KZ Prozess - Wachmann angeklagt

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Skeptiker

KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Skeptiker »

Im Hamburger Landgericht findet aktuell ein Prozess gegen einen Wachmann des KZ Stutthof statt.

Es wird dem Mann Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vorgeworfen.

Dazu gibt es mehrere Berichte hier ich hier nennen möchte:
https://www.welt.de/politik/deutschland ... hatte.html
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/ ... r2336.html
https://www.merkur.de/politik/prozess-g ... 37680.html

Niemand erwartet offenbar, dass der mittlerweile 93jährige in Haft kommt. Es geht wohl eher um eine Aufarbeitung - die Frage ob man ihn offiziell als Täter benennt, oder wie seine Tätigkeit bewertet wird.

Im gegebenen Fall ist es wohl so, dass er als 17jähriger mit Herzfehler zum Wachdienst beordert wurde - nicht freiwillig, wie er betont. Er hat nie Gebrauch von der Waffe gemacht, hat allerdings seinen Dienst als Wachsoldat erfüllt. Durch seinen Dienst hat er natürlich zu den Verbrechen beigetragen.

Wie ist soetwas einzuschätzen?

Ich persönlich denke, dass dieser Prozess viel zu spät kommt. Objektiv hat er Schuld auf sich geladen. Er war kein Held. Vielleicht hätte er den Dienst verweigern sollen. Was hätte das bedeutet?

Ich tue mich sehr schwer mit dem Finger auf ihn zu zeigen und dennoch ist mir klar, dass seine Opfer viel schlechter dran waren als er.

Mich würde die Sichtweise der Foristen hier interessieren.
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Tom Bombadil
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Tom Bombadil »

Das ist in meinen Augen reiner Symbolismus, um viel zu lange Versäumtes endlich nachzuholen und der Welt zu demonstrieren "Hey, wir tun was!" Ich weiß nicht, was die wenigen noch lebenden Opfer des Holocaust darüber denken, aber vllt. gibt es ihrer Seele ein bisschen Frieden, dann hätte es sich doch gelohnt.
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Ammianus
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Ammianus »

Ich erinnere mich noch gut, als einem Kollegen, der bei den DDR-Grenztruppen war, diese eineinhalb Jahre nicht auf seine Dienstzeit angerechnet wurden. Der regte sich darüber auf. Man hätte nichts dagegen machen können. Hätte man. Und da er auch nie vorhatte Karriere zu machen, wäre da nichts Nachteiliges passiert. Er aber ging brav zur Grenze. Er hätte zum Mörder werden können.
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Fliege
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Fliege »

Er war ein Kindersoldat. Seine Resozialisierung in den letzten 75 Jahren möchte ich als erfolgreich anerkennen.
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Julian
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Julian »

Ich habe ein gewisses Problem damit, wenn ein Staat einem seiner Bürger - in diesem Fall einem nicht volljährigen Jugendlichen - erst etwas befiehlt, und ihn dann später dafür bestraft, weil er getan hat, was er ihm befohlen hatte.

Es muss sich meiner Meinung nach schon um Verbrechen handeln, die sich nicht aus üblichem Befehl und Gehorsam ergeben und eine beträchtliches Maß an individueller Schuld beinhalten, wenn man einen 93-jährigen unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor das Jugendgericht zerrt.

Nicht ausschließen will ich aber, dass sich hier gewisse Leute - Journalisten, Staatsanwälte, Richter - als besonders moralisch wertvoll hervortun wollen.
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Tom Bombadil
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Tom Bombadil »

Der 17jährige mit Herzfehler wäre bei Weigerung wahrscheinlich zur Ostfront geschickt worden, was einem Todesurteil gleich käme. Hier und jetzt können wir leicht schreiben, dass wir selbstverständlich abgelehnt hätten, aber ich glaube nicht, dass wir uns auch nur ansatzweise in diese Zeit hineindenken können.
Aber vllt. war er auch nur stark genug von der Nazipropaganda konditioniert und dadurch zum Antisemiten geworden, behaupten kann er ja viel, wenn der Tag lang ist, irgendwelche Zeugen, die seine Story bestätigen werden sich wohl nicht mehr finden.
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Skeptiker

Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Skeptiker »

Julian hat geschrieben:(21 Oct 2019, 22:34)
Ich habe ein gewisses Problem damit, wenn ein Staat einem seiner Bürger - in diesem Fall einem nicht volljährigen Jugendlichen - erst etwas befiehlt, und ihn dann später dafür bestraft, weil er getan hat, was er ihm befohlen hatte.

Es muss sich meiner Meinung nach schon um Verbrechen handeln, die sich nicht aus üblichem Befehl und Gehorsam ergeben und eine beträchtliches Maß an individueller Schuld beinhalten, wenn man einen 93-jährigen unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor das Jugendgericht zerrt.

Nicht ausschließen will ich aber, dass sich hier gewisse Leute - Journalisten, Staatsanwälte, Richter - als besonders moralisch wertvoll hervortun wollen.
Vom Grundsatz her bin ich bei Dir. Aber nicht Aufgrund von Befehl und Gehorsam, sondern weil niemandem zum Vorwurf gemacht werden kann sein eigenes Leben gerettet zu haben.

Natürlich war ihm klar, dass das Unrecht war. Es wäre allerdings mE naiv zu glauben, dass einem jugendlichen Soldaten der im Krieg den Befehl verweigert (bei DIESER Mitwisserschaft) etwas anderes passiert wäre als seine Hinrichtung. Insbesondere, wenn man die Brutalität der Befehlshaber so direkt vor Augen geführt bekommt.

Ich habe daher ganz bewusst geschrieben, dass er kein Held war. Die mag es auch gegeben haben.

Gibt es jemanden hier, der behauptet den Dienst verweigert zu haben, wäre er in diese Situation gekommen?
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Perdedor
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Perdedor »

Skeptiker hat geschrieben: Wie ist soetwas einzuschätzen?
Mord verjährt nunmal nicht. Die Beihilfe dazu ebenfalls nicht.
Wenn die Beweislage für eine Anklage ausreicht, ist sie in einem Rechtsstaat unvermeidbar.
Fliege hat geschrieben: Er war ein Kindersoldat.
Man kann ihn ja nach Jugendstrafrecht verurteilen.
Julian hat geschrieben: Ich habe ein gewisses Problem damit, wenn ein Staat einem seiner Bürger - in diesem Fall einem nicht volljährigen Jugendlichen - erst etwas befiehlt, und ihn dann später dafür bestraft, weil er getan hat, was er ihm befohlen hatte.
Wer blind Befehlen gehorcht ist selbst Schuld.
Was eigentlich offensichtlich sein sollte, ist heute auch in Gesetzesform gegossen:
"Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde."
§11 Abs. 2 SG
Skeptiker hat geschrieben: Aber nicht Aufgrund von Befehl und Gehorsam, sondern weil niemandem zum Vorwurf gemacht werden kann sein eigenes Leben gerettet zu haben.
Damit könnte sich aber fast jeder rausreden. Selbst den hohen Rängen drohte der Tod, wenn sie nicht mehr 100% auf Linie waren.
Nach der Logik könnte man also höchstens noch Hitler selbst und den innersten Zirkel belangen. Diese Menschen hätten die Verbrechen alleine aber gar nicht begehen können.
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Fliege
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Fliege »

Perdedor hat geschrieben:(21 Oct 2019, 23:10)
Man kann ihn ja nach Jugendstrafrecht verurteilen.
Exakt, und nach 75-jähriger Resozialisierung ergibt sich ein Freispruch.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von jack000 »

Skeptiker hat geschrieben:(21 Oct 2019, 22:19)
Ich persönlich denke, dass dieser Prozess viel zu spät kommt. Objektiv hat er Schuld auf sich geladen. Er war kein Held. Vielleicht hätte er den Dienst verweigern sollen. Was hätte das bedeutet?
Mord verjährt nun mal nicht und ich sehe das auch so, dass der Prozess viel zu spät kommt. Aus meiner Sicht ist dabei aber entscheidend, ob er aus Überzeugung gehandelt hat oder aus der Situation heraus.
=> M.E. kam man nicht durch "Zufall" an so einen "Job" ..., wenn also festgestellt wird, das er durch eigenes Zutun zu dem Job gekommen ist, halte ich es für richtig, den für den Rest seines (wenn auch noch kurzem Lebens) in den Knast zu sperren!
Sledge Hammer: Ich mag einem Verbrecher nicht seine Verbrechen vorlesen ... aber ich kann wenigstens lesen!
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Quatschki
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Quatschki »

Ich möcht kein Richter sein in so einem Fall.
Bei heutigen jugendlichen Straftätern wird immer erwartet, genau die Umstände, das soziale Umfeld, die Unreife usw. zugunsten des Täters ins Feld zu führen,
während bei solchen Geschichtsaufarbeitungsprozessen eine starke Erwartungshaltung besteht, dass ein politische Zeichen gesetzt wird.

Welcher heutige 17jährige ist in der Lage, sich in die Zeit 1944/45 hineinzuversetzen?
Wo Tag für Tag für Tag tausende Soldaten an den Fronten starben,
Einheiten aufgerieben wurden, neu aufgefüllt, aufgerieben, bis die Mannschaften verbraucht waren.
Wo beinahe jede Nacht eine weitere Stadt im Bombenhagel untergeht.
Stadt für Stadt für Stadt

Aber wie sah denn der Nachrichtenflow damals aus für die Leute in der Kaserne und überhaupt? Vielleicht - wenn man Glück und Zugang dazu hatte - Zeitung, Wehrmachtbericht im Radio, gelegentliche Kinowochenschau, ansonsten nur Erzählungen, Gerüchte und das was man selbst sah! Letztlich hatte man ein überschaubares Universum bestehend aus seinen Kameraden, seinen Vorgesetzten, die vermeintlichen Schwerverbrecher hinter dem Zaun und Befehle, wie mit denen umzugehen ist und den Glauben, dass das alles irgendeinem Zweck dient.
Vielleicht auch die Überzeugung, dass das Land und man selbst sowieso geliefert sein würde, wenn der Krieg verloren ist.
Und Feigling oder Drückeberger wollte auch keiner sein.
Vor diesem Hintergrund ist logisch, dass die Deutschen in der Nachkriegszeit die justiziable Aufarbeitung gern den Siegermächten überließen und sich nicht gegenseitig mit Steinen bewarfen, weil fast alle in der einen oder anderen Weise im Glashaus saßen.
Es mußten erst ein, zwei neue Generation in Unschuld heranwachsen, die aus ihrer Moralvollkommenheit heraus in der Lage sein würden, über die Alten den Stab zu brechen.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Perdedor »

Fliege hat geschrieben: Exakt, und nach 75-jähriger Resozialisierung ergibt sich ein Freispruch.
Wenn ihm ein Mord (bzw Beihilfe dazu) nachgewiesen werden kann, kann er nicht freigesprochen werden. Egal ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht.
watisdatdenn? hat geschrieben: Ist es eigentlich Beihilfe zum Mord, wenn man Mörder illegal und Land lässt und diese dort morden?
Ich weiss jetzt nicht, was du mit "Land" meinst, aber wenn ich einen Mörder in eine Wohnung hineinlasse, kommt es natürlich darauf an, ob ich dies tue um ihm den Mord zu ermöglichen, oder ob ich gar nichts von seinen Absichten weiss. Im ersten Fall könnte es wohl als Beihilfe bewertet werden, im zweiten natürlich nicht.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Fliege »

Perdedor hat geschrieben:(21 Oct 2019, 23:36)
Wenn ihm ein Mord (bzw Beihilfe dazu) nachgewiesen werden kann, kann er nicht freigesprochen werden. Egal ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht.
ich möchte auf Kindersoldatentum, also auf Missbrauch von Kindern, plädieren.
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Vongole
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Vongole »

Fliege hat geschrieben:(21 Oct 2019, 22:31)

Er war ein Kindersoldat. Seine Resozialisierung in den letzten 75 Jahren möchte ich als erfolgreich anerkennen.
Von Resozialisierung ohne Verhandlung, Strafe und einem Leben in Freiheit kann wohl kaum die Rede sein. Alt werden ist kein Verdienst.
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Perdedor
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Perdedor »

Fliege hat geschrieben: ich möchte auf Kindersoldatentum, also auf Missbrauch von Kindern, plädieren.
"Kindersoldaten sind Kinder, die an einem Krieg teilnehmen. Als Kindersoldaten gelten laut der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 alle Kriegsteilnehmer unter 15 Jahren, die direkt an Feindseligkeiten beteiligt sind."
https://de.wikipedia.org/wiki/Kindersoldat
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Skeptiker »

Perdedor hat geschrieben:(21 Oct 2019, 23:10)
Mord verjährt nunmal nicht. Die Beihilfe dazu ebenfalls nicht.
Wenn die Beweislage für eine Anklage ausreicht, ist sie in einem Rechtsstaat unvermeidbar.

Damit könnte sich aber fast jeder rausreden. Selbst den hohen Rängen drohte der Tod, wenn sie nicht mehr 100% auf Linie waren.
Nach der Logik könnte man also höchstens noch Hitler selbst und den innersten Zirkel belangen. Diese Menschen hätten die Verbrechen alleine aber gar nicht begehen können.
Welchen Handlungsspielraum hat er gehabt, gesetzt den Fall, er hat im Prozess nicht gelogen?

Gibt es eine moralische Pflicht zur Selbstaufopferung? Glaubst Du es ist unrealistisch, dass eine Befehlsverweigerung das Risiko einer Hinrichtung mit sich gebracht hätte?

Wir reden hier von einem minderjährigen Mannschaftsdienstgrad. Ich kann Deine Argumentation nachvollziehen. Wenn ich mich aber an seine Stelle versetze und keine Lösung sehe anders lebend aus der Nummer herauszukommen, dann ist die Bewertung seiner individuellen Schuld schwierig. Mit den Richtern möchte ich nicht tauschen.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Fliege »

Perdedor hat geschrieben:(21 Oct 2019, 23:48)
"Kindersoldaten sind Kinder, die an einem Krieg teilnehmen. Als Kindersoldaten gelten laut der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 alle Kriegsteilnehmer unter 15 Jahren, die direkt an Feindseligkeiten beteiligt sind."
https://de.wikipedia.org/wiki/Kindersoldat
Ich habe das UN-Ding auf < 18 Jahre korrigiert.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Perdedor »

Skeptiker hat geschrieben: Welchen Handlungsspielraum hat er gehabt, gesetzt den Fall, er hat im Prozess nicht gelogen?
Wie gesagt: Fast keine Einzelperson hatte einen Handlungsspielraum (siehe z.B. die Attentäter des 20. Juli). Also kann außer Hitler niemand belangt werden?
Wenn alle die, die nachher behauptet haben, dass sie als Einzelne nichts tun konnten, etwas getan hätten, hätten genug etwas getan. Und niemand wäre hingerichtet worden.
Skeptiker hat geschrieben: Glaubst Du es ist unrealistisch, dass eine Befehlsverweigerung das Risiko einer Hinrichtung mit sich gebracht hätte?
Darum geht es nicht. Es geht darum, dass sich der Vorgsetzte, der ihn dann ggf. hingerichtet hätte, sich mit der selben Begründung rechtfertigen könnte: Er wäre eben selbst hingerichtet worden, wenn er ihn nicht hingerichtet hätte. Bei welchem Dienstgrad willst du die Grenze ziehen? Ab wann wird Selbstaufopferung Pflicht?

Es geht darum ein solches System zu vermeiden. Und das funktioniert nur, wenn sich möglichst viele dagegen aussprechen. Das soll durch due Gesetzeslage gefördert werden.
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Vongole
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Vongole »

Ich verlinke hier mal einen älteren Artikel aus der WELT, der vielleicht eine Frage beantwortet:

Zur Frage, ob der Angeklagte den Befehl oder den Einsatz hätte verweigern können:

Doch schon bald nach Gründung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, die alle Ermittlungen wegen NS-Verfahren koordinierte, wurde diese Annahme wissenschaftlich überprüft. Eindeutiges Ergebnis: Es gab damals und gibt bis heute keinen einzigen nachweisbaren Fall, in dem einem SS-Mann, der einen Mordbefehl verweigert hatte, selbst Gefahr für Leib und Leben drohte.
Im Gegenteil konnte durch zahlreiche Zeugenaussagen, aber auch durch Dokumente belegt werden, dass Befehlshaber von Mordeinheiten wie dem Hamburger Reserve-Polizeibataillon 101 wiederholt ihren Männer freistellten, sich an Mordaktionen nicht zu beteiligen. Wer sich so entschied, wurde nachweislich nicht bestraft.

https://www.welt.de/geschichte/zweiter- ... -Wahl.html

Was für den direkten Mordbefehl gilt, gilt garantiert auf für den Wachmann auf dem Turm.
Der Artikel befasst sich auch mit der Frage, ob man zu SS gezwungen wurde oder ihr freiwillig beitrat. Ich persönlich habe Zweifel an der Aussage des Angeklagten, der immerhin ein sehr hohes Alter erreicht hat.
So schwer kann der Herzfehler nicht gewesen sein.
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McKnee
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von McKnee »

Diese Prozesse sind nicht selten eine Gratwanderung des Rechtstaates. Meist bleiben sie hinter den Erwartungshaltungen der Opfer oder ihrer Hinterbliebenen zurück. Können ihre Erwartungshaltungen überhaupt erfüllt werden?

Der Angeklagte macht von seinem Recht Gebrauch und versucht sich im bestmöglichen Licht darzustellen. Ob er sich damit wirklich einen Gefallen tut und es Ausfluss einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Wie er sie aufgearbeitet hat, ist allein seine Entscheidung.

So ist es auch das Recht der Öffentlichkeit, auch vertreten durch die Medien, von der Sachlichkeit einer Berichtersatttung abzuweichen. Auch hier vermag ich nicht zu entscheiden, ob die von einer zielgerichteten Rhethorik geprägte Berichterstattung der Aufklärung und Aufarbeitung dient oder ihr eher schadet. Es ist allein die Entscheidung der Redakteure, wie sie mit dem Thema und dem Angeklagten umgehen.

Meine Erwartungshaltungen an solche Verfahren sind eher niedrig. Ich werde ihm nicht vorwerfen, die Karte Gesundheit zu spielen und auch nicht, sich in eine gewisse Opferrolle zu begeben. Es ist sein gutes Recht.

Hätte man früher gegen ihn verhandelt, er hätte seine juristische Schuld mit einer Strafe deutlich unter 10 Jahren verbüßt. Vielleicht wäre das eher in seinem Sinne gewesen. Ob es aber im Sinne der Aufwarbeitung gewesen wäre und wir diese von den Tätern erwarten können, stellte ich in Frage.

Sein Herzfehler hat ihn nach eigenen Aussagen vor dem Dienst an der Front bewahrt. DAran gibt es heute nichts zu kritisieren. Auch nicht, weil er trotzdem ein hohes Alter erreicht hat.

Aber auch wir sollten unsere Rolle überdenken, wenn wir uns ein Urteil über diesen Mann bilden. Wir sollten versuchen uns in seine Lage zu versetzen, ohne sein Handeln dadurch zu rechtfertigen oder schlimmstenfalls zu entschuldigen. Sind wir es wirklich, die ihm einen Vorwurf machen können? Sind wir in der Lage seine Situation beurteilen zu können?
Nein, das können nur jene, die all dies miterlebt haben, miterleben mussten. Allen voran die Opfer, die dieses Grauen überlebt haben.
Der Hauptgrund für Stress ist der tägliche Kontakt mit Idioten.

Es ist mir egal, ob es ein Albert-Einstein-Zitat ist ...

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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Quatschki »

So ein Greis wird jeden Tag beten, dass er nicht durch Demenz oder Schlaganfall zum hilflosen Stück Fleisch wird. Denn das ist wirklich die Hölle.
Alles andere ist in diesem Alter nicht mehr als eine Belästigung oder vielleicht auch Abwechslung.

Man muß sich vorstellen:
Von den Eingezogenen der Jahrgänge 1925,1926,1927 sind über 30% gefallen.
Jedes Klassenfoto bei den Jungs: gefallen, gefallen, gefallen.
Jeder Angehörige dieser Jahrgänge, der den Krieg unversehrt überlebt hat, hat dies einer Reihe von Zufällen und Fügungen zu verdanken, die jeweils auch anders hätten ausgehen können.
Niemand von uns ist jemals in einer vergleichbaren Situation gewesen.
Skeptiker

Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Skeptiker »

Vongole hat geschrieben:(22 Oct 2019, 00:39)

Ich verlinke hier mal einen älteren Artikel aus der WELT, der vielleicht eine Frage beantwortet:

Zur Frage, ob der Angeklagte den Befehl oder den Einsatz hätte verweigern können:

Doch schon bald nach Gründung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, die alle Ermittlungen wegen NS-Verfahren koordinierte, wurde diese Annahme wissenschaftlich überprüft. Eindeutiges Ergebnis: Es gab damals und gibt bis heute keinen einzigen nachweisbaren Fall, in dem einem SS-Mann, der einen Mordbefehl verweigert hatte, selbst Gefahr für Leib und Leben drohte.
Im Gegenteil konnte durch zahlreiche Zeugenaussagen, aber auch durch Dokumente belegt werden, dass Befehlshaber von Mordeinheiten wie dem Hamburger Reserve-Polizeibataillon 101 wiederholt ihren Männer freistellten, sich an Mordaktionen nicht zu beteiligen. Wer sich so entschied, wurde nachweislich nicht bestraft.

https://www.welt.de/geschichte/zweiter- ... -Wahl.html

Was für den direkten Mordbefehl gilt, gilt garantiert auf für den Wachmann auf dem Turm.
Der Artikel befasst sich auch mit der Frage, ob man zu SS gezwungen wurde oder ihr freiwillig beitrat. Ich persönlich habe Zweifel an der Aussage des Angeklagten, der immerhin ein sehr hohes Alter erreicht hat.
So schwer kann der Herzfehler nicht gewesen sein.
Man kann sicher einiges von dem was er behauptet hat in Frage stellen. Das zu beleuchten wird die Aufgabe der Historiker sein. Ich gehe durchaus davon aus, dass er mehr wusste und mehr selber dazu beigetragen hat dort zu sein, als er heute darstellen möchte. Das so zu verkaufen ist halt sein Recht.

Man sollte aber auch sehen, dass er keinen direkten Mordbefehl ausgeführt hat (z.B. Erschiessung), sondern seine Rolle durch den Wachdienst in der Beihilfe zum Mord lag. Für mich ist es sehr schwer einzuschätzen, wie jemand, der ersteinmal an diese Stelle beordert wurde, sich ohne (für ihn so wahrgenommene) Gefahr sein eigenes Leben, dem Dienst hätte verweigern können. Mir erscheint das für einen direkten Mordbefehl "einfacher" als für eine Dienstverpflichtung die zur Beihilfe gerät.

Dass er so alt geworden ist, mag ein Indikator dafür sein, dass sein Herzfehler nicht so gravierend gewesen sein mag - ich kann das nicht beurteilen. Ich denke aber man sollte vorsichtig sein, jemandem sein langes Leben zum Vorwurf auslegen. Aber ich lese diese Aussage auf der Sacheebene und gebe Dir Recht.
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McKnee
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von McKnee »

Wer will jemandem einen "Herzfehler" zum Vorwurf machen, mit dem man einen Marschbefehl an eine Front verhindern kann?

Hätte er ihn gebraucht, um eine bevorzugte Stelle in einem KZ zu bekommen, wäre das durchaus anders. Ansonsten ist er für die Schuldfrage oder seine Glaubwürdigkeit eher unerheblich.
Der Hauptgrund für Stress ist der tägliche Kontakt mit Idioten.

Es ist mir egal, ob es ein Albert-Einstein-Zitat ist ...

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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Tom Bombadil »

Vongole hat geschrieben:(21 Oct 2019, 23:39)

Von Resozialisierung ohne Verhandlung, Strafe und einem Leben in Freiheit kann wohl kaum die Rede sein. Alt werden ist kein Verdienst.
Resozialisierung bedeutet doch, dass ein ehemals Straffälliger nicht wieder straffällig wird, einen Arbeitsplatz findet und somit ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft wird. Oder nicht?
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Quatschki »

imp hat geschrieben:(06 Jul 2020, 21:10)

Das Empören kann man sich bieten lassen, das ist nun mal das Recht aller und tut weiter nichts. Der Eifer geht heutzutage aber manchmal etwas weiter. Da möchte mancher schnell mal den Meinungsträger fertig machen, wegschicken oder, ja, absaufen lassen. Das behagt mir nicht so. Das ist eben der Sound unserer Zeit.

Wenn jetzt im Stutthof-Prozess ein Greis auf der Anklagebank steht, der konkret weder wen ermordet hat, noch irgendwas befohlen und auch nichts hätte verhindern können, aber eben dabei war und zufällig noch lebt, folgt das sicher einer gewissen Logik und ist für Überlebende und Hinterbliebene sicher wichtig. Es hat für mich trotzdem einen Hauch von Ersatzhandlung. Ob man damit wirklich das gewünschte Zeichen setzt?
Ein 17jähriger wird zur Bewachung von Gefangenen eingesetzt, die später umgebracht werden. Diesen Einsatz des damaligen Jugendlichen als unverjährbare Beihilfe zum Mord und als Kriegsverbrechen zu bewerten, ist doch ziemlich bemerkenswert.
Denn Kriegsverbrechertribunale sollen ja eigentlich die Verantwortlichen verfolgen und keine Kindersoldaten.
In den Konflikten der Gegenwart ist man ja eher geneigt, solche Jugendliche als verblendete und traumatisierte Kriegs-Mißbrauchte anzusehen.
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Maxxy01
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Maxxy01 »

Skeptiker hat geschrieben: Wie ist soetwas einzuschätzen?
Er hätte eine Versetzung beantragen sollen. Das hat er offenbar nicht getan. Was darauf schließen lässt, dass ihm Massenmord an Unschuldigen wenigstens gleichgültig war.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Keoma »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 09:51)

Er hätte eine Versetzung beantragen sollen. Das hat er offenbar nicht getan. Was darauf schließen lässt, dass ihm Massenmord an Unschuldigen wenigstens gleichgültig war.
eine Versetzung an die Ostfront wäre ihm sicher bewilligt worden.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Maxxy01 »

Keoma hat geschrieben:(07 Jul 2020, 09:52)

eine Versetzung an die Ostfront wäre ihm sicher bewilligt worden.
Aber wollte wohl nicht kämpfen, sondern lieber ein feiger Helfer von Mördern sein.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Keoma »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 09:55)

Aber wollte wohl nicht kämpfen, sondern lieber ein feiger Helfer von Mördern sein.
Er wollte wohl nicht sterben, der Schurke.

Ich will keine Mittäter entschuldigen, aber manche machen es sich ein wenig zu einfach.
Der Gescheitere gibt nach!
Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.

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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Maxxy01 »

Keoma hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:01)
Er wollte wohl nicht sterben, der Schurke.
Jeder muss sterben. Auf dem Schlachtfeld wäre er als Held gestorben. Jetzt stirbt er mit der Schuld, ein gut funktionierendes Rädchen in einer Massenmord-Maschinerie gewesen zu sein.
Keoma hat geschrieben: Ich will keine Mittäter entschuldigen, aber manche machen es sich ein wenig zu einfach.
Er hat es sich so einfach gemacht, weil ihm die Opfer mindestens egal waren, zu deren Tod er beigetragen hat.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von NicMan »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:07)

Jeder muss sterben. Auf dem Schlachtfeld wäre er als Held gestorben. Jetzt stirbt er mit der Schuld, ein gut funktionierendes Rädchen in einer Massenmord-Maschinerie gewesen zu sein.


Er hat es sich so einfach gemacht, weil ihm die Opfer mindestens egal waren, zu deren Tod er beigetragen hat.
Als Soldat an der Ostfront kann man je nach Umständen ähnlich verheerend gewirkt haben, wie als Soldat in einem Konzentrationslager. Es war schließlich ein Vernichtungskrieg im Osten. Vielleicht wäre er da in der Betrachtung der Zeitgenossen als Held gestorben, die Geschichte jedoch hätte differenzierter geurteilt.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Keoma »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:16)

Um mich geht es hier nicht.
Stimmt.
Sondern um Beiträge von jemandem, der über jemand anders den Stabe brechen will.
Schon was vom ersten Stein werfen gehört?

Heute, am PC, lässt sich leicht Widerstandskämpfer spielen.
Der Gescheitere gibt nach!
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Maxxy01 »

NicMan hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:11)

Als Soldat an der Ostfront kann man je nach Umständen ähnlich verheerend gewirkt haben, wie als Soldat in einem Konzentrationslager. Es war schließlich ein Vernichtungskrieg im Osten. Vielleicht wäre er da in der Betrachtung der Zeitgenossen als Held gestorben, die Geschichte jedoch hätte differenzierter geurteilt.
Was er aber vorher nicht hätte ahnen können.

Der normale Frontsoldat wurde eher selten zu Massenerschießungen eingeteilt, außer wenn mal Personalmangel war. Normalerweise taten das ideologisch geschulte SS-Leute, die der Überzeugung waren, dass auch jüdische Frauen und Kinder getötet werden müssen, um das deutsche Volk zu schützen. Manchmal mordeten auch Polizeieinheiten, aber denen wurde erzählt dass sie "Partisanen" hinrichten.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von DogStar »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:07)
Er hat es sich so einfach gemacht, weil ihm die Opfer mindestens egal waren, zu deren Tod er beigetragen hat.
Und das kannst du nach fast 80 Jahren aus dem sicheren Sessel vorm PC beurteilen?
Oder hat er dir das persönlich erzählt.
[Edit Mod. Sören74]
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Elmar Brok »

Ein (noch nicht zu Ende gedachter) Gedanke: Angesichts dessen, dass in der BRD viele Täter jahrzentelang ungestraft leben und zum Teil auch Karriere machen konnten. Ist es wirklich sinnvoll einen Menschen, der damals 17 Jahre alt war und (mein Wissenstand zumindest) keine aktive, fördernde Rolle der Tötungsmaschinerie innehatte, jetzt zu verurteilen? Oder ist man dies den Opfern und Überlebenden schuldig?

Viel dürfte auf die konkreten Umstände ankommen. Da bin ich nicht im Bilde.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Maxxy01 »

Keoma hat geschrieben: Heute, am PC, lässt sich leicht Widerstandskämpfer spielen.
Ein Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime hätte ganz anders gehandelt. Der hätte versucht, den KZ-Betrieb zu sabotieren, Gefangenen zur Flucht verholfen, Informationen an die Alliierten weitergeleitet, usw.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Maxxy01 »

DogStar hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:24)

Und das kannst du nach fast 80 Jahren aus dem sicheren Sessel vorm PC beurteilen?
Das kannst du auch. Und auch der Richter kann das.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Keoma »

Elmar Brok hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:28)

Ein (noch nicht zu Ende gedachter) Gedanke: Angesichts dessen, dass in der BRD viele Täter jahrzentelang ungestraft leben und zum Teil auch Karriere machen konnten. Ist es wirklich sinnvoll einen Menschen, der damals 17 Jahre alt war und (mein Wissenstand zumindest) keine aktive, fördernde Rolle der Tötungsmaschinerie innehatte, jetzt zu verurteilen? Oder ist man dies den Opfern und Überlebenden schuldig?

Viel dürfte auf die konkreten Umstände ankommen. Da bin ich nicht im Bilde.
Nun, die Welt hat sich bei der Verfolgung von Naziverbrechern nicht gerade mit Ruhm bekleckert, übrigens auch in Bezug auf Japan.
Zu einem Zeitpunkt, zu dem kaum noch Überlebende existieren, auf Jimmy zu machen, halte ich für absolut heuchlerisch.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Keoma »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:29)

Ein Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime hätte ganz anders gehandelt. Der hätte versucht, den KZ-Betrieb zu sabotieren, Gefangenen zur Flucht verholfen, Informationen an die Alliierten weitergeleitet, usw.
Du hättest vermutlich den Krieg ganz alleine gewonnen.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Maxxy01 »

Keoma hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:33)

Du hättest vermutlich den Krieg ganz alleine gewonnen.
Nochmals: es geht hier nicht um mich.
Aber du hingegen scheinst ein goßes Herz für alte Nazis zu haben.
Zuletzt geändert von Maxxy01 am Di 7. Jul 2020, 10:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Elmar Brok »

Keoma hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:33)

Nun, die Welt hat sich bei der Verfolgung von Naziverbrechern nicht gerade mit Ruhm bekleckert, übrigens auch in Bezug auf Japan.
Zu einem Zeitpunkt, zu dem kaum noch Überlebende existieren, auf Jimmy zu machen, halte ich für absolut heuchlerisch.
Du meinst den Umgang Japans mit der eigenen Vergangenheit?

Das ist eben die Frage, was bringen die Verurteilungen heute noch. Wie werden sie von Opfern und Hinterbliebenen wahrgenommen.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Keoma »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:37)

Nochmals: es geht hier nicht um mich.
Irgendwie schon auch.
Der Gescheitere gibt nach!
Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.

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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von DogStar »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:30)

Das kannst du auch. Und auch der Richter kann das.
Nein, ich kann die Gefühle und Beweggründe eines jungen Menschen vor 80 Jahren, zu einer Zeit, deren Härten wir uns nicht ausmalen können, nicht nachvollziehen und somit auch nicht beurteilen. Ob ihm das damals egal war, weiß er allein.
Das völlig unabhängig von der Frage seiner Schuld und einer gerechten Strafe.
Zuletzt geändert von DogStar am Di 7. Jul 2020, 10:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Keoma »

Elmar Brok hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:37)

Du meinst den Umgang Japans mit der eigenen Vergangenheit?

Das ist eben die Frage, was bringen die Verurteilungen heute noch. Wie werden sie von Opfern und Hinterbliebenen wahrgenommen.
Das habe ich eigentlich nicht gemeint, sondern die Strafverfolgung nach dem Krieg.

Ob eine Verurteilung nach so langer Zeit etwas "bringt"?
Natürlich zweifelhaft, sage ich ja.
Man hätte in den 50er und 60er Jahren ein wenig eifriger sein können.
Genug echte Täter sind ungeschoren davon gekommen.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Skeptiker »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 09:51)
Er hätte eine Versetzung beantragen sollen. Das hat er offenbar nicht getan. Was darauf schließen lässt, dass ihm Massenmord an Unschuldigen wenigstens gleichgültig war.
Ich kann mich nur eingeschränkt in die damalige Zeit hineinversetzen, aber es sollte damals eigentlich als "großes Los" gesehen worden sein, dass man "nur" irgendwo Lagerwache schieben musste.

Ja, er hätte sich natürlich aus heutiger Perspektive viele Gedanken dazu machen müssen, was er da unterstützt. Realistisch betrachtet, war er aber weder in dem Alter, noch in der dazu passenden Sozialisation, um solche Gedanken zu haben. Damals hat man entweder schlicht seine eigene Haut versucht zu retten wie es geht, oder man war überzeugt von der Sache. Eine humanistische Ausbildung mit feingeistiger Abwägung der Menschenrechtsfragen, haben die Jugendlichen da nicht genossen.

Man kann sich sehr detailiert über die Schuldfrage in einem solchen Fall unterhalten. Allerdings sollte man aufpassen sich mit 80 jähriger Distanz aus einer vollkommenen Sicherheit heraus moralisch Menschen gegenüber zu erhöhen, die in einer anderen Welt lebten und unter erheblichen Zwängen standen. Kein Mensch begibt sich unnötig in Gefahr für das eigene Leben. Die Not, die du als solche erkennst, wurde damals nicht notwendigerweise als solche wahrgenommen, weil das Sterben allgegenwärtig war.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Maxxy01 »

DogStar hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:39)
Nein, ich kann die Gefühle und Beweggründe eines Menschen vor 80 Jahren, zu einer Zeit, deren Härten wir uns nicht ausmalen können, nicht nachvollziehen und somit auch nicht beurteilen.
Du kannst es daran erkennen, was er unternommen hat, um nicht mehr in einem Vernichtungslager Dienst zu tun.
Und er hat offenbar nichts unternommen.

Daraus lässt sich zwar nicht schließen, dass der mit dem Massenmord einverstanden war, aber schon dass er es toleriert hat, ansonsten hätte er um Verstzung ersucht. Und das nicht nur einmal.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Billie Holiday »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:37)

Nochmals: es geht hier nicht um mich.
Aber du hingegen scheinst ein goßes Herz für alte Nazis zu haben.
Man muß kein großes Herz für alte Nazis haben um zu wissen, dass wir heute im 21. Jh warm, weich, sicher und unangetastet leben und null Erfahrung haben mit den gesellschaftlichen und politischen Zwängen von damals.

Ein jugendlicher IS-Halsabschneider erfährt doch auch jedes Verständnis, die Zwänge und der Einfluß dürften vergleichbar sein.

Am besten den Ball flachhalten und sich nicht als potentiellen ersten Widerstandskämpfer aufspielen, wofür es keinerlei Beweise gibt außer eine große Klappe. Es gab schon perfide Mittel, Jugendliche zu beeinflussen. Die Freiheiten, die wir heute genießen dürfen, gab es nicht. Auch die Erziehung der Kinder war eine andere....auf Gehorsam und Drill, fürs Vaterland. Aber spiel ruhig weiterhin den Helden. :cool:
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Maxxy01 »

Skeptiker hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:41)
Ich kann mich nur eingeschränkt in die damalige Zeit hineinversetzen, aber es sollte damals eigentlich als "großes Los" gesehen worden sein, dass man "nur" irgendwo Lagerwache schieben musste.
Die Nazis hatten auch reine Arbeits-KZs, wo Leute eingesperrt waren, die irgendwie auffällig wurden. Diese wurden erstmal für 1/2 Jahr inhaftiert und kamen wieder raus, wenn sie als gebessert galten. Ansonsten gab es 1/2 Jahr Nachschlag.

Als Wachmann in einem solchen Lager konnte man durchaus etwas dafür tun, dass es die Gefangenen nicht ganz so schwer hatten.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von DogStar »

Maxxy01 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:45)

Du kannst es daran erkennen, was er unternommen hat, um nicht mehr in einem Vernichtungslager Dienst zu tun.
Und er hat offenbar nichts unternommen.

Daraus lässt sich zwar nicht schließen, dass der mit dem Massenmord einverstanden war, aber schon dass er es toleriert hat, ansonsten hätte er um Verstzung ersucht. Und das nicht nur einmal.
Wie gesagt - weder weiß ich, was er damals unternommen hat noch kenne ich Beweggründe oder Zwänge, die ihn Wachmann sein ließen. Auch weiß ich nichts über seine Möglichkeiten, diese Arbeit niederzulegen sowie mögliche Folgen. Wenn du da gesicherte Informationen hast - bitte teilen!
Vorm PC den Helden zu geben ... naja ... was soll man dazu sagen ...
Zuletzt geändert von DogStar am Di 7. Jul 2020, 10:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Keoma »

Billie Holiday hat geschrieben:(07 Jul 2020, 10:48)

Man muß kein großes Herz für alte Nazis haben um zu wissen, dass wir heute im 21. Jh warm, weich, sicher und unangetastet leben und null Erfahrung haben mit den gesellschaftlichen und politischen Zwängen von damals.

Ein jugendlicher IS-Halsabschneider erfährt doch auch jedes Verständnis, die Zwänge und der Einfluß dürften vergleichbar sein.

Am besten den Ball flachhalten und sich nicht als potentiellen ersten Widerstandskämpfer aufspielen, wofür es keinerlei Beweise gibt außer eine große Klappe. Es gab schon perfide Mittel, Jugendliche zu beeinflussen. Die Freiheiten, die wir heute genießen dürfen, gab es nicht. Auch die Erziehung der Kinder war eine andere....auf Gehorsam und Drill, fürs Vaterland. Aber spiel ruhig weiterhin den Helden. :cool:
Vergiss es, entweder soll das Provokation sein oder er hat null Ahnung von der Materie.
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