EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

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Juan
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Juan »

Julian hat geschrieben:(22 Oct 2019, 22:18)

Das Parlament hat darum gebeten. Und die deutschen Medien haben Ihnen und mir gerade ins Gesicht gelogen, aber Ihnen scheint das nicht einmal etwas auszumachen.
Mir macht das schon was aus.
Die deutschen Medienschaffenden stehen unisono auf der Seite der Brexitgegner. Und, wie sie richtig sagen, es ist das Parlament, das Johnson genötigt hat, eine Fristverlängerung zu beantragen. Er selbst hat sich ja klar davon distanziert. Es ist traurig, welchen Dreck, sprich Fakenews, die Mainstream Medien ungestraft rauslassen können.
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Julian
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Julian »

Vielleicht ist es möglich, die Verlängerung - die nun in meinen Augen fast unausweichlich kommen wird - auf eine kurze Zeit, sagen wir : 2 Wochen, zu begrenzen. Dann wäre genug Zeit, die Gesetzesvorlage zu prüfen und in dritter Lesung zu verabschieden, wenn einige der Labour-Abgeordneten, die in der zweiten Lesung dafür gestimmt haben, noch einmal gewonnen werden könnten (ihre politische Karriere ist wohl ohnehin vorbei).

Das Problem ist, dass Johnson zuvor die Versuche von Labour, SNP und Liberaldemokraten, entstellende Amendments (Verbleib in der Zollunion, Bindung an ein zweites Referendum), die auch eine Neuverhandlung mit der EU bedeuten würden, zu verhindern.
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Skull
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Skull »

Juan hat geschrieben:(22 Oct 2019, 22:55)

Und, wie sie richtig sagen, es ist das Parlament, das Johnson genötigt hat, eine Fristverlängerung zu beantragen.
Er selbst hat sich ja klar davon distanziert.
Ich finde es nicht verkehrt, wenn Parlamente Ihre Rechte einfordern.
Und nicht Egomanen ihre Egotouren ausleben lassen.

Das ist ja schliesslich alles kein Kinderspiel. ;)

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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Atue001 »

Die Idee, dass die deutschen Medien nun die Bösen sind - ist wieder mal nur eine Erfindung. Und dieses Forum zeigt auch dies genau! Denn es gibt ausreichend hier, wie auch außerhalb des Forums, die sehr genau verstehen, wo die eigentlichen Probleme liegen.

Man kann dabei durchaus die Idee haben, dass die EU auch hätte anders verhandeln können. So gibt es keinen zwingenden Grund, dass man mit GB erst über die Scheidung, und dann über die zukünftigen Beziehungen spricht. Man hat sich aber Seitens der EU zu genau diesem Vorgehen entschieden.
Umgekehrt gibt es auf britischer Seite den Kardinalfehler, dass man zwar eine (wenn auch knappe) Mehrheit für einen Austritt hatte - aber es völlig ungeklärt war und bis heute ist, wie sich GB die zukünftigen Beziehungen zur EU vorstellt. Da gibt es gerade keine klaren Mehrheiten, denn die Vorstellungen der Nordiren oder der Schotten oder der Bürger Londons sind mehrheitlich anders, als die Vorstellungen der Landbevölkerung von Wales. Und von Einigkeit ist da keine Spur - es gibt keine Mehrheit für die EU-üblichen Kooperationsmodelle - für kein einziges!
Dabei hat die EU die Möglichkeiten für die Nach-EU-Zeiten recht früh strukturiert dargestellt - inklusive der Konsequenzen:

Stufe 0: Handelsbeziehungen auf WHO-Niveau
Stufe 1: Bilaterale Beziehungen in einzelnen Politikfeldern
Stufe 2: Freihandelsabkommen
Stufe 3: Teilnahme am EWR
Stufe 4: Norwegen Modell

Und die EU hat entsprechend ihre eigenen Interessen in die Wagschaale gelegt und definiert:
1) Vereinbarung über die offenen Verbindlichkeiten zwischen der EU und GB
2) Klare Regelung, die eine harte Grenze zwischen der EU und Nordirland vermeidet
3) Zugang zum Binnenmarkt nur, wenn die vier Grundfreiheiten ( freien Verkehr von Gütern, Kapital, Dienstleistungen und Personen) gewährleistet sind

Im Gegensatz dazu hat London bisher nur definieren können, was sie nicht wollen - nicht aber, was sie mehrheitlich wollen.
DAS ist das Grundübel, was noch immer einen erfolgreichen Deal verhindert.


Was könnte die EU tun: Die EU könnte GB anbieten, dass sie erst einmal die Austrittsfrist unbegrenzt verlängert, bis die offenen Fragen geklärt sind - und zwar sowohl die Fragen nach den Scheidungspapieren, als auch die Fragen nach den zukünftigen Beziehungen - unter der Voraussetzung, dass sich GB seinerseits nicht mehr an der politischen Meinungsbildung beteiligt, solange das Verfahren schwebend ist, sich aber gleichzeitig bindend an die EU-Gesetzgebung bis zum Austritt hält.
Dann läge der Ball alleine in GB - hier müssten klare Mehrheiten her, und klare Ideen, wie man erfolgreich eine Mehrheit im britischen Volk herstellt. Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, der dabei aber die Grundforderungen der EU mit berücksichtigen muss, ist eine erfolgreiche Trennung inklusive einem erfolgreichen Anschlussverhältnis kein Problem.

Nur - so oder so - das Problem ist nicht die EU! Und die EU kann zur Problemlösung nur wenig beitragen - der Ball liegt in London!
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Wähler »

Spiegel 23. Oktober 2019 Nächstes Brexit-Manöver des Premiers
https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 92827.html
" Das Ganze hat allerdings einen Haken: Die Regierung musste in Brüssel bereits offiziell einen vergleichsweise langen, dreimonatigen Aufschub bis Ende Januar 2020 beantragen. Und Ratspräsident Donald Tusk hat bereits signalisiert, dass er sich daran orientieren will.
Bleibt die EU dabei, könnte Johnson doch lieber zuerst auf Neuwahlen setzen, um anschließend erneut in die Unterhausabstimmungen zu gehen. In der Nacht verbreiten sich Berichte, wonach die Regierung genau von dieser Variante inzwischen ausgeht."

Der Ball liegt also vorerst wieder im Spielfeld der EU-Regierungschefs.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von garfield336 »

Julian hat geschrieben:(22 Oct 2019, 21:36)

Zum Glück habe ich die Sitzung selbst verfolgt und bin nicht auf die tendenziösen Berichte deutscher Medien angewiesen. Natürlich hat Johnson keinesfalls gesagt, er wolle nun die EU um eine weitere Verlängerung bitten. Das ist eine Verdrehung seiner Worte.


Boris Johnson im House of Commons nach der Ablehnung seines Zeitplans
Johnson hat die EU bereits am Samstag um eine Verlängerung gebeten.

Und M.Tusk hat den 27Mitgliedsstaaten gestern vorgeschlagen, dem zu zustimmen.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

garfield336 hat geschrieben:(22 Oct 2019, 09:19)

So funktionnieren Referenden nicht.
Streng genommen war es ja kein Referendum, auch wenn der Begriff in diesem Zusammenhang immer wieder gebraucht wird. Das Wesentliche was man darüber lernt, wie unsinnig und schlecht vorbereitet die Aktion von Cameron war.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von garfield336 »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(23 Oct 2019, 08:55)

Streng genommen war es ja kein Referendum, auch wenn der Begriff in diesem Zusammenhang immer wieder gebraucht wird. Das Wesentliche was man darüber lernt, wie unsinnig und schlecht vorbereitet die Aktion von Cameron war.

Naja ich denke die Deutschen Verwenden den Begriff anders als die Westeuropäer.?

Wir übersetzen hier Referendum mit einem konsulativen Volksbefragung. Rechtlich bindend sind sie eh nie.
Aber zumindest mus man davon ausgehen, dass es für die Mehrheitsparteien eine politische defacto bindende Entscheidung ist.

Aber ich sehe es problematisch wenn eine Parlamentswahl zwischen Referendum und Umsetzung liegt.
Die Parlamentarier sind nicht an das Ergebnis gebunden erst Recht nicht, wenn sich die Zusammensetzung des Parlamentes wegen einer Wahl geändert hat. Die neue Mehrheit kann das auch politisch einfach ignorieren was ihre Vorgänger da angezettelt haben.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

garfield336 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 09:23)

Naja ich denke die Deutschen Verwenden den Begriff anders als die Westeuropäer.?

Wir übersetzen hier Referendum mit einem konsulativen Volksbefragung. Rechtlich bindend sind sie eh nie.
Es ging weniger hier weniger um rechtliche Bindung. Denn es gibt natürlich auch konsultative Referenden, die nicht bindend sind.
I.d.R. wird aber in einem Referendum über eine bereits erarbeitete Vorlage abgestimmt. Und das ist nun mal mehr als eine einfache Ja/Nein-Frage, zumal es sich ja um ein komplexes Thema handelt, wie man wohl sieht.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von garfield336 »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(23 Oct 2019, 09:33)

Es ging weniger hier weniger um rechtliche Bindung. Denn es gibt natürlich auch konsultative Referenden, die nicht bindend sind.
I.d.R. wird aber in einem Referendum über eine bereits erarbeitete Vorlage abgestimmt. Und das ist nun mal mehr als eine einfache Ja/Nein-Frage, zumal es sich ja um ein komplexes Thema handelt, wie man wohl sieht.
Genau das ist der Punkt. Hier in Luxemburg, wie in auch in England setzt die Regierung die Fragestellung zusammen. Und das Parlament beschliesst ein Referendumsgesetz.
Theoretisch könnten sie auch komplett unsinniges Fragen. Wie "Ist ihre Katze blau" Ja/nein. Mit Gesetzgebung hat das nichts zu tun.

Wir hatten ein Referendum über die Verfassung für Europa das war auch sehr komplex und man konnte nur ja/nein antworten.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

garfield336 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 09:40)


Wir hatten ein Referendum über die Verfassung für Europa das war auch sehr komplex und man konnte nur ja/nein antworten.
Korrekt, der Unterschied aber ist, dass es ein Vorlage, in dem Fall einen Vertrag gibt über den man abstimmt.
Im Falle UK gab es ja nichts, außer die Frage über den Verbleib in der EU. Zu welchen Bedingungen das realisiert wird wurde überhaupt nicht thematisiert. Eine konkrete Vorlage, wie das von Statten gehen soll gab es nicht.

Bei Volksentscheiden in Deutschland (nur auf Länderebene möglich) wird immer über einen konkreten Gesetzentwurf abgestimmt.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Julian »

garfield336 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 08:36)

Johnson hat die EU bereits am Samstag um eine Verlängerung gebeten.

Und M.Tusk hat den 27Mitgliedsstaaten gestern vorgeschlagen, dem zu zustimmen.
Er hat über seinen EU-Botschafter die Fotokopie eines nicht unterschriebenen Briefes abgegeben, weil er dazu vom Parlament gesetzlich verpflichtet wurde, gleichzeitig aber seine Haltung deutlich gemacht, dass er gegen jedwede Verlängerung ist. Aber darum geht es gar nicht; von mir aus mag man das polemisch so beschreiben, als habe er selber um Verlängerung gebeten.

Die deutschen Medien haben aber etwas anderes suggeriert, nämlich, dass Johnson gestern im Parlament nach der Ablehnung des Zeitplans gesagt habe, er würde bei der EU um eine Verlängerung bitten. Das hat er nicht; insofern haben die deutschen Medien ein Problem mit präziser, faktenbasierter, nicht tendenziöser Berichterstattung.

Die Sachlage würde auch nicht verändert, würde Johnson nun tatsächlich in den nächsten Tagen um eine Verlängerung bitten. Gestern hat er es auf jeden Fall nicht getan und auch nicht angedeutet. Ich wünsche mir einfach eine faktenbasierte, nicht interessengeleitete Berichterstattung. Diese findet aktuell nicht statt; die deutschen Medien gefallen sich darin, Johnson lächerlich zu machen und die Vorgänge falsch darzustellen.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Wähler »

Julian hat geschrieben:(23 Oct 2019, 10:44)
Die deutschen Medien haben aber etwas anderes suggeriert, nämlich, dass Johnson gestern im Parlament nach der Ablehnung des Zeitplans gesagt habe, er würde bei der EU um eine Verlängerung bitten. Das hat er nicht; insofern haben die deutschen Medien ein Problem mit präziser, faktenbasierter, nicht tendenziöser Berichterstattung.
Wie man solch ein Kasperltheater mit emotionalen Reaktionen noch befeuert. ;)
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Europa2050 »

Julian hat geschrieben:(23 Oct 2019, 10:44)

Er hat über seinen EU-Botschafter die Fotokopie eines nicht unterschriebenen Briefes abgegeben, weil er dazu vom Parlament gesetzlich verpflichtet wurde, gleichzeitig aber seine Haltung deutlich gemacht, dass er gegen jedwede Verlängerung ist. Aber darum geht es gar nicht; von mir aus mag man das polemisch so beschreiben, als habe er selber um Verlängerung gebeten.

...
Inhaltlich hast Du - soweit ich den Sachverhalt einschätzen kann - dieselbigen komplett richtig beschrieben.

Und genau das ist ja die linke Nummer von Johnson.

Juristen mögen sich trefflich streiten, ob Johnson überhaupt eine gültige Willenserklärung abgegeben hat. Johnson Auftrag durch das Parlament spricht dafür, die Formalien (Unterschrift, zweiter Brief) sprechen dagegen.
Die Medien gehen offensichtlich von ersterem aus, deswegen die genannten Darstellungen.

Nachdem aber heutzutage nicht Juristen sondern Populisten den Takt vorgeben, gibt es nun zwei Wege, der EU den schwarzen Peter zuzuschieben:

1. Entscheidet die EU auf „keine gültige Willenserklärung“, folgt nach aktueller Situation der Hard Brexit. Und natürlich wäre für alle negativen Folgen die EU verantwortlich zu machen, hat sie das UK trotz vermeintlicher Bitte doch rausgeschmissen.

2. Entscheidet die EU auf „gültige Willenserklärung“ und in Folge auf eine Fristverlängerung, ist sie ebenfalls an allen Problemen in UK schuld, weil man dem UK einen Ausstieg zum 31.10. verweigert, obwohl die britische Regierung das wollte und auch unmissverständlich klargemacht hat. Nationalistenstichwort: „EUdSSR“.

Mit dieser linken Nummer hat sich BoJo entgültig aus dem Kreis derer verabschiedet, mit denen man fair verhandeln kann. Leider gilt der Spruch „Man trifft sich immer zweimal“ in diesem Kontext eher für Länder und nicht für Politiker.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von garfield336 »

Julian hat geschrieben:(23 Oct 2019, 10:44)

Er hat über seinen EU-Botschafter die Fotokopie eines nicht unterschriebenen Briefes abgegeben, weil er dazu vom Parlament gesetzlich verpflichtet wurde, gleichzeitig aber seine Haltung deutlich gemacht, dass er gegen jedwede Verlängerung ist. Aber darum geht es gar nicht; von mir aus mag man das polemisch so beschreiben, als habe er selber um Verlängerung gebeten.

Die deutschen Medien haben aber etwas anderes suggeriert, nämlich, dass Johnson gestern im Parlament nach der Ablehnung des Zeitplans gesagt habe, er würde bei der EU um eine Verlängerung bitten. Das hat er nicht; insofern haben die deutschen Medien ein Problem mit präziser, faktenbasierter, nicht tendenziöser Berichterstattung.

Die Sachlage würde auch nicht verändert, würde Johnson nun tatsächlich in den nächsten Tagen um eine Verlängerung bitten. Gestern hat er es auf jeden Fall nicht getan und auch nicht angedeutet. Ich wünsche mir einfach eine faktenbasierte, nicht interessengeleitete Berichterstattung. Diese findet aktuell nicht statt; die deutschen Medien gefallen sich darin, Johnson lächerlich zu machen und die Vorgänge falsch darzustellen.
Er hat das am Samstag bereits getan. Punkt. Ob der Brief nun eine Unterschrift trägt oder nicht, irrelevant. Tusk hat den Empfang am Samstag bestätigt.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Julian »

garfield336 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 12:22)

Er hat das am Samstag bereits getan. Punkt. Ob der Brief nun eine Unterschrift trägt oder nicht, irrelevant. Tusk hat den Empfang am Samstag bestätigt.
Wie ich sagte: Darum geht es nicht. Die deutschen Medien haben über das, was er gestern gesagt hat, die Unwahrheit berichtet. Mir ist die Wahrheit wichtig, und es erstaunt mich, wie wenig wichtig sie anderen zu sein scheint.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von garfield336 »

Europa2050 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 11:23)

Inhaltlich hast Du - soweit ich den Sachverhalt einschätzen kann - dieselbigen komplett richtig beschrieben.

Und genau das ist ja die linke Nummer von Johnson.

Juristen mögen sich trefflich streiten, ob Johnson überhaupt eine gültige Willenserklärung abgegeben hat. Johnson Auftrag durch das Parlament spricht dafür, die Formalien (Unterschrift, zweiter Brief) sprechen dagegen.
Die Medien gehen offensichtlich von ersterem aus, deswegen die genannten Darstellungen.
.
Die Medien geben auch nur wieder was Tusk sagt. Er hat den Empfang bestätigt und gleich die Botschafter kontaktiert.
Gestern hat er vorgeschlagen, die EU-27 mögen der Verlängerung zustimmen.

Ob Unterschrieben oder nicht. Die EU hat den Brief so angenommen.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Julian »

Europa2050 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 11:23)

Inhaltlich hast Du - soweit ich den Sachverhalt einschätzen kann - dieselbigen komplett richtig beschrieben.

Und genau das ist ja die linke Nummer von Johnson.

Juristen mögen sich trefflich streiten, ob Johnson überhaupt eine gültige Willenserklärung abgegeben hat. Johnson Auftrag durch das Parlament spricht dafür, die Formalien (Unterschrift, zweiter Brief) sprechen dagegen.
Die Medien gehen offensichtlich von ersterem aus, deswegen die genannten Darstellungen.

Nachdem aber heutzutage nicht Juristen sondern Populisten den Takt vorgeben, gibt es nun zwei Wege, der EU den schwarzen Peter zuzuschieben:

1. Entscheidet die EU auf „keine gültige Willenserklärung“, folgt nach aktueller Situation der Hard Brexit. Und natürlich wäre für alle negativen Folgen die EU verantwortlich zu machen, hat sie das UK trotz vermeintlicher Bitte doch rausgeschmissen.

2. Entscheidet die EU auf „gültige Willenserklärung“ und in Folge auf eine Fristverlängerung, ist sie ebenfalls an allen Problemen in UK schuld, weil man dem UK einen Ausstieg zum 31.10. verweigert, obwohl die britische Regierung das wollte und auch unmissverständlich klargemacht hat. Nationalistenstichwort: „EUdSSR“.

Mit dieser linken Nummer hat sich BoJo entgültig aus dem Kreis derer verabschiedet, mit denen man fair verhandeln kann. Leider gilt der Spruch „Man trifft sich immer zweimal“ in diesem Kontext eher für Länder und nicht für Politiker.
Es läuft wohl auf eine kurze Fristverlängerung (im Bereich von Wochen, nicht Monaten) seitens der EU hinaus, soweit ich das beurteilen kann.

Für ausgeschlossen halte ich, dass die EU den 31.10. als fix ansieht; dazu müsste schon Johnson eine Intrige entspinnen, etwa über einzelne Mitgliedstaaten wie Ungarn. Letzteres halte ich für sehr unwahrscheinlich.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Europa2050 »

garfield336 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 12:25)

Die Medien geben auch nur wieder was Tusk sagt. Er hat den Empfang bestätigt und gleich die Botschafter kontaktiert.
Gestern hat er vorgeschlagen, die EU-27 mögen der Verlängerung zustimmen.

Ob Unterschrieben oder nicht. Die EU hat den Brief so angenommen.
Auch richtig.

Aber Du kannst Gift darauf nehmen, dass die Nationalisten aller Länder zeitnah damit argumentieren werden, dass doch jedem klar sein musste, dass das nicht so gemeint war und ja juristisch auch gar nicht Hieb- und stichfest ist und die EU das UK illegal „drinnen“ hält...
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Juan »

Europa2050 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 11:23)

Inhaltlich hast Du - soweit ich den Sachverhalt einschätzen kann - dieselbigen komplett richtig beschrieben.

Und genau das ist ja die linke Nummer von Johnson.

Nicht unbedingt, denn das kann man auch als cleverness bezeichnen.
Die Frage ist, wie lange er noch durchhält und ob er noch andere clevere Strategien in petto hat.
Mit dieser linken Nummer hat sich BoJo entgültig aus dem Kreis derer verabschiedet, mit denen man fair verhandeln kann. Leider gilt der Spruch „Man trifft sich immer zweimal“ in diesem Kontext eher für Länder und nicht für Politiker.
Seit wann sind politische Verhandlunden fair? es geht immer um Eigeninteressen.Wer in den Verhandlungen den lägeren Atem hat oder gegebenenfalls kräftiger mit dem Säbel rasseln kann wird die Sache für sich entscheiden.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Orbiter1 »

Europa2050 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 12:37)

Aber Du kannst Gift darauf nehmen, dass die Nationalisten aller Länder zeitnah damit argumentieren werden, dass doch jedem klar sein musste, dass das nicht so gemeint war und ja juristisch auch gar nicht Hieb- und stichfest ist und die EU das UK illegal „drinnen“ hält...
Eine Dolchstosslegende ist geboren ...
Das schätze ich auch so ein. Das wird sich in Zukunft noch als großes Problem erweisen.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Europa2050 »

Juan hat geschrieben:(23 Oct 2019, 12:53)

Nicht unbedingt, denn das kann man auch als cleverness bezeichnen.
Die Frage ist, wie lange er noch durchhält und ob er noch andere clevere Strategien in petto hat.


Seit wann sind politische Verhandlunden fair? es geht immer um Eigeninteressen.Wer in den Verhandlungen den lägeren Atem hat oder gegebenenfalls kräftiger mit dem Säbel rasseln kann wird die Sache für sich entscheiden.
Ich weiß nicht, ob es im Eigeninteresse eines Landes sein kann, von einer Vielzahl potenzieller Verhandlungspartner als unfairer Trickser wahrgenommen zu werden. Das macht für die Zukunft so manches schwieriger. Und nachdem wir alle auf dem gleichen Planeten sind: Man sieht sich immer zweimal.

Und das mit dem Atem und dem Säbel ist meist auch temporär...
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Juan »

Europa2050 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 13:35)
Ich weiß nicht, ob es im Eigeninteresse eines Landes sein kann, von einer Vielzahl potenzieller Verhandlungspartner als unfairer Trickser wahrgenommen zu werden. Das macht für die Zukunft so manches schwieriger. Und nachdem wir alle auf dem gleichen Planeten sind: Man sieht sich immer zweimal.
Johnson greift ja nicht zum Vergnügen in die Trickkiste, sondern um den durch eine legitime Volksabstimmung gewonnenen Brexitaustritt zu verwirklichen. Das lässt das Parlament nicht zu und will dem Volksentscheid nicht genüge tun. Das rechtfertigt sein tun.
Und das mit dem Atem und dem Säbel ist meist auch temporär...
Ja, alles was auf diesem Planeten geschieht ist temporär. ;)
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Europa2050 »

Juan hat geschrieben:(23 Oct 2019, 18:57)

Johnson greift ja nicht zum Vergnügen in die Trickkiste, sondern um den durch eine legitime Volksabstimmung gewonnenen Brexitaustritt zu verwirklichen. Das lässt das Parlament nicht zu und will dem Volksentscheid nicht genüge tun. Das rechtfertigt sein tun.
...
Wenn er das tun wollte, was Du beschreibst, hätte er doch einfach keinen Brief schreiben müssen. Dann hätte es auf jeden Fall geklappt.

Aber so ist das Ganze ein reines „schwarze Peter“ Spiel.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Misterfritz »

Europa2050 hat geschrieben:(23 Oct 2019, 19:13)

Wenn er das tun wollte, was Du beschreibst, hätte er doch einfach keinen Brief schreiben müssen. Dann hätte es auf jeden Fall geklappt.

Aber so ist das Ganze ein reines „schwarze Peter“ Spiel.
Es ist doch ein wenig anders:
Mit diesen deal, wenn er den dann durchbekommt, nach einer Verlängerung, bekommt er einen hard exit Ende 2020. Denn nach dem neuen deal, ohne Backstopp, müsste in aller kürzester Zeit ein Vertrag mit der EU geschlossen sein (völlig unrealistsich), sonst fällt GB ohne neuen Vertrag mit der EU in den hard brexit ....
https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 92949.html
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Maikel »

Juan hat geschrieben:(23 Oct 2019, 18:57)

Johnson greift ja nicht zum Vergnügen in die Trickkiste, sondern um den durch eine legitime Volksabstimmung gewonnenen Brexitaustritt zu verwirklichen. Das lässt das Parlament nicht zu und will dem Volksentscheid nicht genüge tun. Das rechtfertigt sein tun.
Mindestens so legitim war die Wahl der Parlamentarier, die zeitlich nach dem Referendum erfolgte.
Unter anderem mit der Aufgabe, den Brexit auszugestalten und (Gewaltenteilung!) ggf. einen unkontrollierten Durchmarsch von Boris Johnson oder anderen Premierminister(inne)n zu bremsen bzw. zu verhindern.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
Jeder Versuch, sich mitzuteilen, kann nur mit dem Wohlwollen der anderen gelingen.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Wähler »

Spiegel 23. Oktober 2019 Warum das No-Deal-Risiko ausgerechnet mit dem Brexit-Deal steigt
https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 92949.html
"Einige britische Politiker haben die Gefahr erkannt. Philip Hammond, proeuropäischer Rebell in Johnsons Tory-Partei, nannte Johnsons Abkommen eine "Tarnung für einen No-Deal-Brexit Ende 2020"...Der Unterhaus-Abgeordnete Nick Boles, der im April aus Johnsons Tory-Partei ausgetreten ist, will die Sache deshalb gesetzlich lösen. Am Dienstag hat er einen Zusatz zum britischen Brexit-Gesetz eingebracht. Er würde die Regierung zwingen, in Brüssel schon bis zum 1. Juni 2020 eine Verlängerung der Übergangsphase bis Ende 2022 zu beantragen."
Da der neue Brexit-Deal bis Ende 2020 gültig wäre, hätten alle Beteiligten Zeit, sich bis zu diesem Zeitpunkt auch auf einen harten Brexit vorzubereiten. Nur blöd, dass ja Großbritannien ein neues Handelabkommen mit der EU schließen möchte. Die ganze Angelegenheit wird immer absurder. ;)
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Juan hat geschrieben:(23 Oct 2019, 18:57)

Johnson greift ja nicht zum Vergnügen in die Trickkiste, sondern um den durch eine legitime Volksabstimmung gewonnenen Brexitaustritt zu verwirklichen. Das lässt das Parlament nicht zu und will dem Volksentscheid nicht genüge tun. Das rechtfertigt sein tun.
Insofern natürlich falsch, da schon die Eingangsprämisse falsch ist. Es gab keinen Volksentscheid zum Brexit in Großbritannien.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Misterfritz »

Wähler hat geschrieben:(24 Oct 2019, 09:24)

Spiegel 23. Oktober 2019 Warum das No-Deal-Risiko ausgerechnet mit dem Brexit-Deal steigt
https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 92949.html
"Einige britische Politiker haben die Gefahr erkannt. Philip Hammond, proeuropäischer Rebell in Johnsons Tory-Partei, nannte Johnsons Abkommen eine "Tarnung für einen No-Deal-Brexit Ende 2020"...Der Unterhaus-Abgeordnete Nick Boles, der im April aus Johnsons Tory-Partei ausgetreten ist, will die Sache deshalb gesetzlich lösen. Am Dienstag hat er einen Zusatz zum britischen Brexit-Gesetz eingebracht. Er würde die Regierung zwingen, in Brüssel schon bis zum 1. Juni 2020 eine Verlängerung der Übergangsphase bis Ende 2022 zu beantragen."
Da der neue Brexit-Deal bis Ende 2020 gültig wäre, hätten alle Beteiligten Zeit, sich bis zu diesem Zeitpunkt auch auf einen harten Brexit vorzubereiten. Nur blöd, dass ja Großbritannien ein neues Handelabkommen mit der EU schließen möchte. Die ganze Angelegenheit wird immer absurder. ;)
Hatte ich hier https://www.politik-forum.eu/viewtopic. ... 1#p4594991 schon thematisiert ;)
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Juan »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(24 Oct 2019, 12:49)

Insofern natürlich falsch, da schon die Eingangsprämisse falsch ist. Es gab keinen Volksentscheid zum Brexit in Großbritannien.
Das stimmberechtigten Bürger Grossbritanniens wurden 2016 aufgefordert, mittels Stimmzettel ihr Votum abzugeben. die Frage lautete: "Should the United Kingdom remain a member of the European Union or leave the European Union?" Wie wir alle wissen waren 51.9% für leave und 48.1% für remain.
Insofern liegen sie richtig, es war eigentlich eine Volksbefragung, ein konsultatives Referendum. Streng genommen ist dies nicht bindend und die meisten Abgeordneten waren sogar gegen den Brexit und hätten sich theoretisch dem Ergebnis verweigern können. Darum auch das unsägliche und endlose hin und her im Parlament. Aber das Referendum war Ausdruck des Volkwillens und jeder Abgeordnete überlegt sich wahrscheinlich gut, ob er sich dem Volkswillen entgegen stellen will.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Kohlhaas »

Eilmeldung ARD:

Johnson will Neuwahlen am 12. Dezember
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Julian
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Julian »

Kohlhaas hat geschrieben:(24 Oct 2019, 18:27)

Eilmeldung ARD:

Johnson will Neuwahlen am 12. Dezember
Würde mich sehr wundern, wenn Johnson im Unterhaus die für Neuwahlen erforderliche Zweidrittelmehrheit bekäme.

Aber immerhin könnte das Manöver wieder einmal deutlich machen, wie sehr sich das Parlament jedweder Lösung verweigert. Vielleicht ist das auch von Interesse für die EU, die morgen verkünden möchte, unter welchen Bedingungen und wie lange sie bereit für eine Verlängerung ist.
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Ger9374

Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Ger9374 »

Alles in dieser Auseinandersetzung ist zu einem Kräftemessen des regierenden P M mit dem Palarment ausgeartet.Dabei spielt Parteizugehörigkeit nur noch eine untergeordnete Rolle.Der Ursprung Brexit selbst gerät in den Hintergrund.
Verrückt und fatal für die Glaubwürdigkeit der britischen Demokratie.
Selbst wenn der Brexit zu einem Gewinn für Britannien werden könnte, der Schaden an der britischen Demokratie und deren Glaubwürdigkeit ist gewaltig.
So steht schon vor dem Vollzug des Brexit ein Verlierer auf der Insel fest, der Palarmentarismus britischer Prägung.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Ein Terraner »

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Julian
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Julian »

Julian hat geschrieben:(24 Oct 2019, 20:52)

Würde mich sehr wundern, wenn Johnson im Unterhaus die für Neuwahlen erforderliche Zweidrittelmehrheit bekäme.

Aber immerhin könnte das Manöver wieder einmal deutlich machen, wie sehr sich das Parlament jedweder Lösung verweigert. Vielleicht ist das auch von Interesse für die EU, die morgen verkünden möchte, unter welchen Bedingungen und wie lange sie bereit für eine Verlängerung ist.
Tatsächlich will die EU (bzw. Frankreich) nun mit ihrer Entscheidung über die Verlängerung warten, bis das Unterhaus über Neuwahlen abgestimmt hat.
The EU is delaying its decision on the length of the next Brexit extension until next Monday or Tuesday after France insisted on waiting until after a vote on Boris Johnson’s demand for a pre-Christmas general election.
[...]
The delay is politically difficult for Jeremy Corbyn, who had said Labour would only vote in favour of a general election if the EU confirmed it would grant an extension to 31 January, taking a no-deal Brexit off the table.
https://www.theguardian.com/politics/20 ... n-election

Das würde zu meiner Theorie passen. Neuwahlen wären natürlich ein Grund für eine Verlängerung; kommen diese nicht, warum sollte dann verlängert werden, es sei denn für wenige Wochen aus technischen Gründen?
“There is one country standing in the way – France,” a diplomat said. “Everyone is very frustrated. They were told that a short extension ran the risk of an accidental no-deal Brexit.”
[...]
As a result, if there is no general election, there remains the possibility that the EU will offer a shorter delay, to mid or late November, merely to allow time for ratification, although sources suggested this remained unlikely. “We agreed we all want to avoid a no deal – and a short extension will just raise the possibility,” said an EU source.
https://www.theguardian.com/politics/20 ... n-election
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odiug

Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von odiug »

Das schöne an dieser Apokalypse namens BREXIT ist, dass man sie verschieben kann :p
Eulenwoelfchen

Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Ob Johnson tatsächlich Neuwahlen (mit seinen absehbaren Wahlerfolg) entweder zum 12. Dezember, oder schon im November, erfüllt bekommt,
ist noch offen. Corbyn hat jedenfalls angekündigt, dass Labour einer Neuwahl nur zustimmen werde, wenn sichergestellt sei, dass ein
no-deal-Brexit per Gesetz verhindert und abgesichert sei, inclusive einem Verbleib ganz Großbritanniens in der EU-Zollunion, solange, bis
es einen entgültigen Handelsvertrag zwischen EU und GB gebe.

Von der Logik her ist das aus Sicht der Opposition auch die einzig sinnvolle Option. Stimmt man dem einseitig GB bevorteilenden Kuhhandel-Deal von Johnson mit der EU,
so wie er jetzt vorliegt zu, und unterstützt Johnson im Parlament dabei, eine Zweidrittelmehrheit für Neuwahlen zu bekommen, schneidet man sich automatisch
den politischen Fuß nicht nur an einem Bein ab. Im Wahlkampf wäre Johnson - nicht unbegründet - derjenige, der nicht nur den sog. per Referendum geforderten
Volkswillen endlich erfüllt, sondern auch noch zu weitaus besseren Bedingungen als Theresa May. Also derjenige, der die EU doch noch über den Tisch zog.
Und zwar nachhaltig. Mit dem Wegfall des backstop und der Option, spätestens in vier Jahren auch Nordirland voll aus der EU zu "befreien".

Wobei man noch erwähnen sollte, mit schwerwiegenden Folgen besonders für die EU, denn sie dürfte auch nach dem sehr wahrscheinlichen Vollaustritt von
Nordirland nach Ablauf dieser Vierjahresfrist keine Grenze mehr zwischen Nordirland und Irland als EU-Aussengrenze errichten und betreiben. Alle Grenzmodalitäten,
sowohl bezüglich Warenverkehr, Zoll etc. sowie Personenkontrollen an dieser EU-Aussengrenze wären alleine Sache der Briten.

Wieweit dann GB noch Eile hätte oder generell eine Notwendigkeit, mit der EU ein neues Handelsabkommen zu schließen, und vor allem, wie lange das dauern kann,
mag man sich lieber erst gar nicht vorstellen. Auch nicht die Folgen, die das für die EU haben wird.

btw: Sollte es erst am 12. Dezember zu Neuwahlen kommen, müsste GB sogar noch einen Vorschlag und einen Vertreter für einen EU-Kommissionsposten stellen bzw.
besetzen. Inwieweit der dann, selbst bei einem temporären (vierjährigen Verbleib Nordirlands in der EU) dann auch noch mindestens vier Jahre bleiben würde oder nicht,
ist irgendwie auch alles andere als klar. GB hätte ja mit einem Austritt via Johnson-deal keinerlei Mitsprache- und Gestaltungsrechte mehr. Aber wer weiss, vielleicht lässt sich
ja die EU soweit darauf ein, indem man Nordirland als noch Mitglied der EU-Zollunion und des EU-Binnenmarkts bis dahin als "Klein-GB" für ganz GB als
stimm- und gestaltungsberechtigt zulässt.

Für mich wäre es aus oppositioneller, innerpolitischer Sicht aktuell selbstdemontierender Wahnsinn, Johnson Neuwahlen zuzugestehen. Das einzige, worauf man sich
einlassen könnte, wäre ein erneutes Referendum. Auch in Hinblick darauf, wie man sich dann bei Neuwahlen positionieren könnte. Indem beispielsweise das Referendum
eventuell sogar ein mittlerweile gegenteiliges=mehrheitlich gegen einen Brexit votierendes Ergebnis bringen könnte. Und damit Boris Johnson seine Brexitmission und deren
Erfüllung als Volkswillen zersägt würde. Und er mit diesem Brexitpfund und diesem sog. Volkswillen und dessen Erfüllung eines Austritts nicht mehr so einfach und so
stur wuchern könnte. Im Gegenteil. Er würde dann gegen den aktuelleln Volkswillen handeln.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Wähler »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(25 Oct 2019, 16:50)
Wobei man noch erwähnen sollte, mit schwerwiegenden Folgen besonders für die EU, denn sie dürfte auch nach dem sehr wahrscheinlichen Vollaustritt von
Nordirland nach Ablauf dieser Vierjahresfrist keine Grenze mehr zwischen Nordirland und Irland als EU-Aussengrenze errichten und betreiben. Alle Grenzmodalitäten,
sowohl bezüglich Warenverkehr, Zoll etc. sowie Personenkontrollen an dieser EU-Aussengrenze wären alleine Sache der Briten.
Manager Magazin 18. Oktober 2019 "Zwitterstatus, in dem Nordirland de facto sowohl in- als auch außerhalb der EU ist"
https://www.manager-magazin.de/politik/ ... 92088.html
"Das nordirische Parlament (Stormont) kann alle vier Jahre entscheiden, ob es die Vereinbarung fortführen will. Dafür ist eine einfache Mehrheit nötig. Ohne Zustimmung würde die Nordirland-Regelung nach zwei Jahren auslaufen."
Wenn das nordirische Parlament den Deal nicht verlängert, es keine Wiedervereinigung mit Irland gibt und Großbritannien bis dahin kein neues Handelsabkommen mit der EU geschlossen hat, gelten die WTO-Regeln, Nordirland befindet sich dann zwei Jahre später außerhalb der EU und es entstünde folglich eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Wähler hat geschrieben:(25 Oct 2019, 17:17)
...
Wenn das nordirische Parlament den Deal nicht verlängert, es keine Wiedervereinigung mit Irland gibt und Großbritannien bis dahin kein neues Handelsabkommen mit der EU geschlossen hat, gelten die WTO-Regeln, Nordirland befindet sich dann zwei Jahre später außerhalb der EU und es entstünde folglich eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland.
Genau das dürfte nach dem Kuhhandeldeal, den Johnson der EU abgerungen hat, für die EU eben nicht mehr möglich sein. Denn die EU hat sich bei dem geänderten Deal ja dazu verpflichtet,
an der nordirisch-irischen Grenze keinerlei Grenzregime zu betreiben und auch künftig nicht zu errichten. Und als eigentliche EU-Aussengrenze die an sich irre Grenzlinie in rein britisches Hoheitsgebiet zu verlegen.
Damit ist zumindest temporär, also für mindestens zwei Jahre, festgeschrieben, dass die EU zu einem Nicht-EU-Land, sobald GB ausgetreten ist, einerseits eine normale Aussengrenze hat, wie das für
die EU und ein Nicht-EU-Land üblich ist (z.B. Eurotunnel oder Dover/Calais usw.) und andererseits keinerlei seitens der EU kontrollierbare Grenze, sprich eine Grenze, die nur vom Nicht-EU-Land kontrolliert würde.

Ob diese Grenze des Austritts-deals, die man Johnson zum einseitigen Gefallen vor die alles andere als vertrauenswürdigen Füße legte, dann nach den besagten, von ihnen angesprochenen Jahren für den Fall, dass
das nordirische oder das britische Parlament nicht abstimmt und der Brexit auch für Nordirland vollzogen ist, dann wieder auf die irische Insel zurückverlegen kann und wird, mit einem dann automatisch eintretenden
beidseitigem Grenzregime an dieser nordirisch-irischen Inlandsgrenze, ist mehr als strittig oder SEHR unklar. Nach meiner derzeitigen Kenntnis seitens der EU aufgrund der vertraglichen Zugeständnisse nicht möglich.

Ich kenne den tatsächlichen Vertragstext, den man beidseitig, also auch seitens der EU dazu festlegte und zustimmen will, nicht en detail. Man hört aber genau dazu auch seitens der EU oder sogenannter Kompetenz_Medien
wie etwa dem Manager-Magazin, Spiegel oder FAZ-net usw. nichts substanziell Verlässliches. Obwohl es gerade diese Details sind, die besonders interessant und auch folgenreich sind oder sein können.

Meiner Bewertung nach macht es auch wenig Sinn, seitens der EU zu erwarten, dass die britische Regierung und das Parlament ebenfalls (vor allem bei einem erwartbarem Mehrheitsvotum für Johnson als Brexithelden)
die zwei Jahre nicht aussitzen können oder werden, bis auch Nordirland aus der EU komplett raus ist. Und in dieser Zeit auch noch vergleichsweise sehr schnell ein tatsächlicher Handelsvertrag mit der EU zustande kommt.

Weshalb auch? GB hätte keinerlei Not, könnte sofort nach dem Austritt neue Handelsverträge abschließen und nebenbei abwarten, bis das "Kindchen" Nordirland nach zwei Jahren heim ins British Empire geholt wird.
Sollte aufgrund des "Johnson-Austrittsvertrags" die EU doch das Recht haben, die dann harte Grenze mit beidseitigen Kontrollen zurück auf die irische Insel zu legen, hätte die EU den schwarzen Peter,
damit eine Grenze des Unfriedens und neuen Terrors zu provozieren. Denn Johnson wird das garantiert nicht tun und sich diesen Problemschuh anziehen und schön der EU den Schwarzen Peter der Verantwortung
zuschieben, falls sie dennoch eine Grenze zwischen Irland und Nordirland installiert.

Allein daran kann man schon sehen, auf welch fatalen und für die EU einseitig negativen Kuhhandel sich die EU (Hallo Herr Barnier!!!) mit dem upperclass-Lügner Johnson eingelassen hat.

Faktisch ist damit halt spätestens nach zwei Jahren ein No-deal-Brexit vollzogen. Was Johnson natürlich genau weiss und strategisch auf dem Schirm hat und wohl schon länger hatte. Oder sein Einflüsterer und Stratege,
dieser "Steve Bannon der Downing Street No.10", Dominic Cummings, oder wie auch immer dieser Anti-EU-Benzinkanisterträger heisst.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Wähler »

Zeit 25. Oktober 2019 Der Premierminister droht mit einer Blockade des Parlaments, sollte die Opposition nicht für eine Neuwahl stimmen
https://www.zeit.de/politik/ausland/201 ... byn-brexit
"Sollte Labour indessen die Wahl nicht unterstützen, werde die Regierung eine Art "Dienst nach Vorschrift" machen. Es würden nur noch die allerwichtigsten Dinge vor das Parlament kommen, hieß es aus 10 Downing Street. Die für den 6. November geplante Haushaltsvorlage für das kommende Jahr sagte Johnson bereits ab...Spekuliert wird, dass es am Ende erst mal eine kurze Fristverlängerung bis Mitte November geben könnte, um den Druck zu erhöhen, den Brexit-Vertrag mit der EU zu ratifizieren. Die Frist könnte dann bis Ende Januar verlängert werden, wenn Großbritannien doch eine Neuwahl abhalten will."
Torries und Labour scheinen eher ihren Ruf bei den Wählern zu runieren, als Politik für Großbritannien zu machen - das dürfte ein Trauerspiel werden.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Eiskalt »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(26 Oct 2019, 03:16)

Genau das dürfte nach dem Kuhhandeldeal, den Johnson der EU abgerungen hat, für die EU eben nicht mehr möglich sein. Denn die EU hat sich bei dem geänderten Deal ja dazu verpflichtet,
an der nordirisch-irischen Grenze keinerlei Grenzregime zu betreiben und auch künftig nicht zu errichten. Und als eigentliche EU-Aussengrenze die an sich irre Grenzlinie in rein britisches Hoheitsgebiet zu verlegen.
Damit ist zumindest temporär, also für mindestens zwei Jahre, festgeschrieben, dass die EU zu einem Nicht-EU-Land, sobald GB ausgetreten ist, einerseits eine normale Aussengrenze hat, wie das für
die EU und ein Nicht-EU-Land üblich ist (z.B. Eurotunnel oder Dover/Calais usw.) und andererseits keinerlei seitens der EU kontrollierbare Grenze, sprich eine Grenze, die nur vom Nicht-EU-Land kontrolliert würde.

Ob diese Grenze des Austritts-deals, die man Johnson zum einseitigen Gefallen vor die alles andere als vertrauenswürdigen Füße legte, dann nach den besagten, von ihnen angesprochenen Jahren für den Fall, dass
das nordirische oder das britische Parlament nicht abstimmt und der Brexit auch für Nordirland vollzogen ist, dann wieder auf die irische Insel zurückverlegen kann und wird, mit einem dann automatisch eintretenden
beidseitigem Grenzregime an dieser nordirisch-irischen Inlandsgrenze, ist mehr als strittig oder SEHR unklar. Nach meiner derzeitigen Kenntnis seitens der EU aufgrund der vertraglichen Zugeständnisse nicht möglich.

Ich kenne den tatsächlichen Vertragstext, den man beidseitig, also auch seitens der EU dazu festlegte und zustimmen will, nicht en detail. Man hört aber genau dazu auch seitens der EU oder sogenannter Kompetenz_Medien
wie etwa dem Manager-Magazin, Spiegel oder FAZ-net usw. nichts substanziell Verlässliches. Obwohl es gerade diese Details sind, die besonders interessant und auch folgenreich sind oder sein können.

Meiner Bewertung nach macht es auch wenig Sinn, seitens der EU zu erwarten, dass die britische Regierung und das Parlament ebenfalls (vor allem bei einem erwartbarem Mehrheitsvotum für Johnson als Brexithelden)
die zwei Jahre nicht aussitzen können oder werden, bis auch Nordirland aus der EU komplett raus ist. Und in dieser Zeit auch noch vergleichsweise sehr schnell ein tatsächlicher Handelsvertrag mit der EU zustande kommt.

Weshalb auch? GB hätte keinerlei Not, könnte sofort nach dem Austritt neue Handelsverträge abschließen und nebenbei abwarten, bis das "Kindchen" Nordirland nach zwei Jahren heim ins British Empire geholt wird.
Sollte aufgrund des "Johnson-Austrittsvertrags" die EU doch das Recht haben, die dann harte Grenze mit beidseitigen Kontrollen zurück auf die irische Insel zu legen, hätte die EU den schwarzen Peter,
damit eine Grenze des Unfriedens und neuen Terrors zu provozieren. Denn Johnson wird das garantiert nicht tun und sich diesen Problemschuh anziehen und schön der EU den Schwarzen Peter der Verantwortung
zuschieben, falls sie dennoch eine Grenze zwischen Irland und Nordirland installiert.

Allein daran kann man schon sehen, auf welch fatalen und für die EU einseitig negativen Kuhhandel sich die EU (Hallo Herr Barnier!!!) mit dem upperclass-Lügner Johnson eingelassen hat.

Faktisch ist damit halt spätestens nach zwei Jahren ein No-deal-Brexit vollzogen. Was Johnson natürlich genau weiss und strategisch auf dem Schirm hat und wohl schon länger hatte. Oder sein Einflüsterer und Stratege,
dieser "Steve Bannon der Downing Street No.10", Dominic Cummings, oder wie auch immer dieser Anti-EU-Benzinkanisterträger heisst.
Ja so ist es.
Für mich gibt es nur noch eine Frage die ungeklärt ist:

Hat Johnson es einfach gut gemacht und die EU über den Tisch gezogen oder sind die in der EU eben doch einfach zu dämmlich für die große Politik?
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Kohlhaas »

Eiskalt hat geschrieben:(28 Oct 2019, 12:17)

Ja so ist es.
Für mich gibt es nur noch eine Frage die ungeklärt ist:

Hat Johnson es einfach gut gemacht und die EU über den Tisch gezogen oder sind die in der EU eben doch einfach zu dämmlich für die große Politik?
Wenn Johnson sich so toll durchgesetzt hat, warum läuft dann die DUP Sturm gegen die Vereinbarung? Der neue "Deal" wird von Beobachtern eher so ausgelegt, dass Johnson eine dicke "Kröte schlucken" musste. May hat jedenfalls mehrfach rigoros abgelehnt, was Johnson nun unterzeichnen will.

https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachri ... hnson.html
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Eiskalt »

Kohlhaas hat geschrieben:(28 Oct 2019, 12:33)

Wenn Johnson sich so toll durchgesetzt hat, warum läuft dann die DUP Sturm gegen die Vereinbarung? Der neue "Deal" wird von Beobachtern eher so ausgelegt, dass Johnson eine dicke "Kröte schlucken" musste. May hat jedenfalls mehrfach rigoros abgelehnt, was Johnson nun unterzeichnen will.

https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachri ... hnson.html
Die Fakten liegen doch auf den Tisch.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Kohlhaas »

Eiskalt hat geschrieben:(28 Oct 2019, 13:14)

Die Fakten liegen doch auf den Tisch.
Sie werden nur offensichtlich unterschiedlich bewertet. Wo siehst Du die Probleme bei der jetzt ausgehandelten Vereinbarung?
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Vongole »

Kohlhaas hat geschrieben:(28 Oct 2019, 12:33)

Wenn Johnson sich so toll durchgesetzt hat, warum läuft dann die DUP Sturm gegen die Vereinbarung? Der neue "Deal" wird von Beobachtern eher so ausgelegt, dass Johnson eine dicke "Kröte schlucken" musste. May hat jedenfalls mehrfach rigoros abgelehnt, was Johnson nun unterzeichnen will.

https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachri ... hnson.html
Wie es in deinem Link schon steht:
".. In der Irischen See darf es keine Grenze geben, weil das die Einheit des Vereinigten Königreichs beeinträchtigt."
Nach dieser Regelung muss ein nordirisches Unternehmen künftig beim Handel mit UK eine Zollerklärung ausfüllen, UK wird faktisch wie Ausland behandelt.
Die DUP und ihre Anhänger verstehen sich als Briten, nicht als Iren, und bekämpfen daher auch vehement eine mögliche Vereinigung mit der Rep. Irland.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Eiskalt »

Kohlhaas hat geschrieben:(28 Oct 2019, 13:17)

Sie werden nur offensichtlich unterschiedlich bewertet. Wo siehst Du die Probleme bei der jetzt ausgehandelten Vereinbarung?
Wie bereits schon einmal geschrieben:

Eiskalt hat geschrieben:(18 Oct 2019, 18:53)

Hab ich doch erklärt:

1. Die Aussengrenze der EU liegt in einem Drittstaat.
2. Die Kontrolle über die Aussengrenze überlässt man dem Drittstaat.
3. NI kann in 4 Jahren einfach einseitig aufkündigen.

https://www.politik-forum.eu/viewtopic. ... 3#p4592353
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Kohlhaas »

Vongole hat geschrieben:(28 Oct 2019, 15:06)

Wie es in deinem Link schon steht:
".. In der Irischen See darf es keine Grenze geben, weil das die Einheit des Vereinigten Königreichs beeinträchtigt."
Nach dieser Regelung muss ein nordirisches Unternehmen künftig beim Handel mit UK eine Zollerklärung ausfüllen, UK wird faktisch wie Ausland behandelt.
Die DUP und ihre Anhänger verstehen sich als Briten, nicht als Iren, und bekämpfen daher auch vehement eine mögliche Vereinigung mit der Rep. Irland.
Richtig. Das ist die Kritik der DUP. Deshalb ist in den vergangenen drei Jahren des Verhandelns der "alte" EU-Vorschlag, die Zollgrenze in die irische See zu verlegen, von den britischen Unterhändlern stets abgelehnt worden. Nun lässt Johnson sich aber genau auf diese Lösung ein. Das wirft aus meiner Sicht schon die Frage auf, wieso das jetzt als "Sieg" Johnsons gewertet wird. Wieso soll er damit die EU "über den Tisch gezogen" haben?
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Kohlhaas »

Eiskalt hat geschrieben:(18 Oct 2019, 18:53)

Hab ich doch erklärt:

1. Die Aussengrenze der EU liegt in einem Drittstaat.
2. Die Kontrolle über die Aussengrenze überlässt man dem Drittstaat.
3. NI kann in 4 Jahren einfach einseitig aufkündigen.
Zu 1: Die Außengrenze der EU liegt weiterhin zwischen der EU und dem (künftigen) Drittstaat. Nur die Zollgrenze wird in den Drittstaat verlegt. Das hat auch nicht Johnson so gewollt, sondern die EU.

Zu 2: Erstens gilt GB nicht als Verbrecherregime. Man kann schon davon ausgehen, dass britische Zollbeamte sich an Recht und Gesetz und den "Scheidungsvertrag" halten. Zweitens ist die EU nicht so blauäugig, das alles dann den Briten zu überlassen:

"Nordirland bleibt eine offene Flanke des EU-Binnenmarkts, ein Zutrittspunkt wie Spanien oder Dänemark, kontrolliert von Beamten des Königreichs. Sie werden Waren, die nach Nordirland kommen, künftig in zwei Kategorien sortieren: einerseits jene, die in Nordirland bleiben oder in den Rest des UK gehen, auf sie werden britische Zollsätze erhoben. Die anderen, bei denen "ein Risiko besteht, dass sie in den EU-Binnenmarkt gelangen" (etwa Güter, die in Irland weiterverarbeitet werden), werden mit EU-Zöllen belegt. Über diesen Mechanismus wacht ein Gemeinsamer Ausschuss der EU und des Königreichs, der schon im ursprünglichen Austrittsabkommen vorgesehen war." Aus: https://www.sueddeutsche.de/politik/bre ... -1.4644869

Dänemark und Spanien sind hier genannt, weil beide Staaten autonome Gebiete haben, die nicht der EU angehören. Da stellt sich ein ganz ähnliches Problem, das künftig auch bezüglich Nordirland auftritt.

Zu 3. Das ist eine entscheidende Neuerung zugunsten der EU! Künftig entscheidet nicht mehr London, ob es bei dieser Regelung bleibt, sondern das nordirische Regionalparlament! Und es kann diese Entscheidung alle vier Jahre aufs neue treffen. Theoretisch kann diese Regelung also unbegrenzt, bis in alle Ewigkeit, in Kraft bleiben.


Ich kann immer noch nicht erkennen, welchen großen Verhandlungserfolg Johnson erzielt haben soll, mit dem er die EU über die Ohren gehauen hat.

Wenn der Deal so abgesegnet wird, passiert genau das, was die EU und die Republik Irland von Anfang an wollten: Es gibt keine Zollgrenze auf der irischen Insel, die Zollgrenze wird in die irische See verlegt.
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Vongole »

Kohlhaas hat geschrieben:(28 Oct 2019, 17:20)

Richtig. Das ist die Kritik der DUP. Deshalb ist in den vergangenen drei Jahren des Verhandelns der "alte" EU-Vorschlag, die Zollgrenze in die irische See zu verlegen, von den britischen Unterhändlern stets abgelehnt worden. Nun lässt Johnson sich aber genau auf diese Lösung ein. Das wirft aus meiner Sicht schon die Frage auf, wieso das jetzt als "Sieg" Johnsons gewertet wird. Wieso soll er damit die EU "über den Tisch gezogen" haben?
Er hat sie m.M.n. nicht über den Tisch gezogen, aber die EU hat sich sehr vertrauensselig gezeigt. Das wird in diesem Artikel gut erklärt:
https://www.sueddeutsche.de/politik/bre ... -1.4644869
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Re: EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens

Beitrag von Emin »

Eiskalt hat geschrieben:(18 Oct 2019, 18:53)

Hab ich doch erklärt:

1. Die Aussengrenze der EU liegt in einem Drittstaat.
2. Die Kontrolle über die Aussengrenze überlässt man dem Drittstaat.
3. NI kann in 4 Jahren einfach einseitig aufkündigen.
Bei 3. liegt aber der Hund begraben. Nordirland hat wie Schottland mit überwältigender Mehrheit für den Verbleib in der EU votiert. Diese beiden Teilrepubliken werden im Falle eines Brexits sich zwischen den Unionen entscheiden müssen. Die Schotten haben mit der Ankündigung eines neuen Unabhängigkeitsreferendums diese Entscheidung bereits getroffen. Mit diesem Deal wurde nun erst Mal ein Keil zwischen Nordirland und dem Rest der Union getrieben, den diejenigen Nordiren, die lieber in der EU statt UK bleiben möchten, auch beibehalten werden. Langfristig schüren die Briten sich allerlei Konflikte mit dem Brexit.
"Sir, we're surrounded"
"Excellent, now we can attack in any direction"
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