Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovakei)

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schokoschendrezki
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(06 Nov 2018, 09:09)

Auch das beeindruckt mich nicht sonderlich. Mit Erdogan hat Frau Merkel und danach auch die EU verhandelt, damit syrische Kriegsflüchtlinge möglichst schon in der Türkei aufgehalten werden. Oder man spricht als EU mit anderen Korruptokraten, anstatt eine Zusammenarbeit nur mit Partnern zu betreiben, die für gute Regierungsführung bekannt sind.
Speziell dazu noch mal. Wenn dieses Prinzip sich konsequent in der internationalen Politik durchsetzen würde, stünde die Welt binnen kurzem vor dem Abgrund. Seit jeher bedeutete Politik Vermittlung in einem heterogenen Umfeld. Ist der schnelle Verfall der Zustimmung zu Macron innerhalb von Frankreich nicht auf genau dieses Sturheits- und Arroganz-Prinzip zurückzuführen: Ich rede nur noch mit denen, die dieselben Ansichten vertreten wie ich. Anders als vielleicht häufig vermutet stehen sich Vermittlungsfähigkeit und Prinzipientreue nicht unversöhnlich gegenüber.

Aktuell dazu ein DLF-Hintergrund: Parteien in Frankreich: Erstarken der „Neuen Rechten“.

Der Rückzug in den "engen Kreis der engsten Verbündeten" hinterlässt ein Vakuum, in das dann noch rechtere politische Kräfte einsickern als die, die es vorher bevölkerten. So würde ich diese Analyse zur Sitiation in Frankreich zusammenfassen und ähnlich sehe ich es auch für ganz Europa.
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H2O
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Nov 2018, 09:05)

Speziell dazu noch mal. Wenn dieses Prinzip sich konsequent in der internationalen Politik durchsetzen würde, stünde die Welt binnen kurzem vor dem Abgrund. Seit jeher bedeutete Politik Vermittlung in einem heterogenen Umfeld. Ist der schnelle Verfall der Zustimmung zu Macron innerhalb von Frankreich nicht auf genau dieses Sturheits- und Arroganz-Prinzip zurückzuführen: Ich rede nur noch mit denen, die dieselben Ansichten vertreten wie ich. Anders als vielleicht häufig vermutet stehen sich Vermittlungsfähigkeit und Prinzipientreue nicht unversöhnlich gegenüber.

Aktuell dazu ein DLF-Hintergrund: Parteien in Frankreich: Erstarken der „Neuen Rechten“.

Der Rückzug in den "engen Kreis der engsten Verbündeten" hinterlässt ein Vakuum, in das dann noch rechtere politische Kräfte einsickern als die, die es vorher bevölkerten. So würde ich diese Analyse zur Sitiation in Frankreich zusammenfassen und ähnlich sehe ich es auch für ganz Europa.
Sie vermischen Realpolitik unter unabhängigen Staaten mit der Entwicklung eines europäischen Projekts. Das hatte ich doch ganz vernünftig auseinander gehalten.
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Orbiter1
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Orbiter1 »

Heute wird Manfred Weber von der EVP-Fraktion zum Spitzenkandidaten für die Nachfolge von Juncker gewählt. Bedauerlicherweise denkt er im Gegensatz zu seinem chancenlosen Herausforderer Stubb nicht im Traum daran die Fidesz-Partei aus der EVP-Fraktion auszuschließen. Für mich ist er damit komplett unglaubwürdig und ich hoffe ein anderer tritt die Nachfolge von Juncker an.
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H2O
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(08 Nov 2018, 07:47)

Heute wird Manfred Weber von der EVP-Fraktion zum Spitzenkandidaten für die Nachfolge von Juncker gewählt. Bedauerlicherweise denkt er im Gegensatz zu seinem chancenlosen Herausforderer Stubb nicht im Traum daran die Fidesz-Partei aus der EVP-Fraktion auszuschließen. Für mich ist er damit komplett unglaubwürdig und ich hoffe ein anderer tritt die Nachfolge von Juncker an.
Die EVP-Fraktion ist vermutlich die zahlenstärkste politische Gruppe im EU-Parlament. Wenn sich nicht alle EVP-Vertreter für Herrn Weber erwärmen können, dann können sie mit einem Bewerber aus den übrigen Fraktionen liebäugeln, wenn der eher ihren europapolitischen Vorstellungen entspricht. Freie und geheime Wahl könnte den üblichen Fraktionszwang ausschalten.

Wir sehen doch, daß das europäische Projekt durch mutwillige Regelbrüche zerstört wird. Auch im EU-Parlament ist "weiter so!" nicht gerade das, was diese offenen Wunden schließt. Was werden die EU-Parlamentarier denn dazu sagen, wenn weitgehende Wahlverweigerung ihre Existenz in Frage stellt... oder auch dort die "Volksparteien" so einschrumpfen wie zuletzt in unseren Landtagswahlen?
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Orbiter1
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(08 Nov 2018, 09:01)

Die EVP-Fraktion ist vermutlich die zahlenstärkste politische Gruppe im EU-Parlament. Wenn sich nicht alle EVP-Vertreter für Herrn Weber erwärmen können, dann können sie mit einem Bewerber aus den übrigen Fraktionen liebäugeln, wenn der eher ihren europapolitischen Vorstellungen entspricht. Freie und geheime Wahl könnte den üblichen Fraktionszwang ausschalten.
Sie sollten sich noch einmal das Prozedere zur Wahl des EU- Kommissionspräsidenten ansehen. Heute geht es nur um den Wunschkandidaten der EVP-Fraktion. Ob der dann wirklich zur Wahl steht ist eine ganz andere Frage. Nur der Europarat, bestehend aus den 27 Staats- und Regierungschefs hat ein Vorschlagsrecht. Sollten Merkel oder Macron nächstes Jahr zur Verfügung stehen weil sie ihre Regierungsämter verloren haben, könnten auch sie vom Europarat vorgeschlagen werden.
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H2O
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(08 Nov 2018, 09:23)

Sie sollten sich noch einmal das Prozedere zur Wahl des EU- Kommissionspräsidenten ansehen. Heute geht es nur um den Wunschkandidaten der EVP-Fraktion. Ob der dann wirklich zur Wahl steht ist eine ganz andere Frage. Nur der Europarat, bestehend aus den 27 Staats- und Regierungschefs hat ein Vorschlagsrecht. Sollten Merkel oder Macron nächstes Jahr zur Verfügung stehen weil sie ihre Regierungsämter verloren haben, könnten auch sie vom Europarat vorgeschlagen werden.
Das sind die geltenden Regeln, schon richtig. Ich erinnere aber daran, daß das EU-Parlament sich zuletzt gegen diese Regeln das Recht ertrotzt hatte, sowohl den Parlamentspräsidenten (damals Schulz) als auch den Kommissionspräsidenten (damals Juncker) vor zu schlagen. Das Druckmittel war dabei die Regel, daß das EU-Parlament den gesamten Kommissionsvorschlag des EU-Ministerrats zurückweisen kann, so daß es besser ist, die einigen sich gütlich gleich von Anfang an über den Kommissionspräsidenten.

Damals hat Cameron noch sehr geschäumt vor Ärger; demnächst schäumt kein Brite mehr mit.
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Orbiter1
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Orbiter1 »

Wie erwartet wurde Weber zum Spitzenkandidaten gewählt, auch seine 79,2% liegen im Rahmen der Erwartungen. Mal sehen welche Kandidaten die anderen Fraktionen im Europaparlament aufstellen.
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schokoschendrezki
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Orbiter1 hat geschrieben:(08 Nov 2018, 12:35)

Wie erwartet wurde Weber zum Spitzenkandidaten gewählt, auch seine 79,2% liegen im Rahmen der Erwartungen.
Ja. Leider. Aber eben tatsächlich auch erwartungsgemäß. Die EVP-Fraktion ist der Mainstream in Europa und die Positionen Webers sind innerhalb des Mainstreams der Mainstream. Die politische Bedeutung der Spitzenkandidatenaufstellung Webers besteht darin, dass sein finnischer Gegenkandidat die Zurechtweisung von Politikern wie Orbán in seinem Programm nicht irgendwo sondern ausdrücklich ganz oben angesetzt hat. Liberalkonservative kommen gegenüber rechtskonservativen nicht an. Kaczinsky und May und Co stellen sich bewusst außerhalb. Orbán und Fidesz dagegen sind und bleiben Bestandteil dieses rechtskonservativen Mainstreams und werden sich noch weiter darin etablieren. Dass bei der gemeinsamen Migrationspolitik von EU und internationaler Gemeinschaft nun nach V4, Österreich und Italien auch Dänemark sich verweigert, liegt auf der gleichen Linie.

Es gibt eine sture Haltung, die trotz dieser Faktenlage realitätsfern auf eine "ever closer union" setzt. Dass sich dieser Thread hier über weite Strecken als geschlossenes Dreiergespräch entfaltet und sonst kaum jemanden interessiert, bestätigt dies nur. Die Gegenstrategie lautet: Solidarität und Stärkung der liberalen und oppositionellen politischen Kräfte in Regionen wie Osteuropa, Österreich, Italien. Eine Abgrenzung aus Prinzip wird die EU-Skeptiker dort nur bestärken.

Aber egal: Ein Rauswurf der Fidesz aus der EVP oder gar ein Rauswurf Ungarns aus der EU ist kurz und mittelfristig völlig unrealistisch, utopisch und von den maßgeblichen politischen Kräften nicht gewollt. Und vor allem von den sie wählenden Mehrheiten nicht erwünscht. Vergesst es! Denkt lieber über realistische Strategien zur Rettung von Demokratie und dem Geist des EU-Projekts nach.

Von den Wirtschafts-Kräften mal ganz abgesehen. "Die deutsche Wirtschaft feiert den „Trump der Tropen“" ist ein aktueller Artikel im Handelsblatt zur Präsidentschaftswahl in Brasilien überschrieben. Heißt: Der im Vergleich "ultrademokratische", "ultraliberale" Orbán kann sich noch einige Lichtjahre nach rechts und Autokratie bewegen. Die deutsche Wirtschaft wird in nur umso mehr hofieren. Macht euch doch keine Illusionen!
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