NMA hat geschrieben:(26 Oct 2019, 22:42)
Ich habe einmal ganz knapp die Chance verpasst, Stefan Aust, der Autor vom Buch "Deutschland, Deutschland", zu fragen, wir gefährlich die Nacht des 9. November 89 war.
Die Öffnung der Grenze, unsichere Grenzsoldaten, und ein offener eiserner Vorhang. Im Osten eine Militärs, die ohnehin wegen Gorbatschows Progressivität frustriert waren.
Was wäre passiert, wenn in dieser Nacht ein Schuss gefallen wäre? Warum ist das nicht passiert? Warum hat der Osten zugesehen, wie ihm die Felle davonschwimmen?
Kurzfristig: Die Lage ist undurchsichtig, aber es lässt sich feststellen, dass die Beziehung Krenz-Honecker und die intrigante Tradition der Königsmorde hier eine Rolle gespielt haben mag. Immerhin verlief auch der Oktober zuvor nicht so friedlich. Offensichtlich war in den Eliten die Bereitschaft zur klassischen Staatsräson nicht mehr überwiegend. Im Oktober reagiert Honecker geradezu zaghaft: Zwar sind Sicherheitsorgane in voller Bereitschaft (08.10.), aber sie beobachten mehr, als dass sie durchgreifen sollen. Somit sind die Weichen schon für den November gestellt.
Langfristig: Es gab übrigens genaue Pläne für den Fall des Krieges oder Insubordination, der nordkoreahafte Ausmaße annahm: Aber all dies war ein Produkt des heißen Kalten Krieges, der Ulbricht-Zeit und unter dem Eindruck von 1953 entstanden. Die Honeckers mögen zwar parteikonservative Hardliner gewesen sein, aber anders als Ulbricht führte Honecker die DDR mit menschenfreundlicheren Mitteln, wenn man das überhaupt sagen konnte: 40-Stunden-Woche, Verbesserung der Situation von Schulen (vom Curriculum abgesehen), Abschaffung der Minenfelder im Grenzstreifen etc. - die DDR war nach dem Tode Stalins und dem Abgang Ulbrichts "weicher" geworden. Das wiederum war, langfristig betrachtet, unvereinbar mit dem System Stalins, wie Polen mehrmals zeigte. Hinzu kam das Selbstbild der DDR und seiner Eliten: War die sog. Laokratie/Volksdemokratie ein Propagandainstrument, um zu zeigen, dass man der bessere Teil der bipolaren Welt ist wie sie heute in China eine bloße Hülle ist, so war sie doch ein Grund für einige, ernsthaft daran zu glauben, dass die DDR Humanismus und Frieden verfolge. Dieses Selbstbild beeinflusste natürlich auch die neuen Generationen, denen, glücklicherweise, mehr und mehr Anspruch und Wille zur Stalinistischen Staatsräson fehlte, obwohl sie immer noch deren Machtfülle genießen konnten.
Das für die DDR. Die Beziehung DDR-UdSSR ist noch einmal ein anderes Thema und der sowjetische Führungsstil innerhabl des WV.
gentibus solidaritas, una fit humanitas.