Julian hat geschrieben:(21 Oct 2019, 21:22)
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Im übrigen liegt der ganzen Misere der
Fixed-term Parliaments Act von 2011 zugrunde. Dieses Gesetz verhindert, dass der Premierminister ein Parlament, in dem er keine Mehrheit mehr hat, auflösen kann, wie es britische Tradition und auch sinnvoll war. Nur dieses Gesetz ermöglicht es nun dem Parlament, einerseits mehrheitlich eindeutig kein Vertrauen in den Premierminister zu haben und permanent gegen ihn zu stimmen, ihn jedoch weiter in seiner Funktion zu belassen, in einer Art von Fegefeuer, halb tot, halb lebendig. Es ist dieses Gesetz, dass die Schaffung klarer Mehrheitsverhältnisse und einer stabilen, von einer Mehrheit getragenen Regierung nun verhindert.
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Also erst einmal könnte der Premierminister zurücktreten....Anlass dafür gab es ja nun einige. Dann könnte man mit 2/3-Mehrheit für eine Auflösung des Parlamentes stimmen - oder man könnte auch nur mehrheitlich beschließen, dass man der Regierung nicht mehr vertraut.
ABER: Es gibt ja auch gute Gründe, warum das Parlament diesen Weg derzeit nicht geht. Das liegt auch daran, dass die Regierung oft genug taktiert hat, und es regelrecht auf einen ungeregelten Brexit ankommen lassen wollte. Nur - die Mehrheit der immerhin auch deutlich gewählten Parlamentarier ist für einen ungeregelten Brexit nicht zu haben.
Eigentlich gibt es nur einen vernünftigen demokratischen Weg, wie man das Dilemma wirklich auflösen kann:
Die unterschiedlichen Varianten für den Brexit werden inklusive der Option der weiteren Mitgliedschaft in der EU dem Volk zu Abstimmung vorgelegt.
Ein entsprechender Wahlzettel könnte Fragen enthalten wie:
In einer Volksabstimmung hat sich das britische Volk dazu entschlossen, die EU zu verlassen.
In den Verhandlungen zum Austritt des UK aus der EU wurde inzwischen deutlich, was dies für UK bedeuten wird.
Bitte beantworten sie in Kenntnis dieser Umstände folgende Fragen:
Wie sollte das zukünftige Verhältnis von GB zur EU sein:
1) GB sollte die EU in jedem Fall möglichst zeitnah verlassen.
2) GB sollte die EU in jedem Fall verlassen, aber erst nachdem ein ordentlicher Austrittsvertrag verhandelt wurde, der von beiden Seiten akzeptiert wird.
3) GB sollte die EU in jedem Fall verlassen, aber weiterhin in der Zollunion mit der EU bleiben.
Sofern die Frage 1) keine Mehrheit hat, werden die JA-Stimmen der Frage 1) der Frage 2) zugeordnet.
Sofern die Frage 2) keine Mehrheit hat, werden die JA-Stimmen der Frage 2) der Frage 3) zugeordnet.
4) In Kenntnis der Verhandlungen der letzten Jahre zwischen der EU und GB zum Austritt von GB aus der EU stimme ich heute für einen Verbleib von GB in der EU.
Frage 4) hat also dann und genau dann eine Mehrheit, wenn es eine Absolute Mehrheit gibt, die sich für ein REMAIN aussprechen.
Zur Entscheidungsfindung würde sich auch das Präferenzwahlverfahren eignen. Bei diesem Wahlverfahren würde man dem Volk unterschiedliche sich ausschließende Thesen zur Entscheidung vorlegen, und das Volk würde diesen Thesen eine Präferenz zuordnen. Nehmen wir als Beispiel mal die obigen vier Fragestellungen, dann könnte jeder Wähler bei jeder Fragestellung seine Präferenz vergeben - also bei vier Fragen eben von 1 bis 4.
Im ersten Auszählungsdurchlauf wird ermittelt, welche Frage die geringste Zustimmung bekommen hat. Diese Frage wird dann gestrichen, und die Wahlzettel, die diese Frage mit 1 Priorisiert haben, werden neu ausgezählt und verteilt - die Stimmen dieser Wahlzettel werden dann entsprechend der zweiten Präferenz verteilt. Gibt es damit eine Mehrheit, ist Schluss - gibt es keine Mehrheit, wird nach dem zweiten Auszählungsdurchlauf wieder analog so verfahren, wie beim ersten Durchlauf. Spätestens danach gibt es bei vier Fragen eine klare Mehrheit - die ist dann auch verbindlich umzusetzen.
Ich denke, das Problem ist derzeit nicht mehr durch das Parlament zu lösen. Es gibt gute Gründe, auch sehr demokratische Gründe, das Volk erneut zu befragen. Niemals stand zur Abstimmung, wie das zukünftige Verhältnis von GB zur EU aussehen soll. Genau DIES ist das Problem! Für einen Brexit würde sich ja auch eine Mehrheit finden - auch im Parlament, aber nicht für einen ungeregelten Brexit. Und WENN es im Volk für einen ungeregelten Brexit tatsächlich eine Mehrheit gäbe, dann wäre auch dem letzten im Parlament klar, was die Stunde geschlagen hat. Wenn es aber im Volk keine Mehrheit für den ungeregelten Brexit gibt, (und davon ist auszugehen, weil schon bei der Abstimmung zum Brexit weite Teile des Landes sich mehrheitlich gegen einen Brexit ausgesprochen haben), dann hilft es ungemein, wenn die Parlamentarier hier mehr Klarheit haben.
Für das Chaos in GB kann die EU im Übrigen wenig. Dass die EU ihre Interessen verteidigen muss und soll, wenn ein Land die EU verlassen will, ist nur mehr als vernünftig! Schließlich können die verbleibenden EU-Mitglieder nichts dafür, dass sich GB von der EU trennen will. Dass die EU deshalb auch die Interessen Irlands unterstützt, ist richtig gut! Niemand sollte ein Interesse haben, dass alte Konfliktlinien wieder aufleben.
Das eigentliche Problem in GB ist, dass bisher nur Mehrheiten zu finden sind für das, was man NICHT will. Es ist aber nicht klar, ob auch nur eine einzige Option eine Mehrheit hätte, für das was man will.....