H2O hat geschrieben:(04 Jun 2019, 17:51)
Hat sich unter unseren Teilnehmern jemand eingehender mit Griechenland befaßt? Wie weit sind dort "kleine Gefälligkeiten", Steuerbetrug und Staatswirtschaft inzwischen durch Amtstreue, Steuerehrlichkeit und Unternehmensgründungen ersetzt worden? Seit dem Höhepunkt der griechischen Finanzkrise mit dem Euro ist es so merkwürdig still geworden, nachdem angeblich (?) in Griechenland der Staat im wesentlichen als Geldquelle zur Verteilung von EU-Geldern verstanden worden war. Wie sieht es dort heute aus?
Da hat sich nichts wesentliches geändert. Die 8 Jahre von 2011 bis 2018 während der die "Institutionen" (gemeint sind EU, EZB und IWF) bestimmten wo es in Sachen Finanzen lang geht wurden von der Bevölkerung aber auch von der Politik als Besatzung wahrgenommen. Viele Reformen wurden zwar angestoßen aber in der Praxis unterlaufen. Positiv übrig geblieben ist ein modernes Katasterwesen (falls es tatsächlich noch in den kommenden 3 Jahren vollumfänglich umgesetzt wird) und die Verbreiterung der Steuerbasis. Damit waren zuletzt ausgeglichene Haushalte möglich, allerdings nur weil man mit der Tilgung der Hilfskredite noch nicht begonnen hat. Aktuell benötigt die Regierung kein weiteres Hilfspaket und kann wieder selbst entscheiden wofür das Geld ausgegeben wird. Da orientiert man sich im aktuellen Wahlkampf wieder an den Zeiten vor der Krise. Konkret ist das eine Erhöhung der Renten (ca 1/2 Monatsrente pro Jahr zusätzlich) und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf bestimmte Produkte.
https://amp.dw.com/cda/de/athen-senkt-s ... a-48749377 Der Chef der griechischen Notenbank und die EU haben schon gewarnt nicht wieder in das alte Fahrwasser zu geraten.
Ansonsten ist alles beim alten geblieben. Das betrifft Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Korruption und Vetternwirtschaft. Im Korruptionsindex von Transparency International ging es zuletzt wieder nach unten, von Platz 59 (2017) auf Platz 67 (2018). Ohne Schmiergeld, um nur einen Sektor exemplarisch zu nennen, geht im Gesundheitswesen weiterhin gar nichts. Wer krank wird sollte über Bargeld verfügen wenn er vernünftig behandelt werden möchte. Nicht besser sieht es in Sachen Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft aus. Im Ease Of Doing Business Index der Weltbank liegt Griechenland auf Platz 72, 2016 lag man noch auf Platz 60. Beim Unterpunkt Eigentumsregistratur liegt man auf Platz 153 von 180 Staaten insgesamt. Da ist sogar die deutliche Mehrheit der afrikanischen Staaten an Griechenland vorbeigezogen. Ähnlich sieht es beim Unterpunkt Vertragssicherheit aus. Wer mit seinem Vertragspartner in einen Rechtsstreit gerät muss sich aufgrund der nicht durchgeführten Justizreform auf Prozesszeiten einstellen die in der Regel über 10 Jahren liegen. Nebenbei bemerkt, der nördliche Nachbar Nordmazedonien hat sich im Wirtschaftsbereich massiv reformiert und liegt im Ease Of Doing Business Index auf Platz 10 (Deutschland Platz 24). Es geht also, wenn man denn will.
Bei den Palamentswahlen die in wenigen Wochen stattfinden, werden voraussichtlich die Konservativen als Sieger hervorgehen. Die waren in der Vergangenheit mit am korruptesten. Evtl schaffen sie es aber Griechenland als Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen als die aktuelle linke Regierung. Versprechen gibt es dazu jedenfalls genug.