch gewollt.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Atue001 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 23:12)

Nochmals der Hinweis: Die aktuellen EU-Verträge sind besser als ihr Ruf - sehr viele Entscheidungen könnten mit Mehrheitsentscheidungen fallen.
Das können sie gerne wiederholen. Für die wirklich wichtigen Entscheidungen ist trotzdem Einstimmigkeit erforderlich. Z. B. bei der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, bei der Aufnahme neuer Mitglieder, bei Sanktionen gegenüber einem Mitgliedstaat, bei der Gestaltung des mehrjährigen Finanzrahmens, bei Änderungen zu den EU-Verträgen, bei der Steuerpolitik, bei der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, bei den Bürgerrechten, usw. Was bleibt denn dann noch? Den Status Quo verwalten?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Atue001 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 23:09)

Eine Sozialunion muss nicht bedeuten, dass in allen Mitgliedsländern gleiche Leistungen bei den Krankenkassen, der Rentenkasse und weiteres gezahlt wird. Man kann da auch mit mehr Diversifikation ran gehen. Ich denke eher daran, dass es eine gemeinsame Definition gibt, was man unter einem modernen Sozialstaat versteht - also welche Themenfelder als soziale Leistungen definiert sind.

Nehmen wir mal das Beispiel der Rente - würde man diese beispielhaft vollständig überall so organisieren, wie dies in Deutschland der Fall ist, könnte es sogar ein einheitliches Punktesystem geben. Nur - damit wäre nicht automatisch verbunden, dass jeder Punkt gleich viel wert ist.

Aktuell ist ja beispielhaft auch in der Diskussion, dass man eine gemeinsame Definition des Mindestlohnes findet. Das könnte beispielhaft sein: 1/2 des monatlichen Durchschnittsbruttoverdienstes / 180. Das wären für Deutschland dann beispielsweise 10,47€, aber für Griechenland 3,10€. (Bitte die genaue Formel nicht zu wörtlich nehmen - es geht hier um einen qualitativen Vorschlag, keinen der final ausgearbeitet ist.) Wenn sich die Lebensverhältnisse vielleicht auch erst über die nächsten 100 Jahre annähern, dann nähert sich bei einem solchen Rahmen auch der Mindestlohn an.

Auch für die Arbeitslosenversicherung sind schon Modelle benannt worden, die helfen könnten, europaweit mehr Einheitlichkeit hin zu bekommen - in der Arbeitslosenversicherung würde sich sogar tatsächlich lohnen, über eine echte Sozialunion nachzudenken, denn es kann schon auch hilfreich insgesamt sein, wenn die unterschiedlichen Konjunkturzyklen, die wir teilweise in der EU dann doch haben, über internationale Ausgleichszahlungen ausgeglichen werden.

All das ist sicher noch nicht zu Ende gedacht, zeigt aber schon auf, dass da Potential ist.




Ich bin mir nicht sicher, ob wir das gleiche Bild dazu haben, was damals in Griechenland passiert ist. Bis zum heutigen Tag hat die Griechenlandkrise nur dazu geführt, dass sich die Griechen bei Deutschland verschuldet haben - was dazu führt, dass wir recht gute Zinsen von den Griechen bezahlt bekommen. Dies würde nur anders werden, wenn wir einen echten Schuldenschnitt bekämen, beispielsweise im Falle einer Pleite Griechenlands, wenn wir dann Bürgschaften und andere Gelder aus Umschuldungen faktisch abschreiben müssten. Derzeit ist das aber nicht der Fall, weshalb dann doch eher die Griechen dafür arbeiten, dass sie unsere Waren bezahlen können.
Gleiches Regelwerk: Das wäre schon eine gute Sache. Dennoch bleibt die Frage, ob man mit einem übereinstimmenden Regelwerk überall in der EU überleben kann. Ich habe den dumpfen Verdacht, daß unser sozialstaatliches Regelwerk so nur in einem sehr wohlhabenden Land gute Ergebnisse liefert. Da müßte man also genauer hinsehen. Und man darf sich auch nicht darauf versteifen, daß nun ausgerechnet unser Regelwerk am Ende der gemeinsamen Festlegungen heraus kommt. Wehe, wenn sich dann schmerzliche Einschnitte ergeben! Vielleicht läßt sich mit "Übergangsfunktionen" etwas erreichen, die Auswirkungen der Gleichheit in einer oder zwei Generationen erst ungeschmälert wirksam werden lassen?

Ja, über Griechenland läßt sich trefflich streiten; der einzelne Grieche hat ganz unbedingt mein Mitgefühl, wenn es ihm schlecht gehen sollte. Aber der Staat war sicher völlig verrottet und korrupt, weil PASOK und später auch Nea Dimokratika eine Günstlingswirtschaft zugelassen und betrieben haben. Finanziert mit immer neuen Schulden. Einen herben Schuldenschnitt gab es, der im wesentlichen zu Lasten der hohe Risikozinsen fordernden Banken ging. Das Risiko war eben eingetreten. Mir wäre auch wohler, wenn unser Land sein verfügbares Geld in wirtschaftlich arbeitende Unternehmen investiert hätte anstatt in ein Land, das sich über Zinsen beklagt, die ein Gläubiger erwartet. Von solchem Geld könnten wir hier auch "Party machen". Inzwischen sind Tilgungen von Schulden über 50 Jahre gestreckt, und wenn die Schuldzinsen die erwartbare Geldentwertung aufwiegen, dann haben wir noch einmal Glück gehabt.

Ich will hoffen, daß Griechenland wieder auf die eigenen Füße kommt. Man muß aber sehen, daß das Land schon mehrere Staatspleiten hingelegt hat, das Verfahren also gar nicht so ungewöhnlich ist. Vielleicht verhindert das heute die Aufsicht im Euro-Raum und die EU mit ihren Prüfkriterien. Argwöhnisch hinsehen muß man aber.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 15:42)

Eine stabile Friedensordnung in Europa hat ja offenbar bei ihnen klaren Vorrang. Mit dieser Begründung muß man auch im Fall der Türkei die beiden Augen zudrücken und sie in die EU aufnehmen damit sich der latente Konflikt mit Griechenland und Zypern in Wohlgefallen auflöst. Oder ist ihnen da die Friedensordnung doch nicht so wichtig? Was ist ihr Problem? Offenbar wollen Deutschland und Frankreich genau das tun. Die Beziehungen so eng gestalten wie es den beiden Staaten behagt. Dazu wurden ja bereits entsprechende Vereinbarungen unterzeichnet.
Mein Problem ist, dass ich mir aus "Beziehungen zwischen Staaten" nix mache. Sondern nur aus Beziehungen zwischen Menschen. Die Bewegung in dieser Richtung hat einen Namen: "Europa von unten".

Es muss sich nix in Wohlgefallen auflösen. Es reicht, dass es keine militärischen Konflikte gibt. Es ist keineswegs so abwegig, dass es militärische Konflikte zwischen Ungarn und seinen Nachbarn wegen der in den Nachbarstaaten lebenden ungarischen Minderheiten analog zu den Jugoslawien-Kriegen hätte geben können. Gab es nicht. Nicht zuletzt wegen der EU-Einbindung. Es gibt immer einen Schwellenwert, ab welchem "Einbindung" nicht mehr leistbar ist. Wegen der Differenz oder der schieren Größe des Landes, um das es geht. Weil man sich dabei verhebt. Oder weil sonstige international ausgehandelte Gleichgewichte nicht mehr haltbar sind. Bei der Türkei ist sie ganz sicher nicht leistbar. Bei Nordmazedonien und Albanien ist sie ganz sicher leistbar. Bei der Ukraine bin ich mir nicht sicher.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Mandelus »

Ich gehöre durchaus zu den Befürwortern der EU und bin auch jemand, der sich zum Beispiel mit den britischen Brexit Befürwortern und ihrem „Lügen Dauerfeuer“ gegen die EU schon mächtig gestritten hat.
Aber ich bin auch in meiner Zustimmung sehr gespalten und es gibt auch einen großen Bereich, wo mit der EU eher auf Kriegsfuß stehe!

Für mich ist die EU primär eine wirtschaftspolitische Union und darf auch nur klar geregelt nicht wirklich mehr werden, bzw. kann es auch nicht werden.
Der gemeinsame Binnenmarkt, die damit einhergehend gleichen, Vorschriften Regeln und Normen in der EU, sowie den dazu notwendigen zentralen Kontrollorganisationen in Brüssel sind vollkommen richtig und OK. Auch die Institutionen der EU sind vollkommen OK, wie auch die Entscheidungsfindungen soweit. Ich kann auch problemlos mit dem Euro als Währung leben … auch wenn die EZB noch immer nicht dieselbe erforderliche Macht hat wie die Fed in den USA.
Nur so kann sich die EU, bzw. können sich die 27 Mitglieder (die Briten nehmen ich mal raus) gemeinsam als Union behaupten. Nehmen wir doch den Knallkopf in den USA – Trump - … welche Chancen hätten die einzelnen Mitgliedsstaaten alleine, sich gegen Trump zu wehren … selbst Deutschland? Eben … aber als EU sind alle 27 zusammen sogar mächtiger in wirtschaftlicher Hinsicht als die USA … und genau deswegen hasst Trump die EU!

Vieles ist natürlich verbesserungswürdig und berechtigt kritisiert … und die Beispiele hier sind zahlreich wie „Normen für Schlangengurken“ und anderer Blödsinn. Aber alles in allem funktioniert es auf dieser Ebene und hier stehe ich auch hinter der EU!

Wo ich aber eher auf Kriegsfuß mit der EU stehe, ist dieses für mich idiotische Verhalten, hier aus der EU eine Art „Vereinigte Staaten von Europa“ … oder anders ausgedrückt eine Art „USA 2.0“ zu machen. Sorry, das klappt nicht und kann auch niemals funktionieren und ist schon im Ansatz Schwachsinn pur. Nichts gegen eine enge Freundschaft und Zusammenarbeit und gerade das hat Europa den Frieden seit 1945 gebracht. Aber dieses Bestreben einer Zwangsverheiratung der 27 Mitgliedsstaaten zu einem großen Ganzen zu machen ist subversiv! Wir reden hier über 27 Länder, die alle eine eigene Jahrhunderte alte Kultur und fast alle eine eigene Sprache besitzen, welche sich von den anderen unterscheidet und diese Unterschiede sind auch vollkommen OK. Ein Franzose ist niemals dasselbe wie ein Rumäne, ein Niederländer niemals dasselbe wie ein Spanier und ein Deutscher niemals dasselbe wie ein Ire usw. … und wer das als schlecht bezeichnet, bzw. meint, dass muss sich ändern und angleichen … sorry … das ist Schwachsinn und falsch! Das muss so bleiben!
Aber das ist dann halt auch der Punkt „Nationalismus“, der ja für viele als negativ bis böse gilt und diese Bewertung teile ich nicht im Geringsten! Ich bin in erster Linie Deutscher und erst danach bin ich auch Bürger in der EU … Achtung! Ich betone Bürger in der EU und NICHT ein Bürger von der EU, denn die EU ist kein Staat und darf und soll auch keiner werden!

Wir sind dank der wirtschaftlichen Gemeinschaft alle so eng miteinander verzahnt und vernetzt, ja auch aufeinander angewiesen letztlich, woraus die Freundschaft und der Frieden entstanden ist … warum soll ich es aufgeben, ein Deutscher zu sein und sein zu wollen?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Mandelus hat geschrieben:(30 Oct 2019, 12:27)

Wo ich aber eher auf Kriegsfuß mit der EU stehe, ist dieses für mich idiotische Verhalten, hier aus der EU eine Art „Vereinigte Staaten von Europa“ … oder anders ausgedrückt eine Art „USA 2.0“ zu machen.
Wer konkret will denn aus der EU eine Art "Vereinigte Staaten von Europa" machen? Von den 28 EU-Regierungschefs oder den Mitgliedern der EU-Kommission sicher keiner. Ich kenne auch keine einzige Umfrage bei der es in einem EU-Mitgliedstaat eine Mehrheit für eine Art "Vereinigte Staaten von Europa" gegeben hätte. Wenn also weder die Regierungen noch die Bürger so etwas wollen, wie kommen sie auf die Idee dass man aus der EU die USE machen könnte?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Orbiter1 hat geschrieben:(30 Oct 2019, 13:11)

Wer konkret will denn aus der EU eine Art "Vereinigte Staaten von Europa" machen? Von den 28 EU-Regierungschefs oder den Mitgliedern der EU-Kommission sicher keiner. Ich kenne auch keine einzige Umfrage bei der es in einem EU-Mitgliedstaat eine Mehrheit für eine Art "Vereinigte Staaten von Europa" gegeben hätte. Wenn also weder die Regierungen noch die Bürger so etwas wollen, wie kommen sie auf die Idee dass man aus der EU die USE machen könnte?
Das wäre auch meine Frage gewesen. Ich kann weder den Willen noch die Tendenz dazu erkennen. Aber vielleicht gibt es dazu ja noch Aufklärung.
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Emin
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Emin »

Russland hat nun Albanien und Nordmazedonien in die Eurasische Wirtschaftsunion eingeladen:

https://balkaneu.com/russia-invites-alb ... sian-union

An der Grenze Europas droht ein antieuropäischer Block zu entstehen. Dazu auch ein lesenswerter Artikel der NZZ:

https://www.nzz.ch/international/die-eu ... duced=true
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unity in diversity
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von unity in diversity »

Emin hat geschrieben:(30 Oct 2019, 22:57)

Russland hat nun Albanien und Nordmazedonien in die Eurasische Wirtschaftsunion eingeladen:

https://balkaneu.com/russia-invites-alb ... sian-union

An der Grenze Europas droht ein antieuropäischer Block zu entstehen. Dazu auch ein lesenswerter Artikel der NZZ:

https://www.nzz.ch/international/die-eu ... duced=true
Na ja, eine veritable Wirtschaftsrezession, in Kombination mit einer neuen Flüchtlingskrise, wird die ohnehin stark durch Heuchelei zersetzte Werteunion zu einer Interessenunion weiterentwickeln.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(30 Oct 2019, 11:24)

...
... Es gibt immer einen Schwellenwert, ab welchem "Einbindung" nicht mehr leistbar ist. Wegen der Differenz oder der schieren Größe des Landes, um das es geht. Weil man sich dabei verhebt. Oder weil sonstige international ausgehandelte Gleichgewichte nicht mehr haltbar sind. Bei der Türkei ist sie ganz sicher nicht leistbar. Bei Nordmazedonien und Albanien ist sie ganz sicher leistbar. Bei der Ukraine bin ich mir nicht sicher.
Ihren Grundgedanken teile ich; im Fall Türkei hat die Islamisierung der Politik ein starke Entfremdung bewirkt. Diese Islamisierung ist mit neuen imperialen Bestrebungen verbunden, mit denen man an die Vorherrschaft des Osmanischen Reichs im Nahen Osten und am südlichen Mittelmeer anknüpfen möchte. In dem Zustand kann ein Land mit der Bevölkerungszahl Deutschlands nicht in die EU aufgenommen werden. Beide Seiten warten offenbar darauf, wer denn nun die Tür zuerst endgültig zuschlägt: Die Türkei oder die EU?

Die Ukraine befindet sich wirtschaftlich und mit ihrer inneren Ordnung noch weit außerhalb der EU. Außerdem befindet sie sich in einem Bürgerkrieg, dessen Ende kaum ab zu sehen ist. Die EU ist gar nicht in der Lage, beide Nachteile für eine Mitgliedschaft auf zu lösen. Folglich kann man nur die grundsätzliche Bereitschaft erklären, das Land in die EU und in die NATO aufnehmen zu wollen, wenn diese Hinderungsgründe sich aufgelöst haben. Auf jeden Fall ist die Ukraine aber näher an der europäischen Gemeinschaft als die Türkei, was sicher auch mit der Geschichte Mitteleuropas und Ost-Mitteleuropas verbunden ist. Wenn also die wirtschaftlichen und innenpolitischen Rückständigkeiten in der Ukraine aufgelöst sind, dann spricht nichts gegen eine Ukraine in der EU. Dabei kann die EU Hilfestellung leisten (tut sie wohl auch). Ein imperiales Streben erkenne ich in der Ukraine jedenfalls nicht.

Wie an anderer Stelle schon angemerkt wurde, möchte die Eurasische Union gern auf dem Balkan Fuß fassen... wirbt also angeblich um Nordmazedonien und Albanien. Na, warum nicht? Wenn nicht einmal Serbien den Weg unter Putins Fittiche beschreiten will, sondern trotz gelegentlich imperialer Anwandlungen die Mitgliedschaft in der EU sucht, dann sollten wir diesen Wettbewerb um die letzten Völker auf dem Balkan in Ruhe abwarten, die Voraussetzungen für eine EU-Mitgliedschaft dieser Länder mit viel Augenmaß schaffen und die Menschen irgendwann nach erreichter Beitrittsreife selbst entscheiden lassen, wo sie ihre längere Zukunft sehen. Aber ohne stetiges eigenes Bemühen dieser Länder, das wird nichts. Damit hat die EU auf dem Balkan keine guten Erfahrungen gemacht.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(31 Oct 2019, 09:06)
Wie an anderer Stelle schon angemerkt wurde, möchte die Eurasische Union gern auf dem Balkan Fuß fassen... wirbt also angeblich um Nordmazedonien und Albanien. Na, warum nicht? Wenn nicht einmal Serbien den Weg unter Putins Fittiche beschreiten will, sondern trotz gelegentlich imperialer Anwandlungen die Mitgliedschaft in der EU sucht, dann sollten wir diesen Wettbewerb um die letzten Völker auf dem Balkan in Ruhe abwarten, die Voraussetzungen für eine EU-Mitgliedschaft dieser Länder mit viel Augenmaß schaffen und die Menschen irgendwann nach erreichter Beitrittsreife selbst entscheiden lassen, wo sie ihre längere Zukunft sehen. Aber ohne stetiges eigenes Bemühen dieser Länder, das wird nichts. Damit hat die EU auf dem Balkan keine guten Erfahrungen gemacht.
Nach jüngsten Berichten gibt es im Falle Nordmazedoniens und Albaniens eine - wenn auch geringfügige - Mehrheit pro Zielrichtung EU. Man möge mal die Folgen der Erwartungsenttäuschungen dieser Mehrheit mit dem Risiko einer verfrühten EU-Aufnahme vergleichen. Nach dem Prinzip der "Minimierung des maximalen Risikos" (das ich uneingeschränkt favorisiere) spricht alles für die Option "Beitrittsverhandlungen weiterführen". Nach dem Prinzip "Maximierung des minimalen Gewinns" (dem ich kaum etwas abgewinnen kann) mag einiges dagegen sprechen.

Es wird bei dieser Diskussion allerdings häufig nicht rational argumentiert sondern kulturalistisch. Nach dem Motto: Was interessieren mich diese nationalistisch angehauchten Balkanstaaten? Dabei braucht man die Benennungen nur austauschen und diese Argumentationen sind genauso nationalistisch, kulturchauvinistisch wie die beklagten Zustände in Osteuropa. Nur mit umgekehrter Ausrichtung. Als Anregung mal: Die jüngst erschienene Biographie des großen französischen Comic-Texters Pierre Christin trägt nicht umsonst den Titel "Ost West". In ihr schildert der Autor wie er nicht nur von Flower Power und den USA sondern vom Osteuropa der Nachrkiegszeit und des kalten Kriegs fasziniert war. Mit kritischem Blick in beiden Fällen natürlich. Osteuropa gehört zu unserer kulturellen DNA ebenso wie Paris oder London!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Emin hat geschrieben:(30 Oct 2019, 22:57)

Russland hat nun Albanien und Nordmazedonien in die Eurasische Wirtschaftsunion eingeladen:

https://balkaneu.com/russia-invites-alb ... sian-union

An der Grenze Europas droht ein antieuropäischer Block zu entstehen. Dazu auch ein lesenswerter Artikel der NZZ:

https://www.nzz.ch/international/die-eu ... duced=true
Glauben sie denn die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen würde diese Länder von der Anlehnung an Russland, China, der Türkei oder der Eurasischen Wirtschaftsunion abhalten? Selbstverständlich ist das nicht so. Serbien, mit dem seit 5 Jahren Beitrittsverhandlungen geführt werden, hat jetzt ein Freihandelsabkommen mit der Eurasischen Wirtschaftsunion geschlossen. Gemeinsame Militärmanöver mit dem Bruder Russland gibt es seit einigen Jahren. Nachdem es jetzt ans Eingemachte geht sind die Beitrittsverhandlungen mit der EU ins Stocken gekommen. Es zeigt sich immer mehr dass diese korrupten, nationalistischen nach Autokratie strebenden Staaten sich nicht wirklich ändern wollen. Denen schwebt so ein Status wie in Ungarn vor. An den Fleischtöpfen der EU, aber Gleichschaltung der Medien, Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit und auf dem Weg in die Autokratie. Und wer schreit am lautesten dass die EU die Bedenken gegenüber Serbien doch endlich über Bord werfen und Serbien als Mitglied aufnehmen soll? Die Visegradstaaten! Einer der schwersten Fehler der EU, wenn nicht der schwerste überhaupt, war die vollkommen überhastete und verfrühte Aufnahme der 10 Osteuropastaaten. Hoffentlich bleibt wenigstens Frankreich standhaft um diesen Fehler mit den 6 Westbalkanstaaten nicht noch einmal zu wiederholen. Diese Staaten haben in der EU bis auf weiteres (mehrere Jahrzehnte sofern man hart an sich arbeitet) nichts verloren.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Mandelus »

Orbiter1 hat geschrieben:(30 Oct 2019, 13:11)

Wer konkret will denn aus der EU eine Art "Vereinigte Staaten von Europa" machen? Von den 28 EU-Regierungschefs oder den Mitgliedern der EU-Kommission sicher keiner. Ich kenne auch keine einzige Umfrage bei der es in einem EU-Mitgliedstaat eine Mehrheit für eine Art "Vereinigte Staaten von Europa" gegeben hätte. Wenn also weder die Regierungen noch die Bürger so etwas wollen, wie kommen sie auf die Idee dass man aus der EU die USE machen könnte?
Zum Beispiel ein gewisser Martin Schulz ...

https://www.dw.com/de/wenig-begeisterun ... a-41714822

ein gewisser Manfred Weber aber nicht...

https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 82599.html
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Mandelus hat geschrieben:(31 Oct 2019, 12:07)

Zum Beispiel ein gewisser Martin Schulz ...

https://www.dw.com/de/wenig-begeisterun ... a-41714822

ein gewisser Manfred Weber aber nicht...

https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 82599.html
Das bestätigt meine Aussage. Außer ein paar vereinzelten Träumern die nichts zu sagen haben will niemand die USE.
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H2O
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Nein, diese Partner müssen zuerst die Mühen der Ebene durchlaufen; gern einen Vertrag mit bevorzugter Partnerschaft und ähnlicher Vorzugsbehandlung, gern auch den Jugendaustausch und Erasmus und was es ansonsten an Wohltaten für junge Leute gibt. So etwas ist auch mit Serbien aufgebaut worden. Gut so. Aber bitte keine Mitgliedschaft, offene Grenzen und Niederlassungsfreiheit, bevor diese Partner ihr eigenes Haus wirtschaftlich und sozial gut aufgeräumt haben. Unsere Erfahrung mit Bulgarien und Rumänien war so, daß der begonnene Kampf um Rechtsstaatlichkeit und gegen Korruption sofort nachließ, und daß Ungarn gleich den Rückmarsch in eine besonders nationale Politik eingeschlagen hat. Damit würde Ungarn heute erst gar nicht in die EU aufgenommen, und auch bei Polen wäre wohl einiger Hickhack fällig. Das müssen wir Europäer uns nicht im Abstand von 20 Jahren immer wieder antun!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Fliege »

unity in diversity hat geschrieben:(31 Oct 2019, 04:42)
Na ja, eine veritable Wirtschaftsrezession, in Kombination mit einer neuen Flüchtlingskrise, wird die ohnehin stark durch Heuchelei zersetzte Werteunion zu einer Interessenunion weiterentwickeln.
Diese Hoffnung teile ich (wobei ich dafür kürzlich die Umschreibung "Europäische Interessengemeinschaft" gewählt habe). Die Problemfelder sind bekannt: Wirtschaft stärken, Sicherheit wiederherstellen, illegale Migration unterbinden.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Emin »

unity in diversity hat geschrieben:(31 Oct 2019, 04:42)

Na ja, eine veritable Wirtschaftsrezession, in Kombination mit einer neuen Flüchtlingskrise, wird die ohnehin stark durch Heuchelei zersetzte Werteunion zu einer Interessenunion weiterentwickeln.
Es ist aber nicht im Interesse von Paris und Berlin, dass mitten in Europa ein anti-europäischer Block entsteht. Das ist in etwa so, wie die Kuba-Krise, bloß lädt die EU die fremden Großmächte in den eigenen Garten quasi ein.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Emin »

Orbiter1 hat geschrieben:(31 Oct 2019, 12:02)

Glauben sie denn die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen würde diese Länder von der Anlehnung an Russland, China, der Türkei oder der Eurasischen Wirtschaftsunion abhalten? Selbstverständlich ist das nicht so. Serbien, mit dem seit 5 Jahren Beitrittsverhandlungen geführt werden, hat jetzt ein Freihandelsabkommen mit der Eurasischen Wirtschaftsunion geschlossen. Gemeinsame Militärmanöver mit dem Bruder Russland gibt es seit einigen Jahren. Nachdem es jetzt ans Eingemachte geht sind die Beitrittsverhandlungen mit der EU ins Stocken gekommen. Es zeigt sich immer mehr dass diese korrupten, nationalistischen nach Autokratie strebenden Staaten sich nicht wirklich ändern wollen. Denen schwebt so ein Status wie in Ungarn vor. An den Fleischtöpfen der EU, aber Gleichschaltung der Medien, Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit und auf dem Weg in die Autokratie. Und wer schreit am lautesten dass die EU die Bedenken gegenüber Serbien doch endlich über Bord werfen und Serbien als Mitglied aufnehmen soll? Die Visegradstaaten! Einer der schwersten Fehler der EU, wenn nicht der schwerste überhaupt, war die vollkommen überhastete und verfrühte Aufnahme der 10 Osteuropastaaten. Hoffentlich bleibt wenigstens Frankreich standhaft um diesen Fehler mit den 6 Westbalkanstaaten nicht noch einmal zu wiederholen. Diese Staaten haben in der EU bis auf weiteres (mehrere Jahrzehnte sofern man hart an sich arbeitet) nichts verloren.
Es ist natürlich bitter, dass die Sanktionsmaßnahmen nach Art. 7 nur mit mindestens 22 von 28 Stimmen beschlossen werden können. Aber dann muss Paris und Berlin eben diese Stimmen organisiert bekommen, unter vollem Einsatz ihrer machtpolitischen Möglichkeiten. Dafür ist man sich dort aber eben zu bequem, man schlittert lieber in die nächste Krise und wundert sich dann, warum die EU so instabil ist.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Kohlhaas »

Emin hat geschrieben:(31 Oct 2019, 16:21)

Es ist aber nicht im Interesse von Paris und Berlin, dass mitten in Europa ein anti-europäischer Block entsteht. Das ist in etwa so, wie die Kuba-Krise, bloß lädt die EU die fremden Großmächte in den eigenen Garten quasi ein.
Ist es denn so, dass da ein "antieuropäischer Block" entsteht? In dem von Dir verlinkten NZZ-Text wurde doch klar dargelegt, dass selbst Serbien (das traditionell SEHR russlandfreundlich ist) mit der EU ein um mehrere Oktaven höheres Handelsvolumen hat als mit Russland, und dass selbst Serbien die Mitgliedschaft in der Nato anstrebt.

Diese Balkanländer sind der EU so nah und zudem noch "umzingelt", dass "Externe" wie Russland oder China oder die Türkei keine realistische Chance haben, da irgendwie Fuß zu fassen. Der Euro ist in diesen Ländern ohnehin schon längst zur "Zweitwährung" geworden, die ökonomisch wichtiger ist als die Landeswährung. Im Übrigen reden wir die ganze Zeit von einer Handvoll von Kleinstaaten. Wenn die sich - entgegen aller Wahrscheinlichkeit und empirisch nachweisbarer "Tendenz" - zu einem "antieuropäischen Block" zusammenschließen würden, dann hätte das ungefähr die gleiche Wirkung wie ein Streik der freiwilligen Feuerwehr von Augsburg.

Natürlich hast Du im Kern völlig recht: Es war völlig blödsinnig, dass Macron Beitrittsgespräche blockiert hat. Gespräche über den Beitritt sind ja noch lange nicht die Vorstufe zum Beitritt selbst. Bestes Beispiel dafür ist die Türkei. Die "eleganteste" Lösung wäre es gewesen, mit den Nationen offizielle Aufnahmegspräche aufzunehmen und in diesen Gesprächen dann zunehmend scharfe Forderungen zu erheben.

In gewisser Weise verstehe ich aber auch die Franzosen. Es ist in Frankreich ganz schwer vermittelbar, dass die EU Beitrittsgespräche mit einem Land aufnimmt, aus dem die meisten Asylsuchenden kommen, die sich in Frankreich einfinden. Da passt einfach was nicht zusammen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Die "eleganteste" Lösung wäre es gewesen, mit den Nationen offizielle Aufnahmegspräche aufzunehmen und in diesen Gesprächen dann zunehmend scharfe Forderungen zu erheben.
Das sehe ich auch so; wobei "im Laufe der Gespräche zunehmend scharfe Forderungen stellen" nicht unbedingt Teil des Verfahrens sein sollte. Die EU-Kommission sollte eine Art Kurzanleitung für "Was ist die EU, welche Gesellschaftsordnung vertritt sie und welche Werte, welche Fernziele strebt die EU an" vorlegen und dann ganz systematisch den Erfüllungsgrad der Werte der EU durch die Landesverfassung und die erkennbare Praxis in diesem Lande bewerten und um Nachbesserung bitten.

Dieser Prozeß der Angleichung kann bei längerer Dauer auch in einem Assoziierungsvertrag mit wirtschaftlichem Entgegenkommen schmackhaft gemacht werden. Der Beitritt zur EU darf erst dann möglich sein, wenn sämtliche Unterpunkte zu mindestens 95% erfüllt sind. Und der Beitrittsvertrag muß die einklagbare Verpflichtung enthalten, daß an keinem der Punkte geändert werden darf, wenn dadurch der Erfüllungsgrad dort wieder sinkt, was mit Entzug des Stimmrechts in der EU und dem Ausschluß aus dem Verfahren von Ausgleichszahlungen abgestraft wird.

Diese Notbremse hat die EU offenbar bei der Aufnahme der 10 Oststaaten nicht vorgesehen. Mißbrauchter Vertrauensvorschuß etlicher neuer Mitglieder! Daraus muß man lernen für künftige Beitrittsverträge.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von unity in diversity »

Mal sehen, wie die mittleren Populisten in Spanien eine Regierung hinbekommen:
https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 95805.html
Die haben es ja europaweit immer schwerer.
Katalonien als Wahlkampfaufhänger ist wohl nach hinten losgegangen.
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