Loki hat geschrieben:(01 Nov 2017, 15:18)
Viel wichtiger - auch in Bezug auf die außenpolitischen Entscheidungen anderer Länder - ist, wie die Welt über diese Art der "Kommunikation" und der Führung von Außenpolitik mit gewaltvollen, militärischen Mitteln nach neuusamerikanischer(?) Art denkt.
Diese , seine Maßnahme war natürlich ein weiterer Grundstein für sein America first, and only. Hin zu einem "You will walk alone."
Da wäre ich vorsichtig. Weder ist die Idee vom Imperium Americanum neu noch ist zu erwarten, dass sich da schnell was dreht. Während der Begriff in den 20ern und später in den 70ern noch überwiegend von den geschäftsorientierten Isolationisten resp den Liberals/Linken kritisch gemeint verwendet wurde, bezogen sich in der Phase 2003-2011 auch viele Theoretiker und Politiker positiv auf die Idee eines Wirkens in der Welt, das aus Sicht der Betroffenen als Bevormundung wahrgenommen werden könne. Das ist derzeit mal wieder nicht so populär auszusprechen, das hat eben seine Phasen. Man darf auch nicht in antiamerikanische Träumereien verfallen: Viele Alleingänge kommen im Ausland auch bei den Verbündeten nicht gut an. Umgekehrt kommen viele Versuche der Amerikaner, die Verbündeten einzubinden in ihre Agenda auch nicht gut an. Da muss die Realpolitik dann graduell vom für USA nützlichen Abstriche machen, damit es auch den einbezogenen Verbündeten nützt oder zumindest weniger schadet. Die aktuelle Kontroverse um Details der US-Sanktionen gegen Russland in der EU ist ein Beispiel dafür. Das heißt aber nicht, dass diese Bündnisse deshalb morgen aufhören oder sonst in absehbarer Zeit.
Das Problem der USA ist eher, dass ihre eigene Rolle in der Welt zwar sehr stark ist, aber nicht so stark wie einst - und das gilt für die wichtigsten Verbündeten ebenso. Da kann auch Trump nur bedingt gegen an. Die Fähigkeit, auch ohne die Verbündeten in fast jedem beliebigen Teil der Welt so viel Ärger zu machen, dass sich Widerstand nicht lohnt, ist immer noch da. Amerika braucht diese Fähigkeit, fast alle in der Welt notfalls zu dominieren, anders ließe sich sein Politikverständnis gar nicht leben. Jedoch haben weder USA noch USA+Verbündete heute die Kraft, gegen viele opponierende Kräfte gleichzeitig wirksam zu werden. Iran, Russland, China, einzelne Regime in Südamerika und Asien, vorlaute Türken, der selbstgeschaffene Schlamassel im Irak, die ganzen sperrigen Regimes in Afrika und im postsowjetischen Raum, die zwar prinzipiell mitspielen, aber in vielen Einzelfragen doch ihr Ding durchziehen - das ist alles der Kontrolle, wenn es die je gab, entwachsen.
Die letzten US-Präsidenten, Trump, Obarmer, Bush, eigentlich schon Clinton, haben auf diese Fragen ihre Antworten gesucht.
Bush hat die Kräfte, solange sie noch vorhanden sind, einsetzen wollen. Irak, Arabischer Frühling, harte Linie gegen Iran, wir sind die Guten und ihr macht mit oder schaut zu. Dazu die nicht vollständig frei gewählte Bodenoperation in Afghanistan, aus heutiger Sicht eher bodenlos und endlos ...
Für Obarmer hieß die Lösung zuletzt, Europa mehr in regionale Konflikte einzubinden, teure alte Projekte wie Iran, Afghanistan, Kuba mit Teilerfolg abzubrechen oder zumindest im Aufwand deutlich herunterzufahren und die Ergebnisse hinzunehmen und sich auf die Erfordernisse in Asien zu konzentrieren. Das Problem: Die Europäer kriegen es nicht hin, Libyen war und ist ein Desaster, in Osteuropa verwickeln sie sich in Rangeleien mit Russland, der nahe Osten macht, was er will. Iran und Russland haben einen Sieg in Syrien so teuer gemacht, dass er ausfallen muss. Die Russen reagieren derart frech auf die vehement durchgeboxten Versuche, ihnen dauerhaft die Tür zu wichtigen Nachbarländern zuzuknallen, dass es nicht ohne teure, aufwändige Antwort bleiben darf. Die Amerikaner kommen einfach nicht dazu, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die nach eigener Agenda wichtig wären. Weder eine jahrelange und massive Aufblähung der Verschuldung noch die Einspannung der Verbündeten lösen das Problem hinreichend. Beim Hauptkonflikt um Asien müssen also Abstriche gemacht werden, um Konfliktfelder zu bedienen, die entweder längst abgeschlossen sein sollten oder überhaupt nur durch andere Akteure aufgemacht wurden. Diese Überstreckung ist auf die Dauer nicht durchzuhalten.
Wir müssen daher, egal wer Präsident wird, mittelfristig mit härteren Eingriffen der USA rechnen und mit drastischeren Forderungen nach Geld und Militäreinsätzen durch EU-Land. Wir müssen auch damit rechnen, dass der "Weltpolizist" sich in Zukunft noch mehr als heute im wegsehen übt, wo es seinen eigenen Rechnungen nicht passt. Das ist nicht unbedingt ein Grund zur Freude.
Trump steckt in dem Dilemma voll drin. Die Berater erklären ihm, dass Israel mit einem wieder erstarkenden Iran dauerhauft unzufrieden sein wird, sich ggf sogar bedroht fühlt. Sie sagen ihm aber auch, dass man eine Eskalation mit dem Iran möglichst vermeiden sollte. Die Partner in der EU wollen endlich die durch die Sanktionen verloren gegangenen traditionellen Geschäfte wieder aufleben lassen, wollen nicht schon wieder neue Geschäftshindernisse, schon gar keinen Krieg, der Öl teuer macht. Schwierig genug ist es ohnehin, denn Russen und Chinesen haben viele Verträge mit dem Iran, die sie früher gar nicht hätten bedienen können. Auch die Türkei entgleitet immer mehr. Selbst Indien wird selbstbewusster und potenter. Es ist alles extrem kompliziert.
Trump möchte Amerika wieder als großen Ansager auftreten lassen, zumindest da, wo man es traditionell erwartet. Bezahlen wollte er das ursprünglich mit einem politischen Ausgleich mit Russland, um freie Hand im Iran und in Asien zu haben. Obarmer hat es anders herum versucht, hat Iran, Irak und teilweise Afghanistan einkassiert und gegenüber Russland die harte Linie gefahren. Entstanden ist jetzt eine regionale Koalition Türkei, Iran, Russland, die in Syrien und im Irak jeweils die offizielle Regierung zulasten der Kurden und anderer Minderheiten stark beeinflussen und fördern und auch untereinander viele Ersatzgeschäfte machen für Dinge, die mit USA und EU nicht mehr gehen. Die haben keine gemeinsame Agenda, nur gemeinsame Interessen und eben gemeinsame, naja, nicht Gegner aber weltpolitische Schranken. Um diesen Cluster gruppieren sich alle möglichen wirtschaftlich angezählten oder politisch bei EU/USA schlecht angeschriebenen Staaten. Auch hier wäre weniger mehr. Kuba und Venezuela sind letztlich nur deshalb an Russland orientiert, weil mit den echten Weltwirtschaftsmächten nun mal nichts geht. Das ist graduell aufzuweichen.
Im Hintergrund spielt China den Weltkreditgeber für die hoffnungslosen Rohstoffländer, die internationalen Parias und eben den Russland/Iran-Cluster und baut gegen alle mehr oder minder friedlich seine Position aus. Das ist die Herausforderung für die USA und in der Frage agiert Trump bisher nicht ungeschickter als seine Vorgänger.
Innenpolitisch muss die US-Gesellschaft viele Konflikte austragen. Lange Lebenserwartung, hohes Niveau des medizinisch möglichen und wie fast jede Generation ein Shift der Haupteinwanderungsländer. Die Gewissheit der letzten zwei Generationen, durch Markt, Fleiß und Freiheit ein Dauerabo auf eines der höchsten Lebensniveaus der Welt zu haben - jedenfalls potentiell - steht für immer mehr Randgruppen, vielleicht für die Mehrheit inzwischen in Frage. Trumps Programm ist hier das klassische Programm der liberalen Marktwirtschaft: Staat runter, Freiheit rauf und nach außen so potent wie möglich. Ja zur Rüstung, nein zu staatlichen Gesundheitsprogrammen. Glaubt man führenden Ökononem, könnte das mittelfristig aufgehen. Glaubt man dem Geschrei der Medien, ist es extrem unpopulär. Indessen weiß Trump aber, in Krisensituationen und Katastrophen Zustimmung und Rückhalt zu ernten. Ich denke, er wird uns länger erhalten bleiben als manche vielleicht hoffen.