150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

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schokoschendrezki
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(06 Mar 2021, 13:24)

Deine Fähigkeit, dir persönlich unbekannte Menschen (hier Merkel, Macron und Willem I) einordnen zu können ist aber auch immer wieder faszinierend.
Ja Mensch. Über diese Personen sind nun aber auch ganze Ozeane von Tinte und Druckerschwärze verschrieben worden. Und Merkel als Person kann ich aus vielerlei und etlichen Gründen nun wirklich einordnen.

Die Parallelen gehen ja noch weiter. Wilhelm I, zu der Zeit als sein Bruder (Friedrich Wilhelm) noch lebte und er deshalb noch nicht Kronprinz war, zeigte sich während der 1848/49er Jahre als ganz und gar auf der Seite der Reaktion stehend. "Kartätschenprinz" wurde er genannt, weil er sich für eine rücksichtslose Niederschießung von Aufständischen einsetzte. Als König von Preußen setzte eine erstaunliche Wandlung zum Liberalen ein. Ganz grob vereinfacht könnte man die Rolle Merkels nicht nur als Pfarrerstochter sondern als FDJ-Funktionärin ja auch als die einer Kartätschenprinzessin bezeichnen.

Und die Parallelen gehen noch weiter: Ein Wechsel 2021 von Kanzlerin Merkel zu einem Kanzler Friedrich Merz wäre etwas Ähnliches wie der Wechsel von Wilhelm I (nach der kurzen Regentszeit des "99-Tage Kaisers") zu seinem Enkel Wilhelm II 1888. Der Weg in die Katastrophe.

Nicht so ganz ernst gemeint ... :p
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Tom Bombadil
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Tom Bombadil »

Vllt. definierst du ja auch "schlichtes Gemüt" anders als ich.
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BlueMonday
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von BlueMonday »

Europa2050 hat geschrieben:(06 Mar 2021, 12:46)

Aber wie gesagt: Geschichte, Staaten, Staatsideen - nie die Menschen. Da sind wir uns einig.
Weil Geschichte, Staaten und Ideen ohne Menschen auskommen?
Und dass die preußische Staatsidee im vereinten Deutschland nie wieder Einfluss gewinnt.
Wie charakterisierst du denn die "preußische Staatsidee"?
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Agesilaos Megas
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Agesilaos Megas »

Europa2050 hat geschrieben:(06 Mar 2021, 10:54)

So wurde ab 1813 und vor allem 1866 Preussen in Deutschland immer bestimmender und damit bekam der Franzosenhass (den es z.B. vorher in Bayern gar nicht gab) seine Plattform.
Die folgenden Exzesse von den Verträgen 1871 und 1919, Rheinlandbesetzung bis zu Oradour waren letztlich folge des sich gegenseitig anstachelnden Hasses.

Erst nach der Vernichtung Preußens 1945 gelang es den Rheinländern Adenauer und später Kohl mit ihren französischen Gegenparts das Deutsch-Französische Verhältnis wieder zu reparieren.
Übrigens könnte man hier den Eindruck gewinnen, dass das System Preußen diese Exzesse auf den Okzident in Form des "Franzosenhasses" beschränkt hätte. Das würde z.B. nicht die Bestimmungen von Brest-Litowsk erklären, obgleich hier dieselben Ideen des einseitigen Friedens vorliegen sowie die Gefahr eine Revanchismus, zumal die Folgejahre von Krieg in Osteuropa geprägt sein sollten. Dahinter steckt also noch viel mehr als die alte Erbfeindschaft, es ist der Wille Preußens zur Selbstbehauptung - auf Kosten anderer. Selbst jemand, der Franzosen nicht unbedingt hassen musste, konnte also in dieser Idee exzessiv handeln wollen. Nimm Dir Stresemann, der dem Kaiser anfangs nachtrauerte, dann aber mit der Republik und Frankreich kuschelte - selbst da ließ er sich die Hand zur Revision im Osten offen. Der nächste Krieg entbrannte auch nicht um Elsaß-Lothringen, sondern um die Ostgebiete. Konservative unterstützten Hitler nicht allein wegen des Hasses auf Frankreich, sondern auf Slawen, Ostjuden und Bolschewisten. Das Problem ist also viel größer als die ikonische Erbfeindschaft im Westen.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Michael Alexander »

Europa2050 hat geschrieben:(06 Mar 2021, 11:43)

Nein, das ist die Sicht eines Hardcoreliberalen und Bayern auf den stockkonservativen und aggressiven Nachbarn im Norden, und die hatte ich auch schon zu Zeiten, als es den Begriff PC noch gar nicht gab und Preußen sich „DDR“ nannte und der Obrigkeitsstaat vorübergehend ein rotes Mäntelchen hatte.
Die Vorstellung einer liberalen, fortschrittlichen und pazifistischen Geschichte der deutschen Klein- und Mittelstaaten ist zu einem beliebten Topos geworden, der es ermöglicht, den Widrigkeiten der nationalen deutschen Geschichte zu entkommen. Besser und vor allem wahrer wird der Blick auf die Geschichte dadurch nicht.

Bayern war über lange Zeit ebenfalls ein stockkonservativer und aggressiver Nachbar, auch wenn es heute Mode ist, dies auszublenden, und Preussen hatte eine liberale und fortschrittliche Seite. Bayern hatte auch signifikanten Anteil am Aufstieg des Nationalsozialismus, anteilig mit der Hauptstadt der Bewegung sicher sehr viel mehr als Preussen, das aber den Alliierten als Feindbild besser taugte.

Dass Bayern gut mit Frankreich konnte, verwundert nicht, hatte es doch lange keine direkte Grenze zu Frankreich und konnte sich in aller Ruhe ansehen, wie französische Truppen mordbrennend durch benachbarte deutsche Staaten zogen, die Bayern als lästige Konkurrenten sah. Bayern war sich auch nicht zu schade, den Franzosen die Stiefel zu lecken und Territorien anderer deutscher Staaten mit französischer Erlaubnis zu annektieren.
Europa2050 hat geschrieben:(06 Mar 2021, 11:43)
Mit deinem zweiten und dritten Absatz kann ich mitgehen. Aber er betrifft das bourbonische Frankreich, die einzige Großmacht im westlichen Europa, die über Jahrhunderte gewaltigen Druck auf deutsche und italienische Kleinstasten ausübte. Auch die Feindschaft der Häuser Bourbon und Habsburg war über Jahrhunderte eine Konstante, inkl. dem von dir geschilderten Verrat an Europa und Christentum durch Frankreich.
Für Bayern war Frankreich über die Jahrhunderte jedoch eine verlässliche Schutzmacht gegen die Gelüste Habsburgs.

All das tut aber nichts zum Thema „Erbfeindschaft“. Das waren klassische Händel in Adelsgesellschaften, das war Otto- und Pierre-Normalverbraucher egal, so lange es ihn nicht betrage. Die entstand nach der Revolution und Pillnitz.
Bis dahin führte man Kriege, weil es um Land ging, oder die Herrschaft einer Familie. Nun wollte man aber den Franzosen eine Ideologie überstülpen, die die gerade erst beseitigt hatten. Und die folgenden Kriege löste eben nicht Frankreich aus - Napoleon gewann sie bis 1813 nur.
Der moderne Nationalismus ist in der Tat erst mit und im Gefolge der Französischen Revolution entstanden. Es gab auch davor ein Nationalgefühl - aber viel schwächer ausgeprägt, und auch eher bei den oberen Schichten. Beim einfachen Volk spielten andere Ideen eine viel grössere Rolle, etwa, welche Konfession man hatte, oder welchem Stand man angehörte. Man kann auch behaupten, dass die moderne Demokratie auch erst durch den Nationalismus ermöglicht wurde, weil nun eben die Standesgrenzen fielen und sich alle als "Franzosen" oder "Deutsche" fühlten und einander als Gleiche ansahen.

Ich sehe aber durchaus Frankreich als primären Aggressor bei den Revolutionskriegen, auch wenn die anderen Staaten sicher nicht unschuldig waren. Auch hat Frankreich seine Gegner äusserst hart behandelt - viel, viel härter als später das besiegte Frankreich im Rahmen des Wiener Kongresses behandelt wurde. Schau dir doch einmal an, wie viele Territorien Preussen nach seinen Niederlagen gegen Frankreich verloren hat. Es war damit auch klar, dass die so erreichten Friedensschlüsse nur auf kurze Zeit Gültigkeit bewahren konnten - bis man eben wieder zu Kräften kam, um sich zu wehren.

Europa2050 hat geschrieben:(06 Mar 2021, 11:43)
Und wie das bei einer ordentlichen „Erbfeindschaft“ ist - am Ende sind alle Hände voller Blut.

Und was den deutschen Beitrag zu dieser „Erbfeindschaft“ betrifft - der erwuchs nunmal östlich der Elbe, da hilft alles schwelgen in Preußens Gloria nicht...
Mich wundert eben immer, dass man die Zeit vor 1870 immer ausblendet. Frankreich hat über Jahrhundert das Reich angegriffen und sich immer mehr von seinem Territorium einverleibt. Schau doch mal eine Karte von Frankreich um 1500 an und vergleiche sie mit einer Karte von 1789.

Und warum kam es überhaupt zur Reichsgründung 1870/71, und warum war sie erfolgreich? Ich kann es dir sagen: Weil sich die süddeutschen Staaten von Frankreich bedroht fühlten. Denn auch nach dem Wiener Kongress bedrohte Frankreich immer wieder den Deutschen Bund und hatte beispielsweise 1840 im Rahmen der Rheinkrise die Chuzpe, den Rhein als Grenze zu fordern. Von daher wird auch verständlich, dass der Deutsche Bund eine Reihe von Festungen baute, wie etwa in Rastatt, Luxemburg oder Ulm. Als ich diese gigantischen Festungen das erste Mal sah, hatte ich gar nicht verstanden, wozu sie hätten dienen sollen. Nun, so ist es eben, wenn man in der Schule eine weichgespülte, politisch-korrekte Version der Geschichte serviert bekommt.

Den Süddeutschen schwante zunehmend, dass nur Preussen ihre Sicherheit garantieren konnte. Und sie haben sich dann auch sehr schnell in den neuen Staat integriert. Das neue Deutsche Reich war so erfolgreich, dass es schon wenige Jahrzehnte später nicht mehr in Frage gestellt wurde. Nicht einmal ein Weltkrieg konnte diesen Staat zerstören; es gab selbst nach der Niederlage 1918 keine ernsthaften Bewegungen auf deutscher Seite, das Reich zu verlassen.

Ich glaube, vielen ist heute gar nicht mehr klar, wie sehr das heutige Deutschland noch auf dem beruht, was damals geschaffen wurde. Eine Partei wie die SPD? Ohne Preussen, ohne das Deutsche Reich undenkbar; und umgekehrt war im übrigen auch die SPD ein starker Anhänger des Reiches, wie man selbst noch bei Schumacher nach dem Zweiten Weltkrieg sehen konnte. Der deutsche Sozialstaat? Beruht immer noch auf dem, was damals erschaffen wurde. Recht und Justiz? Gründen immer noch in den Kodizes, die damals geschaffen wurden. Die deutsche Wirtschaft? Fusst immer noch auf den Unternehmen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden.

Ich war beschämt, wie wenig der Reichsgründung in Deutschland anlässlich des 150. Jahrestages gedacht wurde. Das nennt man wohl Geschichtsvergessenheit. Nun, dann überlässt man das Thema eben den Rechtsnationalen und Nationalkonservativen. Undenkbar in jedem anderen Land, und aus meiner Sicht gefährlich, weil die Leute merken, dass man ihnen Dinge vorenthält.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von H2O »

Ich stelle mir jetzt unsere heutige Impfplanung und Impfkampagne in Preußen vor... in Polen findet man noch etwas von dieser Gemeinschaftsleistung ... da funktioniert der Ablauf ziemlich flott. Einziges Hemmnis: Fehlender Impfstoff. Davon ist in Deutschland so gut wie nichts mehr zu bemerken. Dafür liegt aber Berichten zufolge an mehreren Orten ungenutzter Impfstoff herum. Zum Schämen!

Nun sind ja im heutigen Polen viele preußische Bauwerke erhalten... und werden auch sorgfältig gepflegt. Bei Führungen wird immer wieder auf die mit den Bauwerken verbundenen Baumeister und die offensichtliche hohe Qualität der Bauten hingewiesen. Tja, und im Bildungswesen wird auch schon einmal auf das preußische Schulwesen hingewiesen, das wohl so ganz minderwertig nicht war.

Beim Stöbern nach polnisch-preußischer Vergangenheit ist mir dieser sehr erfreuliche Aufsatz aufgefallen: " Deutsches und polnisches Preußen"

https://kazwoy.wordpress.com/booksartic ... s-preusen/
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Tom Bombadil »

Michael Alexander hat geschrieben:(06 Mar 2021, 19:09)

Das nennt man wohl Geschichtsvergessenheit.
Die Deutschen als Volk schämen sich kollektiv für ihr Land und ihre Geschichte, es gibt kein Nationalbewusstsein und erst recht keinen Stolz auf das, was durch die Generationen aufgebaut und geschaffen wurde, alles wird von den dunklen 12 Jahren überstrahlt. Das schlägt dann teilweise sogar in Hass auf die eigene Identität, die man möglichst loswerden will, um. Und die Politik geht vorweg, Merkels Verhalten und Wortwahl spricht Bände und dürfte wohl einmalig auf dieser Welt sein. Wer heute sagt, er wäre stolz auf Deutschland oder er wäre ein Patriot, der wird direkt als rechtsextrem eingestuft, selbst Fahne schwenken bei Fußball-Länderspielen ist ja schon anrüchig. Da braucht man sich dann auch nicht zu wundern, wenn die Biodeutschen von Menschen, die noch nicht ganz so lange hier eben, verachtet werden, sie verachten sich ja selber und deswegen ist "Köterrasse" auch eine gerichtlich erlaubte Wortwahl zur Bezeichnung des deutschen Volkes.
Und ja, ich darf das schreiben, ich bin ja keine Kartoffel :p
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Europa2050 »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(06 Mar 2021, 15:50)

Übrigens könnte man hier den Eindruck gewinnen, dass das System Preußen diese Exzesse auf den Okzident in Form des "Franzosenhasses" beschränkt hätte. Das würde z.B. nicht die Bestimmungen von Brest-Litowsk erklären, obgleich hier dieselben Ideen des einseitigen Friedens vorliegen sowie die Gefahr eine Revanchismus, zumal die Folgejahre von Krieg in Osteuropa geprägt sein sollten. Dahinter steckt also noch viel mehr als die alte Erbfeindschaft, es ist der Wille Preußens zur Selbstbehauptung - auf Kosten anderer. Selbst jemand, der Franzosen nicht unbedingt hassen musste, konnte also in dieser Idee exzessiv handeln wollen. Nimm Dir Stresemann, der dem Kaiser anfangs nachtrauerte, dann aber mit der Republik und Frankreich kuschelte - selbst da ließ er sich die Hand zur Revision im Osten offen. Der nächste Krieg entbrannte auch nicht um Elsaß-Lothringen, sondern um die Ostgebiete. Konservative unterstützten Hitler nicht allein wegen des Hasses auf Frankreich, sondern auf Slawen, Ostjuden und Bolschewisten. Das Problem ist also viel größer als die ikonische Erbfeindschaft im Westen.
Auch bei der Bewertung der Politik eines Preußen und der damals für den „Mainstream“ wesentlichen Kreise sollte man korrekt sein.

Das Preußisch-Russische Verhältnis war über die Jahrhunderte ein ausgesprochen Gutes. Nicht nur 1813ff. hat der Zar den Preußen den Á... gerettet, wenn man mal wieder Großmacht spielen wollte. Man war sich zudem einig nicht nur in der Ablehnung liberaler (und später sozialdemokratischer) Ideen und im Willen, Polen als Kolonie zu gewinnen.

Der erste Weltkrieg inkl. Brest war da nur ein „Betriebsunfall“ und hat auch keine so tiefen Wunden gegraben wie die Knochenmühlen im Westen oder der Dolomitenkrieg.

Und dem Illiberalen und stockkonservativen Preußen kann man allerhand vorwerfen - der Nationalsozialismus war Kind aller Deutschen Regionen - im Reich, in Österreich, in Deutschböhmen und sonstwo. Damit nehme ich auch die damit verbundenen Greuel und das zugehörige Wegsehen als Taten aller Deutscher westlich und östlich der Elbe.

Und auch heute findet man die meisten Versteher des Putinschen Russland - das sich ja explizit als Nachfolger des zaristischen Russischen Reiches sieht - im ehemaligen Preußen...

Nein, Russophobie kann man dem „System Preußen“ im Gegensatz zum Schüren von Hass gegen das nachrevolutionäre Frankreich wirklich nicht vorwerfen, die findet man eher in West- und Süddeutschland. Da liegst Du falsch, wobei es natürlich immer Ausnahmen gibt.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von H2O »

Und auch heute findet man die meisten Versteher des Putinschen Russland - das sich ja explizit als Nachfolger des zaristischen Russischen Reiches sieht - im ehemaligen Preußen...
In dem Zusammenhang erinnere ich an die Jahre zwischen 1945 und 1990, als die Sowjetunion diesen besonders preußischen Teil Deutschlands als Teil ihres Imperiums verstand. Diese Zeit hat offenbar nicht dazu geführt, so verstehe ich Ihre Kritik, dort nachhaltig eine tiefe Ablehnung gegen Rußland als Rechtsnachfolger der SU herbei zu führen.

Wenn Sie denn schon so vom Leder ziehen gegen Preußen und seine besondere Anhänglichkeit an Rußland, dann wäre hier eine Anregung zu neuen Einsichten zu suchen. Eine preußische Identität gibt es heute nirgendwo mehr. Die geschichtlichen und kulturellen Zeugnisse bleiben; ansonsten Unkenntnis.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von odiug »

Europa2050 hat geschrieben:(06 Mar 2021, 21:53)

Auch bei der Bewertung der Politik eines Preußen und der damals für den „Mainstream“ wesentlichen Kreise sollte man korrekt sein.

Das Preußisch-Russische Verhältnis war über die Jahrhunderte ein ausgesprochen Gutes. Nicht nur 1813ff. hat der Zar den Preußen den Á... gerettet, wenn man mal wieder Großmacht spielen wollte. Man war sich zudem einig nicht nur in der Ablehnung liberaler (und später sozialdemokratischer) Ideen und im Willen, Polen als Kolonie zu gewinnen.

Der erste Weltkrieg inkl. Brest war da nur ein „Betriebsunfall“ und hat auch keine so tiefen Wunden gegraben wie die Knochenmühlen im Westen oder der Dolomitenkrieg.

Und dem Illiberalen und stockkonservativen Preußen kann man allerhand vorwerfen - der Nationalsozialismus war Kind aller Deutschen Regionen - im Reich, in Österreich, in Deutschböhmen und sonstwo. Damit nehme ich auch die damit verbundenen Greuel und das zugehörige Wegsehen als Taten aller Deutscher westlich und östlich der Elbe.

Und auch heute findet man die meisten Versteher des Putinschen Russland - das sich ja explizit als Nachfolger des zaristischen Russischen Reiches sieht - im ehemaligen Preußen...

Nein, Russophobie kann man dem „System Preußen“ im Gegensatz zum Schüren von Hass gegen das nachrevolutionäre Frankreich wirklich nicht vorwerfen, die findet man eher in West- und Süddeutschland. Da liegst Du falsch, wobei es natürlich immer Ausnahmen gibt.
'tschuldige mal ... aber Brandenburger Sandflöhe sind keine Preußen.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Ammianus »

odiug hat geschrieben:(06 Mar 2021, 22:28)

'tschuldige mal ... aber Brandenburger Sandflöhe sind keine Preußen.
Doch, denn die Mark ist Wurzel, Ausgangspunkt, Keimzelle Preußens. Wobei es zum Verständnis wichtig ist sich damit zu beschäftigen, wie es zum Namen "Preußen" überhaupt kam. Denn eigentlich ist er fast schon irreführend.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Europa2050 »

H2O hat geschrieben:(06 Mar 2021, 22:17)

In dem Zusammenhang erinnere ich an die Jahre zwischen 1945 und 1990, als die Sowjetunion diesen besonders preußischen Teil Deutschlands als Teil ihres Imperiums verstand. Diese Zeit hat offenbar nicht dazu geführt, so verstehe ich Ihre Kritik, dort nachhaltig eine tiefe Ablehnung gegen Rußland als Rechtsnachfolger der SU herbei zu führen.

...
Da sagt man schon mal was Gutes über Preussen, nämlich dass weder Russenfeindlichkeit noch die Ursachen des Nationalsozialismus (über das Mass anderer Regionen hinausgehend) dort zu suchen sind, dann passt es auch wieder nicht...
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von H2O »

Wer heute sagt, er wäre stolz auf Deutschland oder er wäre ein Patriot, der wird direkt als rechtsextrem eingestuft, selbst Fahne schwenken bei Fußball-Länderspielen ist ja schon anrüchig.
Ist das nicht tatsächlich etwas für die schlichteren Gemüter unter uns? Welchen Anteil habe ich an einer großartigen wissenschaftlichen oder künstlerischen oder sportlichen Leistung eines Landsmanns? Die Anregung, ihm nach zu eifern, weil ganz offenbar meine Muttersprache nicht daran hindert, eine so großartige Leistung ab zu liefern?

Besonders gefreut hat mich die schnelle Entwicklung des Impfstoffs gegen Covid-19. Das Ehepaar Sahin hat die deutsche Umgebung nicht gehindert, eine ganz besonders notwendige Erfindung zu machen. Keine Bio-Deutschen? Aber doch Leute, die zuerst einmal in unserem Lande aus sich etwas Beachtliches machen konnten, und die nun auch aus unserem Land etwas Beachtliches gemacht haben. Deutschland ist also keineswegs der Ort, an dem nur Böses sich durchsetzt.

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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von H2O »

Europa2050 hat geschrieben:(06 Mar 2021, 23:02)

Da sagt man schon mal was Gutes über Preussen, nämlich dass weder Russenfeindlichkeit noch die Ursachen des Nationalsozialismus (über das Mass anderer Regionen hinausgehend) dort zu suchen sind, dann passt es auch wieder nicht...
Nein, das sollte keine Kritik sein; wohl aber der zarte Hinweis, daß der sehr nahe Kontakt zu Russen insgesamt zu ganz anderen als den erwarteten und derzeit geradezu geforderten Gefühlen geführt hat.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Agesilaos Megas »

Europa2050 hat geschrieben:(06 Mar 2021, 21:53)
Nein, Russophobie kann man dem „System Preußen“ (...) wirklich nicht vorwerfen,...
Sorry, aber das ist nicht korrekt und spiegelt ein etwas angestaubtes Preußenbild wider. Das Russlandbild und die Einschätzung Russlands durch die preußischen Eliten variierte in der Tat beträchtlich. Und das lag an Preußen, aber auch Russland selbst. Und die Einigung Deutschlands unter Preußen schob nun einmal die "Identitätsbildung" vor die Ereignisse der Revolution und des Vormärzes. Im Gegenzug realisierte Berlin sehr schnell, dass das ehemalige Bollwerk des Konservativismus seit der Krim zu einer Gefährdung eigener Interessen heranwuchs. Schon allein das Russlandbild Bismarcks ("slawischer Ehrgeiz") spricht Bände. In den Grundlagen Bismarckscher Außenpolitik steht Russland als Bedrohung auf einer Ebene mit Frankreich, sei es, dass er den revolutionären fervor fürchtet, sei es, dass er die russische Nation mit Nap. I oder L. XIV. vergleicht - längst ist 1813/14 vergessen. Die preußische Elite in Militär und Politik beschäftigte sich alsbald mit Friderizianischen Präventivgedanken. Schlieffen und der Kaiser hörten auf Schiemann, sogar später, mit bekannten Folgen. Damit fanden ehemals im deutschen Bürgertum populäre Gedanken ("Germanisierung des Ostens", Treitschke, Waitz) Einzug in die Elite. Die Agrarier zeichneten Schreckensbilder wie wir sie von Trump gegen China kennen. Übrigens argumentierst Du ein wenig wie genannte Herren. Es war typisch für diese Zeit, bei der Abneigung gegenüber den Slawen sofort und nur alleinig über Russland zu reden. Andere slawische Nationen waren im auswärtigen Amt nur dann von Interesse, wenn sie sich gegen Russland aufstellen ließen. Die Errichtung eines deutschen Kolonialimperiums auf dem Leichnam des Zarenreiches - ein "Betriebsunfall", wie Du ihn nennst - war damit die maximale Umsetzung dessen, worüber schon seit geraumer Zeit phantasiert wurde. Sicherlich mag sich anfangs im auswärtigen Amt noch kein Konsens gefunden haben, aber in den Reihen der Militärs, OHL und Industrie herrschte schon vor 1917 zumindest eine gewisse imperiale Einigkeit. Die Parallelen zum Generalplan Ost wurden dabei schon hinreichend in der Literatur behandelt: Selbst die NS-Ostplaner widersprachen Hitlers destruktiven Plänen, da sie immer noch an die alten imperialistischen Traditionen glaubten. Rapallo ist danach auch keine Wiedergeburt der heiligen Allianz - hier zeigte sich mehr preußischer Herrschaftsanspruch gegenüber Polen und die Kooperation wurde bald vom alten kaiserlichen (diesmal roten) Bedrohungskomplex eingeholt. Diese Traditionen kaiserlich-preußischer Politik hielten sich eine gute Weile und können in ihrer Bedeutung nicht fälschlicherweise als "Ausnahmen" marginalisiert werden.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von H2O »

Die so unterschiedlich dargestellten Eigenheiten Preußens haben sehr viel mit germanischem Größenwahn zu tun, der unser Land im 19. Jahrhundert erfaßt hatte. In meiner weiter oben diskutierten Quelle
https://kazwoy.wordpress.com/booksartic ... s-preusen/
wird dieser Gedanke weiter ausgesponnen. Der Autor hätte sich ein Preußen als Bestandteil des Polnisch Litauischen Reiches vorstellen können, das dann eben neben Litauern, Weißrussen, Ukrainern, Slowaken auch Preußen als gleichberechtigte Mitbürger zusammengefaßt hätte. Dann hätten eben Kant und Herder nicht nur Deutsch, Französisch und Latein gesprochen, sondern auch Polnisch.

Tatsächlich gab es Schaltpunkte der preußischen Geschichte, die in eine solche Richtung hätten kippen können. Denn wichtige Teile Preußens waren Lehen der polnischen Krone, also keineswegs Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

Die Geschichte ist natürlich ganz anders gelaufen und nun gibt es nur noch archäologische Bezugspunkte zum untergegangenen Preußen; die meisten davon im heutigen Polen. Für die jungen Leute, die dort aufwachsen, ganz gewiß auch ein Stück weit gemeinsame Heimat. Daraus könnte man mit viel gutem Willen im Sinne des europäischen Projekts etwas entwickeln!

Ich knüpfe auch noch an Tom Bombadil an: Ich vermisse sehr die bekannten preußischen Tugenden; gerade jetzt, wo wir Deutschen mit Gemeinschaftsgeist eine Pandemie bewältigen müssen. Wo Frauen Schutzmasken für Gotteslohn genäht haben... und ein Politiker des Bundestags 6-stellige Beträge für die Vermittlung von Masken aus China (?) kassiert hat. Kein Preuße... meine ich. Ich schäme mich fremd. "Gold gab ich für Eisen!" Ja, das war einmal!
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von BlueMonday »

H2O hat geschrieben:(07 Mar 2021, 15:52)

Die so unterschiedlich dargestellten Eigenheiten Preußens haben sehr viel mit germanischem Größenwahn zu tun, der unser Land im 19. Jahrhundert erfaßt hatte. In meiner weiter oben diskutierten Quelle
https://kazwoy.wordpress.com/booksartic ... s-preusen/
wird dieser Gedanke weiter ausgesponnen. Der Autor hätte sich ein Preußen als Bestandteil des Polnisch Litauischen Reiches vorstellen können, das dann eben neben Litauern, Weißrussen, Ukrainern, Slowaken auch Preußen als gleichberechtigte Mitbürger zusammengefaßt hätte. Dann hätten eben Kant und Herder nicht nur Deutsch, Französisch und Latein gesprochen, sondern auch Polnisch.
Und dieses Großlitauen oder "Polish–Lithuanian Commonwealth" leidete dann nicht an "Größenwahn"? :)

Man kann es drehen oder wenden wie man will, alle alten Reiche, die etwas auf sich hielten, strebten die längste Zeit nach Expansion. Sei es kriegerisch oder durch geschicktes Ränkespiel. Und oft hieß es auch: Wie gewonnen, so zerronnen.
Polen hatte dann auch das Problem so eingekeilt zwischen Russia und Prussia zu sein. Viele Kriege sind auch geostrategischen Situationen geschuldet, einfach weil es sich anbietet.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von H2O »

Das ist ja gar nicht zu vermeiden. Einen Streit kann man schlecht austragen, wenn es keine Berührungspunkte gibt. Im Sonderfall Preußen gab es eben eine lange Zeit, in der wichtige Landesteile polnisches Lehen waren. Der preußische Staat hätte ein Teil des Polnisch-Litauischen Reichs werden können... und so wie Litauen dort eine tragende Rolle spielen können... vielleicht zeitweise die Königswürde erlangen können.

Man darf ja nicht vergessen, daß Preußen in Deutschland, im HRR, Kriege geführt hat, um sich dort durch zu setzen und zu wachsen. So ganz und gar ausgeschlossen wäre die Gegenrichtung über Kriege und Heiraten auch nicht gewesen. Nicht mehr und nicht weniger wollte der polnische Verfasser gar nicht darstellen. Die Geschichte ist anders gelaufen, und Preußen ist unwiederbringlich dahin.

Ohne preußische Tugenden ist ein preußischer Staat nicht lebensfähig. Und diese Tugenden sind nicht verschwunden, aber es gibt kein gemeinsames Verständnis mehr, daß das eben Tugenden sind. In meinem Ohr klingt noch der Satz: "Mit Fleiß und Pünktlichkeit und Ordnungssinn kann man ein KZ führen!" Ja, wenn die Härte sich nur auf den jeweils anderen Menschen richtet, dann ist das wohl so. Aber Härte gegen sich selbst... das war schon eine Tugend , um schwere Zeiten zu überstehen. Und da fällt mir gleich wieder das Geseiere ein, mit dem Politiker der Selbstaufgabe das Wort reden. Korruption gab es sicher im alten Preußen auch; aber wer dabei erwischt wurde, der hätte in tiefsten Knast gesessen bis ans Ende seiner Tage.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von odiug »

Ammianus hat geschrieben:(06 Mar 2021, 22:37)

Doch, denn die Mark ist Wurzel, Ausgangspunkt, Keimzelle Preußens. Wobei es zum Verständnis wichtig ist sich damit zu beschäftigen, wie es zum Namen "Preußen" überhaupt kam. Denn eigentlich ist er fast schon irreführend.
Das mag sein ... nur sind das halt immer noch keine Preußen.
Die Besonderheit Preußens lag darin, dass sein Staatsgebiet nur zum Teil in den Grenzen des Heiligen Römischen Reichs lag und damit dem Kaiser in Wien unterworfen war, und ein großer Teil eben nicht.
Und das hing mit dem Scheitern des Deutsch Ritter Ordens zusammen und später mit der Teilung Polens.
Bei anderen deutschen Dynastien war das so nicht der Fall ... so waren zB mal die Wittelsbacher auch Herren über die spanische Niederlande (heute Belgien), jedoch waren die Staatsgebiete getrennt ... also die spanische Niederlande gehörte nie zu Bayern, ebenso wie Ungarn nie zu Österreich gehörte.
Die meisten deutschen Herrscherhäuser dachten Dynastisch ... Preußen nicht, oder nur bedingt.
Und dieses Staatsverständnis kommt nicht von den Sandflöhen in Brandenburg, sondern aus Ost Preußen ... also den Resten des Deutsch Ritter Ordens.
Daher kommt das Junkertum, die Dominanz des Militärs, der expansive Anspruch, der Preußen zu so einem Störenfried der alten Ordnung machte.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Ammianus »

Nein. Diese Sicht ist im großen und ganzen falsch. Simpel gesagt war der Name "Preußen" eigentlich nur der Trick bzw. Kompromis eines Kurfürsten, um an den Königstitel zu kommen. Natürlich spielten die Gebiete im Osten in der Geschichte Preußens eine wichtige Rolle. Schon die Askanier, am Beginn der eigentlichen Geschichte, versuchten, wenn auch nicht erfolgreich, an die Ostsee zu gelangen.
Auf alle Fälle lohnt sich eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte der Hohenzollern - selbstverständlich eine Dynastie. Hier erscheinen dann die unterschiedlichsten Persönlichkeiten, von denen ein großer Teil eben das prägte, was dann 1918 unterging. Es spielt auch eine Rolle, woher die meisten führenden Adelsgeschlechter wie Hindenburg, Bismarck, von der Knesebeck usw. stammten. Die Mark, wie sie im 12. Jh. schließlich in den Besitz der Askanier gelangte, die damit zu Markgrafen wurden, war immer Mittelpunkt der historischen Prozesse. Und das lief dann über die Machtsicherung der Hohenzollern zu Anfang des 15. Jahrhunderts über die Reformation, den Soldatenkönig, der so gut wie keinen Krieg führte, Friz usw.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von odiug »

Ammianus hat geschrieben:(09 Mar 2021, 11:44)

Nein. Diese Sicht ist im großen und ganzen falsch. Simpel gesagt war der Name "Preußen" eigentlich nur der Trick bzw. Kompromis eines Kurfürsten, um an den Königstitel zu kommen. Natürlich spielten die Gebiete im Osten in der Geschichte Preußens eine wichtige Rolle. Schon die Askanier, am Beginn der eigentlichen Geschichte, versuchten, wenn auch nicht erfolgreich, an die Ostsee zu gelangen.
Auf alle Fälle lohnt sich eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte der Hohenzollern - selbstverständlich eine Dynastie. Hier erscheinen dann die unterschiedlichsten Persönlichkeiten, von denen ein großer Teil eben das prägte, was dann 1918 unterging. Es spielt auch eine Rolle, woher die meisten führenden Adelsgeschlechter wie Hindenburg, Bismarck, von der Knesebeck usw. stammten. Die Mark, wie sie im 12. Jh. schließlich in den Besitz der Askanier gelangte, die damit zu Markgrafen wurden, war immer Mittelpunkt der historischen Prozesse. Und das lief dann über die Machtsicherung der Hohenzollern zu Anfang des 15. Jahrhunderts über die Reformation, den Soldatenkönig, der so gut wie keinen Krieg führte, Friz usw.
Die Hohenzoller sind aber vom Ursprung her Schwaben und die Linie in Preußen sind eigentlich Franken.
Also dieses Geschwerl eignet sich so überhaupt nicht, um Preußen zu definieren :p
Brandenburger sind Brandenburger und keine Preußen.
Ansonsten wären ja Kölner auch Preußen und unter Adenauer wärst du für eine solche Behauptung aus der CDU geflogen :D
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Ammianus
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Ammianus »

odiug hat geschrieben:(09 Mar 2021, 12:38)

Die Hohenzoller sind aber vom Ursprung her Schwaben und die Linie in Preußen sind eigentlich Franken.
Also dieses Geschwerl eignet sich so überhaupt nicht, um Preußen zu definieren :p
Brandenburger sind Brandenburger und keine Preußen.
Ansonsten wären ja Kölner auch Preußen und unter Adenauer wärst du für eine solche Behauptung aus der CDU geflogen :D
Natürlich kam der erste Markgraf der Hohnezollern aus dem süddeutschen Raum. Albrecht der Bär, erster Markgraf kam aus dem heutigen Sachsen-Anhalt. Der Name des Geschlechts, Askanier, ist eine latinisierte Form von Aschersleben.
Woher kamen die Brandenburger insgesamt?. Im frühen Mittelalter waren es slawische Stämme aus dem Osten und Südosten. Nachdem es kurzzeitig dem Reich gelungen war seine Macht bis zur Oder auszudehnen, verschafften sie sich für gut eineinhalb Jahrhunderte noch einmal einen Freiraum bis ins 12. Jahrhundert. Dann kamen mit den Askanier deutsche Siedler aus den verschiedensten Regionen. Und auch Holländer, Flamen, von denen der Fläming im Südwesten des heutigen Brandenburgs seinen Namen hat.
Nach dem Aussterben der Askanier ging die Mark erst an die Wittelsbacher und dann an die Luxemburger. Die hatten aber eigentlich andere Interessen. Erst die Hohenzollern wurden dann schlicht und ergreifend Brandenburger. Erst Markgrafen, dann Kurfürsten, schließlich, durch eine geschickte Trickserei, Könige.
So ist das einfach.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von odiug »

Ammianus hat geschrieben:(09 Mar 2021, 13:36)

Natürlich kam der erste Markgraf der Hohnezollern aus dem süddeutschen Raum. Albrecht der Bär, erster Markgraf kam aus dem heutigen Sachsen-Anhalt. Der Name des Geschlechts, Askanier, ist eine latinisierte Form von Aschersleben.
Woher kamen die Brandenburger insgesamt?. Im frühen Mittelalter waren es slawische Stämme aus dem Osten und Südosten. Nachdem es kurzzeitig dem Reich gelungen war seine Macht bis zur Oder auszudehnen, verschafften sie sich für gut eineinhalb Jahrhunderte noch einmal einen Freiraum bis ins 12. Jahrhundert. Dann kamen mit den Askanier deutsche Siedler aus den verschiedensten Regionen. Und auch Holländer, Flamen, von denen der Fläming im Südwesten des heutigen Brandenburgs seinen Namen hat.
Nach dem Aussterben der Askanier ging die Mark erst an die Wittelsbacher und dann an die Luxemburger. Die hatten aber eigentlich andere Interessen. Erst die Hohenzollern wurden dann schlicht und ergreifend Brandenburger. Erst Markgrafen, dann Kurfürsten, schließlich, durch eine geschickte Trickserei, Könige.
So ist das einfach.
Die Frage ist aber nicht, wie toll oder beschissen waren die Hohenzoller, sondern worin unterschied sich Preußen von anderen Fürstentümern des Heiligen Römischen Reichs ?
Und der liegt eben meiner Meinung nach in Ost Preußen und nicht in Brandenburg.
Junkertum, Dominanz des Militärischen, sowohl innenpolitisch wie außenpolitisch, Expansionsdrang verbunden mit einem missionarischen Eifer sind ein Erbe des Deutsch Ritter Ordens.
Auch die Preußischen Sekundärtugenden sind Erbe der Ordenstradition des Deutsch Ritter Ordens.
Waren ja Mönche.
Aus dem benektinischen Ora et labora wurde et tandem pugna ... wenn ich google translate trauen darf :p
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Ammianus »

Nirgendwo ging oder geht es mir um eine qualitative Bewertung der Hohenzollern. Aber würdest du dich mit ihnen beschäftigen, dann wüsstest du, dass es eben nicht Mönchstraditionen waren, welche die von dir aufgezählten Dinge wie "Dominanz des Militärischen", "Expansionsdrang" sowie auch "Sekundärtugenden" prägten.
Vielleicht hast du ein Buch gelesen, in dem diese Theorie vertreten wurde. Aber sie ist unsinnig. Betrachte einfach nur die Zeit der Reformation, die damit zusammenhängenden Entwicklungen im preußischen Kernbereich usw. Wesentlich wäre auch ein Befassen mit den Biographien der einzelnen Hohenzollern sowohl vor dem Königstum als auch danach. Ein Beispiel wäre da der "Große Kurfürst" aber natürlich auch der "Soldatenkönig", "Fritze" oder der 99-Tage-Kaiser - eine durch und durch tragische Sache ...
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von busse »

odiug hat geschrieben:(09 Mar 2021, 15:02)

Die Frage ist aber nicht, wie toll oder beschissen waren die Hohenzoller, sondern worin unterschied sich Preußen von anderen Fürstentümern des Heiligen Römischen Reichs ?
Und der liegt eben meiner Meinung nach in Ost Preußen und nicht in Brandenburg.
Junkertum, Dominanz des Militärischen, sowohl innenpolitisch wie außenpolitisch, Expansionsdrang verbunden mit einem missionarischen Eifer sind ein Erbe des Deutsch Ritter Ordens.
Auch die Preußischen Sekundärtugenden sind Erbe der Ordenstradition des Deutsch Ritter Ordens.
Waren ja Mönche.
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Also Expansionsdrang hatten alle, die in irgendeiner Form diesen auch militärisch zur Geltung bringen konnten. Gerade Königreiche die lange Grenzen zu Nachbarstaaten hatten wollten wegen Überdehnungen kompaktere und damit lenkbarere Gebilde herausarbeiten. Friedenszeiten mit gesicherten Grenzen war damals kaum eine Wahrnehmung wert , Verträge hielten machmal nur einige Jahre. Es sei man hat eine Insel als Königreich gehabt, aber noch nicht mal da waren die Grenzen immerwährend (siehe Hundertjähriger Krieg).
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von schokoschendrezki »

odiug hat geschrieben:(09 Mar 2021, 15:02)

Die Frage ist aber nicht, wie toll oder beschissen waren die Hohenzoller, sondern worin unterschied sich Preußen von anderen Fürstentümern des Heiligen Römischen Reichs ?
Und der liegt eben meiner Meinung nach in Ost Preußen und nicht in Brandenburg.
Junkertum, Dominanz des Militärischen, sowohl innenpolitisch wie außenpolitisch, Expansionsdrang verbunden mit einem missionarischen Eifer sind ein Erbe des Deutsch Ritter Ordens.
Auch die Preußischen Sekundärtugenden sind Erbe der Ordenstradition des Deutsch Ritter Ordens.
Waren ja Mönche.
Aus dem benektinischen Ora et labora wurde et tandem pugna ... wenn ich google translate trauen darf :p
So einfach ist es nicht. Der berühmteste, Friedrich II, wurde bekanntlich von seinem militaristischem Vater in der Burg Küstrin/Kostrzyn beinahe hingerichtet und musste mitansehen, wie sein Freund tatsächlich hingerichtet wurde. In der Folge mühte er sich eher nicht mit Junkertum und Militärdrill sondern mit Flötenspiel ab, hatte kein Verhältnis zu schönen Frauen, dafür umso mehr zu französischer Sprache und Philosophie und den großen frankophon geprägten Intellektuellen seiner Zeit (wenn wir schon beim deutsch-französischen Verhältnis sind). Seinen Eroberungsdrang focht er dafür umso mehr mit der katholisch-frommen (aber ebenso machtbesessenen) Maria Theresia aus. Friedrich II hatte geradezu ungeheuerliche Kränkungen und seelische Verletzungen zu kompensieren. Diese persönlichen Traumata wiegen weit schwerer als irgendeine preußische oder ostpreußische Traditionsprägung.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von garfield336 »

Quatschki hat geschrieben:(13 Jul 2020, 19:29)

Das ist eine Scheinkausalität, mit der spätere sozialistische Machthaber ihre antinationale und antideutsche Politik rechtfertigten.

Damals hatte Frankreich seine aggressive Phase.
Die Gewinnung der linksrheinischen Gebiete und die Verhinderung der deutschen Einheit war nur ein Ziel von vielen, es hat sein späteres Kolonialreich erobert: Nordafrika, Westafrika, Indochina, Madagaskar, militärische Interventionen durchgeführt u.a. auf der Krim, in Syrien, in Mexiko

Preußen war da vergleichsweise friedlich und ganz auf Deutschland und die Festigung seines Gebietes fixiert.

Einen Fehler hat Bismarck gemacht:
Als er 1867 die französische Annexion Luxemburgs verhinderte.
Denn dadurch konnte er es später 1870 auch nicht zurückholen und wieder ins Reich eingliedern.
Und es blieb bis heute dieses lästige Junckerland der Steuerbetrüger und EU-Schmarotzer.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Quatschki »

garfield336 hat geschrieben:(10 Mar 2021, 09:44)

Volksverhetzender ekliger Beitrag,
Was stimmt denn nicht an der Darstellung?
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von garfield336 »

Quatschki hat geschrieben:(10 Mar 2021, 10:40)

Was stimmt denn nicht an der Darstellung?
Sie bezeichnen mich als Steuerbetrüger und Schmarotzer
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Dark Angel »

Mod. Ich bitte darum, sich an das Thema zu halten. Dies gilt insbesondere für den User Schokoschendretzki!
Das Thema lautet "150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg" und NICHT, "Wie lassen sich Wilhelm I, Angela Merkel und evangelische Pfarrerhaushalte mit preußischen Tugenden und der europäischen Politik des 21. Jh. verschwurbeln"

Ich bitte darum, hier weitere Schredderversuche, in diese Richtung, zu unterlassen, ansonsten muss ich hier groß reine machen.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Quatschki »

garfield336 hat geschrieben:(10 Mar 2021, 10:45)

Sie bezeichnen mich als Steuerbetrüger und Schmarotzer
Als Staatsbürger ist jeder einzelne für das Geschäftsmodell seines Staates moralisch mit verantwortlich.
Die aus Preußen ausgesiedelten Preußen können davon ein Lied singen.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Quatschki hat geschrieben:(13 Jul 2020, 11:57)

Diese Emser Depesche vom 13.Juli 1870, heute vor 150 Jahren, hat Frankreich bewogen, am 19.Juli 1870 dem Königreich Preußen den Krieg zu erklären.
Und wenn man direkt auf den Eingangsbeitrag nocheinmal zurückkommt. Das Ergebnis dieses Krieges, die Ausrufung, die Proklamation Wilhelm I zum deutschen Kaiser wird in historischen Darstellungen häufig überhöht. Als handele es sich um eine Art deutschen Nationalstaats-Gründungsmythos. Tatsächlich jedoch handelte es sich zumindest von deutscher Seite her um das Ergebnis mühseliger Aushandlungen zwischen Kanzler und preußischem König. Um das Ergebnis eines ausgeklügelten Interessenkalküls auch mit den sonstigen deutschen Regionalherrschern. Dieses "Deutsche Reich" war eine Konstruktion. Die möglich wurde durch Verhandlungsgeschick und militärischem Erfolg.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Ammianus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2021, 09:32)

So einfach ist es nicht. Der berühmteste, Friedrich II, wurde bekanntlich von seinem militaristischem Vater in der Burg Küstrin/Kostrzyn beinahe hingerichtet und musste mitansehen, wie sein Freund tatsächlich hingerichtet wurde. In der Folge mühte er sich eher nicht mit Junkertum und Militärdrill sondern mit Flötenspiel ab, hatte kein Verhältnis zu schönen Frauen, dafür umso mehr zu französischer Sprache und Philosophie und den großen frankophon geprägten Intellektuellen seiner Zeit (wenn wir schon beim deutsch-französischen Verhältnis sind). Seinen Eroberungsdrang focht er dafür umso mehr mit der katholisch-frommen (aber ebenso machtbesessenen) Maria Theresia aus. Friedrich II hatte geradezu ungeheuerliche Kränkungen und seelische Verletzungen zu kompensieren. Diese persönlichen Traumata wiegen weit schwerer als irgendeine preußische oder ostpreußische Traditionsprägung.
Hierzu aber wäre eine Anmerkung nötig. Es stimmt, dass Friedrich Unsägliches von seinem Vater zu erdulden hatte. Auf der anderen Seite übernahm er von diesem aber einen gut organisierten Staat. Sein Vater hatte mit der Verschwendungssucht und dem Protztum - wozu auch der ertrickste Königstitel gehörte - gründlich Schluss gemacht. Selbst nur einen einzigen Krieg führend, hatte der "Soldatenkönig" dem ungeliebten Sohn, den er kurzzeitig sogar hinrichten lassen wollte, eine Militärstruktur hinterlassen, die Friedrichs militätrische Abenteuer überhaupt erst ermöglichten.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Alexyessin »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2021, 11:08)

Und wenn man direkt auf den Eingangsbeitrag nocheinmal zurückkommt. Das Ergebnis dieses Krieges, die Ausrufung, die Proklamation Wilhelm I zum deutschen Kaiser wird in historischen Darstellungen häufig überhöht. Als handele es sich um eine Art deutschen Nationalstaats-Gründungsmythos. Tatsächlich jedoch handelte es sich zumindest von deutscher Seite her um das Ergebnis mühseliger Aushandlungen zwischen Kanzler und preußischem König. Um das Ergebnis eines ausgeklügelten Interessenkalküls auch mit den sonstigen deutschen Regionalherrschern. Dieses "Deutsche Reich" war eine Konstruktion. Die möglich wurde durch Verhandlungsgeschick und militärischem Erfolg.
Sag bitte nicht "von deutscher Seite" sondern "von preussischer Seite". Danke.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Alexyessin hat geschrieben:(10 Mar 2021, 14:11)

Sag bitte nicht "von deutscher Seite" sondern "von preussischer Seite". Danke.
Ja. Der preussische König ist ja erst danach missgestimmt als deutscher Kaiser wieder nach Hause gefahren.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2021, 11:08)
Dieses "Deutsche Reich" war eine Konstruktion. Die möglich wurde durch Verhandlungsgeschick und militärischem Erfolg.
Das klingt ja wie ein besonderer Ausnahmefall, wie eine Krankheit gar.
Aber welcher große Nationalstaat ist keine "Konstruktion"? Italien? Frankreich? Das "Vereinigte Königreich Großbritannien" etwa? :) Die "Vereinigten Staaten", die Schweiz, China...? Alles wurde mit militärischer Gewalt und Ränkespiel("Diplomatie") zusammengefügt und mit Gründungsmythen ausgeschmückt. Die Konstruktionshaftigkeit nimmt in der Regel mit der Größe zu (SU, EU). "Preußen" ist letztlich eine (recht wandelhafte) Idee so wie es "Deutschland" ist. Von den slawischen Prußen über Brandburg-Preußen zum Königreich Preußen, zur preußischen Staatsidee(ohne die die deutsche undenkbar ist), Bismarcks Preußen mit deutschem Führungsanspruch. Es sind eben nicht "nur die Ideen", wie ein Teilnehmer hier einwarf, sondern vor allem auch die Ideengeber, die Durchsetzer von Ideen und damit ein Ideenwettstreit, bei dem sich auch manche oder gar die meisten Ideen als unterlegen erweisen. Wo Ideenstränge auch wieder absterben und allenfalls Spuren hinterlassen(der "Deutsche Orden" etwa). So hat man es ja auch bis heute mit slawischen Einflüssen zu tun, und sei es nur der Name (Prußen/Prussia).
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von odiug »

Ammianus hat geschrieben:(09 Mar 2021, 16:35)

Nirgendwo ging oder geht es mir um eine qualitative Bewertung der Hohenzollern. Aber würdest du dich mit ihnen beschäftigen, dann wüsstest du, dass es eben nicht Mönchstraditionen waren, welche die von dir aufgezählten Dinge wie "Dominanz des Militärischen", "Expansionsdrang" sowie auch "Sekundärtugenden" prägten.
Vielleicht hast du ein Buch gelesen, in dem diese Theorie vertreten wurde. Aber sie ist unsinnig. Betrachte einfach nur die Zeit der Reformation, die damit zusammenhängenden Entwicklungen im preußischen Kernbereich usw. Wesentlich wäre auch ein Befassen mit den Biographien der einzelnen Hohenzollern sowohl vor dem Königstum als auch danach. Ein Beispiel wäre da der "Große Kurfürst" aber natürlich auch der "Soldatenkönig", "Fritze" oder der 99-Tage-Kaiser - eine durch und durch tragische Sache ...
Du verstehst die Frage nicht.
Die Frage war: was sind Preußen ?
Die Hohenzollern sind es mal nicht !
Brandenburger sind es auch nicht !
Bleibt der Rest ... und das ist nun mal Ostpreußen.
Es hieß ja nicht umsonst 1618 Brandenburg-Preußen.
Und nun stellt sich die Frage: wie konnte ein verarmter Landstrich, ohne Bodenschätze, mit lausigen Böden, die für Landwirtschaft eher schlecht als recht geeignet sind sich zu einer europäischen Großmacht mausern ?
Und da kann man jetzt die Hohenzollern als geschickte, vom Glück begünstigte Herrscher aufführen ... Glück deshalb, weil "Das Wunder des Hauses Brandenburg" wirklich Dusel war.
Selbst nach dm Tod der russischen Zarin Elisabeth hätten die Österreicher und Franzosen Berlin besetzen, Schlesien wäre wider an Österreich gefallen und den Frize zum Teufel jagen können usw usf ... sie taten das aber nicht.
Und um meinen Punkt nochmals, diesmal vielleicht verständlicher anzuführen: der preußische Staat konnte sich auf ein Staatsmodell berufen, das mit dem Deutsch Ritter Orden in Ost Preußen einmalig in Europa, und bestimmt einmalig im deutschen Reich war.
Auch wenn der Deutsch Ritter Orden letztlich militärisch scheiterte, schuf er doch eine unglaublich effizientes Staatswesen für seine Zeit, auf das die "Erben" zurückgreifen konnten.
Zuletzt geändert von odiug am Mi 10. Mär 2021, 15:58, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(10 Mar 2021, 15:25)

Das klingt ja wie ein besonderer Ausnahmefall, wie eine Krankheit gar.
Aber welcher große Nationalstaat ist keine "Konstruktion"? Italien? Frankreich? Das "Vereinigte Königreich Großbritannien" etwa? :) Die "Vereinigten Staaten", die Schweiz, China...? Alles wurde mit militärischer Gewalt und Ränkespiel("Diplomatie") zusammengefügt und mit Gründungsmythen ausgeschmückt. Die Konstruktionshaftigkeit nimmt in der Regel mit der Größe zu (SU, EU). "Preußen" ist letztlich eine (recht wandelhafte) Idee so wie es "Deutschland" ist. Von den slawischen Prußen über Brandburg-Preußen zum Königreich Preußen, zur preußischen Staatsidee(ohne die die deutsche undenkbar ist), Bismarcks Preußen mit deutschem Führungsanspruch. Es sind eben nicht "nur die Ideen", wie ein Teilnehmer hier einwarf, sondern vor allem auch die Ideengeber, die Durchsetzer von Ideen und damit ein Ideenwettstreit, bei dem sich auch manche oder gar die meisten Ideen als unterlegen erweisen. Wo Ideenstränge auch wieder absterben und allenfalls Spuren hinterlassen(der "Deutsche Orden" etwa). So hat man es ja auch bis heute mit slawischen Einflüssen zu tun, und sei es nur der Name (Prußen/Prussia).
So viel anderes wollte ich eigentlich auch gar nicht ausdrücken. Ich bin weit davon entfernt, die ganze komplizierte Gemengelage des Kriegs des Norddeutschen Bundes unter Führung Preußens gegen Frankreich (um korrekt zu bleiben), das Inkrafttreten der gesamtdeutschen Bismarckschen Reichserfassung, den formalen Beitritt der deutschen Südstaaten zum Norddeutschen Bund zu durchschauen. Nur eines wurde mir in einem sehr interessanten Beitrag kürzlich überzeugend nahegebracht: Irgendeine Art von festlicher Stimmung anlässlich der Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles ... gab es nicht. Alle Beteiligten, vor allem der bisherige König von Preußen, fügten sich mehr oder weniger murrend in ein eingefädeltes Geschäft. Einfach nur als Korrektur zu diesem Bild von der "Reichsgründung der Nation".
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Ammianus »

odiug hat geschrieben:(10 Mar 2021, 15:52)

Du verstehst die Frage nicht.
Die Frage war: was sind Preußen ?
Die Hohenzollern sind es mal nicht !
Brandenburger sind es auch nicht !
Bleibt der Rest ... und das ist nun mal Ostpreußen.
Es hieß ja nicht umsonst 1618 Brandenburg-Preußen.

...
Du solltest dich wirklich einmal mit der Geschichte der Mark seid ihren Anfängen befassen. Was die Frage angeht, da habe ich bereits in meinerm ersten Post dazu alles wesentliche gesagt ...
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von odiug »

Ammianus hat geschrieben:(10 Mar 2021, 16:04)

Du solltest dich wirklich einmal mit der Geschichte der Mark seid ihren Anfängen befassen. Was die Frage angeht, da habe ich bereits in meinerm ersten Post dazu alles wesentliche gesagt ...
Mir scheint eher, ich habe deinen Lokal Patriotismus gekränkt :(
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Adam Smith »

odiug hat geschrieben:(10 Mar 2021, 16:17)

Mir scheint eher, ich habe deinen Lokal Patriotismus gekränkt :(
Köln gehörte auch mal zu Preussen.

https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-275642

Der Kölner bezeichnet sich aber selber als zum Rheinland zugehörig.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von garfield336 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2021, 11:21)

Ja, in einer idealen Demokratie vielleicht. Was heißt "EU-Schmarotzertum"? Der wesentliche Punkt für wirtschaftlichen Reichtum in der Neuzeit ist immer der Verbleib in einem zollfreien Handelsraum. Der freie Zugang zu den Märkten. Wenn ich es recht verstanden habe, hat der wirtschaftliche Aufschwung Luxemburgs in der Stahlindustrie vor allem oder zumindes auch etwas mit seinem Verbleib im deutschen Zollverein trotz Neutralität zu tun. So sieht es auch beim Brexit aus und so sieht es bei dem vermeintlichen Schmarotzertum der mittelosteuropäischen Länder heute aus. Solange die Grenzen offen sind und die Güter, Dienstleistungen und Arbeitskräfte sich frei bewegen können, läuft alles andere nur unter ferner liefen. Damit werden die eigentlichen Reichtümer generiert.
Die Luxemburgische Stahlindustrie war auf Koks aus dem Ruhrgebiet angewiesen. Genau deshalb war ein Verbleibt von sehr hoher Bedeutung.
Desweiteren nutzeten bereits vor 1918 sehr viele Franzosen Luxemburg als Sprungbrett um mit Deutschland zu handeln. Ein gutes Beispiel dafür war die Champagnerfabrik von Mercier. Die füllten die Flaschen in Luxemburg ab um sie Zollfrei exportieren zu können.

Die Zollunion hatte also wirtschaftlich gute Seiten.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von garfield336 »

Quatschki hat geschrieben:(10 Mar 2021, 11:01)

Als Staatsbürger ist jeder einzelne für das Geschäftsmodell seines Staates moralisch mit verantwortlich.
Die aus Preußen ausgesiedelten Preußen können davon ein Lied singen.
Ich bin voll zufrieden mit der Führung dieses Landes.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Ammianus »

odiug hat geschrieben:(10 Mar 2021, 16:17)

Mir scheint eher, ich habe deinen Lokal Patriotismus gekränkt :(
Du solltest dich wirklich einmal mit der Geschichte der Mark seid ihren Anfängen befassen. Was die Frage angeht, da habe ich bereits in meinerm ersten Post dazu alles wesentliche gesagt ...
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Ammianus hat geschrieben:(10 Mar 2021, 16:04)

Du solltest dich wirklich einmal mit der Geschichte der Mark seid ihren Anfängen befassen. Was die Frage angeht, da habe ich bereits in meinerm ersten Post dazu alles wesentliche gesagt ...
Ist es nicht so, dass die Geschichte im 18. und Anfang des 19. Jahrhundert viel mehr durch die Herrschaftsansprüche von Dynastien geprägt wurden als durch den Charakter einer Region oder Nation (die es im späteren und heutigen Sinne noch gar nicht gab). Katarina II., die sogenannte Große, war bekanntermaßen keine Russin sondern stammte aus einer Region im heutigen Sachsen-Anhalt. Versuche mal, die größten Feldzüge in der langen Geschichte Russlands, die Eroberung des Zugangs zum Schwarzen Meer für Russland aus dem Charakter der Leute in der Gegend um Zerbst zu erklären.

Und für diesen Krieg gegen Frankreich muss man den grundlegenden Zeitenwandel im Auge haben, der zwischen dem frankophilen Friedrich II in Sanssouci und der Kaiserproklamation von Versailles liegt. Da muss logischerweise ein historischer Bruch dazwischenliegen. Der bedeutende Mathemaiker Euler, nur mal als Beispiel, gehörte auch zum erlesenen Intellektuellen-Kreis von Friedrich. Nach dem Tod von Maupertius weigerte sich jedoch der preußische König gegen alle Ratschläge, Euler als Nachfolger für das Amt des Akademiepräsidenten zu benennen. Er wollte den ebenfalls bedeutenden Mathemariker d'Alambert. Und als dieser sich weigerte und seinerseits wiederum Euler vorschlug, ernannte Friedrich den (natürlich gleichfalls bedeutenden Mathematiker) Lagrange. Warum? Von Mathematik verstand der Preußenkönig sicher nicht viel. Für ihn war "französisch" Grundvoraussetzung für Intellektualität. Ein deutschsprachiger Gelehrter wie Euler konnte in Friedrichs Augen vielleicht technische Anlagen entwerfen aber niemals irgendsowas wie einen geistigen Weitblick haben. Diese Sicht eines preußischen Herrschers auf Frankreich und die französische Kultur muss man im Hinterkopf haben, wenn man die geschichtlichen Entwicklungen der Nachfolgezeit bis hin zu diesem Krieg verstehen will.

Und man muss die umgekehrten Verhältnisse sehen. Voltaire war der überragende Intellektuelle seiner Zeit. Natürlich konnte er die Macht Friedrich II. einschätzen. Aber er hat ihn im Grunde genommen als "Intellektuellenfreund", sagen wirs mal vorsichtig, völlig von oben herab gesehen. Das wird aus dem Briefwechsel deutlich. Ist natürlich ein anderes Thema. Ich weiß manchmal nicht, ob ich denken sollte, dass mir dieser König als Mensch eigentlich Leid tun sollte in seinem Ringen um Anerkennung oder ob ich denken soll: Der hats verdient!
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Ammianus
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Ammianus »

Geschichte ist ein kompliziertes Beziehungsgeflecht bestehend aus dem Zusammenwirken scheinbar unterschiedlichster Faktoren. Und auch der blanke Zufall spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Dieser Zufall wird gerade durch Menschen, deren Fähigkeiten und Ambitionen verkörpert. Dynastien spielen schon viel früher eine wesentliche Rolle. Die Abfolge geht da ja doch erstmal biologisch vonstatten. Zu beachten ist dabei dann die damals viel größere Sterblichkeit besonders um die Geburt und im Kleinkindalter. Die Persönlichkeit des dann zur Macht gekommenen spielt dann eine bedeutende Rolle. Albrecht der Bär war ein absolut ambitionierter Mensch und es gelang ihm trotz verschiedenster Widerstände den Kern der Mark unter seine Kontrolle zu bringen. Wesentlich war auch das Handeln weiterer Nachfolger, wie in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts die Brüder Johann und Otto. Ähnliches trifft auch bei den Hohenzollern zu. Es gibt Persönlichkeiten mit Ehrgeiz, dem Willen sich durchzusetzten und Erfolge zu erzielen und auch wieder Menschen, die einfach nur am falschen Platz sind - wie z.B. der letzte deutsche Kaiser. Die von dir als Beispiel gebrachte Katharina war dabei eine ganz herausragende Persönlichkeit. Diese Prägungen muss sie in Kindheit und Jugend mitbekommen haben. Es hätte genau so gut auch eine dumme, an Politik und Macht völlig desinteressierte Dame werde können. Sie aber wahr ehrgeizig, sehr intelligent, bildungshungrig, vielfältig interessiert, auch natürlich vollkommen skurpellos wenn es um ihre persönlichen Interessen - auch im Bett - ging. Ich erinnere mich noch was, ich von ihr in einem Brief an einen französischen Philosophenfreund - weiss nicht mehr wer - las. Die Welt müsse wohl doch älter sein, als bisher (biblische Berechung) angenommen. Schließlich habe man in Sibirien Elefantenknochen gefunden.
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schokoschendrezki
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Ammianus hat geschrieben:(10 Mar 2021, 20:44)

Geschichte ist ein kompliziertes Beziehungsgeflecht bestehend aus dem Zusammenwirken scheinbar unterschiedlichster Faktoren. Und auch der blanke Zufall spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Dieser Zufall wird gerade durch Menschen, deren Fähigkeiten und Ambitionen verkörpert. Dynastien spielen schon viel früher eine wesentliche Rolle. Die Abfolge geht da ja doch erstmal biologisch vonstatten. Zu beachten ist dabei dann die damals viel größere Sterblichkeit besonders um die Geburt und im Kleinkindalter. Die Persönlichkeit des dann zur Macht gekommenen spielt dann eine bedeutende Rolle. Albrecht der Bär war ein absolut ambitionierter Mensch und es gelang ihm trotz verschiedenster Widerstände den Kern der Mark unter seine Kontrolle zu bringen. Wesentlich war auch das Handeln weiterer Nachfolger, wie in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts die Brüder Johann und Otto. Ähnliches trifft auch bei den Hohenzollern zu. Es gibt Persönlichkeiten mit Ehrgeiz, dem Willen sich durchzusetzten und Erfolge zu erzielen und auch wieder Menschen, die einfach nur am falschen Platz sind - wie z.B. der letzte deutsche Kaiser. Die von dir als Beispiel gebrachte Katharina war dabei eine ganz herausragende Persönlichkeit. Diese Prägungen muss sie in Kindheit und Jugend mitbekommen haben. Es hätte genau so gut auch eine dumme, an Politik und Macht völlig desinteressierte Dame werde können. Sie aber wahr ehrgeizig, sehr intelligent, bildungshungrig, vielfältig interessiert, auch natürlich vollkommen skurpellos wenn es um ihre persönlichen Interessen - auch im Bett - ging. Ich erinnere mich noch was, ich von ihr in einem Brief an einen französischen Philosophenfreund - weiss nicht mehr wer - las. Die Welt müsse wohl doch älter sein, als bisher (biblische Berechung) angenommen. Schließlich habe man in Sibirien Elefantenknochen gefunden.

Aber, zwischen dieser Zeit der Katharina der Großen, Friedrich II, Maria Theresia und dem hier zur Debatte stehenden Krieg zwischen dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens und Frankreich gab es ja historische Brüche. Einer davon war die Periode, die man sehr sehr euphemistisch den "Völkerfrühling" nannte. Die Forderung einmal nach Demokratie und Parlamentarismus und zum anderen aber auch nach Nation, Nation, Nation, Nation. Garibaldi, Bem, Kossuth usw. Und auch Ernst-Moritz Arndt. Der personifizierte deutsche Franzosenhass. Und diesmal aber wirklich "deutsche". Der und der Geist, den er repräsentierte liegt zwischen der Frankophilie Friedrichs des Großen und der beginnenden eher rationalen Machtpolitik Bismarcks, die Frankreich, die Militärpolitik, die Reichsgründungspolitik, die Deutschland-Zusammenfassungspolitik allesamt mehr so als Figuren auf seinem Schachbrett ansah.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von schokoschendrezki »

odiug hat geschrieben:(10 Mar 2021, 15:52)

Du verstehst die Frage nicht.
Die Frage war: was sind Preußen ?
Die Hohenzollern sind es mal nicht !
Brandenburger sind es auch nicht !
Bleibt der Rest ... und das ist nun mal Ostpreußen.
Zum Zeitpunkt des Kriegs des Norddeutschen Bundes unter Führung Preußens mit Frankreich aber bereits lange schon überformt. Der, der so als bedeutendster Schriftsteller dieser Zeit in dieser Region Brandenburg-Preußen angesehen wird, Theodor Fontane, war übrigens während der Kriegsereignisse als Korrespondent der Vossischen Zeitung in Paris. Und hat auch ein Buch dazu geschrieben. Er sollte als Spion Preußens verhaftet werden, kam aber durch Intervention Bismarcks frei. Aber nicht nur deshalb. Im krassesten Gegensatz zu Arndt war Fontane ein absoluter Franzosenfreund. Kein Wunder. Auch seine Familie war hugenottischen Ursprungs. Oder doch ein Wunder? Schließlich wurden die Hugenotten gewaltsam aus Frankreich vertrieben. Daran kann man sehen, wie fragwürdig es ist, auf solche längst überformten Ursprünge zurückzugreifen.

Was ist der Kern des literarischen Werks Fontanes? Er hat in dem weiträumig agrarischen und rückständigen preußisch-brandenburgischen Land bereits die aufkommende industrielle Revolution, das expandierende Berlin, die Maschinenhallen, die elektrischen Straßenbahnen vorausgesehen und vorweggenommen. Seine Effi Briest ist eine Frau des 20. Jahrhunderts mitten in einem rückständigen agrarisch geprägten Ständestaat.
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2021, 19:15)

Ist es nicht so, dass die Geschichte im 18. und Anfang des 19. Jahrhundert viel mehr durch die Herrschaftsansprüche von Dynastien geprägt wurden als durch den Charakter einer Region oder Nation (die es im späteren und heutigen Sinne noch gar nicht gab). Katarina II., die sogenannte Große, war bekanntermaßen keine Russin sondern stammte aus einer Region im heutigen Sachsen-Anhalt. Versuche mal, die größten Feldzüge in der langen Geschichte Russlands, die Eroberung des Zugangs zum Schwarzen Meer für Russland aus dem Charakter der Leute in der Gegend um Zerbst zu erklären.

Und für diesen Krieg gegen Frankreich muss man den grundlegenden Zeitenwandel im Auge haben, der zwischen dem frankophilen Friedrich II in Sanssouci und der Kaiserproklamation von Versailles liegt. Da muss logischerweise ein historischer Bruch dazwischenliegen. Der bedeutende Mathemaiker Euler, nur mal als Beispiel, gehörte auch zum erlesenen Intellektuellen-Kreis von Friedrich. Nach dem Tod von Maupertius weigerte sich jedoch der preußische König gegen alle Ratschläge, Euler als Nachfolger für das Amt des Akademiepräsidenten zu benennen. Er wollte den ebenfalls bedeutenden Mathemariker d'Alambert. Und als dieser sich weigerte und seinerseits wiederum Euler vorschlug, ernannte Friedrich den (natürlich gleichfalls bedeutenden Mathematiker) Lagrange. Warum? Von Mathematik verstand der Preußenkönig sicher nicht viel. Für ihn war "französisch" Grundvoraussetzung für Intellektualität. Ein deutschsprachiger Gelehrter wie Euler konnte in Friedrichs Augen vielleicht technische Anlagen entwerfen aber niemals irgendsowas wie einen geistigen Weitblick haben. Diese Sicht eines preußischen Herrschers auf Frankreich und die französische Kultur muss man im Hinterkopf haben, wenn man die geschichtlichen Entwicklungen der Nachfolgezeit bis hin zu diesem Krieg verstehen will.

Und man muss die umgekehrten Verhältnisse sehen. Voltaire war der überragende Intellektuelle seiner Zeit. Natürlich konnte er die Macht Friedrich II. einschätzen. Aber er hat ihn im Grunde genommen als "Intellektuellenfreund", sagen wirs mal vorsichtig, völlig von oben herab gesehen. Das wird aus dem Briefwechsel deutlich. Ist natürlich ein anderes Thema. Ich weiß manchmal nicht, ob ich denken sollte, dass mir dieser König als Mensch eigentlich Leid tun sollte in seinem Ringen um Anerkennung oder ob ich denken soll: Der hats verdient!
Mod. Zum letzten Mal: unterlass die Threadschredderei!
Das Thema des Threads lautet 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg und das ist der Zeitraum von 1795 bis 1945!
Es geht um Fakten und historische Kontexte, die zu den entsprechenden politischen Ereignissen führten bzw diese beeinflussten.
Es geht immer noch nicht um die Zeit vor der Französischen Revolution, nicht um Friedrich II, Katharina die Große und auch nicht um irgendwelche Mathematiker!
Ist das angekommen?

Halte dich an das Thema oder halte dich raus! Das gilt auch für alle Anderen!
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Re: 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg

Beitrag von Europa2050 »

Dark Angel hat geschrieben:(11 Mar 2021, 12:25)

Mod. Zum letzten Mal: unterlass die Threadschredderei!
Das Thema des Threads lautet 150 Jahre Deutsch-Französischer Krieg und das ist der Zeitraum von 1795 bis 1945!
Es geht um Fakten und historische Kontexte, die zu den entsprechenden politischen Ereignissen führten bzw diese beeinflussten.
Es geht immer noch nicht um die Zeit vor der Französischen Revolution, nicht um Friedrich II, Katharina die Große und auch nicht um irgendwelche Mathematiker!
Ist das angekommen?

Halte dich an das Thema oder halte dich raus! Das gilt auch für alle Anderen!
Wobei es natürlich schon eine Linie gibt zwischen:
- dem Imperium Romanum, das grob bis zu Rhein und Donau ging,
- dem Frankenreich Karls des Großen, dass irgendwo im Märkischen endete
- der Ausbreitung der Lehren Luthers in Mitteldeutschland vs. Beharren am Katholizismus in West- und Süddeutschland
- dem Rheinbund (Deutschland ohne Preußen)
- der Positionierng pro/Contra Napoleon
- bis hin zur BRD/DDR deren Grenze die Alliierten rein zufällig auch wieder ungefähr entlang dieser deutschen Sollbruchstelle verlegten.

Und - immer wieder unterbrochen durch Frankophile östlich der Linie (wie von Schoko dargestellt) oder nationalistische und antifranzösische Aufwallungen westlich (1871/1914/1939) - so bestimmt diese Linie bis heute mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit - bist du profranzösisch oder prorussisch. Bist du eher kosmopolitisch/liberal oder stolz auf deine Klasse oder Nation. Wählst Du eher die Mitte (CDU/SPD/Grüne/FDP) wie im Westen oder gerne auch mal extremer (Linke/AFD/NPD) wie im Osten.

Und meine Erfahrung ist, dass diese Linie auch im Ausland wahrgenommen wird, und vermutlich hat das weniger mit BRD/DDR zu tun, als man denkt und mehr mit den Mechanismen, die eben auch zu Erbfeindschaft und preußisch-französischen Kriegen führte...

Natürlich alles immer nur als Trend und nie auf den Einzelnen bezogen. Individuelle Ausnahmen millionenfach...

Aber die beiden Angriffskriege gegen Frankreich (1871/1914) wie auch die Pillnitzer Deklaration und die Koalitionskriege wurden in Berlin beschlossen, in Stuttgart oder München wäre man da nie drauf abgefahren.
(Den WK2 hab ich ausgenommen, da der Frankreichfeldzug da eher unwesentlicherer Teil eines größeren Verbrechens war).
Почему, Россия? (Warum, Russland?)
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