Atue001 hat geschrieben:(16 Jun 2020,
23:57)
Dieser nachvollziehbaren Annahme liegt ein Irrtum zugrunde, den man mit berücksichtigen sollte.
Wenn wir beim Verbrenner über den Tankvorgang nachdenken, dann darf dieser typischerweise wenige Minuten
dauern - und danach muss die Tanke auch für viele Kilometer reichen.......
Wenn genau diese Art der Denke für Elektroantriebe nachgebaut werden soll, dann haben wir tatsächlich ein
großes Problem.
Eigentlich nicht, Wechselakku wäre die Devise. Da aber jeder Autohersteller eine eigene Technologie entwickelt,
unter dem Deckmantel des Wettbewerbs, welcher aber nichts weiter als Kundenbindung herbei führen soll,
wird dies wohl auch in ferner Zukunft nicht möglich sein. Außerdem ist die Technologie in "Bewegung", deshalb
gibt es verschiedene Stecker, Ladetechnologien, Akkumulatoren usw.
Atue001 hat geschrieben:Genau diese Denke hatte dereinst auch Nokia, als es um Smartphones ging. Nokia war
Marktführer, und bekannt und geliebt dafür, dass man Nokia-Handys nur maximal einmal die Woche ans Netz
hängen musste. Deshalb konnte man sich bei Nokia auch nicht vorstellen, dass andere Smartphones wie das
von Apple relevante Marktanteile gewinnen würden.
Es kam aber anders - weil die Nutzer von iPhones es gar nicht als großen Nachteil empfanden, ihr Smartphone
bei jeder sich bietenden Gelegenheit ans Ladegerät zu hängen - denn eine Steckdose zum Laden fand man
eigentlich immer. Entscheidender war das Mehr an Komfort und Möglichkeiten, was das iPhone gegenüber den
klassischen Geräten von Nokia hatte......und wie jeder weiß, ist Apple heute gut im Geschäft - und die
klassischen Handys von Nokia haben allenfalls als Retrogeräte noch eine Nische.
Ein klassisches Handy mit Telefon/SMS-Funktion mit einem heutigen Smartphone zu vergleichen,
ist so als wenn ich eine Pferdekutsche mit einem Tesla Model S vergleiche.
Und was war beim I-Phone als allererstes weg?
Wechselakku und Datenschnittstelle. Und I-Phones wurden aus dem selben Grund gekauft, wie auch eine Mercedes S-Klasse.
Atue001 hat geschrieben:Was sagt das über die Elektromobilität aus?
Nichts.
Atue001 hat geschrieben:Recht viel - weil statistisch klar belegbar ist, dass die meisten Strecken, die wir zurücklegen
nur wenige Kilometer sind. Und: Weil eine Ladeinfrastruktur, die ein e-Fahrzeug für solche Entfernungen auflädt,
keine Schnellladestationen braucht, sondern dafür auch der normale 230V-Anschluss durchaus ausreicht, wenn
man den über Nacht nutzen kann.
Für wenige Kilometer verwende ich meine Beine oder mein Fahrrad. Ansonsten fahre ich jeden Tag mindestens
40km in Berlin. Heute zum Beispiel bin ich ca. 120km gefahren.
Berlin-Friedrichshain--->Berlin-Mitte--->Berlin-Wedding--->Berlin-Mitte--->Berlin-Tempelhof--->Berlin-Steglitz--->
Berlin Friedrichshain. Am Wochenende fahre ich zu meinem Zweitwohnsitz das sind dann 240km und wenn ich
meinem Hobby nachgehe (Urbexing), kommen noch etliche Kilometer dazu.
Reicht da eine 230V-Steckdose? Wohl eher nicht.
Tatsächlich werden in Berlin auch nur Anschlüsse für 8kW (400V 3x16A) oder 20kW(400V 3x32A).
Atue001 hat geschrieben:Die Denke, dass wir Elektromobilität genau so tanken wollen, wie wir das bei Verbrennern
gewohnt sind, ist ziemlich sicher falsch. Es wird bei e-Mobilität selbstverständlich sein, dass wir jede Steckdose
nutzen, die wir irgendwo vorfinden. Ob das beim Einkaufen ist, in der Garage zu Hause, oder auch an sehr
schnell multiplizierbaren Steckdosen am Straßenrand und auf jedem Parkplatz.
Schnell multiplizierbare Steckdosen?
Nehmen wir uns einen kleineren Edeka mit 150 Parkplätzen ohne Steckdosen.
Um die Energieversorgung für einen solchen Edeka zu ermitteln, führst du nach Ermittlung des Energiebedarfs
aller Verbrauer, eine Kurzschluß- und Selektivitätsberechnung aus.
Bei einem kleineren Edeka kommt man dann z.B. auf 140kW, das entspricht einem
Niederspannungshausanschluß von 250A (155kW), als Reserve stehen hier also 15kW zur Verfügung.
Diesen Anschluß beantragt man dann beim Energieversorger, und bekommt entweder eine Zusage, oder die
Auflage einen Mittelspannungsanschluß herzustellen mit Kundeneigenen Transformator.
Nun stellen wir uns vor der Energieversorger hat die 155kW genehmigt und dein Edeka geht in Betrieb.
Jetzt möchtest Du die 150 Parkplätze mit einer Schuko-Steckdose ausrüsten. Dazu benötigst du eine
Steckdosensäule mit Zähl- und Bezahlsystem, weiterhin benötigtst Du eine zusätzlichen Energiebedarf
von 150x10A =1500A aufgeteilt auf 3 Phasen ---> 311kW, das heißt du benötigst zusätzlich zu Deinem
vorhandenen Energieschluß 311kW. Die verhandene Reserve reicht für 6-7 Parkplätze.
Für die restlichen Parkplätze mußt du also erneut einen Stromlieferungsantrag an den Energieversorger stellen,
deine Energieversorgungsanlage komplett umbauen, eventuell Trafo stellen mit Mittelspannungsanschluß.
Hier entstehen natürlich auch Kosten, mindestens 100k € + Ladesäulen usw.
Wann amortisiert sich diese Investition?
Ein weiteres Problem ist die kapazitive Blindleistung und Oberwellen, welche sich schon jetzt nicht mehr so
richtig durch die Energieversorger beherrschen lassen. Mit denn neuen Zählern, werden diese aber nun vom
Kunden bezahlt.
Atue001 hat geschrieben:Ein weiterer wichtiger Fehler, der häufig bei den Überlegungen zur Elektromobilität gemacht
wird ist der, dass man beim "Tanken" darüber nachdenkt, den Akku vollladen zu wollen. Bei Verbrennern macht
dies Sinn, weil man zum Tanken immer an eine Tankstelle muss, und diese Fahrten will man ja vermeiden. Bei
einem e-Fahrzeug ist das kaum notwendig - das kann man nahezu überall aufladen, wo eine 230V-Steckdose
realisiert ist. Und: Beim Ladeverhalten ist sehr relevant: Am längsten dauern die letzten 20%! Wenn man also
eine Akkureichweite von 400km hat, dann dauert es am längsten, die Reichweite von 300km auf 400km zu
erhöhen.....nur meist reicht gerade in Ballungsgebieten eine Reichweite von 30km - und die aufzuladen, dauert
auch an einer normalen 230V-Steckdose mit 16A abgesichert nicht sonderlich lange.
Das ist zwar richtig, nur aus den oben genannten Gründen schlecht realisierbar und Schnelladen schon garnicht.
Atue001 hat geschrieben:Wenn man dies alles mit berücksichtigt wird klar, dass wir zwar sicher eine gewisse
Herausforderung haben, eine anständige Ladeinfrastruktur in den Städten zur Verfügung zu stellen - aber die
Herausforderung ist nicht so arg groß. Tatsächlich ist der Mehrbedarf an Strom für eine 100%-e-Mobilität nur
ungefähr 20% unseres bestehenden Stromverbrauchs. Das liegt unterhalb der typischen Schwelle, die wir als
Reservekapazität eh vorhalten. Nimmt man nun noch mit, dass wir ja nicht von jetzt auf gleich von 0-e-Mobilität
auf 100%-e-Mobilität wechseln, sondern dass dieser Prozess mindestens 15 Jahre in Anspruch nehmen wird,
dann wird auch klar, dass wir ausreichend Zeit haben, um mit zunehmender e-Mobilität auch die zugehörigen
Ladestationen und Netze mit auszubauen.
Für diesen Übergang benötigen wir aber eine andere Technologie, und die 15 Jahre passen nicht zu einem weiter
steigenden Elektronergieverbrauch. Die Reservekapazität besteht auch nur bei der Energieerzeugung nicht aber
bei der Energieverteilung, denn dafür müssen weitere Stromtrassen das Land durchschneiden und viele
zusätzliche Leitungen in den Ballungsräumen verlegt werden. Damit wurde bis heute nicht einmal angefangen.
Atue001 hat geschrieben:Sicher - bei dem Ausbau wird auch mal was schief gehen, und es werden auch mal Lücken
bemängelt werden.....aber das ist eigentlich normal, wenn man über so umfassende Veränderungen nachdenkt.
Im Großen und Ganzen aber ist der Wechsel auf e-Mobilität nicht wirklich ein Problem - weder für die
Stromerzeugung, noch die Tankmöglichkeiten, noch für die Reichweiten der Nutzer. Es ist nur ein wenig anders
als bei klassischer Verbrennerinfrastruktur - aber gerade in Ballungsgebieten leicht beherrschbar.
Und wenn man es ganz einfach betrachtet, mit der Versorgung aus der Schuko-Steckdose
Berlin Stromverbrauch pro Kopf 2014 = 4087kWh
Autos sind 1.200.000 in Berlin angemeldet.
Bei 8 Stunden Ladezeit pro Tag mit 2,3kW entstehen 18,4 kWh pro Tag,
pro Jahr also 6.716kWh pro Fahrzeug, macht für alle Fahrzeuge dann 8.059.200.000 kWh.
Wieder auf die Einwohner aufgeteilt 2138 kWh pro Jahr.
Wie Du sehen kannst erhöht sich der pro Kopf-Verbauch um die Hälfte und steigt von
4087 kWh pro Kopf auf 6225 kWh pro Kopf und das nur bei der Nutzung der Schuko-Steckdose,
nimmst Du die Wallbox mit 8kW stellt sich die Situation noch verhehrender dar.
Von einem 20% Mehrbedarf kann also nicht die Rede sein, es sind eher 50% bei der Schuko-Steckdose.
Deshalb übergangsweise erst ein mal den Verbrenner richtig ausnutzen und mit Erdgas und Wasserstoff betreiben.