Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

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Zunder
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Zunder »

PeterK hat geschrieben:(20 May 2020, 11:04)

Nope. Das Komma davor und den Doppelpunkt danach hast Du vermutlich überlesen. In der spanischen und französischen Version ist es korrekt mit "como tal:" und "comme tel:" übersetzt. Z.B. hier https://fr.wikipedia.org/wiki/Conventio ... 3%A9nocide


Ich halte solche Begriffe für unangebracht. Schau mal hier:

https://books.google.es/books?id=g1y0sE ... de&f=false

Da geht es um das Vokabular des Genozids. "A.B.-Aktion" und "Ausschaltung" sind auch dabei.
"Comme tel" bedeutet dasselbe wie "as such" - "als solche".
https://context.reverso.net/%C3%BCberse ... /comme+tel

Daß im Englischen und Französischen andere oder möglicherweise gar keine Kommaregeln gelten, ändert nichts an der Wortbedeutung.

Als Guido Buchwald im Finale 1990 Diego Maradona ausgeschaltet hat, hat er sich also an einem Genozid beteiligt. Wäre das auch geklärt.
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Dark Angel
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(19 May 2020, 16:17)

Ja. Sein Hauptthema als Erzähler, Lyriker und Dramatiker war der Große Vaterländische Krieg gegen den Hitlerfaschismus. In seiner berühmten Romantrilogie „Die Lebenden und die Toten“ (1960) sind die Akteure Offiziere und Soldaten der Roten Armee, die im Krieg gegen die Wehrmacht stehen. Ja, und dort beschrieb er erstmals auch die Fehler der sowjetischen Führung um Stalin 1941, die zu einigen schlimmen Niederlagen gegen die angreifenden Deutschen führten. Was sich mir aber vor allem in jungen Jahren stark einprägte, das war die genaue und teils brutal detaillierte Beschreibung des Aggressionskrieges der Deutschen gegen die Sowjetunion, immer verbunden mit zutiefst bewegenden Einzelschicksalen, die wohl oft auch authentische Vorbilder hatten. Simonow befand sich ja oft direkt an vorderster Frontlinie. Und trotz aller Brutalität des Krieges behielt er immer in allen Beschreibungen, sogar gegenüber dem Feind, seine Menschlichkeit.
Naja - ich habe nicht nur Simonow gelesen, auch die Memoiren von Shukow, Rokossowski (einem Opfer der stalinischen "Säuberungsaktionen"), Bagramjan, Kusnetzow und Tschuikow. Ist zwar teilweise schon eine Weile her und einiges sehe ich heute unter einem etwas anderen Blickwinkel.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Dark Angel
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dark Angel »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(20 May 2020, 12:07)

Warum nicht das Kind beim Namen nennen!

Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen und warum soll die Auarbeitung nur auf die deutsche Seite beschraenkt sein??


Die BBC spricht von der "Gewaltigung von Berlin"



Erwaehnenswert ist, das bis heute dieses Kapitel ruhmreicher russischer Kriegsfuehrung tabu ist!

https://www.bbc.com/news/magazine-32529679

Ich empfehle diesen BBC Artikel zu lesen!
Genau das ist der Punkt. Mit der Aufarbeitung "eigener" Kriegsverbrechen hatten die Allierten lange - viel zu lange - ein Problem. Die durfte es nicht gegeben haben. Erst in den letzten Jahren werden solche Kriegsverbrechen überhaupt thematisiert, wird zugegeben, dass es diese auch auf allierter Seite gab bzw werden Handlungen als Kriegsverbrechen bezeichnet.
Es findet also ein Umdenken statt - insbesondere auch im Zusammenhang mit den Flächenbombardements.
Da gab es durchaus Kontroversen zwischen Briten und Amerikanern, was die Beteiligung betrifft.
Der Oberbefehlshaber der 8. USAAF-Luftflotte in Großbritanniern Gen. James Doolittle z.B. fürchtete um die "Ehre" der "Migthy Eigth" und brachte seine Bedenken und seine Ablehnung der Beteiligung an Flächenbombardements bei seinen Oberkommando zum Ausdruck - jedoch ohne Erfolg.
Bomberpilot Paul Tibbets hingegen erklärte nach seinem Bombenabwurf über Hiroshima vor der Presse "Im Krieg gibt es keine Moral".
Was bis vor Kurzem ebenso unerwähnt blieb, ist die Tatsache, dass es auch auch amerikanischer Seite (im Zusammenhang mit der Ardennenoffensive der Nazis) zu Erschießungen, ganzer Gruppen unbewaffneter deutscher Soldaten kam, die sich bereits ergeben hatten und offiziell als Kriegsgefangene galten.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von PeterK »

Zunder hat geschrieben:(20 May 2020, 12:49)

"Comme tel" bedeutet dasselbe wie "as such" - "als solche".
https://context.reverso.net/%C3%BCberse ... /comme+tel

Daß im Englischen und Französischen andere oder möglicherweise gar keine Kommaregeln gelten, ändert nichts an der Wortbedeutung..
Ich stehe nicht hintan zuzugeben, dass Du wohl recht hast :). Die Schlüsse, die Du daraus ziehst, halte ich allerdings für falsch.
Als Guido Buchwald im Finale 1990 Diego Maradona ausgeschaltet hat, hat er sich also an einem Genozid beteiligt. Wäre das auch geklärt.
Das ist nun wiederum albern. Es geht darum, "Ausschalten" als Euphemismus für Massenmord zu verwenden. Ich hoffe, Du willst hier nicht relativieren.
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conscience
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von conscience »

Die gesamte Tragweite der sowjetischen Soldateska wird erst dann begreiflich, wenn man sich klar macht, dass die massenhafte Vergewaltigung von Frauen nicht auf Deutsche beschränkt blieb und nicht erst an der Grenze des damaligen Großdeutschen Reiches ihren Anfang nahm, sondern schon in Ostpolen begann sich die Rote Armee so aufzuführen, wie die deutsche, nationalsozialistische, Propaganda immer behauptet hatte — nicht zuletzt haben an der Ostfront gerade deshalb viele deutsche Soldaten in aussichtsloser Lage weitergekämpft - aus Angst vor russischer Gefangenschaft und Befürchtungen über das Schicksal der eigenen Familie, einem unerbittlichen Feind gegenüberstehend, dessen entmenschlichtes Bild unablässig von Goebbels Propaganda-Maschine geschürt wurde, kostete diese Mengenlage der Roten Armee einen unnötigen Blutzoll.
TheManFromDownUnder hat geschrieben:(20 May 2020, 12:07)

Warum nicht das Kind beim Namen nennen!

Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen und warum soll die Auarbeitung nur auf die deutsche Seite beschraenkt sein??

Die BBC spricht von der "Gewaltigung von Berlin"



Erwaehnenswert ist, das bis heute dieses Kapitel ruhmreicher russischer Kriegsfuehrung tabu ist!

https://www.bbc.com/news/magazine-32529679

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Quatschki
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Es gab eben aus Gründen der sozialistischen Moral keine Truppenbordelle
und aus Gründen der sozialistischen Organisation keinen Heimaturlaub
und aus Gründen der sozialistischen Kultur keine Mittel, um die Gunst der Frauen und Mädchen in den besetzten Gebieten auf zivilisierte Weise zu werben
und aus Gründen der sozialistischen Armut keine Möglichkeit, sich selbige erkaufen zu können.
Waren arme Kerle, die Rotarmisten.
Und wenn es dann noch Nichtrussen waren, kam die Diskriminierung in der eigenen Truppe dazu
Kein Neger in der US-Army hätte mit den Asiaten in der Roten Armee tauschen wollen
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
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Selina
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Selina »

Unvorstellbar, was die Menschen in Leningrad bei der Blockade durch die Wehrmacht erleben, erleiden und ertragen mussten:

Etwa 900 Tage währte die Blockade von Leningrad. Sie gilt als eines der schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Mehr als eine Million Menschen starben zwischen 1941 und 1944 an Hunger, Kälte und Krankheiten sowie bei Granatbeschuss und den Kämpfen um die Stadt.

Die Gesamtzahl der militärischen und zivilen Verluste bei der Blockade Leningrads wird in einigen Quellen auf bis zu 1,5 Millionen Menschen beziffert. Der "Leningrader Kessel" konnte nur aus der Luft und im Winter über das Eis des Ladogasees versorgt werden. In der Stadt waren die Zustände grauenhaft, gerade im Winter 1941, als die Temperaturen auf minus 40 Grad fielen. Brennmaterial war knapp, aber noch schlimmer war der Hunger. Die Lebensmittelrationen bestanden teilweise nur aus 125 Gramm Brot. In ihrer Not kochten die Menschen Lederwaren aus und aßen die so gewonnene Gallerte. Sie aßen Katzen, Ratten und Blätter, kratzen Leim von den Tapeten, streckten Brot mit Sägemehl. Die sowjetischen Behörden registrieren im ersten Blockadewinter 1941/42 mehr als 1000 Fälle von Kannibalismus...

...In Deutschland wird der Opfer der NS-Diktatur am 27. Januar gedacht. In Russland wird an diesem Tag das Ende der Leningrader Blockade gefeiert. Bei der Befreiung lebten in der nach Revolutionsführer Lenin benannten Stadt nur noch 800.000 der einst 2,5 Millionen Einwohner.


https://www.sueddeutsche.de/politik/zwe ... -1.1872865
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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BlueMonday
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von BlueMonday »

Erst mal müsste man beleuchten,was man unter einem "Kriegsverbrechen" überhaupt versteht. Es geht dabei offenbar um Vorgänge im Kontext eines Krieges, die aber über die die gewöhnlichen Kriegsmittel hinausgehen. Die Belagerung von Städten, Burgen, Verteidigungsstellungen usw. war nun lange Zeit ein ganz gewöhnliches Mittel der Kriegsführung, auch und gerade mit dem Ziel die Belagerten auszuhungern, zu dezimieren und so schlussendlich zur Aufgabe zu bringen. Das Kriegsverbrechen beginnt, wenn man trotz Kapitulation eine Belagerung aufrechterhält oder wenn man jemanden erschießt, der die weiße Fahne schwenkt, wenn man einen Kriegsgefangenen nicht verpflegt und verhungern lässt usw.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
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Dark Angel
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(20 May 2020, 18:29)

Unvorstellbar, was die Menschen in Leningrad bei der Blockade durch die Wehrmacht erleben, erleiden und ertragen mussten:

Etwa 900 Tage währte die Blockade von Leningrad. Sie gilt als eines der schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Mehr als eine Million Menschen starben zwischen 1941 und 1944 an Hunger, Kälte und Krankheiten sowie bei Granatbeschuss und den Kämpfen um die Stadt.

Die Gesamtzahl der militärischen und zivilen Verluste bei der Blockade Leningrads wird in einigen Quellen auf bis zu 1,5 Millionen Menschen beziffert. Der "Leningrader Kessel" konnte nur aus der Luft und im Winter über das Eis des Ladogasees versorgt werden. In der Stadt waren die Zustände grauenhaft, gerade im Winter 1941, als die Temperaturen auf minus 40 Grad fielen. Brennmaterial war knapp, aber noch schlimmer war der Hunger. Die Lebensmittelrationen bestanden teilweise nur aus 125 Gramm Brot. In ihrer Not kochten die Menschen Lederwaren aus und aßen die so gewonnene Gallerte. Sie aßen Katzen, Ratten und Blätter, kratzen Leim von den Tapeten, streckten Brot mit Sägemehl. Die sowjetischen Behörden registrieren im ersten Blockadewinter 1941/42 mehr als 1000 Fälle von Kannibalismus...

...In Deutschland wird der Opfer der NS-Diktatur am 27. Januar gedacht. In Russland wird an diesem Tag das Ende der Leningrader Blockade gefeiert. Bei der Befreiung lebten in der nach Revolutionsführer Lenin benannten Stadt nur noch 800.000 der einst 2,5 Millionen Einwohner.


https://www.sueddeutsche.de/politik/zwe ... -1.1872865
Zum Thema passend und zugleich erschreckend:

"Truppen der deutschen Wehrmacht und ihrer Verbündeten umschlossen in den Jahren 1941 bis 1944 die alte russische Hauptstadt und forcierten dabei den qualvollen Hungertod Hunderttausender. Trotzdem hat die lange Belagerung im kollektiven Bewusstsein der Deutschen noch keinen angemessenen Stellenwert gefunden. ...

Warum hat also dieses Ereignis, dessen Beginn sich demnächst zum 77. Mal jährt, keinen festen Platz in der deutschen Erinnerungskultur? Wieso gibt es kein jährlich wiederkehrendes offizielles Gedenken, keine die Ereignisse erinnernde Medienberichterstattung wie zu anderen Jahrestagen nationalsozialistischer Verbrechen, etwa dem Warschauer Aufstand? ...

In Westdeutschland war die Leningrader Blockade der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. In den ersten Jahrzehnten nach Kriegsende stand hier die Erinnerung an das Leiden der Zivilbevölkerung in Deutschland und an die Schlacht um Stalingrad im Vordergrund. Im kollektiven Gedächtnis wurden also vor allem Ereignisse erinnert, bei denen Deutsche Opfer der Angriffe der Alliierten oder der Bedingungen an der Front waren. Verstärkt wurde diese Wahrnehmung dadurch, dass die Schlacht um Stalingrad bereits während des Krieges durch die nationalsozialistische Propaganda betont wurde, während die Leningrader Blockade nicht thematisiert wurde. Leningrad wurde in westdeutschen Schulbüchern zunächst vor allem als Wendepunkt im sogenannten Russlandfeldzug dargestellt. Kam es zu einer genaueren Beschreibung der Blockade der Stadt, wurde sie als legitimes Mittel in der Kriegsführung präsentiert und genauer auf die Situation der Soldaten im nördlichen Russland eingegangen, nicht jedoch die der Leningrader Zivilbevölkerung dargestellt. ...

Und dennoch: Wie Ulrike Jureit in der Podiumsdiskussion „Vergessen – Gegenwärtig“ anmerkte, wird die Leningrader Blockade in Deutschland bis heute nicht in den Schulbüchern für den Geschichtsunterricht behandelt. Die bewusste Auseinandersetzung der deutschen Öffentlichkeit mit der Blockade, als einem der größten Verbrechen der Nationalsozialisten in der damaligen Sowjetunion, ist noch jung. Zugleich sind die Einzelheiten dieses Ereignisses weitgehend noch nicht bekannt. ...
Quelle
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Selina
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(20 May 2020, 19:13)

Zum Thema passend und zugleich erschreckend:

"Truppen der deutschen Wehrmacht und ihrer Verbündeten umschlossen in den Jahren 1941 bis 1944 die alte russische Hauptstadt und forcierten dabei den qualvollen Hungertod Hunderttausender. Trotzdem hat die lange Belagerung im kollektiven Bewusstsein der Deutschen noch keinen angemessenen Stellenwert gefunden. ...

Warum hat also dieses Ereignis, dessen Beginn sich demnächst zum 77. Mal jährt, keinen festen Platz in der deutschen Erinnerungskultur? Wieso gibt es kein jährlich wiederkehrendes offizielles Gedenken, keine die Ereignisse erinnernde Medienberichterstattung wie zu anderen Jahrestagen nationalsozialistischer Verbrechen, etwa dem Warschauer Aufstand? ...

In Westdeutschland war die Leningrader Blockade der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. In den ersten Jahrzehnten nach Kriegsende stand hier die Erinnerung an das Leiden der Zivilbevölkerung in Deutschland und an die Schlacht um Stalingrad im Vordergrund. Im kollektiven Gedächtnis wurden also vor allem Ereignisse erinnert, bei denen Deutsche Opfer der Angriffe der Alliierten oder der Bedingungen an der Front waren. Verstärkt wurde diese Wahrnehmung dadurch, dass die Schlacht um Stalingrad bereits während des Krieges durch die nationalsozialistische Propaganda betont wurde, während die Leningrader Blockade nicht thematisiert wurde. Leningrad wurde in westdeutschen Schulbüchern zunächst vor allem als Wendepunkt im sogenannten Russlandfeldzug dargestellt. Kam es zu einer genaueren Beschreibung der Blockade der Stadt, wurde sie als legitimes Mittel in der Kriegsführung präsentiert und genauer auf die Situation der Soldaten im nördlichen Russland eingegangen, nicht jedoch die der Leningrader Zivilbevölkerung dargestellt. ...

Und dennoch: Wie Ulrike Jureit in der Podiumsdiskussion „Vergessen – Gegenwärtig“ anmerkte, wird die Leningrader Blockade in Deutschland bis heute nicht in den Schulbüchern für den Geschichtsunterricht behandelt. Die bewusste Auseinandersetzung der deutschen Öffentlichkeit mit der Blockade, als einem der größten Verbrechen der Nationalsozialisten in der damaligen Sowjetunion, ist noch jung. Zugleich sind die Einzelheiten dieses Ereignisses weitgehend noch nicht bekannt. ...
Quelle
Ja. Erschreckend. Und sehr nachdenklich stimmend auch die Tatsache, dass die Bundesregierung erst im Jahr 2019 (!) beschloss, die noch lebenden Opfer der Blockade finanziell zu entschädigen. 2019!

Blockade Leningrads:
Bundesregierung kündigt Hilfen für sowjetische Kriegsopfer an

Während der Blockade des heutigen St. Petersburg durch die Wehrmacht vor 75 Jahren starben eine Million Menschen. Nun will die Bundesregierung Überlebende entschädigen.

75 Jahre nach dem Ende der Leningrader Blockade erinnert Deutschland an die Opfer der Belagerung während des Zweiten Weltkriegs. Die Bundesregierung will zum Jahrestag die noch lebenden Opfer sowie Projekte zur deutsch-russischen Verständigung mit rund zwölf Millionen Euro unterstützen.

Rund eine Million Menschen starben an Hunger und Krankheiten, als die Wehrmacht versuchte, die Bevölkerung des heutigen St. Petersburg systematisch auszuhungern. Die Heeresgruppe Nord der Wehrmacht und finnische Truppen hatten die Stadt ab 1941 eingekesselt. Die Blockade dauerte rund 900 Tage bis zur Befreiung durch die Rote Armee im Januar 1944. Die Stadt konnte nur noch über den Ladogasee versorgt werden, die Wehrmacht bombardierte gezielt Lebensmittelspeicher.


https://www.zeit.de/politik/ausland/201 ... d-gedenken
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Selina
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Selina »

Der Historiker Jörg Ganzenmüller spricht im Zusammenhang mit der Leningrader Blockade durch die deutsche Wehrmacht von Völkermord:

60. Jahrestag: Ein stiller Völkermord

Vor 60 Jahren endete nach fast 900 Tagen die deutsche Blockade von St. Petersburg, dem damaligen Leningrad. Das Ziel der Wehrmacht war es allerdings nicht gewesen, die Stadt zu erobern, sondern die Einwohner zu vernichten. Eine Million Menschen fiel diesem Genozid zum Opfer.


https://www.zeit.de/2004/04/A-Belagerun ... ettansicht
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Quatschki
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Interessanterweise wurden die politisch Führer der Leningrader Parteiführung später als Verräter und Volksfeinde erschossen und ihre Namen aus den zeitgenössischen sowjetischen Geschichtsbüchern getilgt.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(20 May 2020, 19:46)

Ja. Erschreckend. Und sehr nachdenklich stimmend auch die Tatsache, dass die Bundesregierung erst im Jahr 2019 (!) beschloss, die noch lebenden Opfer der Blockade finanziell zu entschädigen. 2019!

Blockade Leningrads:
Bundesregierung kündigt Hilfen für sowjetische Kriegsopfer an

Während der Blockade des heutigen St. Petersburg durch die Wehrmacht vor 75 Jahren starben eine Million Menschen. Nun will die Bundesregierung Überlebende entschädigen.

75 Jahre nach dem Ende der Leningrader Blockade erinnert Deutschland an die Opfer der Belagerung während des Zweiten Weltkriegs. Die Bundesregierung will zum Jahrestag die noch lebenden Opfer sowie Projekte zur deutsch-russischen Verständigung mit rund zwölf Millionen Euro unterstützen.

Rund eine Million Menschen starben an Hunger und Krankheiten, als die Wehrmacht versuchte, die Bevölkerung des heutigen St. Petersburg systematisch auszuhungern. Die Heeresgruppe Nord der Wehrmacht und finnische Truppen hatten die Stadt ab 1941 eingekesselt. Die Blockade dauerte rund 900 Tage bis zur Befreiung durch die Rote Armee im Januar 1944. Die Stadt konnte nur noch über den Ladogasee versorgt werden, die Wehrmacht bombardierte gezielt Lebensmittelspeicher.


https://www.zeit.de/politik/ausland/201 ... d-gedenken
Geld - was besseres fällt unserer Regierung nicht ein. Als ob man mit Geld die Toten wieder zum Leben erwecken oder die erlittenen Traumata vergessen machen könnte.
Mit Geld kann man keine Verbrechen, kein erlittenes Leid ungeschehen machen, ebenso wenig mit einer zelebrierten "Erinnerungskultur" oder einem Schuldkult. Das alles bringt im Endeffekt gar nichts, wenn dem ganzen keine umfassende Aufarbeitung zugrunde liegt, wenn Worten keine Taten folgen.
Aufarbeitung bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch (auch) eine Auseinandersetzung mit der zugrunde liegenden Ideologie, die die Verbrechen überhaupt erst ermöglichten. Eine solche Auseinandersetzung mit Ideologie beinhaltet allerdings, dass man sich vergegenwärtigt, was permanente Indoktrination - von klein auf - aus und mit Menschen macht, bedeutet dass man sich vergegenwärtigt, dass mittels dieser Ideologie in alle Lebensbereiche der Menschen eingedrungen, diese kontrolliert und Menschen mit dieser Propaganda und mit der Verbreitung von Angst (allgegenwärtiges Denunziantentum) manipuliert und "gefügig" gemacht wurden. Dies ist, bei aller Verurteilung der Naziverbrechen bisher nicht geschehen.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von H2O »

Dieser Gedankengang macht mich ratlos: Also, mit Geld, das man auch ganz gut für eigene Zwecke hätte verwenden können, und mit Gedenkveranstaltungen zu eigener Schuld, macht man keine Toten wieder lebendig. Wer wollte das Gegenteil behaupten?

Die Gehirnwäsche, die die Nazis ausüben konnten, war in 6 Jahren bis zum Kriegsbeginn sicher nicht abgeschlossen, sie reichte aber aus, um einen beispiellosen Raub- und Vernichtungskrieg ohne nennenswerte Gegenwehr der Mitbürger beginnen zu können und den Krieg nach anfänglichen Riesensiegen bis zur völligen Niederlage durchhalten zu können. In welcher Form hatte diese Gehirnwäsche denn stattgefunden, daß sie so wirksam sein konnte? Oder war es nicht vielleicht doch so, daß viele dieser Wahnsinnsvorstellungen, schon lange bevor die Nazis sich ihrer ohne jedes Unrechtsbewußsein bedienten, längst vorgeprägt waren?

Ich meine, nun müßten Ansätze und Vorschläge folgen, wie wir hier die geistige Vorbereitung von Kriegsverbrechen abarbeiten könnten. Die Toten werden auch dadurch nicht wieder lebendig; ob das die Nachkommen der Toten uns Heutigen gegenüber milder stimmen wird als Mittelzuweisungen in schlimmen Fällen der Gegenwart und öffentliche Reue... wer will das schon jetzt festlegen?
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Selina »

Die Überlebenden finanziell zu entschädigen oder, besser gesagt, zu unterstützen in ihrem oft sehr bescheidenen Leben, ist das Mindeste, was die Deutschen heute noch tun können. Das kommt nur viel zu spät. Die meisten Überlebenden der Nazi-Blockade sind inzwischen gestorben. Eine Schande, dass das erst heute passiert, etwas für die Entschädigung zu tun. Aber besser als nichts. Und nur nebenbei, Dark Angel, mit dem Wort "Schuldkult" sollte man vorsichtig sein. Stammt aus dem rechtsextremen Vokabular der geschichtsrevisionistischen AfD.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(20 May 2020, 23:05)

Die Überlebenden finanziell zu entschädigen oder, besser gesagt, zu unterstützen in ihrem oft sehr bescheidenen Leben, ist das Mindeste, was die Deutschen heute noch tun können. Das kommt nur viel zu spät. Die meisten Überlebenden der Nazi-Blockade sind inzwischen gestorben. Eine Schande, dass das erst heute passiert, etwas für die Entschädigung zu tun. Aber besser als nichts.
Überlebende finanziell entschädigen ...?
Wie viele Überlebende gibt es denn 75 Jahre nach Kriegsende noch und wie alt sind die?
Das mindeste was "die Deutschen" heute tun können, ist Verantwortung dafür zu tragen, dass derartige Verbrechen nie wieder begangen werden, dass Deutsche nie wieder an derartigen Verbrechen beteiligt sind.
Diese so genannte Entschädigung hat das Geschmäckle von freikaufen von dieser Verantwortung.
Selina hat geschrieben:(20 May 2020, 23:05)
Und nur nebenbei, Dark Angel, mit dem Wort "Schuldkult" sollte man vorsichtig sein. Stammt aus dem rechtsextremen Vokabular der geschichtsrevisionistischen AfD.
Wenn dein "... stammt aus ..." deine einziges Argument ist, tust du mir schrecklich leid!
Man kann "Schuld" sehr wohl kultivieren, sie zu einem Kult erheben - als etwas, was von Generation zu Generation vererbt wird, als "immerwährendes Vermächtnis", ohne wirkliche Aufarbeitung, ohne Lehren daraus zu ziehen und ohne Verantwortung zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass dergleichen nie wieder geschieht, nie wieder geschehen kann/darf.
Genau diese Aufareitung erfolgt nicht, es werden keine Lehren gezogen, es wird keine Verantwortung übernommen, sondern es wird nur "an Verbrechen - an Schuld - erinnert", an eine Schuld erinnert, die voran gegangene Generationen, durch ihr Handeln oder Nichthandeln, durch nicht wissen wollen, auf sich geladen haben und damit an die nachfolgenden Generationen weiter gegeben.
Das mag noch funktionieren, weil immer noch einige wenige der Generation leben, die an den Verbrechen beteiligt waren, die sich ihrer Schuld aber nicht stellen, weil es immer noch Zeitzeugen gibt, weil 75 Jahre nach Ende dieser Gläuel eine relativ kurze Zeit sind.
Je mehr Zeit vergeht, um so weniger werden kommende Generationen bereit sein, "sich schuldig zu fühlen" bzw eine Schuld auf sich zu nehmen, mit der sie nichts zu tun haben.
Statt immer wieder auf eine Schuld hinzuweisen, sollte besonderes Augenmerk die Lehren gelegt werden, die aus dem Geschehenen zu ziehen sind und auf die Verantwortung, die sich aus diesen Lehren ergibt und genau das erfolgt m.M.n. viel zu wenig.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(21 May 2020, 13:40)

Überlebende finanziell entschädigen ...?
Wie viele Überlebende gibt es denn 75 Jahre nach Kriegsende noch und wie alt sind die?
Das mindeste was "die Deutschen" heute tun können, ist Verantwortung dafür zu tragen, dass derartige Verbrechen nie wieder begangen werden, dass Deutsche nie wieder an derartigen Verbrechen beteiligt sind.
Diese so genannte Entschädigung hat das Geschmäckle von freikaufen von dieser Verantwortung.


Wenn dein "... stammt aus ..." deine einziges Argument ist, tust du mir schrecklich leid!
Man kann "Schuld" sehr wohl kultivieren, sie zu einem Kult erheben - als etwas, was von Generation zu Generation vererbt wird, als "immerwährendes Vermächtnis", ohne wirkliche Aufarbeitung, ohne Lehren daraus zu ziehen und ohne Verantwortung zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass dergleichen nie wieder geschieht, nie wieder geschehen kann/darf.
Genau diese Aufareitung erfolgt nicht, es werden keine Lehren gezogen, es wird keine Verantwortung übernommen, sondern es wird nur "an Verbrechen - an Schuld - erinnert", an eine Schuld erinnert, die voran gegangene Generationen, durch ihr Handeln oder Nichthandeln, durch nicht wissen wollen, auf sich geladen haben und damit an die nachfolgenden Generationen weiter gegeben.
Das mag noch funktionieren, weil immer noch einige wenige der Generation leben, die an den Verbrechen beteiligt waren, die sich ihrer Schuld aber nicht stellen, weil es immer noch Zeitzeugen gibt, weil 75 Jahre nach Ende dieser Gläuel eine relativ kurze Zeit sind.
Je mehr Zeit vergeht, um so weniger werden kommende Generationen bereit sein, "sich schuldig zu fühlen" bzw eine Schuld auf sich zu nehmen, mit der sie nichts zu tun haben.
Statt immer wieder auf eine Schuld hinzuweisen, sollte besonderes Augenmerk die Lehren gelegt werden, die aus dem Geschehenen zu ziehen sind und auf die Verantwortung, die sich aus diesen Lehren ergibt und genau das erfolgt m.M.n. viel zu wenig.
Ich hatte das deshalb so verknappt gesagt, was ich vom Begriff "Schuldkult" halte, weil wir diesen Aspekt hier schon dutzendfach besprochen haben. Also nochmal: Es geht bei den heutigen Generationen selbstverständlich nicht um Schuld, sondern immer um Verantwortung, dass sich so etwas nicht wiederholt. Schuld an den Naziverbrechen haben die allermeisten heutigen Menschen natürlich nicht auf sich geladen, wie auch? Sie haben ja zumeist noch nicht gelebt in dieser Zeit. Aber ob sie sich mit der finsteren Geschichte auch genau befassen, sie wirklich verstehen lernen und das verinnerlichen, was damals geschah, und ja, die richtigen Schlüsse daraus ziehen, das wird mit dem Begriff Verantwortung umschrieben. Zur Frage "Schuld - Verantwortung" hat vor Jahren auch Weizsäcker gute Worte gefunden.

Eine Ritualisierung dieser ganzen Aufarbeitung und ein bloßes immerwährendes leeres Bekenntnis "nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" abzugeben, wäre falsch. Da gebe ich dir recht. Ich habe jedoch den Eindruck, dass durchaus eine Mehrheit im Land die Verantwortung sieht und die richtigen Schlüsse für die Zukunft zieht. Das Argument, es werde ein "Schuldkult" betrieben, ist eine Erfindung derjenigen, die auch gerne von "Schlussstrich ziehen unter diesem düsteren Kapitel" reden oder von einer angeblich benötigten "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad". Gerade das wäre aber der falsche Weg. An diese von Deutschen verursachten Naziverbrechen muss immer wieder erinnert werden. Und es müssen immer wieder die Details vermittelt werden. Daher halte ich es zum Beispiel für ein absolutes No-Go, dass das Fach Geschichte an einigen Schulen nur noch fakultativ angeboten werden soll. Dennoch gehe ich mal davon aus, dass die allermeisten Eltern ihren Kindern sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen, Fragen beantworten. In meinem Umfeld ist das jedenfalls der Fall.
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Dampflok94
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dampflok94 »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(20 May 2020, 12:07)

Warum nicht das Kind beim Namen nennen!

Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen und warum soll die Auarbeitung nur auf die deutsche Seite beschraenkt sein??

Die BBC spricht von der "Gewaltigung von Berlin"



Erwaehnenswert ist, das bis heute dieses Kapitel ruhmreicher russischer Kriegsfuehrung tabu ist!

https://www.bbc.com/news/magazine-32529679

Ich empfehle diesen BBC Artikel zu lesen!
Und Du bist jetzt der Tabubrecher? Oder wie darf man das verstehen?

Ich finde es immer witzig, wenn altbekannte Tatsachen plötzlich als Tabu dargestellt werden. Gab es Kriegsverbrechen an Deutschen? Ja natürlich! Darf und durfte darüber geredet werden? Ja natürlich!

Aber es gibt da halt Unterschiede sowohl was die Qualität als auch die Quantität angeht. Und das hat Folgen mit welcher Intensität man was betrachtet.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Dampflok94 hat geschrieben:(24 May 2020, 10:08)

Und Du bist jetzt der Tabubrecher? Oder wie darf man das verstehen?

Ich finde es immer witzig, wenn altbekannte Tatsachen plötzlich als Tabu dargestellt werden. Gab es Kriegsverbrechen an Deutschen? Ja natürlich! Darf und durfte darüber geredet werden? Ja natürlich!

Aber es gibt da halt Unterschiede sowohl was die Qualität als auch die Quantität angeht. Und das hat Folgen mit welcher Intensität man was betrachtet.
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Dampflok94
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dampflok94 »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(24 May 2020, 11:32)

Lass Dampf ab sonst platzt der Kessel :D
Keine Angst! Der ist solide gebaut. ;)

Aber sei doch mal ehrlich, wo siehst Du ein Tabu-Thema?
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Dark Angel
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(21 May 2020, 14:17)

Ich hatte das deshalb so verknappt gesagt, was ich vom Begriff "Schuldkult" halte, weil wir diesen Aspekt hier schon dutzendfach besprochen haben. Also nochmal: Es geht bei den heutigen Generationen selbstverständlich nicht um Schuld, sondern immer um Verantwortung, dass sich so etwas nicht wiederholt. Schuld an den Naziverbrechen haben die allermeisten heutigen Menschen natürlich nicht auf sich geladen, wie auch? Sie haben ja zumeist noch nicht gelebt in dieser Zeit. Aber ob sie sich mit der finsteren Geschichte auch genau befassen, sie wirklich verstehen lernen und das verinnerlichen, was damals geschah, und ja, die richtigen Schlüsse daraus ziehen, das wird mit dem Begriff Verantwortung umschrieben. Zur Frage "Schuld - Verantwortung" hat vor Jahren auch Weizsäcker gute Worte gefunden.

Eine Ritualisierung dieser ganzen Aufarbeitung und ein bloßes immerwährendes leeres Bekenntnis "nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" abzugeben, wäre falsch. Da gebe ich dir recht. Ich habe jedoch den Eindruck, dass durchaus eine Mehrheit im Land die Verantwortung sieht und die richtigen Schlüsse für die Zukunft zieht. Das Argument, es werde ein "Schuldkult" betrieben, ist eine Erfindung derjenigen, die auch gerne von "Schlussstrich ziehen unter diesem düsteren Kapitel" reden oder von einer angeblich benötigten "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad". Gerade das wäre aber der falsche Weg. An diese von Deutschen verursachten Naziverbrechen muss immer wieder erinnert werden. Und es müssen immer wieder die Details vermittelt werden. Daher halte ich es zum Beispiel für ein absolutes No-Go, dass das Fach Geschichte an einigen Schulen nur noch fakultativ angeboten werden soll. Dennoch gehe ich mal davon aus, dass die allermeisten Eltern ihren Kindern sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen, Fragen beantworten. In meinem Umfeld ist das jedenfalls der Fall.
Genau diesen Eindruck habe ich nicht!
Im Gegenteil, mein Eindruck ist viel mehr der, dass eben keine Verantwortung übernommen wird, weil eben keine Lehren aus der Geschichte gezogen werden und es deshalb bei leeren Lippenbekenntnissen bleibt.
Der Grund dafür ist, dass eben keine Aufarbeitung stattfindet, sondern immer nur "erinnert" wird.
Und genau das nenne ich "Schuldkult". Es wird an begangene Verbrechen erinnert, die frühere Generationen begangen haben und das spricht nur Emotionen an, erzeugt Entsetzen, führt aber nicht dazu Lehren aus den Ereignissen/aus der Geschichte zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen, sondern nur zu Lippenbekenntnissen "das darf nie wieder geschehen".
Um Lehren aus der Geschichte zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen, reichen Emotionen nicht, dazu bedarf es der Ratio und dafür wiederum braucht es Wissen - Wissen darüber, welche Ideologie dahinter steckt, wie und wann sich diese Ideologie entwickelte, auf welchen gesellschaftlichen Verhältnissen sie gedieh. Dazu muss man jedoch weiter zurück als zum Ende des WK1.
Es bedarf Wissen darüber wer (welcher Personenkreis) Hitlers Aufstieg und den der NSDAP überhaupt ermöglichte, welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse dies begünstigten u.v.m.

Und dazu reicht es eben nicht aus nur zu "erinnern", dazu bedarf es einiges mehr und dieses "mehr" vermisse ich.
Und nein, ich gehe nicht davon aus, dass "die allermeisten Eltern ihren Kindern sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen"
Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, zum einen, weil es die "allermeisten Eltern" gar nicht interessiert und zum anderen, weil den "allermeisten Eltern" genau dieses Hintergrundwissen fehlt, weil auch sie nur "das daran erinnern" kennen.
Bestes Beispiel ist doch wohl die nichtthematisierte Blockade von Leningrad.

Nein, es soll und darf kein Schlusstrich gezogen werden, aber es muss ein "erinnerungspolitisches Umdenken" erfolgen und zwar ein grundlegendes - weg vom (reinen) Ansprechen von Emotionen, hin zur rationalen Aufarbeitung und Vermittlung von Hintergrundwissen.
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Selina
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(24 May 2020, 18:32)

Genau diesen Eindruck habe ich nicht!
Im Gegenteil, mein Eindruck ist viel mehr der, dass eben keine Verantwortung übernommen wird, weil eben keine Lehren aus der Geschichte gezogen werden und es deshalb bei leeren Lippenbekenntnissen bleibt.
Der Grund dafür ist, dass eben keine Aufarbeitung stattfindet, sondern immer nur "erinnert" wird.
Und genau das nenne ich "Schuldkult". Es wird an begangene Verbrechen erinnert, die frühere Generationen begangen haben und das spricht nur Emotionen an, erzeugt Entsetzen, führt aber nicht dazu Lehren aus den Ereignissen/aus der Geschichte zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen, sondern nur zu Lippenbekenntnissen "das darf nie wieder geschehen".
Um Lehren aus der Geschichte zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen, reichen Emotionen nicht, dazu bedarf es der Ratio und dafür wiederum braucht es Wissen - Wissen darüber, welche Ideologie dahinter steckt, wie und wann sich diese Ideologie entwickelte, auf welchen gesellschaftlichen Verhältnissen sie gedieh. Dazu muss man jedoch weiter zurück als zum Ende des WK1.
Es bedarf Wissen darüber wer (welcher Personenkreis) Hitlers Aufstieg und den der NSDAP überhaupt ermöglichte, welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse dies begünstigten u.v.m.

Und dazu reicht es eben nicht aus nur zu "erinnern", dazu bedarf es einiges mehr und dieses "mehr" vermisse ich.
Und nein, ich gehe nicht davon aus, dass "die allermeisten Eltern ihren Kindern sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen"
Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, zum einen, weil es die "allermeisten Eltern" gar nicht interessiert und zum anderen, weil den "allermeisten Eltern" genau dieses Hintergrundwissen fehlt, weil auch sie nur "das daran erinnern" kennen.
Bestes Beispiel ist doch wohl die nichtthematisierte Blockade von Leningrad.

Nein, es soll und darf kein Schlusstrich gezogen werden, aber es muss ein "erinnerungspolitisches Umdenken" erfolgen und zwar ein grundlegendes - weg vom (reinen) Ansprechen von Emotionen, hin zur rationalen Aufarbeitung und Vermittlung von Hintergrundwissen.
Hintergrundwissen? Ja. Schuldkult? Nein. Das ist neurechte Terminologie, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Zitat:

Seit je dreht sich das Denken und Fühlen der Neuen Rechten um den sogenannten Schuldkult. Der Vorwurf lautet: Die Deutschen würden sich masochistisch in der NS-Schuld wälzen. Leute wie Björn Höcke verachten die Bundesrepublik dafür, dass sie auf eine negative Ursprungserzählung gegründet ist: Nie wieder Auschwitz! Und es stimmt ja: Statt an die siegreiche Schlacht bei Leuthen oder die Kaiserkrönung Karls des Großen am ersten Weihnachtsfeiertag im Jahr 800 zu erinnern, kennt der deutsche Staatskalender den 27. Januar als Gedenktag der Befreiung von Auschwitz.

Deutschland ist das erste Land, das sein Selbstverständnis nicht auf ruhmreiche Taten der Vergangenheit gründet, sondern auf ein reuevolles Schuldeingeständnis. Seit Gründung der Bundesrepublik werfen Rechtsradikale ihr deshalb vor, in Sack und Asche zu gehen. Aus ihrer Sicht haben Nationen ein Anrecht auf ein gutes Gewissen – selbst um den Preis, die geschichtliche Wahrheit zu beugen. Vor einem Jahr gab es einen Skandal um das Buch des Historikers Rolf Peter Sieferle, Finis Germania. Der blies in dasselbe Horn: Der "Auschwitz-Mythos" verdamme die Deutschen zu "absoluten Tätern".

Wollte Alexander Gauland mit seiner Bemerkung, "Hitler und die Nazis" seien nur ein "Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte", provozieren, um die AfD im Gespräch zu halten? Nein, das kam von Herzen. Beziehungsweise von jenem Ort der Psychomotorik, wo die Zwangsneurosen sitzen: Wer nämlich wirklich fixiert auf die deutsche Schuld ist, das sind die Rechten. Wie kindliche Narzissten ertragen sie kein gebrochenes Selbstbild. Das führt zu der Paradoxie, dass der Holocaust die Rechten mehr um den Schlaf zu bringen scheint als die geübten bundesrepublikanischen Vergangenheitsbewältiger, die doch einen Modus Vivendi zwischen Scham, Schreck und Weiterleben gefunden haben.

Wer sich dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse bei rechten Verlagen umschaute, um zu sehen, mit welchen frischen Reizwörtern sie sich stimulieren, durfte feststellen: Auch 70 Jahre nach dem Vernichtungskrieg im Osten geht es immer noch darum, die Wehrmacht reinzuwaschen.

Es ist offenbar unmöglich, in Deutschland eine Partei am rechten Rand zu platzieren, ohne auf die schiefe Ebene der Vergangenheitsrevision zu geraten.


https://www.zeit.de/2018/24/alexander-g ... populismus
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Elmar Brok »

Selina hat geschrieben:(21 May 2020, 14:17)

Ich hatte das deshalb so verknappt gesagt, was ich vom Begriff "Schuldkult" halte, weil wir diesen Aspekt hier schon dutzendfach besprochen haben. Also nochmal: Es geht bei den heutigen Generationen selbstverständlich nicht um Schuld, sondern immer um Verantwortung, dass sich so etwas nicht wiederholt. Schuld an den Naziverbrechen haben die allermeisten heutigen Menschen natürlich nicht auf sich geladen, wie auch? Sie haben ja zumeist noch nicht gelebt in dieser Zeit. Aber ob sie sich mit der finsteren Geschichte auch genau befassen, sie wirklich verstehen lernen und das verinnerlichen, was damals geschah, und ja, die richtigen Schlüsse daraus ziehen, das wird mit dem Begriff Verantwortung umschrieben. Zur Frage "Schuld - Verantwortung" hat vor Jahren auch Weizsäcker gute Worte gefunden.

Eine Ritualisierung dieser ganzen Aufarbeitung und ein bloßes immerwährendes leeres Bekenntnis "nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" abzugeben, wäre falsch. Da gebe ich dir recht. Ich habe jedoch den Eindruck, dass durchaus eine Mehrheit im Land die Verantwortung sieht und die richtigen Schlüsse für die Zukunft zieht. Das Argument, es werde ein "Schuldkult" betrieben, ist eine Erfindung derjenigen, die auch gerne von "Schlussstrich ziehen unter diesem düsteren Kapitel" reden oder von einer angeblich benötigten "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad". Gerade das wäre aber der falsche Weg. An diese von Deutschen verursachten Naziverbrechen muss immer wieder erinnert werden. Und es müssen immer wieder die Details vermittelt werden. Daher halte ich es zum Beispiel für ein absolutes No-Go, dass das Fach Geschichte an einigen Schulen nur noch fakultativ angeboten werden soll. Dennoch gehe ich mal davon aus, dass die allermeisten Eltern ihren Kindern sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen, Fragen beantworten. In meinem Umfeld ist das jedenfalls der Fall.
Ich wäre vorsichtig damit von dem eigenen Umfeld auf die ganze Gesellschaft zu schließen. Oft ist man da dann doch nur in einer sehr speziellen Szene/Blase unterwegs. Ich finde es schwierig, eine allgemeine Aussage zum Umgang mit Holocaust und 2. Weltkrieg für die Gesellschaft zu treffen. Denn mein Eindruck ist, dass die Erinnerungskultur (obwohl sie aus meiner Sicht ganz klar keine Schuldkultur ist) häufig als Schuldkultur empfunden wird und das halte ich für extrem gefährlich. Denn eine empfundene Schuldkultur fühlt sich schnell wie ein persönlicher Angriff an und sorgt bei vielen Menschen für eine automatische Abwehrhaltung. Daraus folgt viel zu oft die Relativierung der begangenen Verbrechen. Der Holocaust sei ein normaler Völkermord, wie in viele andere Nationen begangen haben. Aber was ist denn mit den Sklaven? Die Kirche hat doch auch Millionen Menschen getötet usw. Sobald diese Menschen in ihrer Abwehrhaltung sind, halte ich es für sehr schwierig, sie zurückzugewinnen. Ich befürchte fast, dass ein allzu konfrontativer Umgang zwar theoretisch richtig und wünschenswert ist, aber im Ergebnis häufig das Gegenteil erreicht. Denn häufig neigt man dann doch eher dazu, etwas zu verneinen, anstatt sich selbstreflektiert und selbstkritisch damit auseinanderzusetzen. Das ist zumindest mein Eindruck

Kein verpflichtender Geschichtsunterricht ist schade und aus meiner Sicht ein großer Verlust. Allerdings kann man viele historische Themen in anderen Fächern unterbringen. Englisch, Deutsch andere Sprachen etc. Inwiefern dies dann aber eine qualitativ gute Vermittlung von Geschichte ist? Wobei auch der normale Geschichtsunterricht nachbesserbar ist. Ich befürchte, andere Fächer haben einfach eine größere Lobby. Bezogen auf Holocaust und 2. Weltkrieg muss/sollte die Vermittlung außerhalb der Schule nicht vernachlässigt werden. Vor allem auch nach der Schulzeit.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Obwohl mir die Fakten eigentlich im Wesentlichen bekannt waren: Eine zusammenfassende Darstellung der Geschichte der Publikationen des Historikers Raul Hilberg und namentlich seines Hauptwerks "The Destruction of the European Jews" von 1954 kürzlich haben mich doch irgendwie etwas verwirrt zurückgelassen. Das, was der wichtigste Chronst der Shoah über die Vernichtung der Juden zusammengetragen hatte, wollte zunächst niemand publizieren. Und zwar weltweit niemand. Es erschien auf Englisch erst 1961 und auf Deutsch erst 1982. In beiden Fällen in einem linken Kleinverlag! Bei der Ablehnung spielten aber nicht so sehr Schuldkult, Verdrängung oder gar irgendwie antisemitische Affekte eine Rolle. Sondern zum Beispiel so etwas wie akademischer Neid aber vielleicht auch eine gewisse akademische Rückwärtsgewandtheit, Borniertheit und Trägheit. Insbesondere und maßgeblich beim Münchner Institut für Zeitgeschichte. Heute gilt es inzwischen als das Standardwerk zum Thema.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 May 2020, 18:04)

Obwohl mir die Fakten eigentlich im Wesentlichen bekannt waren: Eine zusammenfassende Darstellung der Geschichte der Publikationen des Historikers Raul Hilberg und namentlich seines Hauptwerks "The Destruction of the European Jews" von 1954 kürzlich haben mich doch irgendwie etwas verwirrt zurückgelassen. Das, was der wichtigste Chronst der Shoah über die Vernichtung der Juden zusammengetragen hatte, wollte zunächst niemand publizieren. Und zwar weltweit niemand. Es erschien auf Englisch erst 1961 und auf Deutsch erst 1982. In beiden Fällen in einem linken Kleinverlag! Bei der Ablehnung spielten aber nicht so sehr Schuldkult, Verdrängung oder gar irgendwie antisemitische Affekte eine Rolle. Sondern zum Beispiel so etwas wie akademischer Neid aber vielleicht auch eine gewisse akademische Rückwärtsgewandtheit, Borniertheit und Trägheit. Insbesondere und maßgeblich beim Münchner Institut für Zeitgeschichte. Heute gilt es inzwischen als das Standardwerk zum Thema.
Die Erinnerung an die deutschen Verbrechen im 2. Weltkrieg ist nicht en vogue. Wer es mit der Rückschau ernst nimmt, bekommt schnell vorgeworfen, er wolle nur vom Antisemitismus heute ablenken. Wer die deutsche Selbstfeierei stört, bei der sich alle auf die Schulter klopfen für den vorbildlichen demokratischen Staat, aber kein einziges Wort für die maßgeblichen Besieger des deutschen Nationalsozialismus übrig hat, der gilt schnell als Nestbeschmutzer. Es ist gut, dass es dieses Buch gibt. Heute mehr als je zuvor.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

imp hat geschrieben:(25 May 2020, 18:12)

Die Erinnerung an die deutschen Verbrechen im 2. Weltkrieg ist nicht en vogue. Wer es mit der Rückschau ernst nimmt, bekommt schnell vorgeworfen, er wolle nur vom Antisemitismus heute ablenken. Wer die deutsche Selbstfeierei stört, bei der sich alle auf die Schulter klopfen für den vorbildlichen demokratischen Staat, aber kein einziges Wort für die maßgeblichen Besieger des deutschen Nationalsozialismus übrig hat, der gilt schnell als Nestbeschmutzer. Es ist gut, dass es dieses Buch gibt. Heute mehr als je zuvor.
Ich nehme dieses ganze Hilberg-Problem und den Streit um die Nichtveröffentlichung und die Rolle des IfZ München vor allem als eine Art grundsätzliche Fachrevisionsunwilligkeit wahr. Historiker wollen halt gemütlich eine lineare Anreihung von Zeitereignissen beschreiben. Und nicht auf Singularitäten eingehen. So wie Ökonomen eben auch die jüngsten Bankenkrisen mehr oder weniger erfolgreich weggedrückt haben.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Eigentlich lichtet sich ja sozusagen der Pulverdampf der beiden Weltkriege. Einfach weil Zeitzeugen aussterben und die Ereignisse mehr und mehr historisiert werden. Und hinter diesem Pulverdampf tritt etwas anderes in Erscheinung: 2020 ist oder sollte in vielerlei Hinsicht das Jahr der Erinnerung an die westeuropäische Kolonialgeschichte sein. Es gibt zahlreiche Publikationen, Sendereiehen, Ausstellungseröffnungen. Briten, Niederländer, Belgier, Franzosen, Italiener, Spanier, Portugiesen und natürlich auch Deutsche werden sich langsam bewusst, dass ihr wirtschaftlicher Wohlstand und natürlich ihre angebliche oder tatsächliche kulturelle Überlegenheit zu nicht kleinen Teilen auf einem absolut brutalen Expansionsfeldzug beruht. Dass sie moderne Sklavenhaltung neu begründet haben. Man müsste wahrscheinlich einen extra Thread dazu aufmachen.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Wobei, obwohl das britische Imperium über die Ressourcen der halben Welt gebot, der Arbeiter in London, Liverpool oder Wales in bitterer Armut lebte.
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von oga »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 May 2020, 20:36)

Eigentlich lichtet sich ja sozusagen der Pulverdampf der beiden Weltkriege. Einfach weil Zeitzeugen aussterben und die Ereignisse mehr und mehr historisiert werden. Und hinter diesem Pulverdampf tritt etwas anderes in Erscheinung: 2020 ist oder sollte in vielerlei Hinsicht das Jahr der Erinnerung an die westeuropäische Kolonialgeschichte sein. Es gibt zahlreiche Publikationen, Sendereiehen, Ausstellungseröffnungen. Briten, Niederländer, Belgier, Franzosen, Italiener, Spanier, Portugiesen und natürlich auch Deutsche werden sich langsam bewusst, dass ihr wirtschaftlicher Wohlstand und natürlich ihre angebliche oder tatsächliche kulturelle Überlegenheit zu nicht kleinen Teilen auf einem absolut brutalen Expansionsfeldzug beruht. Dass sie moderne Sklavenhaltung neu begründet haben. Man müsste wahrscheinlich einen extra Thread dazu aufmachen.
Nicht so ganz.
Es ist natürlich eine sehr bequeme These für einige Leader der ehemaligen Kolonien die Armut ihrer Länder auf die Ausbeutung seitens der ehemaligen Kolonialmächte zu reduzieren. So ganz stimmt das aber nicht.
I guess I should warn you, if I turn out to be particularly clear, you've probably misunderstood what I've said.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von imp »

Quatschki hat geschrieben:(25 May 2020, 21:12)

Wobei, obwohl das britische Imperium über die Ressourcen der halben Welt gebot, der Arbeiter in London, Liverpool oder Wales in bitterer Armut lebte.
In der ganzen Welt war der Lebensstandard normaler Leute sehr gering. Erst die Industrie bringt allein ein besseres Leben. Viele vergessen das heute. Konsumkritik ist schal, wenn sie bloß Trost für den Armen sein soll.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

oga hat geschrieben:(25 May 2020, 21:25)

Nicht so ganz.
Es ist natürlich eine sehr bequeme These für einige Leader der ehemaligen Kolonien die Armut ihrer Länder auf die Ausbeutung seitens der ehemaligen Kolonialmächte zu reduzieren. So ganz stimmt das aber nicht.
Das ist allerdings keine äquvialent umgeformte Aussage. Was die heutigen Leader der ehemaligen Kolonien an Propaganda veranstalten, ist noch einmal ein Thema für sich.

Was ich meine: Dass ein durchschnittlicher Niederländer (Brite, Franzose usw. allgemein: Westeuropäer) sich wie selbstverständlich als Teil einer Kultur der Aufklärung, der Freiheit, der Demokratie, des Lichts von Vernunft und Humanismus begreift. Moderner Sklavenhandel, Kolonialkriege, schlimmste Auswüchse sind als Fakten bekannt und werden auch nicht geleugnet. Sie sind aber nicht Teil des als allgemein und selbstverständlich angenommenen Welt- und Selbstbilds. Und da ist eine Revision angesagt.

Wir Deutschen sollten ihnen da helfen und beistehen können. Um den Bezug zum eigentlichen Thema zu finden. Können wir das wirklich?
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 May 2020, 21:35)

...Wir Deutschen...
Wer soll das sein?
Doch nicht etwa die "Volksgemeinschaft"?
Zuletzt geändert von Quatschki am Mo 25. Mai 2020, 21:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von oga »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 May 2020, 21:35)

Das ist allerdings keine äquvialent umgeformte Aussage. Was die heutigen Leader der ehemaligen Kolonien an Propaganda veranstalten, ist noch einmal ein Thema für sich.

Was ich meine: Dass ein durchschnittlicher Niederländer (Brite, Franzose usw. allgemein: Westeuropäer) sich wie selbstverständlich als Teil einer Kultur der Aufklärung, der Freiheit, der Demokratie, des Lichts von Vernunft und Humanismus begreift. Moderner Sklavenhandel, Kolonialkriege, schlimmste Auswüchse sind als Fakten bekannt und werden auch nicht geleugnet. Sie sind aber nicht Teil des als allgemein und selbstverständlich angenommenen Welt- und Selbstbilds. Und da ist eine Revision angesagt.

Wir Deutschen sollten ihnen da helfen und beistehen können. Um den Bezug zum eigentlichen Thema zu finden. Können wir das wirklich?
Und wie stellst Du Dir diese Revision vor? :?:
I guess I should warn you, if I turn out to be particularly clear, you've probably misunderstood what I've said.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

oga hat geschrieben:(25 May 2020, 21:44)

Und wie stellst Du Dir diese Revision vor? :?:
Ich brauche sie mir nicht vorstellen. Sie findet real statt. Nur als ein Beispiel von vielen herausgegriffen: Bis März 2020 gab es in Amsterdam die Sonderausstellung "Heden van het sklavernijverleden“ (Die Gegenwart der Sklavenvergangenheit) Auf der einen Seite wird das Selbstbild der Niederländer von der Rolle als Handelsnation und EU-Gründungsmitglied bestimmt. In Berichten über diese Ausstellung war die Rede davon, dass die eigentlich nocheinmal besonders grausame und menschenverachtende Kolonialpolitik der Niederlande den heutigen Zeitgenossen dort in der Mehrheit völlig unverständlich ist.

Dieses Thema ist schwierig und kompliziert. Und würde auf jeden Fall einen eigenen Thread erfordern. Für den ich zur Zeit keine Zeit habe. Ich will mir auch nicht vorwerfen lassen, das eigentliche Thema dieses Threads schreddern zu wollen.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Sungawakan »

In Bengalen sind 1770 sind ungefähr 10 Millionen Menschen umgekommen:
Die Hungersnot in Bengalen 1770 (bengalisch ৭৬-এর মন্বন্তর Chhiattōrer monnōntór) war eine Hungersnot zwischen 1769 und 1773 (1176 bis 1180 nach dem bengalischen Kalender), welche die untere Gangestiefebene Indiens traf. Die Hungersnot forderte schätzungsweise zehn Millionen Todesopfer. Sie wird meist der Herrschaft der Britischen Ostindien-Kompanie zugeschrieben. Der indische Ökonom Amartya Sen bezeichnet sie als eine menschengemachte Hungersnot und weist darauf hin, dass Indien im 18. Jahrhundert von keiner anderen Hungersnot betroffen war.[1] Die Ostindien-Kompanie hatte das Gebiet nur gerade sechs Jahre zuvor in der Schlacht von Buxar vom Mogulreich erobert. Sie zerstörte große Mengen an Nahrungspflanzen, um Platz für den Anbau von Indigopflanzen für Färbemittel und Schlafmohn für die Herstellung psychoaktiver Drogen zu machen. Sie erhöhte die Steuer auf landwirtschaftliche Güter von 10 % auf 50 %. Dadurch erwarben die Aktionäre der Kompanie einen großen Teil des Reichtums Bengalens. Die Lagerung von Reis wurde ebenfalls verboten. Unter diesen Bedingungen entwickelte sich eine durch Trockenheit hervorgerufene Lebensmittelknappheit zu einer solch schwerwiegenden Hungersnot. Sie wurde zusätzlich verschärft durch die unempfängliche Verwaltung der Kompanie, welche einzig daran interessiert war, Reichtum aus der Region herauszuziehen, ungeachtet des hohen Preises an Leben.[2][3]
Noch eine Ergänzung:
Die große Hungersnot von 1770 war eine von mehreren Hungersnöten in Indien unter der britischen Kolonialherrschaft. Bis ins späte 19. Jahrhundert und darüber hinaus kamen dadurch Inder in einer hohen zweistelligen Millionenzahl ums Leben.[10]
Und trotzdem sind die Briten noch immer stolz auf ihre "Leistungen". Ich glaube, sie brauchen die beiden Weltkriege, damit sie niemand auf ihre Verbrechen anspricht.

Gibt es schon einen Strang zu Kolonialverbrechen?
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Sungawakan hat geschrieben:(27 May 2020, 19:24)

In Bengalen sind 1770 sind ungefähr 10 Millionen Menschen umgekommen:



Noch eine Ergänzung:



Und trotzdem sind die Briten noch immer stolz auf ihre "Leistungen". Ich glaube, sie brauchen die beiden Weltkriege, damit sie niemand auf ihre Verbrechen anspricht.
Naja. Vielleicht schützte sie das bislang ein wenig vor einer kritischeren Selbstwahrnehmung. Aber die eigentliche Ursache der beiden Weltkriege war das natürlich nicht. Bereits in dem gewissermaßen Nullten Weltkrieg, dem Krimkrieg von 1853 bis 1856 ging es um die finale Aufteilung der Welt unter die dann vielleicht finalen Weltmächte. In dem Fall das osmanische Reich, Russland, Großbritannien und Frankreich.

Kurz vorher, in den sogenannten Opiumkriegen, ging es den Briten darum, China dazu zu zwingen, Handel zu treiben. In Vertretung der Interessen zum Beispiel der britischen Ostinindien-Kompanie. Mit allen Mitteln sollte Fernost gewissermaßen "aufgebrochen" werden. Die Ironie der Geschichte ist ja, dass es nun, in der Gegenwart, gerade die Länder in Fernost sind, die mehr und mehr den Welthandel beherrschen. Sie wurden durch die Briten gewissermaßen zur Weltmächtigkeit gezwungen. So. Nun, liebe Briten, seht zu, wie ihr damti fertig werdet und den Geist wieder zurück in die Flasche bekommt.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Im Gegensatz zur westlichen Öffentlichkeit haben die Chinesen die Zeit der "Ungleichen Verträge" nicht vergessen.
Und ironischerweise haben all diese kolonial unterdrückten Länder es Deutschland zu verdanken, dass ihre "Mutterländer" geschwächt wurden und immer mehr Konzessionen machen mußten, die dann nach dem Zweiten Weltkrieg zur Unabhängigkeit führten.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von oga »

Quatschki hat geschrieben:(28 May 2020, 12:10)

Im Gegensatz zur westlichen Öffentlichkeit haben die Chinesen die Zeit der "Ungleichen Verträge" nicht vergessen.
Und ironischerweise haben all diese kolonial unterdrückten Länder es Deutschland zu verdanken, dass ihre "Mutterländer" geschwächt wurden und immer mehr Konzessionen machen mußten, die dann nach dem Zweiten Weltkrieg zur Unabhängigkeit führten.
Kannst Du das erklären, bitte? :)
I guess I should warn you, if I turn out to be particularly clear, you've probably misunderstood what I've said.
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Quatschki
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

oga hat geschrieben:(28 May 2020, 12:28)

Kannst Du das erklären, bitte? :)
"Der Befreiungskampf der Völker Europas entfachte den Befreiungskampf der kolonial unterdrückten Völker der 3.Welt." - Zu meiner Zeit war das Schulstoff Geschichte. Ich weiss nicht, wie es heute ist.

Da war gestern erst ein Artikel über Indien in der NZZ
https://www.nzz.ch/international/2-welt ... ld.1554417

Deutschland zwang seine Gegner zur Mobilisierung aller Reserven.
Der Krieg der Alliierten, der propagandistisch als "Kampf für die Freiheit" verkauft wurde, weckte auch den Freiheitsdrang in den durch sie unterdrückten Kolonien.
Kolonialmächte wie Frankreich, Holland und Belgien waren durch die deutsche Okkupation geschwächt.
Deren autoritären Kolonialregimes ließen sich nach 1945 nicht mehr aufrechterhalten.
Ohne Hitler hätte es diese Entwicklungen so nicht gegeben. Das ist klar!
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Quatschki hat geschrieben:(28 May 2020, 13:29)

Da war gestern erst ein Artikel über Indien in der NZZ
https://www.nzz.ch/international/2-welt ... ld.1554417

Deutschland zwang seine Gegner zur Mobilisierung aller Reserven.
Der Krieg der Alliierten, der propagandistisch als "Kampf für die Freiheit" verkauft wurde, weckte auch den Freiheitsdrang in den durch sie unterdrückten Kolonien.
Kolonialmächte wie Frankreich, Holland und Belgien waren durch die deutsche Okkupation geschwächt.
Deren autoritären Kolonialregimes ließen sich nach 1945 nicht mehr aufrechterhalten.
Zumindest für Frankreich trifft letzteres überhaupt nicht zu. Im Gegenteil. Der Gaullismus ("die Wiederherstellung der nationalen Größe des von Deutschland besetzten Frankreichs") umfasste - neben der Fixierung auf Atomkraft im zivilen und militärischen Bereich - auch eine Art Nachrkiegskolonialismus, wie er in dem Algerienkrieg oder dem Massaker von Paris 1961 deutlich wird. Nur dass Frankreich Algerien eben formal als eine Art Außenzone und nicht als klassische "Kolonie" ansah. Ähnlich wie mittelasiatische Republiken wie Kirgisien und Taschikistan in der Sowjetunion als "Unionsrepubliken" einverleibt wurden. Die Briten wiederum wollen heute ihre Commonwealth-Brüder nicht mehr als Staatsbürger und Mitbriten ansehen. Siehe Windrush-Skandal. Der Pulverdampf der beiden Weltkriege ist verrflogen und etliche Konflikte sind zurück. Westeuropa muss sein Selbstbild revisionieren.

Das einzige mir bekannte Beispiel eines halbwegs demokratischen europäischen Staats ohne Kolonialvergangenheit und ohne Verstrickung in die Faschismen oder den Stalinismus des 20. jahrhunderts ist die tschechoslowakische Masaryk-Republik zwischen 1918 und 1939!
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(24 May 2020, 18:53)

Hintergrundwissen? Ja. Schuldkult? Nein. Das ist neurechte Terminologie, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Zitat:

Seit je dreht sich das Denken und Fühlen der Neuen Rechten um den sogenannten Schuldkult. Der Vorwurf lautet: Die Deutschen würden sich masochistisch in der NS-Schuld wälzen. Leute wie Björn Höcke verachten die Bundesrepublik dafür, dass sie auf eine negative Ursprungserzählung gegründet ist: Nie wieder Auschwitz! Und es stimmt ja: Statt an die siegreiche Schlacht bei Leuthen oder die Kaiserkrönung Karls des Großen am ersten Weihnachtsfeiertag im Jahr 800 zu erinnern, kennt der deutsche Staatskalender den 27. Januar als Gedenktag der Befreiung von Auschwitz.

Deutschland ist das erste Land, das sein Selbstverständnis nicht auf ruhmreiche Taten der Vergangenheit gründet, sondern auf ein reuevolles Schuldeingeständnis. Seit Gründung der Bundesrepublik werfen Rechtsradikale ihr deshalb vor, in Sack und Asche zu gehen. Aus ihrer Sicht haben Nationen ein Anrecht auf ein gutes Gewissen – selbst um den Preis, die geschichtliche Wahrheit zu beugen. Vor einem Jahr gab es einen Skandal um das Buch des Historikers Rolf Peter Sieferle, Finis Germania. Der blies in dasselbe Horn: Der "Auschwitz-Mythos" verdamme die Deutschen zu "absoluten Tätern".

Wollte Alexander Gauland mit seiner Bemerkung, "Hitler und die Nazis" seien nur ein "Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte", provozieren, um die AfD im Gespräch zu halten? Nein, das kam von Herzen. Beziehungsweise von jenem Ort der Psychomotorik, wo die Zwangsneurosen sitzen: Wer nämlich wirklich fixiert auf die deutsche Schuld ist, das sind die Rechten. Wie kindliche Narzissten ertragen sie kein gebrochenes Selbstbild. Das führt zu der Paradoxie, dass der Holocaust die Rechten mehr um den Schlaf zu bringen scheint als die geübten bundesrepublikanischen Vergangenheitsbewältiger, die doch einen Modus Vivendi zwischen Scham, Schreck und Weiterleben gefunden haben.

Wer sich dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse bei rechten Verlagen umschaute, um zu sehen, mit welchen frischen Reizwörtern sie sich stimulieren, durfte feststellen: Auch 70 Jahre nach dem Vernichtungskrieg im Osten geht es immer noch darum, die Wehrmacht reinzuwaschen.

Es ist offenbar unmöglich, in Deutschland eine Partei am rechten Rand zu platzieren, ohne auf die schiefe Ebene der Vergangenheitsrevision zu geraten.


https://www.zeit.de/2018/24/alexander-g ... populismus
Kannst du mir bitte mal erklären, was ein Zeitungszitat aus der "die Zeit" zu Höcke und Gauland mit meinen Aussagen, dass keine Lehren aus der Geschichte gezogen werden, dass keine Verantwortung übernommen wird, weil nur Emotionen angesprochen werden und dass "die allermeisten Eltern ihren Kindern [nicht]sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen", weil es sie schlicht nicht inetessiert, weil ihnen das Hintergrundwissen fehlt, zu tun haben soll?

AfD, Höcke und Gauland haben mit dem, was ich geschrieben habe, nicht das Geringste zu tun!
Statt permanent in deine "räächts-Paranoia" zu erfallen, solltest du dich mal konkret zu getätigten Aussagen äußern.
Ständige Verwendung von Strohmannargumenten, Argumenten der Schuld durch Zugehörigkeit und/oder Argumentum ad hominem sind einer sachlichen Diskussion, in höchstem Maße abträglich!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Findulin »

Quatschki hat geschrieben:(25 May 2020, 21:12)

Wobei, obwohl das britische Imperium über die Ressourcen der halben Welt gebot, der Arbeiter in London, Liverpool oder Wales in bitterer Armut lebte.
Die Aristokratie hat von jeher Paläste, Sommerresidenzen, Landsitze, Jagdschloß-Anwesen und was weiß ich noch alles und man schaue sich das alles mal von innen und außen an, dann weiß man, wo das abgepresste Vermögen bleibt.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Heute ist der 22. Juni 2021. Vor 80 Jahren begann das Unternehmen Barbarossa, also der Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten auf die Sowjetunion.

Nachdem zwar auch schon davor zahlreiche Kriegsverbrechen und Massenmorde an Zivilisten verübt wurden, ist mit dem dem Angriff auf die Sowjetunion eine Steigerung ins Unermessliche festzustellen. Auch der Mord an den Juden eskalierte erst mit diesem Angriff zu einem nicht fassbaren Ausmass.

Zunächst wurden vor allem Männer im wehrfähigen Alter erschossen, aber noch im Sommer ging man dazu über, auch Ältere, Frauen und Kinder zu erschiessen. Die Anzahl der in diesen Massakern Getöteten steigerte sich ebenfalls, bis mit den Massenmorden in Kamenez Podolsk Ende August mit über 20.000 ein erster, und mit Babi Jar Ende September und über 30.000 Ermordeten (in nur zwei Tagen!) ein zweiter Höhepunkt erreicht wurde.

Für mich ist es immer noch unglaublich, wie solch ein Verbrechen in Gang gesetzt werden konnte. Nicht, dass es nicht Verrückte wie Hitler oder Himmler gäbe; das ist mir eingängig. Dass aber viele Soldaten, darunter gestandene Generale, Polizisten und allerlei andere "normale" Menschen dabei mitmachten, ist mir unbegreiflich. Dass es in der Wehrmacht nur so wenig Widerstand gegeben hat, ist verwunderlich, da man doch so viel auf soldatische Ehre hielt.

Gerade das Massaker von Kamenez Podolsk, aber auch Babi Jar wären nicht möglich gewesen ohne das Einverständnis und die Unterstützung der Wehrmacht. Und so wurde eben Dorf um Dorf, Stadt um Stadt, nach Juden durchkämmt, Gruben ausgehoben, und die Leute unterschiedslos erschossen, häufig unter Beteiligung der lokalen Bevölkerung.

Die moderne Technologie macht es möglich, Zugang zu allen möglichen Quellen zu erhalten, Augenzeugenberichte anzuhören und Vorlesungen von Experten (etwa Peter Hayes oder Christopher Browning) zu hören. Man weiss inzwischen sehr viel zu dem Thema - viel mehr also noch vor einer Generation.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Adam Smith »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:35)

Heute ist der 22. Juni 2021. Vor 80 Jahren begann das Unternehmen Barbarossa,

...

Für mich ist es immer noch unglaublich, wie solch ein Verbrechen in Gang gesetzt werden konnte. Nicht, dass es nicht Verrückte wie Hitler oder Himmler gäbe; das ist mir eingängig. Dass aber viele Soldaten, darunter gestandene Generale, Polizisten und allerlei andere "normale" Menschen dabei mitmachten, ist mir unbegreiflich. Dass es in der Wehrmacht nur so wenig Widerstand gegeben hat, ist verwunderlich, da man doch so viel auf soldatische Ehre hielt.
Auch reserve Polizisten haben Menschen direkt umgebracht.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Reserve ... aillon_101
Angehörige dieses Verbandes waren an der Ermordung von mindestens 38.000 Juden direkt beteiligt. Sie wirkten zudem an der Deportation von mindestens 45.000 Juden in die Vernichtungslager mit.

Am 13. Juli 1942 rückte das Bataillon in Józefów ein. Es deportierte alle arbeitsfähigen Juden nach Lublin, während alle anderen Juden, darunter überwiegend Frauen, Kinder und Kleinstkinder, in einem nahegelegenen Wald erschossen wurden (→ Massaker von Józefów). 1500 Menschen fielen der Polizeieinheit zum Opfer.[9] Das Besondere an diesem Massaker, das es von allen anderen der NS-Zeit unterscheidet, ist die minutiöse Dokumentation der Freistellung vom bzw. der Freiwilligkeit des Mordens. So trat Major Trapp mit tränenerfüllten Augen vor seine Truppe, erklärte den Auftrag, sprach weiter, dass ihm dieser missfalle, es aber ein Befehl sei. Schließlich bot er an, dass diejenigen, die meinten, diesen Auftrag nicht erfüllen zu können, vortreten könnten und dann straflos nicht daran teilnehmen müssten. Es traten ein Dutzend Männer vor, die nicht am Massaker teilnahmen und ebenfalls nicht bestraft wurden.
Es gibt dazu auch einen eigenen Wikipedia Eintrag.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Massake ... zef%C3%B3w

Eine Erklärung dafür gibt es schon.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Historikerstreit
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Quatschki
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:35)

Die moderne Technologie macht es möglich, Zugang zu allen möglichen Quellen zu erhalten, Augenzeugenberichte anzuhören und Vorlesungen von Experten (etwa Peter Hayes oder Christopher Browning) zu hören. Man weiss inzwischen sehr viel zu dem Thema - viel mehr also noch vor einer Generation.
Ich habe z.B. bis vor kurzem nichts über die sowjetischen Massendeportationen aus Litauen gewußt, die 1 Woche (!) vor dem deutschen Angriff starteten und in Litauen als nationaler Gedenktag begangen werden.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Quatschki hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:56)

Ich habe z.B. bis vor kurzem nichts über die sowjetischen Massendeportationen aus Litauen gewußt, die 1 Woche (!) vor dem deutschen Angriff starteten und in Litauen als nationaler Gedenktag begangen werden.
Die baltischen Staaten sind wie die Osthälfte Polens und die westliche Ukraine sehr interessant, was die psychologische Reaktion auf die Vorkommnisse von 1917 bis 1945 angeht. Hier wüteten gleich zwei totalitäre Systeme, und es blühte der Hass auf die jeweiligen angeblichen oder tatsächlichen Kollaborateure und Schuldigen. Noch heute ist dieser Teil der Geschichte in jenen Ländern äusserst umstritten.

Neben den Deportationen brachte der NKWD unmittelbar vor dem Einrücken der Wehrmacht auch viele tausende politische Gefangene in den lokalen Gefängnissen und Polizeistationen um. Die Deutschen machten sich dies natürlich zunutze, indem sie dies öffentlich machten und behaupteten: Seht, was jüdische Bolschewisten getan haben! Jetzt rächt euch an ihnen zusammen mit uns!. So konnten sie den vorbestehenden Antisemitismus für ihre Zwecke ausnutzen. Auch psychologisch war es sehr geschickt, einen Sündenbock zu benennen, weil viele Einheimische, die vielleicht auch mit den Sowjets kollaboriert hatten, sich durch Beteiligung an Pogromen quasi von jedem Verdacht reinwaschen konnten - vielleicht auch gegenüber sich selbst.

Die systematische Erschiessung der Juden in Litauen und Lettland im Jahre 1941 hätte aber ohne die Deutschen nicht stattgefunden. Sie hatte auch erst mit dem Einmarsch der Wehrmacht begonnen und wurde von Deutschen orchestriert. Mir ist im übrigen auch nicht bekannt, dass die Sowjets in diesem Ausmass und so systematisch ganze Familien einschliesslich der Kinder ermordeten und eine regelrechte Hetzjagd veranstalteten, bis auch der Letzte gefunden war.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Adam Smith »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 19:43)

Die systematische Erschiessung der Juden in Litauen und Lettland im Jahre 1941 hätte aber ohne die Deutschen nicht stattgefunden. Sie hatte auch erst mit dem Einmarsch der Wehrmacht begonnen und wurde von Deutschen orchestriert. Mir ist im übrigen auch nicht bekannt, dass die Sowjets in diesem Ausmass und so systematisch ganze Familien einschliesslich der Kinder ermordeten und eine regelrechte Hetzjagd veranstalteten, bis auch der Letzte gefunden war.
Der NKWD hat Kinder von Mitgliedern der obersten Führung vergewaltigt, damit Stalin stolz erklären konnte, dass die Person zugegeben hat ein Spion zu sein. Die Person hat sich unter Folter bis dahin verweigert. Die Person hat sich verdächtig gemacht, weil sie zwar Listen von Todesurteilen unterschrieben hat, aber auch mal gnädig war.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Teeernte »

Adam Smith hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:54)

Auch reserve Polizisten haben Menschen direkt umgebracht.
Der Gewinner schreibt die Geschichte..
Holocaust im stalinistischen Regime
Davon wollen die Russen bis Heute nichts wissen.
Das sowjetische System hat den Faschismus dem Zionismus gleichgestellt. Die Anhänger des Zionismus wollten einen eigenen Staat in Palästina gründen.....
Lesenswert..>>

https://www.grin.com/document/135854

Ja,
„ Die Einsatzgruppen von Reichsseite setzten den Mordauftrag sogleich gemeinsam mit der örtlichen ukrainischen, weißrussischen oder litauischen Miliz um. Während für die SS und die NS-Führung beim Angriff auf die Sowjetunion die endgültige Vernichtung der Juden Priorität besaß, orientierte sich die Wehrmacht stärker auf den Antibolschewismus als auf den Antisemitismus.“


Der Einmarsch der Roten Armee hat den Juden Hoffnung gegeben, denn sie hatten sowjetische Truppen als Befreier betrachtet.


Ganz umgekehrt war das in Polen, baltischen Staaten und Rumänien. Diese Staaten betrachteten die Rotarmisten als Eindringlinge.

Man nannte Juden in diesen Ländern Verräter des Landes.

In diesen Ländern hat man die deutsche Armee als Befreier angesehen, die die einheimische Bevölkerung von der sowjetischen Unterdrückung retten wird. In den ersten Tagen der deutschen Besatzung wurden z.B. durch eine litauische Gruppe 5000 Juden getötet.


Im Lauf der fünf Monate des Krieges vornehmlich im Baltikum und Bessarabien wurden durch 3000 Mann starke Spezialeinheiten der SS und der Polizei mit Unterstützung von 170 mobilen Polizeibataillonen, die mehrheitlich aus einheimischen Freiwilligen, Balten, Ukrainern, Russen, Kosaken, Belorussen, Tataren und anderen Nationalitäten bestand, eine halbe Million Juden vernichtet.
Die Stalinistische Verfolgung der Juden nahm im Land der Sieger kein Ende...
Vor 65 Jahren wurden die sowjetischen Juden in Todesangst versetzt, denn der KGB „enttarnte“ ein angebliches Komplott jüdischer Ärzte. Die Mediziner hätten die Sowjetführung ausschalten wollen, so Stalins Propaganda.

Die Folge war eine landesweite antisemitische Hetzkampagne.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/an ... _id=407175
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Ein wenig scheint mir da schon der Wunsch da zu sein, zu zeigen, dass andere ja auch Verbrechen begingen. Und dass die Deutschen bei ihren Verbrechen Hilfe von lokalen Handlangern hatten.

Während dies nicht unbedingt falsch ist und solche Reaktionen psychologisch verständlich sind, erklärt es dennoch nicht, wie die Deutschen selbst, die 1941 zu jeder Zeit die Kontrolle und die Initiative hatten, systematisch zu morden begangen, und spätestens im August dazu übergingen, auch Frauen und Kinder in grosser Zahl zu ermorden.

Wer den Judenmord verstehen möchte, muss wohl hier ansetzen. Auschwitz kommt ja sehr viel später. Dass das Unternehmen Barbarossa anders als andere Feldzüge verlaufen sollte, hatte sich ja schon früher abgezeichnet, spätestens im März 1941. Aus dieser Vermischung von radikaler Ideologie, totalem Krieg, Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche Kommissare (später: Partisanen) scheint dann tatsächlich der Massenmord an den Juden hervorgegangen zu sein. Ob die Täter selbst an die Rechtfertigungen geglaubt haben, als sie Kinder mit Genickschuss ermordeten?

Auch sowjetische Kriegsgefangene hat man systematisch und von Anfang in Massen verhungern lassen. Es war offenbar nie wirklich geplant, hier irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen, die es den Leuten ermöglicht hätten zu überleben. Mit soldatischer Ehre ist ein solches Verhalten nicht vereinbar.
Der Kutscher

Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Der Kutscher »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:37)
Dass das Unternehmen Barbarossa anders als andere Feldzüge verlaufen sollte, hatte sich ja schon früher abgezeichnet, spätestens im März 1941. Aus dieser Vermischung von radikaler Ideologie, totalem Krieg, Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche Kommissare (später: Partisanen) scheint dann tatsächlich der Massenmord an den Juden hervorgegangen zu sein.
Historisch nicht unumstritten, es gibt im wesentlichen 2 Meinungen zum Beginn des Holocaust: September1939 nach dem Überfall auf Polen oder eben 22. Juni 1941 der Überfall auf die Sowjetunion. Für die Meinung September1939 spricht das bereits alle Methoden systematischer Judenvernichtung angewendet wurden in Polen: Massenexekutionen, Hunger, Ersticken durch Abgase oder Gas. Dagegen spricht das es bis 1940 noch die Flucht deutscher Juden möglich war, das "Auswanderungsverbot" wurde im Oktober 1941 erlassen.
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