da kommt noch mehr. hier noch von hersch fischler. es gibt aber brisanter material.
In großem Umfang werden vom Autor - der von der Auffindung der Stenographischen Berichte wußte (9), es aber nicht für nötig hielt, außer den sechs zuerst bekannten weitere einzusehen - die Presseberichte der ausländischen Prozeßbeobachter als Quelle herangezogen. Und auch sie müssen sich tiefe Eingriffe in die Substanz gefallen lassen.
Drei Beispiele nur für viele:
Das erste betrifft den unterirdischen Heizungsgang, der als möglicher Zugangs- und Fluchtweg unbekannter Brandstifter die Sensationspresse beschäftigte. Dazu zitiert Tobias:
Der Gang... hatte eine Besonderheit, über die der englische Korrespondent Douglas Reed berichtete:
"Der Tunnel war mit losen Metallplatten ausgelegt , die - wie ich zu meiner Genugtuung selbst wahrnahm - ein Getöse verursachten, das vom Pförtner gehört werden mußte."
Reed hatte wirklich an einer Begehung des Tunnels durch die Presse teilgenommen; doch er resümiert das Ergebnis so:
"Der Augenschein zeigte, daß der Tunnel eine vollkommen praktikable (feasible) Art des Zu- und Abgangs geboten hätte .... Es gab sogar die Möglichkeit, daß sie auf Strümpfen (in stockings feet) leise genug durchgehen konnten, um von dem Mann im Dienst (Nachtpförtner Adermann) nicht gehört zu werden."
Werden solche Prokrustes-Methoden schon an einzelnen Zitaten geübt, kann es nicht mehr überraschen, daß auch die Auswahl nach bewährter Mosaiktechnik vorgenommen wird. Neben Reed wird so noch ein anderer zum reinen Zeugen der Anklage (gegen die Anklage, die Sachverständigen und das Gericht):
"Beschämend ist, daß offenbar außer van der Lubbes Anwalt Seuffert damals nur Douglas Reed und der alte holländische Richter de Jongh auf den Gedanken kamen, daß er einfach deshalb nichts gestand, 'weil er nichts zu gestehen hatte'. Welch ein Trauerspiel und welche unauslöschliche Schmach für van der Lubbes Ankläger, Richter und - Henker." (2).
... Nichts davon, daß Reed - von dem schon richtiggestellten Zitat abgesehen - im Rückblick (3) dieser These nur "a tiny pigeon-hole of credibility" einräumt und auf einem Höhepunkt der Ereignisse (4) die Erörterungen mit dem Satz schließt:
"Nein, es war nicht möglich..", daß de Jongh nicht nur in den von Tobias selbst abgedruckten Sätzen (5) die Alternative "allein oder mit ein paar Gesellen" stellt, sondern sie vorher wie folgt konkretisiert hat: "van der Lubbe muß nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit in See gegangen sein mit Gesellen seines eigenen Schlages oder mit Agenten (gladdakkers), die als Spione sein Gerede über Weltverbesserung und Brandstiftung gehört und davon Vorteil gezogen haben."
Auch den in summa als Fälschungen abgetanen Quellen kommunistischer Provenienz vertraut (6) Tobias sich - wenn auch oft, ohne sie zu nennen - unbedenklich an, wo sie geeignete Zitate liefern, um das Gericht, den Oberreichsanwalt, die Sachverständigen und Zeugen zu diskreditieren.
1.) Die Sachverständigen hatten, gestützt auf Zeugenaussagen, physikalische und chemische Untersuchungen am Brandort und eigene Kontrollversuche, die "natürliche" Ausbreitung des Feuers im Plenarsaal, von den durch van der Lubbe in Brand gesetzten Portieren an der Stirnseite aus, für unmöglich erklärt. Ihr Kritiker weiß, daß es im Gegenteil von da zuerst auf die stoffbespannte Holzwand übergegriffen hat und dieser "allmählich fortschreitende Brand der hölzernen Vertäfelung" sogar - wörtlich so (S. 450) - "von den verschiedensten Zeugen beobachtet wurde." (2)
In Wahrheit gibt es nicht einen solchen Zeugen, zwischen dem Hausinspektor Scranovitz, der betonte, daß im Zeitpunkt seiner Beobachtung "mit absoluter Sicherheit" an der Wandverkleidung noch kein Feuer war (3); und dem Brandmeister Klotz, der etwa zwei Minuten später in dem nun schon von dichten Qualm erfüllten Saal nur noch einen unbestimmten Feuerschein in der Gegend der linken Tribüne erkennen konnte (4).
2.) Der Sachverständige Schatz und ihm folgend das Urteil des Reichsgerichts hätten die Vorhänge im Plenarsaal, schließlich sogar "alle Vorhänge" im Reichstag als infolge der feuerabweisenden Imprägnierung unbrennbar erklärt, um zu beweisen, daß sie - da sie tatsächlich doch brannten - chemisch präpariert, also Mittäter am Werk gewesen sein mußten; zu diesem Zweck habe Schatz Brandversuche mit auf dem Dachboden lagernden Restbeständen unternommen, und diese hätten sich natürlich als unentflammbar erwiesen, weil bei ihnen, im Gegensatz zu den seit Jahren hängenden Portieren, der Imprägnierschutz noch wirksam war. (1).
Die Wahrheit: Die Versuche wurden nicht von Schatz, sondern vom Brandsachverständigen Wagner ausgeführt; als Ergebnis wurde von diesem mitgeteilt, daß sich gerade die Portieren im Plenarsaal als sehr leicht, diejenigen im westlichen Umgang als schwer brennbar gezeigt hatten (2) ; die gleiche Unterscheidung nach dem Grad der Brennbarkeit findet sich in Schatz' mündlichen Äußerungen in der Hauptverhandlung wie im Text des Urteils wieder (3).
3.) Die Einbringung flüssiger Brennstoffe in den Plenarsaal sei nicht nur von den Sachverständigen Wagner und Ritter ausgeschlossen worden, auch Professor Brüning habe nicht die geringste Spur davon entdecken können (4), und ebenso habe der Chemiker Dr. Lepsius auf Grund einer Begehung der Brandstätte am anderen Morgen die Annahme von flüssigen Brennstoffen oder gar Selbstentzündungsmitteln für überflüssig erklärt. (5).
In Wahrheit gab es in dieser Frage, wie in der weiteren der Zündmittel zwischen Wagner, Josse, Schatz keinen Widerspruch - nur eine Arbeitsteilung. Brünings und Lepsius können einen solchen schon deshalb nicht begründen, weil sie sich nur auf Brandherde außerhalb des Plenarsaals beziehen; diesen selbst haben beide nachweislich nicht untersucht (6)
4.) Tobias weiß im Gegenteil: Der Schutt ist "nach allen Regeln der Kunst analysiert worden." (7).
In den Voruntersuchungsakten und Sitzungsprotokollen steht davon kein Wort. Professor Brüning selbst erinnerte sich auf Befragen an "kein diesbezügliches Untersuchungergebnis" und erklärte dazu unmißverständlich: "'Experten' der Polizei waren im Anfang der Ermittlungen nur wir." (8)
5.) Josse und Schatz hätten als mutmaßlichen Ausgangsort des Brandes den Stenographenraum bezeichnet, in dem man Brandmaterial unbemerkt habe lagern können. Die Verhandlung habe ergeben, daß dieser "ausgerechnet am Nachmittag des Brandtages von den Reinemachfrauen gründlich gesäubert worden war. Damit löste sich die Fehlspekulation der Experten in ein Nichts auf." (1).
In Wahrheit ergab die Verhandlung, daß die Putzfrauen nur bis Mittag tätig gewesen waren und eine "gründliche" Reinigung nicht stattgefunden hatte, weil eine solche nur nach Sitzungstagen üblich war. (2)
6.) Schatz hatte weiter aus den Spuren an dem im Umgang aufgefundenden Mantel van der Lubbes gefolgert, daß dieser irgendwann mit der Zündlösung hantiert haben müßte, und bedauert, daß er, Schatz, die Brandwunden an dessen Händen nicht auch habe untersuchen können. Tobias führt ihn ab mit dem Satz:
"Hätte Dr. Schatz die Akten besser studiert und insbesondere das am 28. Februar aufgenommene Foto betrachtet, auf dem van der Lubbe mit einem Kohlenanzünder-Paket in den völlig unversehrten Händen zu sehen ist, dann hätte er dem Gericht diese abwegigen Gedanken erspart" (3).
Aber Schatz hatte wirklich die - uns ja nur im Auszug erhaltenen - Akten besser studiert als sein Kritiker beispielsweise das Buch de Jonghs, das er doch wiederholt zitiert; dieser Praktiker des Gerichtssaals spricht nämlich genau dasselbe Bedauern aus ( De Jongh, S. 18) und der Kriminal-Sekretär Raben bestätigte auf Befragen wörtlich: "An den Händen hat er Brandwunden gehabt." (5). Daß diese auf dem Foto nicht erkennbar sind, ist selbstverständlich: es zeigt die Hände und Finger nur von der Außenseite.
7.) Eine "minutiöse Nachprüfung von Lubbes Angaben über die Tage und Stunden seines Aufenthalts in Deutschland und Berlin habe bestätigt, daß alle seine Angaben zutrafen; besonders den - neun Tage umfassenden - Aufenthalt in Berlin habe man "sorgsam Stunde um Stunde nachgeprüft", wobei man speziell den Tag der Brandstiftung im Reichstag selbst "minutiös rekonstruierte". (6)
Diese Rekonstruktion der neun Tage vollzog sich im wesentlichen so, daß van der Lubbes eigene Angaben zu Protokoll genommen wurden; die Nachprüfung beschränkt sich auf die von ihm angegebenen Nachtquartiere (7) , die Geschäfte, in denen die Kohlenanzünder gekauft wurden, schließlich noch die Kontakte in Neukölln, auf die man erst durch die Anzeige eines Beteiligten gekommen war.(NN: wer denn?? beteiligt, wie??)
Dies alles aber sind nur Proben - freilich solche, die niemand "unwesentlich" nennen dürfte; wer will, kann ohne Mühe weitere finden. Im Endergebnis jedenfalls entsteht durch diese Arbeitsweise, im Kleinen wie im Großen, im Bild der Menschen und der Ereignisse, des Brand- und des Prozeßgeschehens, eine Verfälschung des objektiven Tatbestands, die weder der Laie noch der Fachmann - ob Jurist, Kriminalist oder Historiker - für möglich halten würde.
der nächste beitrag handelt über das benehmen von historikerdoyen mommsen, der sich so »fremd« benahm hinsichtlich tobias' buch. durch seine stellungnahme bekam tobias' these erst echt den schein von wissenschaftlichen glaubwürdigkeit.
natürlich habe ich eine menge gekürzt. am ende werde ich alle links und quellen geben, sodaß man sich selbst von der richtigkeit des hier geschriebene überzeugen kann. wie einer darüber denkt und urteilt muß er selbst wissen. n.m.m. kann da nur eine meinung folgen: es war unmöglich daß ein einzelner man (der noch sehr schwer behindert war, denn er konnte nur 25-30% sehen) diesen brand verursachte.