KZ Prozess - Wachmann angeklagt

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Sören74

Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Jul 2020, 15:13)

Im von Nicman verlinkten Artikel im Spiegel steht folgendes:

Hört sich nicht danach an, als hätte man beim Antritt des Wachdienstes im KZ, erst einmal eine gewerkschaftliche Rechtsbelehrung erhalten. Vielleicht gibt es mit 80jährigem Sicherheitsabstand auch einfach eine mutigere Sicht der Dinge, bei dem einen oder anderen. Wer weiß ...
Zum einen, er hat es so gesagt, aber ob es so stimmt, wissen wir von unseren Stand her nicht. Ich wiederhole mich gerne, dass muss das Gericht herausfinden. Aber zumindest widerlegt es der These, dass man ein Held hätte sein müssen, sich diesen Verbrechen zu entziehen. Ein einfacher Versetzungsantrag hätte vielleicht schon genügt. Und ich sags mal so, selbst in totalitären Staaten gibt es auf unterster Ebene einen gewissen Austausch, wie man sich vor der einen oder anderen Aufgabe durchaus drücken kann. Nicht wenige haben sich in den Weltkriegen mit bewusst durchgeführte Verletzungen versucht, das eigene Leben erträglicher zu machen.
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Vongole
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Vongole »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:20)

Ich sehe das anders. Die Aufarbeitung der NS-Sachen ist in erster Linie ein Auftrag an die Politiker, hier durch Erklärung und Taten zu wirken. Ich gestehe einem Greis zu, dass er auf seine letzten Tage auch mal seine Ruhe möchte.
Er hatte, im Gegensatz zu den Überlebenden und den Angehörigen der Ermordeten, 75 Jahre lang Ruhe.
Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterliegen genau aus diesem Grund nicht der Verjährung.
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Quatschki
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Quatschki »

Vongole hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:24)

Er hatte, im Gegensatz zu den Überlebenden und den Angehörigen der Ermordeten, 75 Jahre lang Ruhe.
Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterliegen genau aus diesem Grund nicht der Verjährung.
War er der Mörder?
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
„Dies ist wieder ein Exempel!“
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imp
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Quatschki hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:30)

War er der Mörder?
Das ist nicht mehr gefragt. Nach aktueller Auffassung reicht es, nicht weit genug weg gewesen zu sein, um eine Mordanklage zu bekommen. Es gäbe sicher andere Gespräche, wenn wir hier einen Prozess gegen einen nachweislich schießwütigen Killer hätten.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Sören74 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:23)

Zum einen, er hat es so gesagt, aber ob es so stimmt, wissen wir von unseren Stand her nicht. Ich wiederhole mich gerne, dass muss das Gericht herausfinden. Aber zumindest widerlegt es der These, dass man ein Held hätte sein müssen, sich diesen Verbrechen zu entziehen. Ein einfacher Versetzungsantrag hätte vielleicht schon genügt. Und ich sags mal so, selbst in totalitären Staaten gibt es auf unterster Ebene einen gewissen Austausch, wie man sich vor der einen oder anderen Aufgabe durchaus drücken kann. Nicht wenige haben sich in den Weltkriegen mit bewusst durchgeführte Verletzungen versucht, das eigene Leben erträglicher zu machen.
Der Versuch wurde bestraft, wenn's rauskam.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Vongole »

Quatschki hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:30)

War er der Mörder?
Helfer, deswegen wurde er auch angeklagt.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

Quatschki hat geschrieben:(10 Jul 2020, 15:16)

Als 17jähriger stellt man keinen Versetzungantrag- Außer man hat jemandem, der einem diesen Tipp gibt.
Warum haben es dann andere getan?
Quatschki hat geschrieben: Ich hätte dazu ja meinen Vorgesetzten davon überzeugen müssen, dass ich an anderer Stelle dem Sozialismus noch viel heldenhafter zum Sieg verhelfen kann.
Sowas wie persönliche Gründe oder Gewissensbisse hätte man nicht gelten lassen.
Es hätte vermutlich schon genügt zu zeigen, dass Du politisch nicht ganz integer (aus Sicht des Regimes) gewesen wärest. Man wollte auch nicht riskieren, dass jemand die Gelegenheit nutzt, selbst über die Grenze zu springen.
Quatschki hat geschrieben: Und es hätte im Gegenteil vielleicht dazugeführt, dass sie einen besonders auf dem Kieker haben unter dem Motto: "Wir sind ihm wohl nicht fein genug!"
Letztendlich muss jeder im Leben selbst wissen, welche Entscheidungen er für sich selbst und gegenüber Betroffenen rechtfertigen kann.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Jul 2020, 15:45)

... nee mal ehrlich, heute gesteht man einem 17jährigen nicht zu eine Versicherung abzuschließen, aber früher musste man mit 17, nach Erziehung im Nationalsozialismus, fertig ausgebildeter humanistischer Held sein.
Wieso glaubst Du, muss man ein Held sein, um einen Versetzungsantrag zu stellen?
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

Quatschki hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:09)

Vielleicht hätten sie auch gesagt: "Versetzungsnantrag gewährt! Morgen gehts nach Warschau. Da ist ein Aufstand ausgebrochen, da könnt ihr erstmal an einem einfachen Gegner bißchen Kampferfahrung sammeln!"
Vielleicht hätten sie das gesagt, vielleicht auch nicht. Aber gar nichts zu unternehmen, obwohl man die Möglichkeit dazu hat, ist verantwortungslos.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:20)

Ich sehe das anders. Die Aufarbeitung der NS-Sachen ist in erster Linie ein Auftrag an die Politiker, hier durch Erklärung und Taten zu wirken. Ich gestehe einem Greis zu, dass er auf seine letzten Tage auch mal seine Ruhe möchte.
Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind. :) Die NS-Zeit muss auch juristisch aufgearbeitet werden. Diese Zeit kann nicht im nachhinein als rechtsfreier Raum oder Zeit deklariert werden.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

Quatschki hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:30)

War er der Mörder?
Beihilfe zum Mord. So lautet auch der Anklagepunkt.
Sören74

Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:34)

Der Versuch wurde bestraft, wenn's rauskam.
Wenn es rauskam. Generell, wer nicht mehr wollte, hat nach Wegen gesucht, dem zu entgehen oder waren zumindest die Möglichkeiten bekannt.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Vongole »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:33)

Das ist nicht mehr gefragt. Nach aktueller Auffassung reicht es, nicht weit genug weg gewesen zu sein, um eine Mordanklage zu bekommen. Es gäbe sicher andere Gespräche, wenn wir hier einen Prozess gegen einen nachweislich schießwütigen Killer hätten.
Danach wird sehr wohl gefragt, deshalb ist er lediglich der Beihilfe angeklagt. Die Staatsanwaltschaft handelt genau nach den Kriterien der Auschwitzprozesse ab 1963.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Quatschki »

Sören74 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:35)

Warum haben es dann andere getan?
Ich hab doch geschrieben. Man brauchte einen Tippgeber.
Mein Opa hat zum Beispiel 1940 den Tipp bekommen: "Melde dich freiwillig zur Marine!",
da wurde er ein Jahr zurückgestellt, um seine technische Lehre abzuschließen und dann aufgrund dieser Ausbildung von der Kriegsmarine nochmal ein Jahr ausgebildet zum maschinentechnischen Personal, so daß er erst Ende 1942 auf so'n kleines Sicherungsboot an die Côte d'Azur kommandiert wurde, als viele seiner Klassenkameraden, die keinen "Tippgeber" hatten, im Osten schon gefallen waren.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Quatschki hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:53)

Ich hab doch geschrieben. Man brauchte einen Tippgeber.
Mein Opa hat zum Beispiel 1940 den Tipp bekommen: "Melde dich freiwillig zur Marine!",
da wurde er ein Jahr zurückgestellt, um seine technische Lehre abzuschließen und dann aufgrund dieser Ausbildung von der Kriegsmarine nochmal ein Jahr ausgebildet zum maschinentechnischen Personal, so daß er erst Ende 1942 auf so'n kleines Sicherungsboot an die Côte d'Azur kommandiert wurde, als viele seiner Klassenkameraden, die keinen "Tippgeber" hatten, im Osten schon gefallen waren.
Nicht jeder bekam dieselben Hinweise - wäre auch nicht aufgegangen.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Quatschki »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:02)

Nicht jeder bekam dieselben Hinweise - wäre auch nicht aufgegangen.
Für jeden, der so einen Vorteil erwirken konnte, mußte ein anderer den Platz einnehmen.
Und ob es am Ende ein Vorteil war, konnte man auch nicht wissen.
Es gab Schiffe, die ohne Überlebende versenkt wurden. Es gab Regimenter, die bis auf den letzen Mann vernichtet wurden.
Vielleicht hat der Angeklagte den Tipp bekommen, sich zur Totenkopf-Standarte zu melden?
Heimatnah auf dem Wachturm zu stehen und ein paar KZ'ler zu bewachen, also Verbrecher und Staatsfeinde nach damaliger Leseart, das ist eine vergleichbar anspruchslose Aufgabe.
Feste Dienstzeiten, stabile Verpflegung, keine Bomben, kein Trommelfeuer.
Rein ins Lager als Aufseher, sich mit den Kapos und Häftlingen herumärgern oder gar Exekutionen durchführen hat er ja anscheinend nicht gemusst.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Quatschki hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:17)

Für jeden, der so einen Vorteil erwirken konnte, mußte ein anderer den Platz einnehmen.
Und ob es am Ende ein Vorteil war, konnte man auch nicht wissen.
Es gab Schiffe, die ohne Überlebende versenkt wurden. Es gab Regimenter, die bis auf den letzen Mann vernichtet wurden.
Vielleicht hat der Angeklagte den Tipp bekommen, sich zur Totenkopf-Standarte zu melden?
Heimatnah auf dem Wachturm zu stehen und ein paar KZ'ler zu bewachen, also Verbrecher und Staatsfeinde nach damaliger Leseart, das ist eine vergleichbar anspruchslose Aufgabe.
Feste Dienstzeiten, stabile Verpflegung, keine Bomben, kein Trommelfeuer.
Rein ins Lager als Aufseher, sich mit den Kapos und Häftlingen herumärgern oder gar Exekutionen durchführen hat er ja anscheinend nicht gemusst.
Am Ende wurde für jeden raus versetzten auch einer rein versetzt. Ist so ähnlich wie mit dem Ovedor, nichor?
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Skeptiker »

Sören74 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 16:23)
...
Und ich sags mal so, selbst in totalitären Staaten gibt es auf unterster Ebene einen gewissen Austausch, wie man sich vor der einen oder anderen Aufgabe durchaus drücken kann. Nicht wenige haben sich in den Weltkriegen mit bewusst durchgeführte Verletzungen versucht, das eigene Leben erträglicher zu machen.
:|
Da machst du es dir aber nun wirklich zu einfach. Du hast ganz offensichtlich absolut keinen Zugang zu dieser Zeit.

An der Front wäre Selbstverstümmelung wie Feigheit vor dem Feind gewertet worden. Dein augenzwinkerndes Drücken vor der Aufgabe gab es damals nicht. Muss man das hier wirklich erklären? Ich bin erstaunt.

Hier für dich was zum lesen dazu:
Zersetzung der Wehrkraft (kurz Wehrkraftzersetzung) war die Bezeichnung für einen grundsätzlich[1] mit Todesstrafe bedrohten Straftatbestand im nationalsozialistischen Deutschland, der 1938 in der Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) neu gefasst[2] und kurz vor Kriegsbeginn am 26. August 1939 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht wurde. Zu den aufgeführten Tatbeständen gehörten Kriegsdienstverweigerung, defätistische Äußerungen und Selbstverstümmelung.
...
§ 5 der Kriegssonderstrafverordnung leitet noch vor der Auflistung der Tatbestände mit der Strafandrohung der Todesstrafe ein.
...
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wehrkraftzersetzung
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:18)

Am Ende wurde für jeden raus versetzten auch einer rein versetzt.
Das ändert aber nichts an der Verantwortung des eigenen Handelns.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Keoma »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:20)

:|
Da machst du es dir aber nun wirklich zu einfach. Du hast ganz offensichtlich absolut keinen Zugang zu dieser Zeit.

An der Front wäre Selbstverstümmelung wie Feigheit vor dem Feind gewertet worden. Dein augenzwinkerndes Drücken vor der Aufgabe gab es damals nicht. Muss man das hier wirklich erklären? Ich bin erstaunt.

Hier für dich was zum lesen dazu:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wehrkraftzersetzung
Vergiss es, er kennt vermutlich nicht einmal einen Heimatschuss und seine Folgen.
Der Gescheitere gibt nach!
Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.

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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Sören74 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:31)

Das ändert aber nichts an der Verantwortung des eigenen Handelns.
Im bloßen Diensttun nach Einberufung sehe ich kein Handeln, für das man sich persönlich verantworten müsste. Die Gründe hatte ich schon benannt.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:20)

:|
Da machst du es dir aber nun wirklich zu einfach. Du hast ganz offensichtlich absolut keinen Zugang zu dieser Zeit.
Ich habe zumindest in einem totalitären Staat gelebt. Nicht gleichzusetzen mit dem dritten Reich, aber deswegen bin ich jetzt nicht ahnungslos oder keinen Zugang zu diesen Zeiten oder Systemen.
Skeptiker hat geschrieben:An der Front wäre Selbstverstümmelung wie Feigheit vor dem Feind gewertet worden. Dein augenzwinkerndes Drücken vor der Aufgabe gab es damals nicht. Muss man das hier wirklich erklären? Ich bin erstaunt.

Hier für dich was zum lesen dazu:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wehrkraftzersetzung
Ich bin erstaunt, dass Du nicht zur Kenntnis nimmst, dass es sich um ein Beispiel handelte. Seinen Willen sich seiner Situation entziehen, hätte er schon viel einfacher zeigen können, wenn er einen Versetzungsantrag gestellt hätte.

Interessant ist übrigens, dass der Angeklagte beteuerte, nie auf Gefangene geschossen zu haben. Auf die Frage, ob er auf einen geschossen hätte, wenn einer geflüchtet wäre, meinte er, dass er dann mit Absicht daneben geschossen hätte. Er hätte sich schon irgendwie bei seinem Befehlshaber herausgeredet. Diese Aussage fand ich in dem Zusammenhang äußerst interessant. Er hatte scheinbar keine Angst, in diesen Zeiten einen Befehl nicht ordnungsgemäß auszuführen.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:36)

Im bloßen Diensttun nach Einberufung sehe ich kein Handeln, für das man sich persönlich verantworten müsste. Die Gründe hatte ich schon benannt.
Wenn der Dienst in der Ausübung von Straftaten besteht, schützt einen das nicht vor einer Bestrafung.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Sören74 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:43)

Wenn der Dienst in der Ausübung von Straftaten besteht, schützt einen das nicht vor einer Bestrafung.
Ich kann keine Straftat darin erkennen, seinen vorgeschriebenen Wachdienst auszuführen.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:47)

Ich kann keine Straftat darin erkennen, seinen vorgeschriebenen Wachdienst auszuführen.
Das ist mir schon bewusst. :| Aber genau das kann man anders sehen und wurde hier und vor Gericht schon mehrfach begründet. Würde man Deiner Logik folgen, wäre es auch keine Straftat, wenn in einem IS-Lager Soldaten ihre Gefangenen überwachen, die vorher gekippnet wurden, die mit der Zeit alle erschossen würden.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Sören74 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:51)

Das ist mir schon bewusst. :| Aber genau das kann man anders sehen und wurde hier und vor Gericht schon mehrfach begründet. Würde man Deiner Logik folgen, wäre es auch keine Straftat, wenn in einem IS-Lager Soldaten ihre Gefangenen überwachen, die vorher gekippnet wurden, die mit der Zeit alle erschossen würden.
Ich sehe zwar Unterschiede zwischen Deutschland und dem Kalifat, aber unter vergleichbaren Umständen: Welchen Verfolgungseifer soll ich haben, wenn ein zum Dienst gepresster minderjähriger Einheimischer Jahrzehnte später in einer Kartei auftaucht und alles, was man rausfindet, war, dass er selber niemanden erschossen hat? Soll ich da plötzlich überzeugt sein, er habe so viele leichte Wege gehabt, der Sache zu entkommen? Bei aller Distanz zu Daesh, das überzeugt mich nicht. Wenn, dann wäre unmittelbar nach der Eroberung des Lagers ein intensives Programm sinnvoll, diese jungen Leute wieder an das normale Leben und die weltweit güligen Normen und Maßstäbe heranzuführen. Sicherzustellen, dass sie keine Ambitionen haben, die Projekte ihrer ehemaligen Bosse weiterzuführen. Jahrzehnte später einen alten Mann behelligen? Nein, das bringt nichts.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Skeptiker »

Sören74 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 17:40)
Ich habe zumindest in einem totalitären Staat gelebt. Nicht gleichzusetzen mit dem dritten Reich, aber deswegen bin ich jetzt nicht ahnungslos oder keinen Zugang zu diesen Zeiten oder Systemen.
Naja, irgendwie habe ich nicht den Eindruck, um ehrlich zu sein.
Ich bin erstaunt, dass Du nicht zur Kenntnis nimmst, dass es sich um ein Beispiel handelte. Seinen Willen sich seiner Situation entziehen, hätte er schon viel einfacher zeigen können, wenn er einen Versetzungsantrag gestellt hätte.
Ja, du hast viele Ideen wie er sich dem Dienst hätte entziehen können. Leider haben die damaligen Verantwortlichen aber auch viele Ideen gehabt, wie sich ihr Fußvolk versuchen wird aus der Situation zu entfernen. Daher war alles das eben nicht einfach oder naheliegend, sondern mit Schwierigkeiten oder Risiken behaftet - solchen, die wohl keiner hier selber mal eingehen möchte.
Interessant ist übrigens, dass der Angeklagte beteuerte, nie auf Gefangene geschossen zu haben. Auf die Frage, ob er auf einen geschossen hätte, wenn einer geflüchtet wäre, meinte er, dass er dann mit Absicht daneben geschossen hätte. Er hätte sich schon irgendwie bei seinem Befehlshaber herausgeredet. Diese Aussage fand ich in dem Zusammenhang äußerst interessant. Er hatte scheinbar keine Angst, in diesen Zeiten einen Befehl nicht ordnungsgemäß auszuführen.
Das erinnert mich nun wirklich an die Interviews die hier geführt worden sind mit Wehrdienstverweigerern in den 90ern. Mein Gott, da muss er was sagen, was einerseits zeigt, dass er den Befehl nicht verweigert und andererseits den Menschen nicht tötet. Die Aussage ist reine Taktik.

Wenn er so gehandelt hätte, dann wäre es eine Frage der Glaubhaftigkeit gewesen ob er damit durchgekommen wäre. Hätte er offen den Befehl verweigert, dann wäre er offensichtlich erschossen worden (Zum Ende des Krieges schien das sehr schnell zu gehen).

Ich habe ja schon weiter oben geschrieben, er kann sagen was er will, es wird ihm sowieso negativ ausgelegt. Das ist wieder so ein Beispiel.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Vongole »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Jul 2020, 19:05)

(..)

Ich habe ja schon weiter oben geschrieben, er kann sagen was er will, es wird ihm sowieso negativ ausgelegt. Das ist wieder so ein Beispiel.
Es gäbe sicherlich einen Satz, der ihm nicht negativ ausgelegt würde, vermutlich sogar Einfluss auf das Strafmaß hätte, nur fiel der bis jetzt nicht.
Statt dessen kam "Ich möchte vergessen und nicht weiter aufarbeiten" und "ich habe keine Schuld, ich habe nicht beigetragen" etc.pp
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Elmar Brok »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Jul 2020, 15:13)

Im von Nicman verlinkten Artikel im Spiegel steht folgendes:

Hört sich nicht danach an, als hätte man beim Antritt des Wachdienstes im KZ, erst einmal eine gewerkschaftliche Rechtsbelehrung erhalten. Vielleicht gibt es mit 80jährigem Sicherheitsabstand auch einfach eine mutigere Sicht der Dinge, bei dem einen oder anderen. Wer weiß ...
Du kannst es nicht lassen, oder? Es geht einfach nicht anders :D

Genau das ist der Punkt, woran es in dieser Diskussion grundsätzlich hapert. Es wird mehr Zeit darin gesteckt, seine Meinung in diesem Forum zu vertreten, anstatt sich konkret mit dem Fall auseinanderzusetzen und sich anschließend daraus eine Meinung zu bilden.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Jul 2020, 19:05)

Naja, irgendwie habe ich nicht den Eindruck, um ehrlich zu sein.

Ja, du hast viele Ideen wie er sich dem Dienst hätte entziehen können. Leider haben die damaligen Verantwortlichen aber auch viele Ideen gehabt, wie sich ihr Fußvolk versuchen wird aus der Situation zu entfernen. Daher war alles das eben nicht einfach oder naheliegend, sondern mit Schwierigkeiten oder Risiken behaftet - solchen, die wohl keiner hier selber mal eingehen möchte.

Das erinnert mich nun wirklich an die Interviews die hier geführt worden sind mit Wehrdienstverweigerern in den 90ern. Mein Gott, da muss er was sagen, was einerseits zeigt, dass er den Befehl nicht verweigert und andererseits den Menschen nicht tötet. Die Aussage ist reine Taktik.

Wenn er so gehandelt hätte, dann wäre es eine Frage der Glaubhaftigkeit gewesen ob er damit durchgekommen wäre. Hätte er offen den Befehl verweigert, dann wäre er offensichtlich erschossen worden (Zum Ende des Krieges schien das sehr schnell zu gehen).

Ich habe ja schon weiter oben geschrieben, er kann sagen was er will, es wird ihm sowieso negativ ausgelegt. Das ist wieder so ein Beispiel.
Das ist auch mein Eindruck von diesem Prozess. Wie leichtfertig hier manche diesen alten Menschen beschuldigen, das ist jedenfalls nicht mein Ansatz.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Skeptiker »

Elmar Brok hat geschrieben:(10 Jul 2020, 19:37)
Du kannst es nicht lassen, oder? Es geht einfach nicht anders :D
Naja, an der Stelle muss ich an das Zitat des amerikanischen Gesellschaftsphilosophen Bob Weiss denken. Das lautet "Ein bisschen Spaß muss sein - dann kommt der Rest von ganz allein ..." :x
Genau das ist der Punkt, woran es in dieser Diskussion grundsätzlich hapert. Es wird mehr Zeit darin gesteckt, seine Meinung in diesem Forum zu vertreten, anstatt sich konkret mit dem Fall auseinanderzusetzen und sich anschließend daraus eine Meinung zu bilden.
Es wird wohl gänzlich nicht zu verhindern sein, dass Menschen sich meinungsbehaftet in Diskussionsforen bewegen. Dabei sollte man eine gewisse grundsätzliche Offenheit nicht verlieren, aber ohne Meinung zu diskutieren, das ist wie ohne Antrieb auf dem Meer zu treiben. Macht auf Dauer keinen Spaß und es ist auch nicht gesagt, dass es irgendwo hinführt ...
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Maxxy01 »

Vongole hat geschrieben:(10 Jul 2020, 19:28)

Es gäbe sicherlich einen Satz, der ihm nicht negativ ausgelegt würde, vermutlich sogar Einfluss auf das Strafmaß hätte, nur fiel der bis jetzt nicht.
Statt dessen kam "Ich möchte vergessen und nicht weiter aufarbeiten" und "ich habe keine Schuld, ich habe nicht beigetragen" etc.pp
Er fühlt sich unterbewusst doch schuldig und will alles verdrängen. Vielleicht hatte er es fast geschafft. Aber dann hat man ihn vor Gericht gezerrt.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Quatschki »

Maxxy01 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 20:38)

Er fühlt sich unterbewusst doch schuldig und will alles verdrängen. Vielleicht hatte er es fast geschafft. Aber dann hat man ihn vor Gericht gezerrt.
Also geht es in Wahrheit doch nur um Uropas Bekenntnis!
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von BlueMonday »

Mal davon abgesehen, dass für so eine Aufarbeitung ein staatliches Gericht der ungeeigneste Rahmen ist:

"Dem Angeklagten wird Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen vorgeworfen. Er soll durch seinen Wachdienst in dem Lager bei Danzig zwischen dem 9. August 1944 und dem 26. April 1945 "die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt" haben." Q: https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-0 ... e-zum-mord

Wieviele von den 5.230 Fällen wären denn nicht ermordet worden, wenn seine Wachstelle unbesetzt geblieben wäre? Eine (unmögliche?) Antwort darauf würde seinen Tatbeitrag beinhalten.

Weitaus sinnvoller wäre ein Gespräch oder mehrere Gespräche mit dem Mann, wenn er denn will. Dazu war ja viel Zeit. Mit der Gewaltkeule des Staates nun aber eine frühere Gewalt des Staates aufarbeiten wollen - einfach absurd. Das ist so als wenn der Club der Pyromanen über jemanden richtet, der praktisch nur dabei gestanden und von eben jenem Club hingestellt wurde als das Haus lichterloh abbrannte.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Elmar Brok »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Jul 2020, 20:32)

Naja, an der Stelle muss ich an das Zitat des amerikanischen Gesellschaftsphilosophen Bob Weiss denken. Das lautet "Ein bisschen Spaß muss sein - dann kommt der Rest von ganz allein ..." :x

Es wird wohl gänzlich nicht zu verhindern sein, dass Menschen sich meinungsbehaftet in Diskussionsforen bewegen. Dabei sollte man eine gewisse grundsätzliche Offenheit nicht verlieren, aber ohne Meinung zu diskutieren, das ist wie ohne Antrieb auf dem Meer zu treiben. Macht auf Dauer keinen Spaß und es ist auch nicht gesagt, dass es irgendwo hinführt ...
Dann erklär mir doch mal, wieso du immer wieder mit dem Narrativ der heutigen Helden, die heute Alles anders machen würden ankommst? Was bezweckst du damit? Ich habe nie gesagt, dass ich mich damals anders verhalten hätte. Dennoch wirfst du das mir zum x-mal an den Kopf. Lustig ist es sicherlich nicht, da du es ja scheinbar ernst meinst.

Es ist nie gesagt, dass eine Diskussion irgendwo hinführt. Es wäre aber schon hilfreich, wenn man sich einige Ausschnitte der Gerichtsverhandlung und Reaktionen darauf durchliest. Eine Offenheit sehe ich hier nicht. Ich sehe eine Position und ich sehe, dass die dazu völlig konträre Position aufgegriffen wird. Anschließend wird aneinander vorbei geredet. Vielmehr findet nicht statt. Ob das ein Erkenntnisgewinn in irgendeiner Hinsicht ist? Ich bezweifle es. Dieser konkrete Fall hat vermutlich einfach mit Bezug auf die Gerichtsverhandlung relativ wenig Diskussionsstoff.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Es befriedet vielleicht die Diskussion, wenn man einen Schritt zurück geht. Wenn sich die heutigen nicht mal sicher sein können, dass sie anders gehandelt hätten, auf welcher Grundlage urteilt man hier über einen damals Jugendlichen eigentlich? Offenbar gibt es einen Willen, unbedingt noch ein paar Uropas abzuurteilen, bevor sie durch die Tür gehen. Woher kommt der? Wozu soll das gut sein?
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Elmar Brok
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Elmar Brok »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 21:18)

Es befriedet vielleicht die Diskussion, wenn man einen Schritt zurück geht. Wenn sich die heutigen nicht mal sicher sein können, dass sie anders gehandelt hätten, auf welcher Grundlage urteilt man hier über einen damals Jugendlichen eigentlich? Offenbar gibt es einen Willen, unbedingt noch ein paar Uropas abzuurteilen, bevor sie durch die Tür gehen. Woher kommt der? Wozu soll das gut sein?
Wie sollte man darüber jemals sicher sein? Man war nie in der Situation ;) Das heißt aber auch nicht, dass ich damals nicht auch eine gewisse "Schuld" auf mich geladen hätte. Mein Wille ist es übrigens nicht, über ein paar Uropis abzuurteilen, die kaum/nichts gemacht haben!

Wir wissen doch momentan noch nichtmal, was er gemacht hat. Das ist das erste Problem. Wie du schon erwähntest geht es auch darum, auf dieses Thema eine gewisse Aufmerksamkeit zu richten. Einem Ankläger ging es um das "Beschuldigen", wenn ich mich richtig erinnere. Vielleicht wird auch auf ein Geständnis oder eine große entschuldigende Geste gehofft.
Skeptiker

Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Skeptiker »

Elmar Brok hat geschrieben:(10 Jul 2020, 21:03)
Dann erklär mir doch mal, wieso du immer wieder mit dem Narrativ der heutigen Helden, die heute Alles anders machen würden ankommst? Was bezweckst du damit? Ich habe nie gesagt, dass ich mich damals anders verhalten hätte. Dennoch wirfst du das mir zum x-mal an den Kopf. Lustig ist es sicherlich nicht, da du es ja scheinbar ernst meinst.
Ich habe dir das in dem Fall nicht an den Kopf geworfen, weil du da garnicht gemeint warst. Ich bin hier auch mit anderen in der Diskussion.
Es ist nie gesagt, dass eine Diskussion irgendwo hinführt. Es wäre aber schon hilfreich, wenn man sich einige Ausschnitte der Gerichtsverhandlung und Reaktionen darauf durchliest. Eine Offenheit sehe ich hier nicht. Ich sehe eine Position und ich sehe, dass die dazu völlig konträre Position aufgegriffen wird. Anschließend wird aneinander vorbei geredet. Vielmehr findet nicht statt. Ob das ein Erkenntnisgewinn in irgendeiner Hinsicht ist? Ich bezweifle es. Dieser konkrete Fall hat vermutlich einfach mit Bezug auf die Gerichtsverhandlung relativ wenig Diskussionsstoff.
Nun, ich habe meine Meinung zu dem Thema. Die mag nicht viel Raum für Diskussion lassen - kann schon sein. Es gibt ja aber auch noch andere, die diesem Prozess offener gegenüberstehen. Mit denen könnte man sicherlich auch Details des Prozesses selber intensiver diskutieren.
Sören74

Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 18:39)

Ich sehe zwar Unterschiede zwischen Deutschland und dem Kalifat, aber unter vergleichbaren Umständen: Welchen Verfolgungseifer soll ich haben, wenn ein zum Dienst gepresster minderjähriger Einheimischer Jahrzehnte später in einer Kartei auftaucht und alles, was man rausfindet, war, dass er selber niemanden erschossen hat? Soll ich da plötzlich überzeugt sein, er habe so viele leichte Wege gehabt, der Sache zu entkommen? Bei aller Distanz zu Daesh, das überzeugt mich nicht. Wenn, dann wäre unmittelbar nach der Eroberung des Lagers ein intensives Programm sinnvoll, diese jungen Leute wieder an das normale Leben und die weltweit güligen Normen und Maßstäbe heranzuführen. Sicherzustellen, dass sie keine Ambitionen haben, die Projekte ihrer ehemaligen Bosse weiterzuführen. Jahrzehnte später einen alten Mann behelligen? Nein, das bringt nichts.
Es gibt durchaus IS-Kämpfer, die unter Zwang aufgenommen wurden, oder sich denen angeschlossen haben, damit sie oder ihre Familien nicht verhungern. Wie will man deren Situation bewerten? Ich will mich auch nicht ständig wiederholen, meine Ansicht und meine Argumente dürften mittlerweile auch von Dir zur Kenntnis genommen worden sein.
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imp
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Elmar Brok hat geschrieben:(10 Jul 2020, 21:23)

Wie sollte man darüber jemals sicher sein? Man war nie in der Situation ;) Das heißt aber auch nicht, dass ich damals nicht auch eine gewisse "Schuld" auf mich geladen hätte. Mein Wille ist es übrigens nicht, über ein paar Uropis abzuurteilen, die kaum/nichts gemacht haben!
Irgendwer muss diesen Willen aber haben, sonst würde man nicht in den Archiven nach dem erstbesten graben, von dem gilt:
Wir wissen doch momentan noch nichtmal, was er gemacht hat.
In einem normalen Vorgang sollte man kein Verfahren gegen jemanden anstreben unter diesen Umständen.
Einem Ankläger ging es um das "Beschuldigen", wenn ich mich richtig erinnere. Vielleicht wird auch auf ein Geständnis oder eine große entschuldigende Geste gehofft.
Meine Erfahrung ist, dass sich Menschen, die sich schuldig fühlen, irgendwann schon melden werden. Auf irgendwelchen Opas rumzutrampeln, in der Hoffnung, dass sie stellvertretend für die überwiegend vergangene Generation irgendwelche Gesten loslassen, um den eigentlichen Verantwortlichen, nämlich der Politik, so spät im Leben ein weiteres Mal die Kartoffeln aus dem Feuer zu holen, nun, das amüsiert mich nicht gerade und ich will auch nicht behaupten, dass es dein Ansinnen ist. Für den zweiten Weltkrieg einzustehen, wird Deutschland auch in Zukunft nicht erspart bleiben und möglicherweise wird das weder billig noch besonders angenehm. Dieses müssen wir gemeinsam tragen und können es nicht den letzten paar Überlebenden von damals aufhalsen, indem man Menschen so lange drangsaliert, bis sie sich für irgendwelche Gesten hergeben. Um etwas zu gestehen, müsste man erstmal was gemacht haben und das zweitens auch so wissen. Ich habe zunehmend Zweifel an einem Rechtssystem, das derartige Prozesse führt. Ob das der Sinn der Sache war?
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Sören74 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 21:39)

Es gibt durchaus IS-Kämpfer, die unter Zwang aufgenommen wurden, oder sich denen angeschlossen haben, damit sie oder ihre Familien nicht verhungern. Wie will man deren Situation bewerten? Ich will mich auch nicht ständig wiederholen, meine Ansicht und meine Argumente dürften mittlerweile auch von Dir zur Kenntnis genommen worden sein.
Lass es gut sein. Wir werden nicht einig werden, das ist nicht so schlimm - im Gegensatz zum Daesh-Unwesen, das war schlimm. Es ist nicht mein Ansatz, Politik zu verstehen als beständiges Urteil über Leute, deren Lage ich nie erlebt habe und deren Probleme und Motive ich niemals verstehe. Es geht mir darum, Wiederholungen dieser Art zu vermeiden. Dafür sehe ich diesen Prozess eher abträglich. Hier offenbart sich ein Deutschland, vor dem mir graut.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Jul 2020, 19:05)

Naja, irgendwie habe ich nicht den Eindruck, um ehrlich zu sein.
Wie immer Du meinst. :) Letztlich entscheide nicht ich oder Du über die juristische Aufarbeitung, sondern das Gericht, da scheint zumindest Einigkeit zu bestehen.
Skeptiker hat geschrieben: Ja, du hast viele Ideen wie er sich dem Dienst hätte entziehen können. Leider haben die damaligen Verantwortlichen aber auch viele Ideen gehabt, wie sich ihr Fußvolk versuchen wird aus der Situation zu entfernen. Daher war alles das eben nicht einfach oder naheliegend, sondern mit Schwierigkeiten oder Risiken behaftet - solchen, die wohl keiner hier selber mal eingehen möchte.
"Schwierigkeiten oder Risiken" ist für mich persönlich (und nur über meine Ansichten kann ich berichten) nicht ausreichend, um über alles hinwegzusehen. Ja, obwohl ich fast 50 Jahre später als er geboren wurde, maße ich mir eine eigene Meinung zu dem Thema an. Immer nur auf die damalige Umstände zu verweisen (die viele Millionen von Wehrmachtssoldaten auch erleiden mussten) ist mir persönlich zu wenig, um ihn moralisch zu rehabilitieren.
Skeptiker hat geschrieben: Wenn er so gehandelt hätte, dann wäre es eine Frage der Glaubhaftigkeit gewesen ob er damit durchgekommen wäre. Hätte er offen den Befehl verweigert, dann wäre er offensichtlich erschossen worden (Zum Ende des Krieges schien das sehr schnell zu gehen).
Aber schon erstaunlich, dass er sich diesen Spagat zutraute, aber nicht den Mut hatte nach Wegen zu suchen, vom KZ wegzukommen.
Skeptiker hat geschrieben:Ich habe ja schon weiter oben geschrieben, er kann sagen was er will, es wird ihm sowieso negativ ausgelegt. Das ist wieder so ein Beispiel.
Nee. Würde er wirklich Reue vor Gericht zeigen, würde ich es in Teilen anders sehen.
Sören74

Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 19:46)

Wie leichtfertig hier manche diesen alten Menschen beschuldigen, das ist jedenfalls nicht mein Ansatz.
So wie man leichtfertig alte Menschen beschuldigen kann, kann man sie auch leichtfertig von einer Mitverantwortung freisprechen. Schade, dass Du diese Seite der Medaille nicht erkennst. :|
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Sören74 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 21:54)

So wie man leichtfertig alte Menschen beschuldigen kann, kann man sie auch leichtfertig von einer Mitverantwortung freisprechen. Schade, dass Du diese Seite der Medaille nicht erkennst. :|
Es gab früher mal im Strafrecht diesen verloren gegangenen Grundsatz des Zweifels. Auch so eine Errungenschaft, die meistens nicht schmeckte, aber inzwischen auch obsolet ist. Ein später Triumph der ganz falschen Seite, wenn das so bleibt.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

BlueMonday hat geschrieben:(10 Jul 2020, 21:01)

Mal davon abgesehen, dass für so eine Aufarbeitung ein staatliches Gericht der ungeeigneste Rahmen ist:

"Dem Angeklagten wird Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen vorgeworfen. Er soll durch seinen Wachdienst in dem Lager bei Danzig zwischen dem 9. August 1944 und dem 26. April 1945 "die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt" haben." Q: https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-0 ... e-zum-mord

Wieviele von den 5.230 Fällen wären denn nicht ermordet worden, wenn seine Wachstelle unbesetzt geblieben wäre? Eine (unmögliche?) Antwort darauf würde seinen Tatbeitrag beinhalten.
Ich muss Dich enttäuschen, aber so definiert sich Beihilfe generell (und somit auch zu Mord) nicht.

"Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat."

https://dejure.org/gesetze/StGB/27.html

Es spielt keine Rolle, ob ohne ihn gleich viele oder weniger Morde stattgefunden hätten. Unterstützende Hilfe, um den Ablauf der Morde reibungsloser durchführen zu können, reicht schon aus. Ralf Wohlleben wurde im NSU-Prozess auch wegen Beihilfe verurteilt, obwohl es auch ohne ihn gegangen wäre.
BlueMonday hat geschrieben:Weitaus sinnvoller wäre ein Gespräch oder mehrere Gespräche mit dem Mann, wenn er denn will.
Die fanden auch statt, siehe Spiegel-Artikel.
BlueMonday hat geschrieben:Dazu war ja viel Zeit. Mit der Gewaltkeule des Staates nun aber eine frühere Gewalt des Staates aufarbeiten wollen - einfach absurd.
Sorry, aber was ist am Gewaltmonopol des Staates absurd?
BlueMonday hat geschrieben: Das ist so als wenn der Club der Pyromanen über jemanden richtet, der praktisch nur dabei gestanden und von eben jenem Club hingestellt wurde als das Haus lichterloh abbrannte.
Es gehört zum Rechtstaat dazu, über vergangene Handlungen des Staat nach juristischen Kriterien zu bewerten.
Sören74

Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 21:18)

Es befriedet vielleicht die Diskussion, wenn man einen Schritt zurück geht. Wenn sich die heutigen nicht mal sicher sein können, dass sie anders gehandelt hätten, auf welcher Grundlage urteilt man hier über einen damals Jugendlichen eigentlich? Offenbar gibt es einen Willen, unbedingt noch ein paar Uropas abzuurteilen, bevor sie durch die Tür gehen. Woher kommt der? Wozu soll das gut sein?
Sorry imp, nix für ungut, aber darüber wurde schon mehrfach hier geschrieben. Du vermittelst gerade den Eindruck, als wenn Du die Aussagen der anderen User nicht mal zur Kenntnis nimmst.
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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Vongole »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 21:58)

Es gab früher mal im Strafrecht diesen verloren gegangenen Grundsatz des Zweifels. Auch so eine Errungenschaft, die meistens nicht schmeckte, aber inzwischen auch obsolet ist. Ein später Triumph der ganz falschen Seite, wenn das so bleibt.
Dieser Grundsatz steht noch immer, nur hat er in diesem Fall nichts mehr zu suchen. Dass Bruno D. als Wachmann im KZ gearbeitet hat, stimmt nämlich zweifellos.
Am Yisrael Chai

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Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von imp »

Sören74 hat geschrieben:(10 Jul 2020, 22:14)

Sorry imp, nix für ungut, aber darüber wurde schon mehrfach hier geschrieben. Du vermittelst gerade den Eindruck, als wenn Du die Aussagen der anderen User nicht mal zur Kenntnis nimmst.
In der Tat habe ich in der Fülle der Beiträge dazu bisher keine brauchbare Antwort gefunden. Es bestärkt mich darin, diesem Treiben zunehmend eine Absage zu erteilen. Ich wünsche dir alles Beste.
"Don't say words you gonna regret" - Eric Woolfson
Sören74

Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 21:58)

Es gab früher mal im Strafrecht diesen verloren gegangenen Grundsatz des Zweifels. Auch so eine Errungenschaft, die meistens nicht schmeckte, aber inzwischen auch obsolet ist. Ein später Triumph der ganz falschen Seite, wenn das so bleibt.
Verstehe Dich nicht ganz. Du meinst im Zweifel für den Angeklagten? Dieser Grundsatz gilt immer noch: https://de.wikipedia.org/wiki/In_dubio_ ... chen_Recht
Sören74

Re: KZ Prozess - Wachmann angeklagt

Beitrag von Sören74 »

imp hat geschrieben:(10 Jul 2020, 22:17)

In der Tat habe ich in der Fülle der Beiträge dazu bisher keine brauchbare Antwort gefunden. Es bestärkt mich darin, diesem Treiben zunehmend eine Absage zu erteilen. Ich wünsche dir alles Beste.
Sorry, noch mehr vorkauen, um Dich zufrieden zu stellen, wird vermutlich nicht viel Sinn machen. Du vermittelst den Eindruck, als wenn Du zur Erkenntnis getragen werden möchtest. An der Stelle werde ich aufhören, Deine Postings in diesem Thread zu lesen.
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