Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

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Dark Angel
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(21 May 2020, 14:17)

Ich hatte das deshalb so verknappt gesagt, was ich vom Begriff "Schuldkult" halte, weil wir diesen Aspekt hier schon dutzendfach besprochen haben. Also nochmal: Es geht bei den heutigen Generationen selbstverständlich nicht um Schuld, sondern immer um Verantwortung, dass sich so etwas nicht wiederholt. Schuld an den Naziverbrechen haben die allermeisten heutigen Menschen natürlich nicht auf sich geladen, wie auch? Sie haben ja zumeist noch nicht gelebt in dieser Zeit. Aber ob sie sich mit der finsteren Geschichte auch genau befassen, sie wirklich verstehen lernen und das verinnerlichen, was damals geschah, und ja, die richtigen Schlüsse daraus ziehen, das wird mit dem Begriff Verantwortung umschrieben. Zur Frage "Schuld - Verantwortung" hat vor Jahren auch Weizsäcker gute Worte gefunden.

Eine Ritualisierung dieser ganzen Aufarbeitung und ein bloßes immerwährendes leeres Bekenntnis "nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" abzugeben, wäre falsch. Da gebe ich dir recht. Ich habe jedoch den Eindruck, dass durchaus eine Mehrheit im Land die Verantwortung sieht und die richtigen Schlüsse für die Zukunft zieht. Das Argument, es werde ein "Schuldkult" betrieben, ist eine Erfindung derjenigen, die auch gerne von "Schlussstrich ziehen unter diesem düsteren Kapitel" reden oder von einer angeblich benötigten "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad". Gerade das wäre aber der falsche Weg. An diese von Deutschen verursachten Naziverbrechen muss immer wieder erinnert werden. Und es müssen immer wieder die Details vermittelt werden. Daher halte ich es zum Beispiel für ein absolutes No-Go, dass das Fach Geschichte an einigen Schulen nur noch fakultativ angeboten werden soll. Dennoch gehe ich mal davon aus, dass die allermeisten Eltern ihren Kindern sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen, Fragen beantworten. In meinem Umfeld ist das jedenfalls der Fall.
Genau diesen Eindruck habe ich nicht!
Im Gegenteil, mein Eindruck ist viel mehr der, dass eben keine Verantwortung übernommen wird, weil eben keine Lehren aus der Geschichte gezogen werden und es deshalb bei leeren Lippenbekenntnissen bleibt.
Der Grund dafür ist, dass eben keine Aufarbeitung stattfindet, sondern immer nur "erinnert" wird.
Und genau das nenne ich "Schuldkult". Es wird an begangene Verbrechen erinnert, die frühere Generationen begangen haben und das spricht nur Emotionen an, erzeugt Entsetzen, führt aber nicht dazu Lehren aus den Ereignissen/aus der Geschichte zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen, sondern nur zu Lippenbekenntnissen "das darf nie wieder geschehen".
Um Lehren aus der Geschichte zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen, reichen Emotionen nicht, dazu bedarf es der Ratio und dafür wiederum braucht es Wissen - Wissen darüber, welche Ideologie dahinter steckt, wie und wann sich diese Ideologie entwickelte, auf welchen gesellschaftlichen Verhältnissen sie gedieh. Dazu muss man jedoch weiter zurück als zum Ende des WK1.
Es bedarf Wissen darüber wer (welcher Personenkreis) Hitlers Aufstieg und den der NSDAP überhaupt ermöglichte, welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse dies begünstigten u.v.m.

Und dazu reicht es eben nicht aus nur zu "erinnern", dazu bedarf es einiges mehr und dieses "mehr" vermisse ich.
Und nein, ich gehe nicht davon aus, dass "die allermeisten Eltern ihren Kindern sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen"
Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, zum einen, weil es die "allermeisten Eltern" gar nicht interessiert und zum anderen, weil den "allermeisten Eltern" genau dieses Hintergrundwissen fehlt, weil auch sie nur "das daran erinnern" kennen.
Bestes Beispiel ist doch wohl die nichtthematisierte Blockade von Leningrad.

Nein, es soll und darf kein Schlusstrich gezogen werden, aber es muss ein "erinnerungspolitisches Umdenken" erfolgen und zwar ein grundlegendes - weg vom (reinen) Ansprechen von Emotionen, hin zur rationalen Aufarbeitung und Vermittlung von Hintergrundwissen.
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Selina
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(24 May 2020, 18:32)

Genau diesen Eindruck habe ich nicht!
Im Gegenteil, mein Eindruck ist viel mehr der, dass eben keine Verantwortung übernommen wird, weil eben keine Lehren aus der Geschichte gezogen werden und es deshalb bei leeren Lippenbekenntnissen bleibt.
Der Grund dafür ist, dass eben keine Aufarbeitung stattfindet, sondern immer nur "erinnert" wird.
Und genau das nenne ich "Schuldkult". Es wird an begangene Verbrechen erinnert, die frühere Generationen begangen haben und das spricht nur Emotionen an, erzeugt Entsetzen, führt aber nicht dazu Lehren aus den Ereignissen/aus der Geschichte zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen, sondern nur zu Lippenbekenntnissen "das darf nie wieder geschehen".
Um Lehren aus der Geschichte zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen, reichen Emotionen nicht, dazu bedarf es der Ratio und dafür wiederum braucht es Wissen - Wissen darüber, welche Ideologie dahinter steckt, wie und wann sich diese Ideologie entwickelte, auf welchen gesellschaftlichen Verhältnissen sie gedieh. Dazu muss man jedoch weiter zurück als zum Ende des WK1.
Es bedarf Wissen darüber wer (welcher Personenkreis) Hitlers Aufstieg und den der NSDAP überhaupt ermöglichte, welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse dies begünstigten u.v.m.

Und dazu reicht es eben nicht aus nur zu "erinnern", dazu bedarf es einiges mehr und dieses "mehr" vermisse ich.
Und nein, ich gehe nicht davon aus, dass "die allermeisten Eltern ihren Kindern sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen"
Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, zum einen, weil es die "allermeisten Eltern" gar nicht interessiert und zum anderen, weil den "allermeisten Eltern" genau dieses Hintergrundwissen fehlt, weil auch sie nur "das daran erinnern" kennen.
Bestes Beispiel ist doch wohl die nichtthematisierte Blockade von Leningrad.

Nein, es soll und darf kein Schlusstrich gezogen werden, aber es muss ein "erinnerungspolitisches Umdenken" erfolgen und zwar ein grundlegendes - weg vom (reinen) Ansprechen von Emotionen, hin zur rationalen Aufarbeitung und Vermittlung von Hintergrundwissen.
Hintergrundwissen? Ja. Schuldkult? Nein. Das ist neurechte Terminologie, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Zitat:

Seit je dreht sich das Denken und Fühlen der Neuen Rechten um den sogenannten Schuldkult. Der Vorwurf lautet: Die Deutschen würden sich masochistisch in der NS-Schuld wälzen. Leute wie Björn Höcke verachten die Bundesrepublik dafür, dass sie auf eine negative Ursprungserzählung gegründet ist: Nie wieder Auschwitz! Und es stimmt ja: Statt an die siegreiche Schlacht bei Leuthen oder die Kaiserkrönung Karls des Großen am ersten Weihnachtsfeiertag im Jahr 800 zu erinnern, kennt der deutsche Staatskalender den 27. Januar als Gedenktag der Befreiung von Auschwitz.

Deutschland ist das erste Land, das sein Selbstverständnis nicht auf ruhmreiche Taten der Vergangenheit gründet, sondern auf ein reuevolles Schuldeingeständnis. Seit Gründung der Bundesrepublik werfen Rechtsradikale ihr deshalb vor, in Sack und Asche zu gehen. Aus ihrer Sicht haben Nationen ein Anrecht auf ein gutes Gewissen – selbst um den Preis, die geschichtliche Wahrheit zu beugen. Vor einem Jahr gab es einen Skandal um das Buch des Historikers Rolf Peter Sieferle, Finis Germania. Der blies in dasselbe Horn: Der "Auschwitz-Mythos" verdamme die Deutschen zu "absoluten Tätern".

Wollte Alexander Gauland mit seiner Bemerkung, "Hitler und die Nazis" seien nur ein "Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte", provozieren, um die AfD im Gespräch zu halten? Nein, das kam von Herzen. Beziehungsweise von jenem Ort der Psychomotorik, wo die Zwangsneurosen sitzen: Wer nämlich wirklich fixiert auf die deutsche Schuld ist, das sind die Rechten. Wie kindliche Narzissten ertragen sie kein gebrochenes Selbstbild. Das führt zu der Paradoxie, dass der Holocaust die Rechten mehr um den Schlaf zu bringen scheint als die geübten bundesrepublikanischen Vergangenheitsbewältiger, die doch einen Modus Vivendi zwischen Scham, Schreck und Weiterleben gefunden haben.

Wer sich dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse bei rechten Verlagen umschaute, um zu sehen, mit welchen frischen Reizwörtern sie sich stimulieren, durfte feststellen: Auch 70 Jahre nach dem Vernichtungskrieg im Osten geht es immer noch darum, die Wehrmacht reinzuwaschen.

Es ist offenbar unmöglich, in Deutschland eine Partei am rechten Rand zu platzieren, ohne auf die schiefe Ebene der Vergangenheitsrevision zu geraten.


https://www.zeit.de/2018/24/alexander-g ... populismus
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Elmar Brok
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Elmar Brok »

Selina hat geschrieben:(21 May 2020, 14:17)

Ich hatte das deshalb so verknappt gesagt, was ich vom Begriff "Schuldkult" halte, weil wir diesen Aspekt hier schon dutzendfach besprochen haben. Also nochmal: Es geht bei den heutigen Generationen selbstverständlich nicht um Schuld, sondern immer um Verantwortung, dass sich so etwas nicht wiederholt. Schuld an den Naziverbrechen haben die allermeisten heutigen Menschen natürlich nicht auf sich geladen, wie auch? Sie haben ja zumeist noch nicht gelebt in dieser Zeit. Aber ob sie sich mit der finsteren Geschichte auch genau befassen, sie wirklich verstehen lernen und das verinnerlichen, was damals geschah, und ja, die richtigen Schlüsse daraus ziehen, das wird mit dem Begriff Verantwortung umschrieben. Zur Frage "Schuld - Verantwortung" hat vor Jahren auch Weizsäcker gute Worte gefunden.

Eine Ritualisierung dieser ganzen Aufarbeitung und ein bloßes immerwährendes leeres Bekenntnis "nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" abzugeben, wäre falsch. Da gebe ich dir recht. Ich habe jedoch den Eindruck, dass durchaus eine Mehrheit im Land die Verantwortung sieht und die richtigen Schlüsse für die Zukunft zieht. Das Argument, es werde ein "Schuldkult" betrieben, ist eine Erfindung derjenigen, die auch gerne von "Schlussstrich ziehen unter diesem düsteren Kapitel" reden oder von einer angeblich benötigten "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad". Gerade das wäre aber der falsche Weg. An diese von Deutschen verursachten Naziverbrechen muss immer wieder erinnert werden. Und es müssen immer wieder die Details vermittelt werden. Daher halte ich es zum Beispiel für ein absolutes No-Go, dass das Fach Geschichte an einigen Schulen nur noch fakultativ angeboten werden soll. Dennoch gehe ich mal davon aus, dass die allermeisten Eltern ihren Kindern sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen, Fragen beantworten. In meinem Umfeld ist das jedenfalls der Fall.
Ich wäre vorsichtig damit von dem eigenen Umfeld auf die ganze Gesellschaft zu schließen. Oft ist man da dann doch nur in einer sehr speziellen Szene/Blase unterwegs. Ich finde es schwierig, eine allgemeine Aussage zum Umgang mit Holocaust und 2. Weltkrieg für die Gesellschaft zu treffen. Denn mein Eindruck ist, dass die Erinnerungskultur (obwohl sie aus meiner Sicht ganz klar keine Schuldkultur ist) häufig als Schuldkultur empfunden wird und das halte ich für extrem gefährlich. Denn eine empfundene Schuldkultur fühlt sich schnell wie ein persönlicher Angriff an und sorgt bei vielen Menschen für eine automatische Abwehrhaltung. Daraus folgt viel zu oft die Relativierung der begangenen Verbrechen. Der Holocaust sei ein normaler Völkermord, wie in viele andere Nationen begangen haben. Aber was ist denn mit den Sklaven? Die Kirche hat doch auch Millionen Menschen getötet usw. Sobald diese Menschen in ihrer Abwehrhaltung sind, halte ich es für sehr schwierig, sie zurückzugewinnen. Ich befürchte fast, dass ein allzu konfrontativer Umgang zwar theoretisch richtig und wünschenswert ist, aber im Ergebnis häufig das Gegenteil erreicht. Denn häufig neigt man dann doch eher dazu, etwas zu verneinen, anstatt sich selbstreflektiert und selbstkritisch damit auseinanderzusetzen. Das ist zumindest mein Eindruck

Kein verpflichtender Geschichtsunterricht ist schade und aus meiner Sicht ein großer Verlust. Allerdings kann man viele historische Themen in anderen Fächern unterbringen. Englisch, Deutsch andere Sprachen etc. Inwiefern dies dann aber eine qualitativ gute Vermittlung von Geschichte ist? Wobei auch der normale Geschichtsunterricht nachbesserbar ist. Ich befürchte, andere Fächer haben einfach eine größere Lobby. Bezogen auf Holocaust und 2. Weltkrieg muss/sollte die Vermittlung außerhalb der Schule nicht vernachlässigt werden. Vor allem auch nach der Schulzeit.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Obwohl mir die Fakten eigentlich im Wesentlichen bekannt waren: Eine zusammenfassende Darstellung der Geschichte der Publikationen des Historikers Raul Hilberg und namentlich seines Hauptwerks "The Destruction of the European Jews" von 1954 kürzlich haben mich doch irgendwie etwas verwirrt zurückgelassen. Das, was der wichtigste Chronst der Shoah über die Vernichtung der Juden zusammengetragen hatte, wollte zunächst niemand publizieren. Und zwar weltweit niemand. Es erschien auf Englisch erst 1961 und auf Deutsch erst 1982. In beiden Fällen in einem linken Kleinverlag! Bei der Ablehnung spielten aber nicht so sehr Schuldkult, Verdrängung oder gar irgendwie antisemitische Affekte eine Rolle. Sondern zum Beispiel so etwas wie akademischer Neid aber vielleicht auch eine gewisse akademische Rückwärtsgewandtheit, Borniertheit und Trägheit. Insbesondere und maßgeblich beim Münchner Institut für Zeitgeschichte. Heute gilt es inzwischen als das Standardwerk zum Thema.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 May 2020, 18:04)

Obwohl mir die Fakten eigentlich im Wesentlichen bekannt waren: Eine zusammenfassende Darstellung der Geschichte der Publikationen des Historikers Raul Hilberg und namentlich seines Hauptwerks "The Destruction of the European Jews" von 1954 kürzlich haben mich doch irgendwie etwas verwirrt zurückgelassen. Das, was der wichtigste Chronst der Shoah über die Vernichtung der Juden zusammengetragen hatte, wollte zunächst niemand publizieren. Und zwar weltweit niemand. Es erschien auf Englisch erst 1961 und auf Deutsch erst 1982. In beiden Fällen in einem linken Kleinverlag! Bei der Ablehnung spielten aber nicht so sehr Schuldkult, Verdrängung oder gar irgendwie antisemitische Affekte eine Rolle. Sondern zum Beispiel so etwas wie akademischer Neid aber vielleicht auch eine gewisse akademische Rückwärtsgewandtheit, Borniertheit und Trägheit. Insbesondere und maßgeblich beim Münchner Institut für Zeitgeschichte. Heute gilt es inzwischen als das Standardwerk zum Thema.
Die Erinnerung an die deutschen Verbrechen im 2. Weltkrieg ist nicht en vogue. Wer es mit der Rückschau ernst nimmt, bekommt schnell vorgeworfen, er wolle nur vom Antisemitismus heute ablenken. Wer die deutsche Selbstfeierei stört, bei der sich alle auf die Schulter klopfen für den vorbildlichen demokratischen Staat, aber kein einziges Wort für die maßgeblichen Besieger des deutschen Nationalsozialismus übrig hat, der gilt schnell als Nestbeschmutzer. Es ist gut, dass es dieses Buch gibt. Heute mehr als je zuvor.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

imp hat geschrieben:(25 May 2020, 18:12)

Die Erinnerung an die deutschen Verbrechen im 2. Weltkrieg ist nicht en vogue. Wer es mit der Rückschau ernst nimmt, bekommt schnell vorgeworfen, er wolle nur vom Antisemitismus heute ablenken. Wer die deutsche Selbstfeierei stört, bei der sich alle auf die Schulter klopfen für den vorbildlichen demokratischen Staat, aber kein einziges Wort für die maßgeblichen Besieger des deutschen Nationalsozialismus übrig hat, der gilt schnell als Nestbeschmutzer. Es ist gut, dass es dieses Buch gibt. Heute mehr als je zuvor.
Ich nehme dieses ganze Hilberg-Problem und den Streit um die Nichtveröffentlichung und die Rolle des IfZ München vor allem als eine Art grundsätzliche Fachrevisionsunwilligkeit wahr. Historiker wollen halt gemütlich eine lineare Anreihung von Zeitereignissen beschreiben. Und nicht auf Singularitäten eingehen. So wie Ökonomen eben auch die jüngsten Bankenkrisen mehr oder weniger erfolgreich weggedrückt haben.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Eigentlich lichtet sich ja sozusagen der Pulverdampf der beiden Weltkriege. Einfach weil Zeitzeugen aussterben und die Ereignisse mehr und mehr historisiert werden. Und hinter diesem Pulverdampf tritt etwas anderes in Erscheinung: 2020 ist oder sollte in vielerlei Hinsicht das Jahr der Erinnerung an die westeuropäische Kolonialgeschichte sein. Es gibt zahlreiche Publikationen, Sendereiehen, Ausstellungseröffnungen. Briten, Niederländer, Belgier, Franzosen, Italiener, Spanier, Portugiesen und natürlich auch Deutsche werden sich langsam bewusst, dass ihr wirtschaftlicher Wohlstand und natürlich ihre angebliche oder tatsächliche kulturelle Überlegenheit zu nicht kleinen Teilen auf einem absolut brutalen Expansionsfeldzug beruht. Dass sie moderne Sklavenhaltung neu begründet haben. Man müsste wahrscheinlich einen extra Thread dazu aufmachen.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Wobei, obwohl das britische Imperium über die Ressourcen der halben Welt gebot, der Arbeiter in London, Liverpool oder Wales in bitterer Armut lebte.
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von oga »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 May 2020, 20:36)

Eigentlich lichtet sich ja sozusagen der Pulverdampf der beiden Weltkriege. Einfach weil Zeitzeugen aussterben und die Ereignisse mehr und mehr historisiert werden. Und hinter diesem Pulverdampf tritt etwas anderes in Erscheinung: 2020 ist oder sollte in vielerlei Hinsicht das Jahr der Erinnerung an die westeuropäische Kolonialgeschichte sein. Es gibt zahlreiche Publikationen, Sendereiehen, Ausstellungseröffnungen. Briten, Niederländer, Belgier, Franzosen, Italiener, Spanier, Portugiesen und natürlich auch Deutsche werden sich langsam bewusst, dass ihr wirtschaftlicher Wohlstand und natürlich ihre angebliche oder tatsächliche kulturelle Überlegenheit zu nicht kleinen Teilen auf einem absolut brutalen Expansionsfeldzug beruht. Dass sie moderne Sklavenhaltung neu begründet haben. Man müsste wahrscheinlich einen extra Thread dazu aufmachen.
Nicht so ganz.
Es ist natürlich eine sehr bequeme These für einige Leader der ehemaligen Kolonien die Armut ihrer Länder auf die Ausbeutung seitens der ehemaligen Kolonialmächte zu reduzieren. So ganz stimmt das aber nicht.
I guess I should warn you, if I turn out to be particularly clear, you've probably misunderstood what I've said.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von imp »

Quatschki hat geschrieben:(25 May 2020, 21:12)

Wobei, obwohl das britische Imperium über die Ressourcen der halben Welt gebot, der Arbeiter in London, Liverpool oder Wales in bitterer Armut lebte.
In der ganzen Welt war der Lebensstandard normaler Leute sehr gering. Erst die Industrie bringt allein ein besseres Leben. Viele vergessen das heute. Konsumkritik ist schal, wenn sie bloß Trost für den Armen sein soll.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

oga hat geschrieben:(25 May 2020, 21:25)

Nicht so ganz.
Es ist natürlich eine sehr bequeme These für einige Leader der ehemaligen Kolonien die Armut ihrer Länder auf die Ausbeutung seitens der ehemaligen Kolonialmächte zu reduzieren. So ganz stimmt das aber nicht.
Das ist allerdings keine äquvialent umgeformte Aussage. Was die heutigen Leader der ehemaligen Kolonien an Propaganda veranstalten, ist noch einmal ein Thema für sich.

Was ich meine: Dass ein durchschnittlicher Niederländer (Brite, Franzose usw. allgemein: Westeuropäer) sich wie selbstverständlich als Teil einer Kultur der Aufklärung, der Freiheit, der Demokratie, des Lichts von Vernunft und Humanismus begreift. Moderner Sklavenhandel, Kolonialkriege, schlimmste Auswüchse sind als Fakten bekannt und werden auch nicht geleugnet. Sie sind aber nicht Teil des als allgemein und selbstverständlich angenommenen Welt- und Selbstbilds. Und da ist eine Revision angesagt.

Wir Deutschen sollten ihnen da helfen und beistehen können. Um den Bezug zum eigentlichen Thema zu finden. Können wir das wirklich?
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 May 2020, 21:35)

...Wir Deutschen...
Wer soll das sein?
Doch nicht etwa die "Volksgemeinschaft"?
Zuletzt geändert von Quatschki am Mo 25. Mai 2020, 21:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von oga »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 May 2020, 21:35)

Das ist allerdings keine äquvialent umgeformte Aussage. Was die heutigen Leader der ehemaligen Kolonien an Propaganda veranstalten, ist noch einmal ein Thema für sich.

Was ich meine: Dass ein durchschnittlicher Niederländer (Brite, Franzose usw. allgemein: Westeuropäer) sich wie selbstverständlich als Teil einer Kultur der Aufklärung, der Freiheit, der Demokratie, des Lichts von Vernunft und Humanismus begreift. Moderner Sklavenhandel, Kolonialkriege, schlimmste Auswüchse sind als Fakten bekannt und werden auch nicht geleugnet. Sie sind aber nicht Teil des als allgemein und selbstverständlich angenommenen Welt- und Selbstbilds. Und da ist eine Revision angesagt.

Wir Deutschen sollten ihnen da helfen und beistehen können. Um den Bezug zum eigentlichen Thema zu finden. Können wir das wirklich?
Und wie stellst Du Dir diese Revision vor? :?:
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

oga hat geschrieben:(25 May 2020, 21:44)

Und wie stellst Du Dir diese Revision vor? :?:
Ich brauche sie mir nicht vorstellen. Sie findet real statt. Nur als ein Beispiel von vielen herausgegriffen: Bis März 2020 gab es in Amsterdam die Sonderausstellung "Heden van het sklavernijverleden“ (Die Gegenwart der Sklavenvergangenheit) Auf der einen Seite wird das Selbstbild der Niederländer von der Rolle als Handelsnation und EU-Gründungsmitglied bestimmt. In Berichten über diese Ausstellung war die Rede davon, dass die eigentlich nocheinmal besonders grausame und menschenverachtende Kolonialpolitik der Niederlande den heutigen Zeitgenossen dort in der Mehrheit völlig unverständlich ist.

Dieses Thema ist schwierig und kompliziert. Und würde auf jeden Fall einen eigenen Thread erfordern. Für den ich zur Zeit keine Zeit habe. Ich will mir auch nicht vorwerfen lassen, das eigentliche Thema dieses Threads schreddern zu wollen.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Sungawakan »

In Bengalen sind 1770 sind ungefähr 10 Millionen Menschen umgekommen:
Die Hungersnot in Bengalen 1770 (bengalisch ৭৬-এর মন্বন্তর Chhiattōrer monnōntór) war eine Hungersnot zwischen 1769 und 1773 (1176 bis 1180 nach dem bengalischen Kalender), welche die untere Gangestiefebene Indiens traf. Die Hungersnot forderte schätzungsweise zehn Millionen Todesopfer. Sie wird meist der Herrschaft der Britischen Ostindien-Kompanie zugeschrieben. Der indische Ökonom Amartya Sen bezeichnet sie als eine menschengemachte Hungersnot und weist darauf hin, dass Indien im 18. Jahrhundert von keiner anderen Hungersnot betroffen war.[1] Die Ostindien-Kompanie hatte das Gebiet nur gerade sechs Jahre zuvor in der Schlacht von Buxar vom Mogulreich erobert. Sie zerstörte große Mengen an Nahrungspflanzen, um Platz für den Anbau von Indigopflanzen für Färbemittel und Schlafmohn für die Herstellung psychoaktiver Drogen zu machen. Sie erhöhte die Steuer auf landwirtschaftliche Güter von 10 % auf 50 %. Dadurch erwarben die Aktionäre der Kompanie einen großen Teil des Reichtums Bengalens. Die Lagerung von Reis wurde ebenfalls verboten. Unter diesen Bedingungen entwickelte sich eine durch Trockenheit hervorgerufene Lebensmittelknappheit zu einer solch schwerwiegenden Hungersnot. Sie wurde zusätzlich verschärft durch die unempfängliche Verwaltung der Kompanie, welche einzig daran interessiert war, Reichtum aus der Region herauszuziehen, ungeachtet des hohen Preises an Leben.[2][3]
Noch eine Ergänzung:
Die große Hungersnot von 1770 war eine von mehreren Hungersnöten in Indien unter der britischen Kolonialherrschaft. Bis ins späte 19. Jahrhundert und darüber hinaus kamen dadurch Inder in einer hohen zweistelligen Millionenzahl ums Leben.[10]
Und trotzdem sind die Briten noch immer stolz auf ihre "Leistungen". Ich glaube, sie brauchen die beiden Weltkriege, damit sie niemand auf ihre Verbrechen anspricht.

Gibt es schon einen Strang zu Kolonialverbrechen?
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Sungawakan hat geschrieben:(27 May 2020, 19:24)

In Bengalen sind 1770 sind ungefähr 10 Millionen Menschen umgekommen:



Noch eine Ergänzung:



Und trotzdem sind die Briten noch immer stolz auf ihre "Leistungen". Ich glaube, sie brauchen die beiden Weltkriege, damit sie niemand auf ihre Verbrechen anspricht.
Naja. Vielleicht schützte sie das bislang ein wenig vor einer kritischeren Selbstwahrnehmung. Aber die eigentliche Ursache der beiden Weltkriege war das natürlich nicht. Bereits in dem gewissermaßen Nullten Weltkrieg, dem Krimkrieg von 1853 bis 1856 ging es um die finale Aufteilung der Welt unter die dann vielleicht finalen Weltmächte. In dem Fall das osmanische Reich, Russland, Großbritannien und Frankreich.

Kurz vorher, in den sogenannten Opiumkriegen, ging es den Briten darum, China dazu zu zwingen, Handel zu treiben. In Vertretung der Interessen zum Beispiel der britischen Ostinindien-Kompanie. Mit allen Mitteln sollte Fernost gewissermaßen "aufgebrochen" werden. Die Ironie der Geschichte ist ja, dass es nun, in der Gegenwart, gerade die Länder in Fernost sind, die mehr und mehr den Welthandel beherrschen. Sie wurden durch die Briten gewissermaßen zur Weltmächtigkeit gezwungen. So. Nun, liebe Briten, seht zu, wie ihr damti fertig werdet und den Geist wieder zurück in die Flasche bekommt.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Im Gegensatz zur westlichen Öffentlichkeit haben die Chinesen die Zeit der "Ungleichen Verträge" nicht vergessen.
Und ironischerweise haben all diese kolonial unterdrückten Länder es Deutschland zu verdanken, dass ihre "Mutterländer" geschwächt wurden und immer mehr Konzessionen machen mußten, die dann nach dem Zweiten Weltkrieg zur Unabhängigkeit führten.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von oga »

Quatschki hat geschrieben:(28 May 2020, 12:10)

Im Gegensatz zur westlichen Öffentlichkeit haben die Chinesen die Zeit der "Ungleichen Verträge" nicht vergessen.
Und ironischerweise haben all diese kolonial unterdrückten Länder es Deutschland zu verdanken, dass ihre "Mutterländer" geschwächt wurden und immer mehr Konzessionen machen mußten, die dann nach dem Zweiten Weltkrieg zur Unabhängigkeit führten.
Kannst Du das erklären, bitte? :)
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

oga hat geschrieben:(28 May 2020, 12:28)

Kannst Du das erklären, bitte? :)
"Der Befreiungskampf der Völker Europas entfachte den Befreiungskampf der kolonial unterdrückten Völker der 3.Welt." - Zu meiner Zeit war das Schulstoff Geschichte. Ich weiss nicht, wie es heute ist.

Da war gestern erst ein Artikel über Indien in der NZZ
https://www.nzz.ch/international/2-welt ... ld.1554417

Deutschland zwang seine Gegner zur Mobilisierung aller Reserven.
Der Krieg der Alliierten, der propagandistisch als "Kampf für die Freiheit" verkauft wurde, weckte auch den Freiheitsdrang in den durch sie unterdrückten Kolonien.
Kolonialmächte wie Frankreich, Holland und Belgien waren durch die deutsche Okkupation geschwächt.
Deren autoritären Kolonialregimes ließen sich nach 1945 nicht mehr aufrechterhalten.
Ohne Hitler hätte es diese Entwicklungen so nicht gegeben. Das ist klar!
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von schokoschendrezki »

Quatschki hat geschrieben:(28 May 2020, 13:29)

Da war gestern erst ein Artikel über Indien in der NZZ
https://www.nzz.ch/international/2-welt ... ld.1554417

Deutschland zwang seine Gegner zur Mobilisierung aller Reserven.
Der Krieg der Alliierten, der propagandistisch als "Kampf für die Freiheit" verkauft wurde, weckte auch den Freiheitsdrang in den durch sie unterdrückten Kolonien.
Kolonialmächte wie Frankreich, Holland und Belgien waren durch die deutsche Okkupation geschwächt.
Deren autoritären Kolonialregimes ließen sich nach 1945 nicht mehr aufrechterhalten.
Zumindest für Frankreich trifft letzteres überhaupt nicht zu. Im Gegenteil. Der Gaullismus ("die Wiederherstellung der nationalen Größe des von Deutschland besetzten Frankreichs") umfasste - neben der Fixierung auf Atomkraft im zivilen und militärischen Bereich - auch eine Art Nachrkiegskolonialismus, wie er in dem Algerienkrieg oder dem Massaker von Paris 1961 deutlich wird. Nur dass Frankreich Algerien eben formal als eine Art Außenzone und nicht als klassische "Kolonie" ansah. Ähnlich wie mittelasiatische Republiken wie Kirgisien und Taschikistan in der Sowjetunion als "Unionsrepubliken" einverleibt wurden. Die Briten wiederum wollen heute ihre Commonwealth-Brüder nicht mehr als Staatsbürger und Mitbriten ansehen. Siehe Windrush-Skandal. Der Pulverdampf der beiden Weltkriege ist verrflogen und etliche Konflikte sind zurück. Westeuropa muss sein Selbstbild revisionieren.

Das einzige mir bekannte Beispiel eines halbwegs demokratischen europäischen Staats ohne Kolonialvergangenheit und ohne Verstrickung in die Faschismen oder den Stalinismus des 20. jahrhunderts ist die tschechoslowakische Masaryk-Republik zwischen 1918 und 1939!
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(24 May 2020, 18:53)

Hintergrundwissen? Ja. Schuldkult? Nein. Das ist neurechte Terminologie, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Zitat:

Seit je dreht sich das Denken und Fühlen der Neuen Rechten um den sogenannten Schuldkult. Der Vorwurf lautet: Die Deutschen würden sich masochistisch in der NS-Schuld wälzen. Leute wie Björn Höcke verachten die Bundesrepublik dafür, dass sie auf eine negative Ursprungserzählung gegründet ist: Nie wieder Auschwitz! Und es stimmt ja: Statt an die siegreiche Schlacht bei Leuthen oder die Kaiserkrönung Karls des Großen am ersten Weihnachtsfeiertag im Jahr 800 zu erinnern, kennt der deutsche Staatskalender den 27. Januar als Gedenktag der Befreiung von Auschwitz.

Deutschland ist das erste Land, das sein Selbstverständnis nicht auf ruhmreiche Taten der Vergangenheit gründet, sondern auf ein reuevolles Schuldeingeständnis. Seit Gründung der Bundesrepublik werfen Rechtsradikale ihr deshalb vor, in Sack und Asche zu gehen. Aus ihrer Sicht haben Nationen ein Anrecht auf ein gutes Gewissen – selbst um den Preis, die geschichtliche Wahrheit zu beugen. Vor einem Jahr gab es einen Skandal um das Buch des Historikers Rolf Peter Sieferle, Finis Germania. Der blies in dasselbe Horn: Der "Auschwitz-Mythos" verdamme die Deutschen zu "absoluten Tätern".

Wollte Alexander Gauland mit seiner Bemerkung, "Hitler und die Nazis" seien nur ein "Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte", provozieren, um die AfD im Gespräch zu halten? Nein, das kam von Herzen. Beziehungsweise von jenem Ort der Psychomotorik, wo die Zwangsneurosen sitzen: Wer nämlich wirklich fixiert auf die deutsche Schuld ist, das sind die Rechten. Wie kindliche Narzissten ertragen sie kein gebrochenes Selbstbild. Das führt zu der Paradoxie, dass der Holocaust die Rechten mehr um den Schlaf zu bringen scheint als die geübten bundesrepublikanischen Vergangenheitsbewältiger, die doch einen Modus Vivendi zwischen Scham, Schreck und Weiterleben gefunden haben.

Wer sich dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse bei rechten Verlagen umschaute, um zu sehen, mit welchen frischen Reizwörtern sie sich stimulieren, durfte feststellen: Auch 70 Jahre nach dem Vernichtungskrieg im Osten geht es immer noch darum, die Wehrmacht reinzuwaschen.

Es ist offenbar unmöglich, in Deutschland eine Partei am rechten Rand zu platzieren, ohne auf die schiefe Ebene der Vergangenheitsrevision zu geraten.


https://www.zeit.de/2018/24/alexander-g ... populismus
Kannst du mir bitte mal erklären, was ein Zeitungszitat aus der "die Zeit" zu Höcke und Gauland mit meinen Aussagen, dass keine Lehren aus der Geschichte gezogen werden, dass keine Verantwortung übernommen wird, weil nur Emotionen angesprochen werden und dass "die allermeisten Eltern ihren Kindern [nicht]sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen", weil es sie schlicht nicht inetessiert, weil ihnen das Hintergrundwissen fehlt, zu tun haben soll?

AfD, Höcke und Gauland haben mit dem, was ich geschrieben habe, nicht das Geringste zu tun!
Statt permanent in deine "räächts-Paranoia" zu erfallen, solltest du dich mal konkret zu getätigten Aussagen äußern.
Ständige Verwendung von Strohmannargumenten, Argumenten der Schuld durch Zugehörigkeit und/oder Argumentum ad hominem sind einer sachlichen Diskussion, in höchstem Maße abträglich!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Findulin »

Quatschki hat geschrieben:(25 May 2020, 21:12)

Wobei, obwohl das britische Imperium über die Ressourcen der halben Welt gebot, der Arbeiter in London, Liverpool oder Wales in bitterer Armut lebte.
Die Aristokratie hat von jeher Paläste, Sommerresidenzen, Landsitze, Jagdschloß-Anwesen und was weiß ich noch alles und man schaue sich das alles mal von innen und außen an, dann weiß man, wo das abgepresste Vermögen bleibt.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Heute ist der 22. Juni 2021. Vor 80 Jahren begann das Unternehmen Barbarossa, also der Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten auf die Sowjetunion.

Nachdem zwar auch schon davor zahlreiche Kriegsverbrechen und Massenmorde an Zivilisten verübt wurden, ist mit dem dem Angriff auf die Sowjetunion eine Steigerung ins Unermessliche festzustellen. Auch der Mord an den Juden eskalierte erst mit diesem Angriff zu einem nicht fassbaren Ausmass.

Zunächst wurden vor allem Männer im wehrfähigen Alter erschossen, aber noch im Sommer ging man dazu über, auch Ältere, Frauen und Kinder zu erschiessen. Die Anzahl der in diesen Massakern Getöteten steigerte sich ebenfalls, bis mit den Massenmorden in Kamenez Podolsk Ende August mit über 20.000 ein erster, und mit Babi Jar Ende September und über 30.000 Ermordeten (in nur zwei Tagen!) ein zweiter Höhepunkt erreicht wurde.

Für mich ist es immer noch unglaublich, wie solch ein Verbrechen in Gang gesetzt werden konnte. Nicht, dass es nicht Verrückte wie Hitler oder Himmler gäbe; das ist mir eingängig. Dass aber viele Soldaten, darunter gestandene Generale, Polizisten und allerlei andere "normale" Menschen dabei mitmachten, ist mir unbegreiflich. Dass es in der Wehrmacht nur so wenig Widerstand gegeben hat, ist verwunderlich, da man doch so viel auf soldatische Ehre hielt.

Gerade das Massaker von Kamenez Podolsk, aber auch Babi Jar wären nicht möglich gewesen ohne das Einverständnis und die Unterstützung der Wehrmacht. Und so wurde eben Dorf um Dorf, Stadt um Stadt, nach Juden durchkämmt, Gruben ausgehoben, und die Leute unterschiedslos erschossen, häufig unter Beteiligung der lokalen Bevölkerung.

Die moderne Technologie macht es möglich, Zugang zu allen möglichen Quellen zu erhalten, Augenzeugenberichte anzuhören und Vorlesungen von Experten (etwa Peter Hayes oder Christopher Browning) zu hören. Man weiss inzwischen sehr viel zu dem Thema - viel mehr also noch vor einer Generation.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Adam Smith »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:35)

Heute ist der 22. Juni 2021. Vor 80 Jahren begann das Unternehmen Barbarossa,

...

Für mich ist es immer noch unglaublich, wie solch ein Verbrechen in Gang gesetzt werden konnte. Nicht, dass es nicht Verrückte wie Hitler oder Himmler gäbe; das ist mir eingängig. Dass aber viele Soldaten, darunter gestandene Generale, Polizisten und allerlei andere "normale" Menschen dabei mitmachten, ist mir unbegreiflich. Dass es in der Wehrmacht nur so wenig Widerstand gegeben hat, ist verwunderlich, da man doch so viel auf soldatische Ehre hielt.
Auch reserve Polizisten haben Menschen direkt umgebracht.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Reserve ... aillon_101
Angehörige dieses Verbandes waren an der Ermordung von mindestens 38.000 Juden direkt beteiligt. Sie wirkten zudem an der Deportation von mindestens 45.000 Juden in die Vernichtungslager mit.

Am 13. Juli 1942 rückte das Bataillon in Józefów ein. Es deportierte alle arbeitsfähigen Juden nach Lublin, während alle anderen Juden, darunter überwiegend Frauen, Kinder und Kleinstkinder, in einem nahegelegenen Wald erschossen wurden (→ Massaker von Józefów). 1500 Menschen fielen der Polizeieinheit zum Opfer.[9] Das Besondere an diesem Massaker, das es von allen anderen der NS-Zeit unterscheidet, ist die minutiöse Dokumentation der Freistellung vom bzw. der Freiwilligkeit des Mordens. So trat Major Trapp mit tränenerfüllten Augen vor seine Truppe, erklärte den Auftrag, sprach weiter, dass ihm dieser missfalle, es aber ein Befehl sei. Schließlich bot er an, dass diejenigen, die meinten, diesen Auftrag nicht erfüllen zu können, vortreten könnten und dann straflos nicht daran teilnehmen müssten. Es traten ein Dutzend Männer vor, die nicht am Massaker teilnahmen und ebenfalls nicht bestraft wurden.
Es gibt dazu auch einen eigenen Wikipedia Eintrag.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Massake ... zef%C3%B3w

Eine Erklärung dafür gibt es schon.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Historikerstreit
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:35)

Die moderne Technologie macht es möglich, Zugang zu allen möglichen Quellen zu erhalten, Augenzeugenberichte anzuhören und Vorlesungen von Experten (etwa Peter Hayes oder Christopher Browning) zu hören. Man weiss inzwischen sehr viel zu dem Thema - viel mehr also noch vor einer Generation.
Ich habe z.B. bis vor kurzem nichts über die sowjetischen Massendeportationen aus Litauen gewußt, die 1 Woche (!) vor dem deutschen Angriff starteten und in Litauen als nationaler Gedenktag begangen werden.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Quatschki hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:56)

Ich habe z.B. bis vor kurzem nichts über die sowjetischen Massendeportationen aus Litauen gewußt, die 1 Woche (!) vor dem deutschen Angriff starteten und in Litauen als nationaler Gedenktag begangen werden.
Die baltischen Staaten sind wie die Osthälfte Polens und die westliche Ukraine sehr interessant, was die psychologische Reaktion auf die Vorkommnisse von 1917 bis 1945 angeht. Hier wüteten gleich zwei totalitäre Systeme, und es blühte der Hass auf die jeweiligen angeblichen oder tatsächlichen Kollaborateure und Schuldigen. Noch heute ist dieser Teil der Geschichte in jenen Ländern äusserst umstritten.

Neben den Deportationen brachte der NKWD unmittelbar vor dem Einrücken der Wehrmacht auch viele tausende politische Gefangene in den lokalen Gefängnissen und Polizeistationen um. Die Deutschen machten sich dies natürlich zunutze, indem sie dies öffentlich machten und behaupteten: Seht, was jüdische Bolschewisten getan haben! Jetzt rächt euch an ihnen zusammen mit uns!. So konnten sie den vorbestehenden Antisemitismus für ihre Zwecke ausnutzen. Auch psychologisch war es sehr geschickt, einen Sündenbock zu benennen, weil viele Einheimische, die vielleicht auch mit den Sowjets kollaboriert hatten, sich durch Beteiligung an Pogromen quasi von jedem Verdacht reinwaschen konnten - vielleicht auch gegenüber sich selbst.

Die systematische Erschiessung der Juden in Litauen und Lettland im Jahre 1941 hätte aber ohne die Deutschen nicht stattgefunden. Sie hatte auch erst mit dem Einmarsch der Wehrmacht begonnen und wurde von Deutschen orchestriert. Mir ist im übrigen auch nicht bekannt, dass die Sowjets in diesem Ausmass und so systematisch ganze Familien einschliesslich der Kinder ermordeten und eine regelrechte Hetzjagd veranstalteten, bis auch der Letzte gefunden war.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Adam Smith »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 19:43)

Die systematische Erschiessung der Juden in Litauen und Lettland im Jahre 1941 hätte aber ohne die Deutschen nicht stattgefunden. Sie hatte auch erst mit dem Einmarsch der Wehrmacht begonnen und wurde von Deutschen orchestriert. Mir ist im übrigen auch nicht bekannt, dass die Sowjets in diesem Ausmass und so systematisch ganze Familien einschliesslich der Kinder ermordeten und eine regelrechte Hetzjagd veranstalteten, bis auch der Letzte gefunden war.
Der NKWD hat Kinder von Mitgliedern der obersten Führung vergewaltigt, damit Stalin stolz erklären konnte, dass die Person zugegeben hat ein Spion zu sein. Die Person hat sich unter Folter bis dahin verweigert. Die Person hat sich verdächtig gemacht, weil sie zwar Listen von Todesurteilen unterschrieben hat, aber auch mal gnädig war.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Teeernte »

Adam Smith hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:54)

Auch reserve Polizisten haben Menschen direkt umgebracht.
Der Gewinner schreibt die Geschichte..
Holocaust im stalinistischen Regime
Davon wollen die Russen bis Heute nichts wissen.
Das sowjetische System hat den Faschismus dem Zionismus gleichgestellt. Die Anhänger des Zionismus wollten einen eigenen Staat in Palästina gründen.....
Lesenswert..>>

https://www.grin.com/document/135854

Ja,
„ Die Einsatzgruppen von Reichsseite setzten den Mordauftrag sogleich gemeinsam mit der örtlichen ukrainischen, weißrussischen oder litauischen Miliz um. Während für die SS und die NS-Führung beim Angriff auf die Sowjetunion die endgültige Vernichtung der Juden Priorität besaß, orientierte sich die Wehrmacht stärker auf den Antibolschewismus als auf den Antisemitismus.“


Der Einmarsch der Roten Armee hat den Juden Hoffnung gegeben, denn sie hatten sowjetische Truppen als Befreier betrachtet.


Ganz umgekehrt war das in Polen, baltischen Staaten und Rumänien. Diese Staaten betrachteten die Rotarmisten als Eindringlinge.

Man nannte Juden in diesen Ländern Verräter des Landes.

In diesen Ländern hat man die deutsche Armee als Befreier angesehen, die die einheimische Bevölkerung von der sowjetischen Unterdrückung retten wird. In den ersten Tagen der deutschen Besatzung wurden z.B. durch eine litauische Gruppe 5000 Juden getötet.


Im Lauf der fünf Monate des Krieges vornehmlich im Baltikum und Bessarabien wurden durch 3000 Mann starke Spezialeinheiten der SS und der Polizei mit Unterstützung von 170 mobilen Polizeibataillonen, die mehrheitlich aus einheimischen Freiwilligen, Balten, Ukrainern, Russen, Kosaken, Belorussen, Tataren und anderen Nationalitäten bestand, eine halbe Million Juden vernichtet.
Die Stalinistische Verfolgung der Juden nahm im Land der Sieger kein Ende...
Vor 65 Jahren wurden die sowjetischen Juden in Todesangst versetzt, denn der KGB „enttarnte“ ein angebliches Komplott jüdischer Ärzte. Die Mediziner hätten die Sowjetführung ausschalten wollen, so Stalins Propaganda.

Die Folge war eine landesweite antisemitische Hetzkampagne.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/an ... _id=407175
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Ein wenig scheint mir da schon der Wunsch da zu sein, zu zeigen, dass andere ja auch Verbrechen begingen. Und dass die Deutschen bei ihren Verbrechen Hilfe von lokalen Handlangern hatten.

Während dies nicht unbedingt falsch ist und solche Reaktionen psychologisch verständlich sind, erklärt es dennoch nicht, wie die Deutschen selbst, die 1941 zu jeder Zeit die Kontrolle und die Initiative hatten, systematisch zu morden begangen, und spätestens im August dazu übergingen, auch Frauen und Kinder in grosser Zahl zu ermorden.

Wer den Judenmord verstehen möchte, muss wohl hier ansetzen. Auschwitz kommt ja sehr viel später. Dass das Unternehmen Barbarossa anders als andere Feldzüge verlaufen sollte, hatte sich ja schon früher abgezeichnet, spätestens im März 1941. Aus dieser Vermischung von radikaler Ideologie, totalem Krieg, Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche Kommissare (später: Partisanen) scheint dann tatsächlich der Massenmord an den Juden hervorgegangen zu sein. Ob die Täter selbst an die Rechtfertigungen geglaubt haben, als sie Kinder mit Genickschuss ermordeten?

Auch sowjetische Kriegsgefangene hat man systematisch und von Anfang in Massen verhungern lassen. Es war offenbar nie wirklich geplant, hier irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen, die es den Leuten ermöglicht hätten zu überleben. Mit soldatischer Ehre ist ein solches Verhalten nicht vereinbar.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Der Kutscher »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:37)
Dass das Unternehmen Barbarossa anders als andere Feldzüge verlaufen sollte, hatte sich ja schon früher abgezeichnet, spätestens im März 1941. Aus dieser Vermischung von radikaler Ideologie, totalem Krieg, Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche Kommissare (später: Partisanen) scheint dann tatsächlich der Massenmord an den Juden hervorgegangen zu sein.
Historisch nicht unumstritten, es gibt im wesentlichen 2 Meinungen zum Beginn des Holocaust: September1939 nach dem Überfall auf Polen oder eben 22. Juni 1941 der Überfall auf die Sowjetunion. Für die Meinung September1939 spricht das bereits alle Methoden systematischer Judenvernichtung angewendet wurden in Polen: Massenexekutionen, Hunger, Ersticken durch Abgase oder Gas. Dagegen spricht das es bis 1940 noch die Flucht deutscher Juden möglich war, das "Auswanderungsverbot" wurde im Oktober 1941 erlassen.
Der Kutscher

Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Der Kutscher »

Teeernte hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:16)
Davon wollen die Russen bis Heute nichts wissen.
Der Antisemitismus ist keine rein deutsche Erfindung und kein rein deutsches Problem, er war in der Sowjetunion vor 1933 vorhanden, während des Krieges und auch noch nach 1945. Bin mir nicht mal sicher wie das heute dort aussieht. :|
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Tom Bombadil »

Der Kutscher hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:06)

Historisch nicht unumstritten, es gibt im wesentlichen 2 Meinungen zum Beginn des Holocaust: September1939 nach dem Überfall auf Polen oder eben 22. Juni 1941 der Überfall auf die Sowjetunion.
Die Shoah begann mMn. spätestens im April 1933: https://www.dw.com/de/wie-die-verfolgun ... a-16700399 Die industrielle Vernichtung der Juden, die "Endlösung der Judenfrage", begann am 20. Januar 1942.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Teeernte »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:37)

Ein wenig scheint mir da schon der Wunsch da zu sein, zu zeigen, dass andere ja auch Verbrechen begingen..
Man sollte die Geschehnisse in die historische Situation einorden.

Für die Zeit - würde der Film - Das weiße Band helfen..... und die Kinder hatten schon Schuhe im Sommer - das war in den deutschen Ostprovincien noch nicht so.
Das jahrzehntelange Schweigen über polnisches Mitwirken am Holocaust hat im Jahr 2000 der Historiker Jan Tomasz Gross mit seinem Buch "Nachbarn" gebrochen. Er beschreibt den Judenpogrom im ostpolnischen Dorf Jedwabne von 1941, an dem polnische Dorfbewohner beteiligt waren. 2012 berichtet Zaremba in seinem Buch "Große Angst" über Plünderungen jüdischer Häuser durch Polen, über Denunziationen der Juden durch polnische Kollaborateure und über andere Pogrome während des Holocausts. Zu Pogromversuchen sei es bereits 1940 im besetzten Warschau gekommen. Zaremba erinnert zudem an die Tatsache, dass bei der Niederschlagung des Aufstandes im Warschauer Ghetto auch die polnische Polizei beteiligt war.
https://www.mdr.de/nachrichten/welt/ost ... o-100.html
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Der Kutscher hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:06)

Historisch nicht unumstritten, es gibt im wesentlichen 2 Meinungen zum Beginn des Holocaust: September1939 nach dem Überfall auf Polen oder eben 22. Juni 1941 der Überfall auf die Sowjetunion. Für die Meinung September1939 spricht das bereits alle Methoden systematischer Judenvernichtung angewendet wurden in Polen: Massenexekutionen, Hunger, Ersticken durch Abgase oder Gas. Dagegen spricht das es bis 1940 noch die Flucht deutscher Juden möglich war, das "Auswanderungsverbot" wurde im Oktober 1941 erlassen.
Ich bin da kein Experte. Ich finde auf jeden Fall Ansätze, die von einer Eskalation über mehrere Stufen ausgehen, überzeugender als Ansätze, die davon ausgehen, dass alles von vorn herein geplant war.

Es gibt viele Hinweise, die die These unterstützen, dass der Entschluss um den Juli/ August 1941 herum gefallen sein könnte. So hat Heydrich ja schon Ende Juli den Befehl von Göring erhalten, sich um die Endlösung zu kümmern. Dass die Wannseekonferenz erst im Januar 1942 stattfand, hatte organisatorische Gründe.

1939/40 würde ich als zu früh ansehen. Ja, man hatte Erfahrungen mit Vergasungen gesammelt; diese betrafen aber vor allem psychisch Kranke im Rahmen der Aktion T4. Ja, man hatte bereits tausende Juden in Polen ermordet, aber bisher wenig systematisch. Erst später macht man sich die Expertise, die man aus T4 gewonnen hatte, für andere Zwecke zunutze.

So begannen die Arbeiten für Belzec im November 1941 (Inbetriebnahme März 1942). Als erstes Vernichtungslager ging allerdings Chelmno, das auf dem Einsatz von Gaswagen beruhte, im Dezember 1941 in Betrieb.

Auf jeden Fall scheint die These, der Entschluss zur Vernichtung wäre nach den ersten deutschen Niederlagen (etwa vor Moskau im Dezember 1941) gefasst worden, falsch zu sein. Ja, es ist sogar so, dass eine Mehrheit der Opfer bereits vor der ersten grossen deutschen Niederlage Anfang 1943 in Stalingrad tot war. 1942 ist der eigentliche Höhepunkt des Massenmordes, insbesondere die Zeit von Ende Juli 1942 bis Oktober/ November 1942. Dies wird manchmal verdunkelt durch die hohe symbolische Bedeutung von Auschwitz, das aber eigentlich erst ab 1943 einen grossen Beitrag zum Massenmord leistet (und dann natürlich noch einmal ab Mai 1944 im Rahmen der Vernichtung der ungarischen Juden).

Um auf das Unternehmen Barbarossa zurückzukommen, so glaube ich, dass die Erfahrungen mit den Massentötungen ab dem 22. Juni 1941 entscheidend dazu beigetragen haben, den Verantwortlichen zu zeigen, dass eine umfassende Vernichtung im Bereich des Möglichen lag.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Adam Smith »

Der Kutscher hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:08)

Der Antisemitismus ist keine rein deutsche Erfindung und kein rein deutsches Problem, er war in der Sowjetunion vor 1933 vorhanden, während des Krieges und auch noch nach 1945. Bin mir nicht mal sicher wie das heute dort aussieht. :|
Kurios ist, dass es am Ende sogar Molotow selber erwischt haben könnte. Den Mann mit den Stalin ganz privat am Rande den Holodomor besprochen hat. Menschen starben an Hunger, weil es wichtig für das Wirtschaftswachstum war.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:18)

Die Shoah begann mMn. spätestens im April 1933: https://www.dw.com/de/wie-die-verfolgun ... a-16700399 Die industrielle Vernichtung der Juden, die "Endlösung der Judenfrage", begann am 20. Januar 1942.
Deine erste Aussage hängt davon ab, wie man den Begriff der Shoah definiert. Deine zweite Aussage halte ich für falsch, denn die Wannseekonferenz war eine sehr kurze Zusammenkunft, auf der vor allem über organisatorische Aspekte diskutiert wurde.

Die Beschlüsse waren im Januar 1942 längst schon gefasst: Die drei Vernichtungslager der Aktion Reinhardt waren schon seit November 1941 in Bau, und Chelmno war sogar schon seit Dezember 1941 in Betrieb. Ausserdem würde ich persönlich keinen bedeutenden Unterschied machen zwischen der Vernichtung durch Massenerschiessungen spätestens ab August 1941 und der Vernichtung in Lagern ab Dezember 1941/ März 1942.

Man kann natürlich sagen, dass man mit "industriellem" Massenmord nur die Vergasungen, nicht aber die Erschiessungen meint, würde damit aber meiner Meinung nach wesentliche Aspekte des frühen Massenmordes übersehen. Erschiessungen waren ein bedeutender Teil des Massenmordes, vor allem, aber nicht nur, in der Frühphase. Auch später wurden bei Aktionen und Deportationen immer auch bedeutende Anteile der Menschen erschossen.

Die Erschiessungen waren auch systematisch und erforderten Organisationsaufwand. Vor allem aber glaube ich, dass man nur durch sie den Übergang zum systematischen Massenmord ab Juni 1941 versteht.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Teeernte »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:40)

Ich bin da kein Experte. Ich finde auf jeden Fall Ansätze, die von einer Eskalation über mehrere Stufen ausgehen, überzeugender als Ansätze, die davon ausgehen, dass alles von vorn herein geplant war.

.
Die "unterste "Schicht" der Toten waren Deutsche...Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten...
Während der Novemberpogrome 1938 wurden 26.000 Juden inhaftiert, um sie zur Emigration zu zwingen und ihr Vermögen zu arisieren.[15] Ende 1938 wurden fast 60.000 Menschen in Konzentrationslagern festgehalten.[16]

1939 bis 1941
Zur weiteren Entwicklung der Konzentrationslager in der dritten Phase, die nach Beginn des Überfalls auf Polen bis Mitte 1941 bzw. Anfang 1942 andauerte, trugen mehrere Faktoren bei. Die Häftlinge wurden in SS-Produktionsstätten wie Steinbrüchen und Ziegeleien eingesetzt. Nach einer Inhaftierungswelle in Deutschland stiegen die Häftlingszahlen, die vor Kriegsbeginn auf 21.000 gesunken waren,[16] rapide an und verdoppelten sich binnen kürzester Zeit. Ende 1940 befanden sich 53.000 Häftlinge in deutschen Konzentrationslagern.[17] Zudem veränderte sich wieder die Zusammensetzung der Häftlinge. Waren es am Anfang vor allem noch Deutsche, so kamen mit Beginn des Krieges vor allem Menschen aus den von Deutschland eroberten Gebieten, also Zivilpersonen aus Polen, Frankreich, Tschechien, Jugoslawien, den Niederlanden, Belgien und Soldaten der Sowjetunion. Unter diesen Häftlingen waren viele Juden, Roma und Sinti.
https://de.wikipedia.org/wiki/Konzentrationslager
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Der Kutscher hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:08)

Der Antisemitismus ist keine rein deutsche Erfindung und kein rein deutsches Problem, er war in der Sowjetunion vor 1933 vorhanden, während des Krieges und auch noch nach 1945. Bin mir nicht mal sicher wie das heute dort aussieht. :|
Hätte man um 1900 jemanden gefragt, welches Land er am ehesten einen Massenmord an den Juden zugetraut hätte, so hätte derjenige wohl Russland genannt. Es gab viele Länder, in denen der Antisemitismus vor dem Ersten Weltkrieg stärker ausgeprägt war als in Deutschland.

Deswegen glaube ich, dass man sich die Geschichte ab 1933 ansehen muss, um den Massenmord an den Juden zu verstehen. Es war davor keine Notwendigkeit, dass es so gekommen ist, und dass es so in Deutschland gekommen ist. Ich halte nichts von Leuten, die auf mittelalterliche Pogrome und Luther verweisen und meinen, der Massenmord an den Juden sei den Deutschen durch ihre Kultur in die Wiege gelegt worden. Pogrome und Ausweisungen von Juden gab es auch anderswo, ob das nun England ist, Spanien, die Schweiz, Frankreich oder Russland.

Genau deswegen ist es aber auch kein Argument, den Massenmord dadurch einordnen zu wollen, dass es Antisemitismus ja auch ausserhalb Deutschlands gab. Das ist natürlich richtig, dennoch glaube ich nicht, dass Polen, die Sowjetunion, Litauen, Lettland oder die Ukraine jemals zu einer systematischen Ermordung ihrer jüdischen Bevölkerung übergegangen wären. Selbst Ungarn hat sich dagegen gewehrt, seine Juden den deutschen Häschern auszuliefern.

Ein interessanter Fall ist jedoch Rumänien. Es ist das einzige Land, das ohne deutsche Besatzung mit dem Völkermord begonnen hat.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Teeernte »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 22:03)

Hätte man um 1900 jemanden gefragt, welches Land er am ehesten einen Massenmord ....

... Völkermord begonnen hat.
Die Motive sind unterschiedlich .... (Der Völkermord an den Herero und Nama 1904..1908) und nicht nur in deutscher Geschichte.

Motiv Hitler unterschiedlich Motiv Goebbels unterschiedlich zum SSMann - und unterschiedlich zum mittätigem Nachbarn.
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
Der Kutscher

Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Der Kutscher »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:53)
Die Beschlüsse waren im Januar 1942 längst schon gefasst: Die drei Vernichtungslager der Aktion Reinhardt waren schon seit November 1941 in Bau, und Chelmno war sogar schon seit Dezember 1941 in Betrieb. Ausserdem würde ich persönlich keinen bedeutenden Unterschied machen zwischen der Vernichtung durch Massenerschiessungen spätestens ab August 1941 und der Vernichtung in Lagern ab Dezember 1941/ März 1942.

Man kann natürlich sagen, dass man mit "industriellem" Massenmord nur die Vergasungen, nicht aber die Erschiessungen meint, würde damit aber meiner Meinung nach wesentliche Aspekte des frühen Massenmordes übersehen. Erschiessungen waren ein bedeutender Teil des Massenmordes, vor allem, aber nicht nur, in der Frühphase. Auch später wurden bei Aktionen und Deportationen immer auch bedeutende Anteile der Menschen erschossen.

Die Erschiessungen waren auch systematisch und erforderten Organisationsaufwand. Vor allem aber glaube ich, dass man nur durch sie den Übergang zum systematischen Massenmord ab Juni 1941 versteht.
Das sehe ich aber auch so, das Massaker von Babyn Jar fand am 29./30.09.1941 statt und kostete mindestens 33.000 Juden das Leben, sehr viele Frauen und Kinder darunter. "Industriell" war diese Vernichtungsaktion noch nicht, aber systematisch und gut vorbereitet. Gerade bei diesem Massaker zeigte sich die sehr enge Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht und SS.
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Kritikaster
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Kritikaster »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:18)

Die Shoah begann mMn. spätestens im April 1933: https://www.dw.com/de/wie-die-verfolgun ... a-16700399 Die industrielle Vernichtung der Juden, die "Endlösung der Judenfrage", begann am 20. Januar 1942.
Korrekt.

Zu behaupten, die Shoah begänne erst mit dem Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion, ist Geschichtsklitterung. Wem die Aussagen aus "Mein Kampf" nicht genügen, die Absichten Hitlers zu erkennen, die er, entsprechende Möglichkeiten vorausgesetzt, auch umzusetzen gedachte, sei an seine Reichstagsrede vom Januar 1939 anlässlich des 6. Jahrestages der Machtergreifung erinnert, in der er seine Vernichtungspläne bezüglich der europäischen Juden für den Fall eines neuerlichen (von ihm angestrebten) Weltkriegs so deutlich verkündete, wie es nur möglich war.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Aber in dem Zeitraum Dreißiger Jahre ungefähr bis Sommer 1941 hatte Stalin mehr Juden umgebracht als Hitler,
natürlich nicht, weil sie Juden waren, sondern nach Artikel 58 Absatz 4,5,6 oder 7 usw. des sowjetischen Strafgesetzbuches als Konterrevolutionäre, Agenten, Schädlinge usw.
und das zu Friedenszeiten!
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Kritikaster hat geschrieben:(23 Jun 2021, 18:13)

Korrekt.

Zu behaupten, die Shoah begänne erst mit dem Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion, ist Geschichtsklitterung. Wem die Aussagen aus "Mein Kampf" nicht genügen, die Absichten Hitlers zu erkennen, die er, entsprechende Möglichkeiten vorausgesetzt, auch umzusetzen gedachte, sei an seine Reichstagsrede vom Januar 1939 anlässlich des 6. Jahrestages der Machtergreifung erinnert, in der er seine Vernichtungspläne bezüglich der europäischen Juden für den Fall eines neuerlichen (von ihm angestrebten) Weltkriegs so deutlich verkündete, wie es nur möglich war.
Es hat nichts mit Geschichtsklitterung zu tun, die Frage zu stellen, wann der Entschluss zum Massenmord gefallen ist und wann er durchgeführt worden ist. Das sehen auch namhafte Historiker so, unabhängig davon, was in Deutschland derzeit als politisch korrekt angesehen wird.

Historiker sind vorsichtig genug, nicht jedes Wort einer historischen Figur auf die Goldwaage zu legen, sondern es stattdessen in einen Kontext zu bringen. Was wollte der Mann damit aussagen? Meinte er auch, was er sagte? Wer war der Adressat, was war das Motiv?

Es gibt einen Unterschied zwischen Drohungen, vagen Vorstellungen und konkreten Plänen. Es wäre beispielsweise eher unlogisch, im Januar 1939 zur Vernichtung der Juden entschlossen zu sein, gleichzeitig aber die Ausreise von Juden noch bis Oktober 1941 zu erlauben. Auch bei der Entwicklung des Massenmordes gab es so viele Improvisationen und Zufälle, dass man davon ausgehen muss, dass die Methoden nicht von vornherein geplant waren, sondern sich Schritt für Schritt entwickelt haben.

Die geistige Einstellung der Mörder musste auch erst hergestellt werden. 1933 haben viele noch ganz anders gedacht als 1941.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Quatschki hat geschrieben:(23 Jun 2021, 18:45)

Aber in dem Zeitraum Dreißiger Jahre ungefähr bis Sommer 1941 hatte Stalin mehr Juden umgebracht als Hitler,
natürlich nicht, weil sie Juden waren, sondern nach Artikel 58 Absatz 4,5,6 oder 7 usw. des sowjetischen Strafgesetzbuches als Konterrevolutionäre, Agenten, Schädlinge usw.
und das zu Friedenszeiten!
Die Nationalsozialisten haben von 1933 bis Kriegsbeginn 1939 relativ wenige Menschen getötet, viel weniger als in der Zeit danach, und auch viel weniger als die Kommunisten in der Sowjetunion in den Dreissigerjahren töteten. Stalin war da schon mit seinen grossen Säuberungen, denen hunderttausende zum Opfer fielen, beschäftigt. Schon zuvor waren Millionen in durch die Zwangskollektivierung ausgelösten Hungersnöten umgekommen.

Ich glaube, dass viele die Entwicklung, die der Nationalsozialismus brauchte, unterschätzen. Es war 1933/34 noch lange nicht klar, dass die Nationalsozialisten sich ihrer Macht sicher sein konnten. Noch bei der Nacht der langen Messer im Sommer 1934 hatten Hitler und seine Kumpane Angst, dass sie mit ihren Morden nicht durchkommen würden, und dass es etwa Kritik in der Öffentlichkeit oder Widerstand bei der Reichswehr geben würde.

Man hat viel experimentiert und geschaut, was geht und was nicht, und hat sich so langsam vorgetastet. Viele mussten vielleicht auch erst einmal herausfinden, wozu sie selbst in der Lage waren.

Selbstverständlich ging dann im Krieg sehr viel mehr als im Frieden. Aber auch hier gibt es Abstufungen; der Polenfeldzug und die nachfolgende Besatzung waren zwar blutig, aber immer noch auf einer ganz anderen Stufe als das, was am 22. Juni 1941 begann.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Vongole »

Michael Alexander hat geschrieben:(23 Jun 2021, 19:08)
(..)

Die geistige Einstellung der Mörder musste auch erst hergestellt werden. 1933 haben viele noch ganz anders gedacht als 1941.
Die geistige Einstellung der Mörder wurde bereits nach dem 1.Weltkrieg "hergestellt", indem man den Juden die Schuld am verlorenen Krieg zuschob und sie beschuldigte,
Anhänger des Kommunismus zu sein, um mittels dieser Ideologie die Weltmacht anzustreben.
Viel mussten die Nazis da nicht machen, derJudenhass war ja schon immer da, und fand von 1933 bis zur Kapitulation willige Vollstrecker nicht nur in SS und SA, sondern auch durch Otto Normalbürger.

Auch wenn Hitler anfangs wohl an Vertreibung dachte, siehe der Madagaskar-Plan, wurde er spätestens am 30.Jan. 1939 sehr deutlich.
Für die Juden der Welt macht es jedenfalls keinen Unterschied, wann der Plan gefasst wurde, sondern dass er gefasst und durchgeführt wurde!
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Tom Bombadil »

Hitler in einer Rede am 6. April 1920: „Wir wollen keine Gefühlsantisemiten sein, die Pogromstimmung erzeugen wollen, sondern es beseelt uns die unerbittliche Entschlossenheit, das Übel an der Wurzel zu packen und mit Stumpf und Stiel auszurotten. Um unser Ziel zu erreichen, muss uns jedes Mittel recht sein, selbst wenn wir uns mit dem Teufel verbinden müßten.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Endl%C3%B ... Judenfrage
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Vongole hat geschrieben:(23 Jun 2021, 19:43)

Die geistige Einstellung der Mörder wurde bereits nach dem 1.Weltkrieg "hergestellt", indem man den Juden die Schuld am verlorenen Krieg zuschob und sie beschuldigte,
Anhänger des Kommunismus zu sein, um mittels dieser Ideologie die Weltmacht anzustreben.
Viel mussten die Nazis da nicht machen, derJudenhass war ja schon immer da, und fand von 1933 bis zur Kapitulation willige Vollstrecker nicht nur in SS und SA, sondern auch durch Otto Normalbürger.
Antisemitismus gab es vor 1933 auch in anderen Ländern, und ich würde sagen, sogar mehr als in Deutschland. Deswegen glaube ich, dass man sehr wohl die Jahre nach 1933 anschauen muss, um zu verstehen, was aus welchen Gründen passiert ist. Der Nationalsozialismus war kein fertiger Film, der ab 1933 einfach abgelaufen ist, sondern er hat sich dynamisch entwickelt. Dazu gehörte auch eine gewisse Dynamik des nationalsozialistischen Herrschaftssystems, das eher chaotisch und ungeregelt war und Raum für Eigeninitiative liess.

Es ist ein Unterschied, ob man seinen Hass nur denkt, ihn ausspricht, einem anderen ins Gesicht schlägt, einen anderen schwer verletzt oder umbringt, oder ob man im Blut watet, weil man gerade hunderte von Menschen erschossen hat. Ich halte den Gedanken, dass die Deutschen dazu 1933 willens und in der Lage gewesen wären, für falsch. 1941 aber waren sie es (oder zumindest eine ausreichend grosse Zahl).

Im übrigen gehe ich davon aus, dass es erstens schlimme Antisemiten gab, die einem Juden nie auch nur ein Haar gekrümmt haben - einfach, weil sie psychisch nicht dazu in der Lage waren. Zweitens gab es sicher auch viele Mörder unter den Einsatzgruppen, die gar nicht antisemitisch eingestellt waren, sondern einfach taten, was man ihnen befohlen hat, und es als lästige Arbeit empfunden haben. Aber auch diese Abstumpfung muss man erst einmal herstellen.
Vongole hat geschrieben:(23 Jun 2021, 19:43)
Auch wenn Hitler anfangs wohl an Vertreibung dachte, siehe der Madagaskar-Plan, wurde er spätestens am 30.Jan. 1939 sehr deutlich.
Für die Juden der Welt macht es jedenfalls keinen Unterschied, wann der Plan gefasst wurde, sondern dass er gefasst und durchgeführt wurde!
Die Rede im Januar 1939 ist ein wichtiger Beleg auf einer Treppe von Eskalationsstufen. Aber das ist ja genau das, was ich sage: Es war nicht 1933 alles schon bestellt, sondern es hat sich entwickelt. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass die frühen Pläne der Nationalsozialisten für eine Aussiedlung der Juden - zunächst nach Madagaskar, dann nach Osten - Lügen waren. Später waren sie es freilich, und Aussiedlung wurde zu einem Codewort für das Töten.

Die Verkürzung auf Hitler finde ich auch immer problematisch. Verständlich, denn sie kann der Entlastung anderer Deutscher dienen. Nicht Hitler selbst hat aber Millionen Leute ermordet, zumindest nicht direkt. Es mussten sich erst Bürokraten, Organisatoren und Schlächter finden, die hier die Initiative ergreifen und mitmachen wollten. Man musste auch erst die Methoden entwickeln, man musste schauen, wen man einbinden kann und wen nicht, und wie die Öffentlichkeit reagiert. Viele mussten sich wohl auch erst selbst darüber klar werden, was sie können und was nicht.

Für mich sind dies alles interessante Fragen. Man kann natürlich auch sagen: Alles egal, es ist halt passiert und lässt sich nicht ändern. Und wie es genau passiert ist, interessiert nicht. Das finde ich eine erstaunliche Ansicht, die mir persönlich fremd ist.
Michael Alexander
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Tom Bombadil hat geschrieben:(23 Jun 2021, 20:00)

Hitler in einer Rede am 6. April 1920: „Wir wollen keine Gefühlsantisemiten sein, die Pogromstimmung erzeugen wollen, sondern es beseelt uns die unerbittliche Entschlossenheit, das Übel an der Wurzel zu packen und mit Stumpf und Stiel auszurotten. Um unser Ziel zu erreichen, muss uns jedes Mittel recht sein, selbst wenn wir uns mit dem Teufel verbinden müßten.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Endl%C3%B ... Judenfrage
Tja, warum haben die Nationalsozialisten dann nicht am 31. Januar 1933 gleich alle 500.000 Juden in Deutschland umgebracht, wenn das doch der Plan war? Warum haben sie hunderttausende ausreisen lassen? Warum hat Hitler erst 1939 öffentlich von der Vernichtung gesprochen?

So einfach ist es eben nicht. Es mag sein, dass Hitler schon immer motiviert war, Juden umbringen zu lassen. Davon zu fantasieren; es für möglich zu halten; es umzusetzen sind aber unterschiedliche Dinge. Ausserdem musste Hitler erst einen Staatsapparat und grosse Teile der Gesellschaft dafür gewinnen; das wird in Deutschland immer gerne vergessen. Oder hat Hitler alle eigenhändig ermordet?

Auch alle psychisch Kranken wollte Hitler umbringen lassen. Warum hat er das aber erst 1939/39 in Angriff genommen? Warum wurde das Programm später stark zurückgefahren, ja, teilweise sogar eingestellt?

Man sieht: Es geht nicht nur um Fantasien und Drohungen, sondern auch darum, was tatsächlich machbar und umsetzbar ist. Deswegen haben Massenmorde eine Geschichte. Mich wundert es, dass gerade in Deutschland das Interesse an diesen Fragen eher begrenzt zu sein scheint. Hitler war schon immer antisemitisch und wollte alle Juden umbringen, das wurde umgesetzt, fertig. Keine weiteren Fragen.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Kritikaster »

Michael Alexander hat geschrieben:(23 Jun 2021, 19:08)

... Was wollte der Mann damit aussagen? Meinte er auch, was er sagte? Wer war der Adressat, was war das Motiv? ...
Wer nicht an Relativierungsversuchen interessiert ist und ganz einfach lesen und hören kann, bei dem gibt es da nicht die geringsten Zweifel.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von sünnerklaas »

Michael Alexander hat geschrieben:(23 Jun 2021, 20:29)

Tja, warum haben die Nationalsozialisten dann nicht am 31. Januar 1933 gleich alle 500.000 Juden in Deutschland umgebracht, wenn das doch der Plan war? Warum haben sie hunderttausende ausreisen lassen? Warum hat Hitler erst 1939 öffentlich von der Vernichtung gesprochen?

So einfach ist es eben nicht. Es mag sein, dass Hitler schon immer motiviert war, Juden umbringen zu lassen. Davon zu fantasieren; es für möglich zu halten; es umzusetzen sind aber unterschiedliche Dinge. Ausserdem musste Hitler erst einen Staatsapparat und grosse Teile der Gesellschaft dafür gewinnen; das wird in Deutschland immer gerne vergessen. Oder hat Hitler alle eigenhändig ermordet?

Auch alle psychisch Kranken wollte Hitler umbringen lassen. Warum hat er das aber erst 1939/39 in Angriff genommen? Warum wurde das Programm später stark zurückgefahren, ja, teilweise sogar eingestellt?

Man sieht: Es geht nicht nur um Fantasien und Drohungen, sondern auch darum, was tatsächlich machbar und umsetzbar ist. Deswegen haben Massenmorde eine Geschichte. Mich wundert es, dass gerade in Deutschland das Interesse an diesen Fragen eher begrenzt zu sein scheint. Hitler war schon immer antisemitisch und wollte alle Juden umbringen, das wurde umgesetzt, fertig. Keine weiteren Fragen.
Dafür gibt es verschiedene Gründe: zum einen galt es nach der Machtergreifung zuallererst, den Machterhalt abzusichern und auszubauen. Dazu mussten sowohl äußere, als auch innerparteiliche Gegner ausgeschaltet werden. Im eigenen Lager war das der sozialistische Strasser-Flügel, aber auch die aristokratische Rechte um General Schleicher. Als dann auch noch der im Exil in Doorn sitzende Willem Zwo abgelehnt hat, als Kaiser von Hitlers Gnaden zurück zu kommen, war der Weg für Hitler frei.
Dazu galt es, den Rückhalt in der Bevölkerung zu stärken: Hitler und seine Kumpane mussten sich spürbar als Helden und große Wohltäter präsentieren. Dazu gehörte vor allem, die Massenarbeitslosigkeit auf schnellstem Wege zu beseitigen - dabei waren alle Mittel recht, auch Betrug. Hitlers Finanz- und Währungspolitik ist übrigens außerordentlich interessant und liefert den Schlüssel für viele später begangene Verbrechen.
Am Anfang stand ein riesengroßer, vorsätzlich begangener Betrug, danach kamen die immer größer werdenden Raubzüge, danach die Shoah.
Zusammenfassend ist zu konstatieren: die Nazis konnten sich bereichern, sie konnten betrügen, sie konnten rauben und Millionen Menschen industriell töten. Nur eines konnten sie definitiv nicht: mit Geld umgehen.
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