Mit 100.000 Volt für Europa

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Brainiac
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Orbiter1 hat geschrieben:(26 Jul 2020, 21:00)

Das stimmt. Aber wer wählt eine Partei die zwar einen Zielzustand beschreiben kann aber keine Antwort darauf hat wie der Weg dahin aussieht?
Nun, Volt hat schon auch eine Menge an Vorschlägen zu bieten, wie die EU in der aktuellen Form reformiert werden sollte, angefangen vom Gesetzesinitiativrecht des Parlaments über Reform des Wahlrechts bis hin Besetzung und Rolle der Kommission.

Das alles führt allerdings innerhalb der existierenden EU nicht geradewegs zum Zielzustand, das ist richtig. Jemand, der diesen Weg in Einzelmaßnahmen zerlegen und aufzeigen könnte, hätte vermutlich den Nobelpreis verdient. Trotzdem ist es richtig, eine Vision zu formulieren, wenn man von dieser überzeugt ist. Geschichte lässt sich selten in allen Einzelschritten prognostizieren. Ein denkbares Szenario wäre für mich, dass es irgendwann - siehe auch nächster Kommentar - in Europa weit überwiegend gewählte Parlamente und Regierungen gibt, die von der weiteren Integration überzeugt sind, dabei befeuert von globalen Herausforderungen (wie Klima), die ein dauerhaft koordiniertes Handeln erzwingen, und gemeinsam und koordiniert die Verträge von Lissabon kündigen und etwas neues aufsetzen. Mit denen, die dann dabei sein wollen.

Da habe ich meine Zweifel. In den letzten 12 Jahren gab es drei große weltweite Krisen. Und die EU hat dabei nicht gut ausgesehen. Die Finanzkrise hat die Südeuropäer entfremdet. Die Flüchtlingskrise hat die Osteuropäer entfremdet. Und die Corona-Krise wird die EU im besten Fall hochverschuldet zurücklassen. Kann aber auch schlechter ausgehen. Wie man auf eine absehbare Klimakrise reagieren wird bleibt abzuwarten. Die Polen wurden jedenfalls vom Ziel der Klimaneutralität bis 2050 befreit. Was wäre wenn sich Russland wieder seinen alten Einflussbereich in Osteuropa zurückholen will? Werden denen die Flüchtlingsankunftstaaten Griechenland, Italien, Malta und Spanien solidarisch zur Seite stehen nachdem sie selbst in der Not von den Osteuropäern im Stich gelassen wurden?

Ich bin da nach der Entwicklung der EU in den letzten 20 Jahren extrem skeptisch. Absehbar neue, problembehaftete Mitglieder wie die Westbalkanstaaten, die neben Armut und Korruption auch starke nationalistische Parteien sowie jahrhundertealte ungelöste Konflikte mit einbringen, machen mich nicht optimistischer.
Ob diese drei Krisen ohne EU besser gemeistert worden wären, wage ich sehr zu bezweifeln. Die Bewertung der Rolle der EU ist allerdings in der Tat, der allgemeinen Stimmung geschuldet, regelmäßig negativ. Wir haben seit knapp 10 Jahren weltweit eine Nationalismuswelle, die sich natürlich auch in zahlreichen Regierungsbesetzungen widerspiegelt. Das wird sich irgendwann auch wieder ändern, und die Menschen werden irgendwann auch wieder anders wählen, und die Stimmung wird irgendwann wieder eine andere sein. Und somit auch die Bewertung des Nutzens der europäischen Integration. Das kann ich natürlich nicht beweisen.
Orbiter1 hat geschrieben:(27 Jul 2020, 08:01)

Apropos Referendum, da hat VOLT dazugelernt. Das Wort taucht im Grundsatzprogramm nirgends auf. So basisdemokratisch soll es dann auch wieder nicht sein.
Das scheint mir ein Mißverständnis, Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie haben für Volt einen ziemlich hohen Stellenwert, weswegen es umfangreiche eigene Kapitel dazu im Programm gibt (außerhalb des EU-Blocks). Auf europäischer Ebene werden diverse Vorschläge zur Verbesserung des Verfahrens der Europäischen Bürgerinitiativen gemacht, auch werden Bürgerversammlungen vorgeschlagen. Das Thema wird im Bundestagswahlprogramm 2021 vielleicht auch noch weiter ausgearbeitet werden, die Partei gibt es noch nicht ganz so lange wie die Union oder SPD.

Zu oft ging der Ansatz in den letzten Jahrzehnten bei wichtigen Abstimmungen (z. B. EU-Verfassung) in die Hose. Allerdings fällt man bei der EU-Verfassung nun gleich ins andere Extrem.

"Schließlich unterstützt Volt ausdrücklich die Ausarbeitung und Verabschiedung einer Europäischen Verfassung durch Vertreter*innen der europäischen Bürger*innen, die die bestehenden EU-Verträge ersetzt und die Grundrechte und -pflichten der Bürger*innen sowie die institutionellen Vereinbarungen der EU regelt."

Bitte was? Ausarbeitung und Verabschiedung (= Ratifizierung?) durch Vertreter der europäischen Bürger? Kein Referendum, aber selbst der einzelne Mitgliedstaat spielt da offenbar keine Rolle mehr. Das machen die in Brüssel schon alles selber. So läuft das typischerweise bei einem Elitenprojekt.
Da interpretieren Sie meines Erachtens zu viel hinein. Ich denke, dass damit nur gemeint ist, dass gewählte Vertreter der Bürger, wie eben in einer repräsentativen Demokratie üblich, die Verfassung ausarbeiten. Das können und müssen, neben den auf europäischer Ebene gewählten Repräsentanten, selbstverständlich auch Abgeordnete und/oder Regierungsvertreter der Nationalstaaten sein. Die gewählten Repräsentanten müssen die Verfassung dann natürlich auch beschließen, was nicht ausschließt, zusätzlich dazu Referenden durchzuführen.

Das Grundprinzip 1 Bürger, 1 Stimme bei der Wahl des Europaparlaments sehe ich auch sehr kritisch. Kleinstaaten, und davon gibt es in der EU bekanntlich eine ganze Reihe, haben nichts mehr zu melden und werden zu bedeutungslosen Anhängseln.
Fänden Sie es denn in Deutschland richtig, wenn die Stimme eines Saarländers bei der Bundestagswahl drei- oder viermal mehr zählte, als die eines NRW-Einwohners? So ist das in Deutschland jedenfalls nicht. Der Einfluß des Saarlands, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, wird über den Bundesrat sichergestellt. Und dort (!) hat das Saarland nach Art 51 GG gemessen an der Bevölkerungszahl mehr Sitze, als NRW. Der Rat ist der richtige Ort, den Einfluß kleiner Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Aber nicht das Bundesparlament.
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Tom Bombadil
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Tom Bombadil »

H2O hat geschrieben:(27 Jul 2020, 08:28)

verlottert unsere Gesellschaft?
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H2O
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Fänden Sie es denn in Deutschland richtig, wenn die Stimme eines Saarländers bei der Bundestagswahl drei- oder viermal mehr zählte, als die eines NRW-Einwohners? So ist das in Deutschland jedenfalls nicht. Der Einfluß des Saarlands, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, wird über den Bundesrat sichergestellt. Und dort (!) hat das Saarland nach Art 51 GG gemessen an der Bevölkerungszahl mehr Sitze, als NRW. Der Rat ist der richtige Ort, den Einfluß kleiner Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Aber nicht das Bundesparlament.
Ich verstehe diesen Teil Ihres Beitrags so, daß die Kleinen auf andere Weise doch sichtbar und in großen Frage mitentscheidend bleiben. Dann kann das Parlament schön demokratisch besetzt werden und auch entscheiden. Am Ende kommt dann die nächste Instanz und schüttelt symbolisch mit dem Kopf... gehe zurück auf "Los"... bis die erste Instanz zähneknirschend das entschieden hat, was die 2. Instanz zuläßt.

So besonders gesund sieht mir dieses Verfahren aber auch nicht aus. Wenn also Einigkeit unter den Mitgliedsstaaten über die degressive Stimmenzuweisung für die Großen besteht... wo ist denn da der Vorteil des Konzepts der Stimmengleichheit? Das Konzept ist anders, aber in der Wirkung weitgehend gleich. Oder es ist ganz anders, und die Großen bestimmen, was die Kleinen gut finden sollen.

Deshalb hatte man doch im EU Ministerrat die Qualifizierte Mehrheit erfunden: Ein Vorschlag gilt als angenommen, wenn 2/3 aller Partnerstaaten zugestimmt haben, wenn die auch zugleich 2/3 der EU-Wahlberechtigten vertreten. Als Notbremse dann noch das Veto, wo 2 Quertreiber die EU der 27 vorführen können.

Und im EU-Parlament hatte man ersatzweise die degressive Zuteilung von Parlamentssitzen erfunden. Hat sich darüber denn ein Parnerstaat ernsthaft beschwert? Oder warum will VOLT etwas ändern, was in den nächsten Jahrzehnten gar keinen Widerspruch findet? Als Fernziel für 2100 teile ich dieses Konzept. Bis dahin sollte hinreichend gegenseitiges Wohlwollen unter den Partnern gewachsen sein.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Odin1506 »

Was mich stört ist:
I.1 Institutionelle Reformen
> Demokratie
Volt unterstützt Institutionen, die den europäischen Bürger*innen mehr Entscheidungsbefugnisse verleihen. Dies bedeutet sowohl, sicherzustellen, dass die Vertreter*innen der Bürger*innen den Großteil
der Regierungsmacht innehaben, als auch, dass diese Repräsentant*innen Anreize haben, die Interessen
ihrer Wähler*innen zu vertreten.
Wir haben den Vertretern und Repräsentanten die Entscheidungsbefugnisse verliehen und nicht umgekehrt.
Quelle: https://assets.volteuropa.org/inline-im ... 1Vhz2M.pdf
Ich bin keine Signatur, ich putze hier nur!!! :p
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Brainiac
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

H2O hat geschrieben:(27 Jul 2020, 16:57)

Ich verstehe diesen Teil Ihres Beitrags so, daß die Kleinen auf andere Weise doch sichtbar und in großen Frage mitentscheidend bleiben. Dann kann das Parlament schön demokratisch besetzt werden und auch entscheiden. Am Ende kommt dann die nächste Instanz und schüttelt symbolisch mit dem Kopf... gehe zurück auf "Los"... bis die erste Instanz zähneknirschend das entschieden hat, was die 2. Instanz zuläßt.

So besonders gesund sieht mir dieses Verfahren aber auch nicht aus.
Kein Wahlverfahren ist 100%ig "gesund", das lässt sich sogar wissenschaftlich beweisen. ;) Irgend ein Ziel wird immer verletzt.

Wenn also Einigkeit unter den Mitgliedsstaaten über die degressive Stimmenzuweisung für die Großen besteht... wo ist denn da der Vorteil des Konzepts der Stimmengleichheit? Das Konzept ist anders, aber in der Wirkung weitgehend gleich. Oder es ist ganz anders, und die Großen bestimmen, was die Kleinen gut finden sollen.

Der wesentliche Unterschied besteht darin: Heute zählen bei ein und derselben Wahl des europäischen Parlaments Wählerstimmen in unterschiedlichen Staaten nicht gleich viel. Das ist in höchstem Maße undemokratisch.

Im von mir vorgeschlagenen Modell ist das nicht so: Bei den nationalen Wahlen sind die dortigen Wählerstimmen in der Regel ja auch gleichwertig. Nur die Zusammensetzung des Europäischen Rats erfolgt nicht exakt anhand der hinter den jeweiligen Regierungen stehenden Wählerstimmen. Das ist auch eine Ungleichbehandlung, aber viel indirekter und m.E. viel tolerierbarer, als wenn in ein und derselben Wahl verschiedene Stimmen nicht dasselbe zählen. Und eine andere Möglichkeit, die Bedeutung der kleinen Mitgliedsstaaten aufrechtzuerhalten, sehe ich nicht.

Deshalb hatte man doch im EU Ministerrat die Qualifizierte Mehrheit erfunden: Ein Vorschlag gilt als angenommen, wenn 2/3 aller Partnerstaaten zugestimmt haben, wenn die auch zugleich 2/3 der EU-Wahlberechtigten vertreten. Als Notbremse dann noch das Veto, wo 2 Quertreiber die EU der 27 vorführen können.

Und im EU-Parlament hatte man ersatzweise die degressive Zuteilung von Parlamentssitzen erfunden. Hat sich darüber denn ein Parnerstaat ernsthaft beschwert? Oder warum will VOLT etwas ändern, was in den nächsten Jahrzehnten gar keinen Widerspruch findet? Als Fernziel für 2100 teile ich dieses Konzept. Bis dahin sollte hinreichend gegenseitiges Wohlwollen unter den Partnern gewachsen sein.
Mit Verlaub - dass es dagegen bislang keine großartigen Proteste gab, dürfte wohl eher der allgemeinen Bedeutungslosigkeit der Europawahl geschuldet sein. Vielleicht ist dieses Ungleichgewicht von Stimmen sogar eine der Ursachen dieser Bedeutungslosigkeit und des Desinteresses der Bevölkerung, beispielsweise in Deutschland.

Und natürlich hauen die deutschen Vertreter innerhalb der EU mit dem Thema auch nicht sonderlich auf den Tisch, da ja sowieso ständig die deutsche Dominanz kritisiert wird und Frau Merkel mit dem Istzustand, inkusive Bedeutungslosigkeit des europäischen Parlaments, bestens leben kann. Daraus folgt aber nicht, dass das so richtig ist.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Ich meine, daß die hohen Zustimmungswerte für die EU-Mitgliedschaft Deutschlands Beweis genug sind dafür, daß sich kaum jemand ernsthaft über die Stimmengewichte im EU-Parlament aufregt. Ich muß für mich als deutschem Staatsbürger feststellen, daß mir die Frage meines Stimmengewichts im EU-Parlament bis eben noch vollkommen schnuppe war, weil mir die gefundene Lösung ganz vernünftig erschien.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

H2O hat geschrieben:(27 Jul 2020, 21:56)

Ich meine, daß die hohen Zustimmungswerte für die EU-Mitgliedschaft Deutschlands Beweis genug sind dafür, daß sich kaum jemand ernsthaft über die Stimmengewichte im EU-Parlament aufregt. Ich muß für mich als deutschem Staatsbürger feststellen, daß mir die Frage meines Stimmengewichts im EU-Parlament bis eben noch vollkommen schnuppe war, weil mir die gefundene Lösung ganz vernünftig erschien.
Das ist nachvollziehbar, denn Deutschland hat ja auch hinreichend starken Einfluss auf die EU. Allerdings nicht auf demokratischem Wege, sondern per Machtdominanz in Europäischen Rat. Das Europäische Parlament hat damit rein gar nichts zu tun. Man kann damit zufrieden sein, die Weiterentwicklung der europäischen Integration geht anders.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Brainiac hat geschrieben:(27 Jul 2020, 22:31)

Das ist nachvollziehbar, denn Deutschland hat ja auch hinreichend starken Einfluss auf die EU. Allerdings nicht auf demokratischem Wege, sondern per Machtdominanz in Europäischen Rat. Das Europäische Parlament hat damit rein gar nichts zu tun. Man kann damit zufrieden sein, die Weiterentwicklung der europäischen Integration geht anders.
Beides ist aus meiner Sicht wahr. Natürlich müssen Maßnahmen ergriffen werden, daß europäische Beschlüsse mit sinnvollen Mehrheitsentscheidungen getroffen werden können. Über das "Wie" kann man sehr lange nachdenken... meine ich. Am Gewicht Deutschlands wird sich nie etwas ändern, so lange wir wirtschaftlich erfolgreich sind. 83 Mio Menschen sind nun einmal ein großer Teil der europäischen Erzeuger und Verbraucher. Deshalb neige ich eher zur Leisetreterei in deutschen Angelegenheiten.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von firlefanz11 »

Brainiac hat geschrieben:(25 Jul 2020, 20:55)

Martin Schulz ist heute natürlich erledigt. Damals - 2017 - war er alles andere als erledigt, und mit ihm lag die SPD zeitweise gleichauf mit der Union. Woran das wohl gelegen haben könnte?
Daran, dass die Leute damals von seiner Vetternwirtschaft im EU Parlament u. seiner generellen Unfähigkeit noch nichts wussten...
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von firlefanz11 »

Elmar Brok hat geschrieben:(25 Jul 2020, 21:56)

Das Wählerpotential von Volt würde ich vor allem bei potentiellen FDP-Wählern sehen, sollte die FDP sich (weiter) nach rechts bewegen.
Dass die FDP Positionen vertritt, die Dir nicht in den Kram passen macht sie noch nicht nach rechts driftend aber warum versuche ich das eigtl. jemandem zu erklären, der wie alle Linksgrünen der Meinung ist alles was nicht links von ihm steht ist rääächts...? :rolleyes:
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Elmar Brok »

firlefanz11 hat geschrieben:(28 Jul 2020, 11:26)

Dass die FDP Positionen vertritt, die Dir nicht in den Kram passen macht sie noch nicht nach rechts driftend aber warum versuche ich das eigtl. jemandem zu erklären, der wie alle Linksgrünen der Meinung ist alles was nicht links von ihm steht ist rääächts...? :rolleyes:
Alles entspannt, auch die FDP kann nach rechts, in eine libertäre Richtung rutschen. Daran ist auch erstmal nichts schlechtes. Warum auch? Natürlich steht die FDP rechts der SPD.

Aber zurück zum Thema. Wenn die FDP sich in eine solche Richtung bewegt, dann wird Volt für einige Liberale, zB Sozialliberale, interessant.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von firlefanz11 »

Elmar Brok hat geschrieben:(28 Jul 2020, 11:42)
Wenn die FDP sich in eine solche Richtung bewegt, dann wird Volt für einige Liberale, zB Sozialliberale, interessant.
Wird sie aber nicht. Stattdessen wird sie sich wie bisher für die Bürgerrechte u. einen fortschrittlicheren Kurs insbesondere in Sachen Digitalisierung stark machen, und den sich immer mehr abzeichnenden Sozialismus 2.0 sowohl deutschland- als auch EU weit bekämpfen. Wie Linksgrüne das dann nennen interessiert so sehr wie ein umfallender Sack Reis...
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Elmar Brok »

firlefanz11 hat geschrieben:(28 Jul 2020, 11:50)

Wird sie aber nicht. Stattdessen wird sie sich wie bisher für die Bürgerrechte u. einen fortschrittlicheren Kurs insbesondere in Sachen Digitalisierung stark machen, und den sich immer mehr abzeichnenden Sozialismus 2.0 sowohl deutschland- als auch EU weit bekämpfen. Wie Linksgrüne das dann nennen interessiert so sehr wie ein umfallender Sack Reis...
Warum zitierst du mich dann, ohne irgendetwas zum Thema beizutragen?
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von imp »

Das Programm ist ganz OK. Ich verliere aber langsam den Überblick. Humanisten, Volt, Piraten, LD, Partei, SL, ich kann die kaum noch auseinander halten. Ich sehe keine von denen so bald (wieder) in einem Landtag. Warum soll ich in der Kommune Volt wählen und nicht die lokale Wählervereinigung oder meinetwegen die FDP? Bei der Europawahl hat das Voltprogramm eine gewisse Eigenständigkeit. Aber wozu brauche ich die auf anderen Ebenen?

Was mir auffällt: Sprachlich wirkt das alles wie von Jungs für Jungs aufgeschrieben. Ist das eine Partei, in der auch Frauen und Familienmenschen prägend sind?
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Brainiac
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

In einer Woche ist Kommunalwahl in Köln, und Volt ist der FDP auf den Fersen. ;)

https://www.ksta.de/image/37280784/max/ ... tswahl.png
https://www.ksta.de/politik/kommunalwah ... d-37280706

Die Beachtung in den bedeutenderen Medien steigt auch so langsam:

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/mu ... -1.5020143
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Orbiter1 »

Brainiac hat geschrieben:(05 Sep 2020, 08:19)

In einer Woche ist Kommunalwahl in Köln, und Volt ist der FDP auf den Fersen. ;)
Sieht eher so aus als ob die FDP ihre Position halten könnte. Die AfD legt mehr zu als Volt, die Grünen deutlich mehr. Wem nimmt Volt dann überhaupt die Stimmen ab? Den anderen Parteien? Oder doch eher der Union und der SPD?
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Orbiter1 hat geschrieben:(05 Sep 2020, 10:17)

Sieht eher so aus als ob die FDP ihre Position halten könnte. Die AfD legt mehr zu als Volt, die Grünen deutlich mehr. Wem nimmt Volt dann überhaupt die Stimmen ab? Den anderen Parteien? Oder doch eher der Union und der SPD?
Gute Frage, dafür muss man wohl die Wahl abwarten. Die Sonstigen wären noch ein Kandidat (Piraten), und es gibt natürlich auch Überlagerungseffekte.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von grün »

Brainiac hat geschrieben:Volt, die bislang einzige echte transnationale Wählerliste mit europaweit einheitlichem Programm
Klar, wenn man so tut, als gäbe es die (ältere und bekanntere) Piratenpartei nicht. Die ist nämlich auch in mehreren Ländern mit europaweit einheitlichem Programm angetreten.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

grün hat geschrieben:(10 Sep 2020, 10:40)

Klar, wenn man so tut, als gäbe es die (ältere und bekanntere) Piratenpartei nicht. Die ist nämlich auch in mehreren Ländern mit europaweit einheitlichem Programm angetreten.
Aber nie in allen, es sind immer auch Piratenableger in diversen Mitgliedstaaten eigenständig angetreten, mit eigenem Programm. Oder das (recht kurz gefasste) gemeinsame PPEU-Programm wurde national (unterschiedlich) ergänzt, wie beispielsweise in Deutschland. Es ging schon in die paneuropäische Richtung, wurde aber nicht konsequent durchgezogen, soweit ich das beurteilen kann.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von grün »

Nicht ganz. Die Piratenpartei Deutschland hatte sich nach zähem Ringen als letzte europäische Piratenpartei dazu durchringen können, alle eigenen Ergänzungen nur als Positionspapier (also nicht als Teil des Programms) zu veröffentlichen.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Was nichts daran ändert, dass der Teil inhaltlich als Teil des Programms wahrgenommen wird. Eine andere Funktion hat er ja auch nicht. Ein Wahlprogramm ist ja sowieso nichts juristisch Einklagbares, sondern nur eine Absichtserklärung.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von grün »

Um diese Wahrnehmung zu verhindern, hat die Piratenpartei Deutschland die Positionspapiere außerhalb der eigenen Website gar nicht erst veröffentlicht. Infostände und dergleichen hatten ausschließlich das Programm der PPEU.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Auszählung Kommunalwahlen in Köln läuft noch. Nach ca. 60-70% der Wahlbezirke Volt deutlich über 5%, deutlich vor FDP, fast gleichauf mit AfD. :eek:
https://wahlen.stadt-koeln.de/prod/KW20 ... Koeln.html
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von grün »

Erbärmlich.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Vongole »

Brainiac hat geschrieben:(13 Sep 2020, 20:44)

Auszählung Kommunalwahlen in Köln läuft noch. Nach ca. 60-70% der Wahlbezirke Volt deutlich über 5%, deutlich vor FDP, fast gleichauf mit AfD. :eek:
https://wahlen.stadt-koeln.de/prod/KW20 ... Koeln.html
Das würde ich einen schönen Erfolg nennen!
Am Yisrael Chai

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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Vongole hat geschrieben:(13 Sep 2020, 23:58)

Das würde ich einen schönen Erfolg nennen!
Danke, sieht stark danach aus. Inzwischen hat ein Bäumchen-wechsel-dich stattgefunden, Volt liegt knapp hinter der FDP, aber vor der AfD. Besser als umgekehrt. ;)

https://wahlen.stadt-koeln.de/prod/KW20 ... Koeln.html
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Vongole »

Brainiac hat geschrieben:(14 Sep 2020, 00:04)

Danke, sieht stark danach aus. Inzwischen hat ein Bäumchen-wechsel-dich stattgefunden, Volt liegt knapp hinter der FDP, aber vor der AfD. Besser als umgekehrt. ;)

https://wahlen.stadt-koeln.de/prod/KW20 ... Koeln.html
Ab jetzt wird's schwieriger bei der Aufgabe, dieses Ergebnis zu verteidigen oder sogar zu verbessern.
Am Yisrael Chai

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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Orbiter1 »

Hier das Ergebnis in den Städten in denen Volt angetreten ist.

Aachen 3,71%
Bonn 5,07%
Düsseldorf 1,88%
Essen 0,73%
Köln 4,98%
Münster 2,61%
Paderborn 0,85%
Siegen 3,00%

Das Ergebnis des Regionalverbandes Ruhr (53 Städte und Gemeinden) kann ich auf dem Smartphone nicht ansehen (Seitenaufbau?). https://www.rvr.ruhr/politik-regionalve ... rgebnisse/ Wie auch immer, Volt ist und bleibt eine bedeutungslose Kleinpartei. Ich vermute die werden in ländlichen Gebieten noch weitaus schlechter abschneiden als in den Städten.
grün

Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von grün »

In den neulich stattgefunden habenden Wahlen scheint Volt jeweils die Partei mit dem prozentual größten Stimmenzuwachs gewesen zu sein, wenn ich die Berichterstattung richtig verstanden habe. Doch ein neuer Hype?
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3x schwarzer Kater
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Brainiac hat geschrieben:(25 Jul 2020, 20:16)

In Summe eine Partei, mit der ich sehr viel anfangen kann - ich hoffe und glaube, dass sie nicht so schnell wieder untergehen wird.
Wie sehen das die Mitforisten?
Ich sehe das genau so.
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
lili
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von lili »

Ich könnte mir vorstellen, das sie die 5% Hürde knacken könnten. Soweit ich weiß wird da schon ein Hype (meine ich nicht negativ) daraus gemacht. Die haben auch den Vorteil, das sie International aufgestellt sind. Ihr Schwerpunkt ist ja sowieso Europa.

Bin mal gespannt wie sie abschneiden.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Progressiver »

Ich bin auf Volt vor den letzten Landtagswahlen bei uns in Baden-Württemberg so richtig aufmerksam geworden. In meiner Straße hatten sie ein Wahlplakat aufgehängt, auf dem stand, dass sie die Einhaltung des 1,5 Grad-Zieles bewältigen wollen. Zudem sind sie wohl für eine viel stärkere und weiter gehende europäische Einheit. Wenn nicht gar für die Vereinigten Staaten von Europa. Andere Kleinparteien wie die Klimaliste können dies nicht bieten. Und die großen Parteien? So ziemlich alle anderen Parteien können europapolitisch nichts bieten. Vielmehr wird ein fragiler Status quo verteidigt, aber nicht ausgebaut. Die CDU und die SPD sprechen zwar von Europa. Aber in der Praxis verhindern sie jeden Fortschritt. Da muss man nicht mit dem Finger auf Ungarn oder Polen zeigen. In der Praxis sind die Union und die SPD selbst Anti-Europäer, die jeglichen Fortschritt blockieren.

Die Grünen wiederum sind für mich insbesondere in Baden-Württemberg unwählbar. Da kann ich ja gleich die CDU wählen, wenn ich den Kretschmann-Grünen meine Stimme geben würde. Auch auf dem ökologischen Gebiet sind sie mir eher eine Wohlfühlpartei als dass sie ambitioniert wären und dies auch mit fachlicher Expertise zeigen könnten. Die LINKE wiederum wollte ich nicht wieder wählen, da sie mich nicht wirklich überzeugt hat. Auch bei der Bundestagswahl 2021 weiß ich nicht, wofür sie steht. Bei den Landtagswahlen bei uns kriegt die LINKE sowieso nur immer um die drei Prozent. Wieso dann nicht eine Partei wählen, die ein attraktives Programm hat? Auch wenn man weiß, dass Volt so schnell noch nicht die Fünf-Prozent-Hürde knacken werden.

Da alle anderen Parteien -große wie kleine- durch das Raster gefallen sind, habe ich im Frühjahr 2021 die örtliche Gruppe von Volt angemailt und auch ausführliche Antwort bekommen. Dies hat mir so stark imponiert, dass ich sie dann bei der Landtagswahl gewählt habe. Viele Wählerstimmen hat sie zwar noch nicht bekommen. Aber Volt ist ja erst eine sehr junge Partei, die noch nicht allzu bekannt ist.

Über das Problem mit dem Hype habe ich sie auch befragt, wenn sie mal größer werden können. Die Piratenpartei ist ja seinerzeit auch gnadenlos gehyped worden, bevor sie sich selbst versenkt hat. Die Leute von Volt haben aber gemeint, dass sie deren Aufstieg und Fall analysiert hätten. Und sie hoffen, dass sie es besser machen werden.

Zudem ist Volt für einen säkularen Staat. Dies ist mehr als überfällig. Es gibt daneben zwar irgendwie wohl auch eine Humanistenpartei im säkularen Lager. Aber diese ist ja sogar noch eine Befürworterin der Kernkraftwerke. So etwas kann ich nicht unterstützen.

Was die nächste Bundestagswahl 2021 betrifft, so weiß ich nicht, wen ich außer Volt noch wählen könnte. Als die Grünen in den Umfragen die CDU zu überholen drohten, hatte ich mir überlegt, sie als "kleineres Übel" zu wählen, um Laschet zu verhindern. Doch erscheint mir das nicht wirklich richtig, immer nur das "kleinere Übel" wählen zu müssen. Ähnliches könnte ich über die LINKE schreiben, bei der ich ebenso nicht weiß, wofür sie wirklich steht.

Die aktuellen und kommenden Probleme, die wir haben bzw. die noch auf uns zukommen, werden jedenfalls nur gelöst werden können, wenn die Europäer zusammenstehen und mindestens trotz Systemkonkurrenz mit den anderen Staaten der Welt zusammen arbeiten. Die größte Bedrohung für das Weiterexistieren der Menschheit ist wohl das Dreigestirn aus Klimawandel, Artensterben und weiteren Pandemien. Darauf aufbauend kommen noch mögliche gigantische Migrationswellen von Klimaflüchtlingen, eine erhöhte Gefahr für Atomkriege und andere unschöne Sachen. Ich finde nicht alles bis ins Detail gut, wofür Volt steht. Aber der Ansatz dieser Partei bzw. europäischen Bewegung ist meines Erachtens viel besser und progressiver als diejenigen sämtlicher anderer Parteien. Von daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass ich Volt wieder wählen werde. Was bleibt mir auch anderes übrig? Nicht wählen zu gehen, ist keine Option. Und die anderen Parteien sind nicht wirklich eine Alternative. Außerdem muss ich vielleicht noch erwähnen: Sie versuchen, pragmatische Lösungen zu bieten und zu entwickeln, wo andere entweder nur in Alarmstimmung anklagen oder aber die Probleme totschweigen.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von lili »

Progressiver hat geschrieben:(09 Aug 2021, 21:24)

Ich bin auf Volt vor den letzten Landtagswahlen bei uns in Baden-Württemberg so richtig aufmerksam geworden. In meiner Straße hatten sie ein Wahlplakat aufgehängt, auf dem stand, dass sie die Einhaltung des 1,5 Grad-Zieles bewältigen wollen. Zudem sind sie wohl für eine viel stärkere und weiter gehende europäische Einheit. Wenn nicht gar für die Vereinigten Staaten von Europa. Andere Kleinparteien wie die Klimaliste können dies nicht bieten. Und die großen Parteien? So ziemlich alle anderen Parteien können europapolitisch nichts bieten. Vielmehr wird ein fragiler Status quo verteidigt, aber nicht ausgebaut. Die CDU und die SPD sprechen zwar von Europa. Aber in der Praxis verhindern sie jeden Fortschritt. Da muss man nicht mit dem Finger auf Ungarn oder Polen zeigen. In der Praxis sind die Union und die SPD selbst Anti-Europäer, die jeglichen Fortschritt blockieren.

Die Grünen wiederum sind für mich insbesondere in Baden-Württemberg unwählbar. Da kann ich ja gleich die CDU wählen, wenn ich den Kretschmann-Grünen meine Stimme geben würde. Auch auf dem ökologischen Gebiet sind sie mir eher eine Wohlfühlpartei als dass sie ambitioniert wären und dies auch mit fachlicher Expertise zeigen könnten. Die LINKE wiederum wollte ich nicht wieder wählen, da sie mich nicht wirklich überzeugt hat. Auch bei der Bundestagswahl 2021 weiß ich nicht, wofür sie steht. Bei den Landtagswahlen bei uns kriegt die LINKE sowieso nur immer um die drei Prozent. Wieso dann nicht eine Partei wählen, die ein attraktives Programm hat? Auch wenn man weiß, dass Volt so schnell noch nicht die Fünf-Prozent-Hürde knacken werden.

Da alle anderen Parteien -große wie kleine- durch das Raster gefallen sind, habe ich im Frühjahr 2021 die örtliche Gruppe von Volt angemailt und auch ausführliche Antwort bekommen. Dies hat mir so stark imponiert, dass ich sie dann bei der Landtagswahl gewählt habe. Viele Wählerstimmen hat sie zwar noch nicht bekommen. Aber Volt ist ja erst eine sehr junge Partei, die noch nicht allzu bekannt ist.

Über das Problem mit dem Hype habe ich sie auch befragt, wenn sie mal größer werden können. Die Piratenpartei ist ja seinerzeit auch gnadenlos gehyped worden, bevor sie sich selbst versenkt hat. Die Leute von Volt haben aber gemeint, dass sie deren Aufstieg und Fall analysiert hätten. Und sie hoffen, dass sie es besser machen werden.

Zudem ist Volt für einen säkularen Staat. Dies ist mehr als überfällig. Es gibt daneben zwar irgendwie wohl auch eine Humanistenpartei im säkularen Lager. Aber diese ist ja sogar noch eine Befürworterin der Kernkraftwerke. So etwas kann ich nicht unterstützen.

Was die nächste Bundestagswahl 2021 betrifft, so weiß ich nicht, wen ich außer Volt noch wählen könnte. Als die Grünen in den Umfragen die CDU zu überholen drohten, hatte ich mir überlegt, sie als "kleineres Übel" zu wählen, um Laschet zu verhindern. Doch erscheint mir das nicht wirklich richtig, immer nur das "kleinere Übel" wählen zu müssen. Ähnliches könnte ich über die LINKE schreiben, bei der ich ebenso nicht weiß, wofür sie wirklich steht.

Die aktuellen und kommenden Probleme, die wir haben bzw. die noch auf uns zukommen, werden jedenfalls nur gelöst werden können, wenn die Europäer zusammenstehen und mindestens trotz Systemkonkurrenz mit den anderen Staaten der Welt zusammen arbeiten. Die größte Bedrohung für das Weiterexistieren der Menschheit ist wohl das Dreigestirn aus Klimawandel, Artensterben und weiteren Pandemien. Darauf aufbauend kommen noch mögliche gigantische Migrationswellen von Klimaflüchtlingen, eine erhöhte Gefahr für Atomkriege und andere unschöne Sachen. Ich finde nicht alles bis ins Detail gut, wofür Volt steht. Aber der Ansatz dieser Partei bzw. europäischen Bewegung ist meines Erachtens viel besser und progressiver als diejenigen sämtlicher anderer Parteien. Von daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass ich Volt wieder wählen werde. Was bleibt mir auch anderes übrig? Nicht wählen zu gehen, ist keine Option. Und die anderen Parteien sind nicht wirklich eine Alternative. Außerdem muss ich vielleicht noch erwähnen: Sie versuchen, pragmatische Lösungen zu bieten und zu entwickeln, wo andere entweder nur in Alarmstimmung anklagen oder aber die Probleme totschweigen.

Ich kann deine Analyse nachvollziehen. Ich tue mich gerade auch sehr schwer und ich bin mal gespannt was der Wahl-O-Mat für mich rausspringt.

Ich würde es aber grundsätzlich gut finden, wenn eine neue Partei in den Bundestag kommt. Das bringt frischen Wind rein. Vielleicht schaffen sie es ja.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

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Brainiac
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Nachdem nun die heiße Phase des Wahlkampfs begonnen hat und halb Deutschland zuplakatiert wurde bzw. wird, sollten die, die noch unschlüssig sind, einen vertieften Blick in die Wahlprogramme werfen.

Volt hat eine Lang- und eine Kurzfassung vorgelegt (174 bzw. 40 Seiten). Daneben gibt es auf der Webseite noch ein "Magazin", das etwas locker-flockiger aufbereitet ist.
Die 174 Seiten aus dem Langprogramm sind natürlich eine Menge. Man kann sich anhand des Kurzprogramms orientieren, bei Interesse an einzelnen Themen sollte aber ins Langprogramm geschaut werden, weil die Dinge dort doch um einiges gründlicher und schlüssiger ausgearbeitet erscheinen.

Ich greife mal drei Punkte heraus:

EU-Reform und Vision der europäischen Republik (Kurz: Seiten 6-8, Lang: Seiten 11-17).

Eine europäische Republik bzw. einen europäischen Vundesstaat als Vision ausdrücklich zu fordern, ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr – auch die Grünen und neuerdings (in ihrem Wahlprogramm) sogar die FDP sind auf diesen Zug aufgesprungen. Volt geht allerdings noch weiter und beschreibt, vor allem in der Langfassung, sehr konkret (und m.E. auch schlüssig), warum dieser Schritt irgendwann erforderlich ist und wie das institutionell dann funktionieren kann. So basiert alles auf einer von den europäischen Bürgern legitimierten europäischen Verfassung, Vetorerchte einzelner Staaten werden vollständig abgeschafft, und sowohl Rat als auch Europäischer Rat werden durch ein "Oberhaus", das die Mitgliedstaaten repräsentiert, ersetzt.
Falls jetzt jemand fragt, WIE diese Vision erreicht werden soll – nun, da hat auch Volt ncht viel Konkretes zu bieten; wer das könnte, hätte wahrscheinlich den Friedensnobelpreis verdient. ;) Aber auch wenn der Weg nicht klar ist, sollte man zu den Visionen stehen. Wer weiß, welcher Handlungsdruck hier in den nächsten Jahren durch Klimakrise, Pandemie und andere Herausforderungen noch entsteht.
Das Kurprogramm enthält auf Seite 8 übrigens auch noch zwei hilfreiche Grafiken zum Institutionengefüge der EU (Ist- und Zielzustand). Grafiken kennt man aus Wahlprogrammen eher nicht (warum eigentlich?). Es gibt im Kurzprogramm von Volt noch ein paar weitere, vor allem zur Bildung.

Transformation zur Klimaneutralität (Kurz: 11 sowie 18-21; Lang: 28-31 sowie 61-94)

Hier ist Volt schon sehr "grün", das ist aber wohl auch ein Thema, wo man grün sein muss, weil es einfach notwendig ist.
Im Vergleich mit dem Wahlprogramm der Grünen ist Volt sogar noch konkreter und listet eine Unmasse von Einzelmaßnahmen u.a. entlang der Bereiche Energie, Bauen und Wohnen, Industrie, Mobilitätswende, Land- und Forstwirtschaft, Negativemissionen und Kreislaufwirtschaft auf. Dabei wird, wo es geht, nicht auf Verbote, sondern marktwirtschaftliche Anreize gesetzt. Interessant auch der Abschnitt zur "Klimadiplomatie": Wie kann Europa seinen Einfluß nutzen, um die anderen Großmächte zu einem besseren Klimaschutz zu bewegen (schließlich machen die europäischen Ebissionen bekanntlich nur einen kleineren Teil des Gesamtaufkommens aus)? Ob die Antworten dazu überzeugen, kann jeder selbst bewerten, aber zumindest gibt es diesen Abschnitt – bei den Grünen findet sich dazu bis auf einen sehr kurzen Absatz zur "Klimaaußenpolitik" gar nichts.

Und dann ein Thema, das uns selbst hier direkt betrifft:
Bekämpung von Hetze und Fake News im Netz (Kurz: Seite 14, Lang: Seiten 46 und 47).

Hier wurde sich erkennbar bemüht, Meinungsfreiheit einerseits und Extremismusbekämpfung / Schutz vor Hassattacken im Netz andererseits irgendwie zu einem Kompromiß zu bringen. Es werden keine Verschärfungen des Strafrechts gefordert – dieses ist ja auch schon eigentlich recht gut geeignet, Extremismus zu bekämpfen – sondern legt einen Schwerpunkt auf die vereinfachte Rechtsdurchsetzung für Betroffene. Da ist von einer staatlichen Beratungs- und Clearingstelle die Rede, von Tools zur vereinfachten Beweissicherung, von der Sanktionierung von Accounts (auch von außerhalb des Forums) und last not least erhöhten Transparenzanforderngen an Betreiber. Letzteres wird auf Basis des NetzDG bislang ja nur den großen Plattformen ab 2 Mio Usern abverlangt – nach Wunsch von Volt beträfe es beispielsweise auch uns. Ich halte das aber grundsätzlich für richtig, gehetzt wird ja nicht nur bei den Großen. (Das würde u.a. bedeuten, dass das pf.eu veröffentlichen müsste, nach welchen Regularien die internen Moderationsprozesse funktionieren. :| Ich denke, hiervor bräuchte sich diese Forum aber nicht zu scheuen.)


Das waren mal drei Highlights, gerne selbst reinstöbern. :) Ach ja und falls jemand fragt, warum man denn eine Partei wählen soll, wo die Stimme wahrscheinlich aufgrund der 5%-Hürde verloren ist – nun, würden alle Wähler bei jeder Wahl so denken, gäbe es nur zwei bis drei Parteien in Deutschland, denn die meisten haben ja klein angefangen. Zum Glück denken aber nicht alle Wähler bei jeder Wahl so. ;) In diversen Stadtparlamenten ist Volt bereits vertreten, und in den Niederlanden hat man drei Sitze im nationalen Parlament erreicht, beispielsweise.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von JJazzGold »

Brainiac hat geschrieben:(22 Aug 2021, 09:28)

Nachdem nun die heiße Phase des Wahlkampfs begonnen hat und halb Deutschland zuplakatiert wurde bzw. wird, sollten die, die noch unschlüssig sind, einen vertieften Blick in die Wahlprogramme werfen.

Volt hat eine Lang- und eine Kurzfassung vorgelegt (174 bzw. 40 Seiten). Daneben gibt es auf der Webseite noch ein "Magazin", das etwas locker-flockiger aufbereitet ist.
Die 174 Seiten aus dem Langprogramm sind natürlich eine Menge. Man kann sich anhand des Kurzprogramms orientieren, bei Interesse an einzelnen Themen sollte aber ins Langprogramm geschaut werden, weil die Dinge dort doch um einiges gründlicher und schlüssiger ausgearbeitet erscheinen.

Ich greife mal drei Punkte heraus:

EU-Reform und Vision der europäischen Republik (Kurz: Seiten 6-8, Lang: Seiten 11-17).

Eine europäische Republik bzw. einen europäischen Vundesstaat als Vision ausdrücklich zu fordern, ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr – auch die Grünen und neuerdings (in ihrem Wahlprogramm) sogar die FDP sind auf diesen Zug aufgesprungen. Volt geht allerdings noch weiter und beschreibt, vor allem in der Langfassung, sehr konkret (und m.E. auch schlüssig), warum dieser Schritt irgendwann erforderlich ist und wie das institutionell dann funktionieren kann. So basiert alles auf einer von den europäischen Bürgern legitimierten europäischen Verfassung, Vetorerchte einzelner Staaten werden vollständig abgeschafft, und sowohl Rat als auch Europäischer Rat werden durch ein "Oberhaus", das die Mitgliedstaaten repräsentiert, ersetzt.
Falls jetzt jemand fragt, WIE diese Vision erreicht werden soll – nun, da hat auch Volt ncht viel Konkretes zu bieten; wer das könnte, hätte wahrscheinlich den Friedensnobelpreis verdient. ;) Aber auch wenn der Weg nicht klar ist, sollte man zu den Visionen stehen. Wer weiß, welcher Handlungsdruck hier in den nächsten Jahren durch Klimakrise, Pandemie und andere Herausforderungen noch entsteht.
Das Kurprogramm enthält auf Seite 8 übrigens auch noch zwei hilfreiche Grafiken zum Institutionengefüge der EU (Ist- und Zielzustand). Grafiken kennt man aus Wahlprogrammen eher nicht (warum eigentlich?). Es gibt im Kurzprogramm von Volt noch ein paar weitere, vor allem zur Bildung.

Transformation zur Klimaneutralität (Kurz: 11 sowie 18-21; Lang: 28-31 sowie 61-94)

Hier ist Volt schon sehr "grün", das ist aber wohl auch ein Thema, wo man grün sein muss, weil es einfach notwendig ist.
Im Vergleich mit dem Wahlprogramm der Grünen ist Volt sogar noch konkreter und listet eine Unmasse von Einzelmaßnahmen u.a. entlang der Bereiche Energie, Bauen und Wohnen, Industrie, Mobilitätswende, Land- und Forstwirtschaft, Negativemissionen und Kreislaufwirtschaft auf. Dabei wird, wo es geht, nicht auf Verbote, sondern marktwirtschaftliche Anreize gesetzt. Interessant auch der Abschnitt zur "Klimadiplomatie": Wie kann Europa seinen Einfluß nutzen, um die anderen Großmächte zu einem besseren Klimaschutz zu bewegen (schließlich machen die europäischen Ebissionen bekanntlich nur einen kleineren Teil des Gesamtaufkommens aus)? Ob die Antworten dazu überzeugen, kann jeder selbst bewerten, aber zumindest gibt es diesen Abschnitt – bei den Grünen findet sich dazu bis auf einen sehr kurzen Absatz zur "Klimaaußenpolitik" gar nichts.

Und dann ein Thema, das uns selbst hier direkt betrifft:
Bekämpung von Hetze und Fake News im Netz (Kurz: Seite 14, Lang: Seiten 46 und 47).

Hier wurde sich erkennbar bemüht, Meinungsfreiheit einerseits und Extremismusbekämpfung / Schutz vor Hassattacken im Netz andererseits irgendwie zu einem Kompromiß zu bringen. Es werden keine Verschärfungen des Strafrechts gefordert – dieses ist ja auch schon eigentlich recht gut geeignet, Extremismus zu bekämpfen – sondern legt einen Schwerpunkt auf die vereinfachte Rechtsdurchsetzung für Betroffene. Da ist von einer staatlichen Beratungs- und Clearingstelle die Rede, von Tools zur vereinfachten Beweissicherung, von der Sanktionierung von Accounts (auch von außerhalb des Forums) und last not least erhöhten Transparenzanforderngen an Betreiber. Letzteres wird auf Basis des NetzDG bislang ja nur den großen Plattformen ab 2 Mio Usern abverlangt – nach Wunsch von Volt beträfe es beispielsweise auch uns. Ich halte das aber grundsätzlich für richtig, gehetzt wird ja nicht nur bei den Großen. (Das würde u.a. bedeuten, dass das pf.eu veröffentlichen müsste, nach welchen Regularien die internen Moderationsprozesse funktionieren. :| Ich denke, hiervor bräuchte sich diese Forum aber nicht zu scheuen.)


Das waren mal drei Highlights, gerne selbst reinstöbern. :) Ach ja und falls jemand fragt, warum man denn eine Partei wählen soll, wo die Stimme wahrscheinlich aufgrund der 5%-Hürde verloren ist – nun, würden alle Wähler bei jeder Wahl so denken, gäbe es nur zwei bis drei Parteien in Deutschland, denn die meisten haben ja klein angefangen. Zum Glück denken aber nicht alle Wähler bei jeder Wahl so. ;) In diversen Stadtparlamenten ist Volt bereits vertreten, und in den Niederlanden hat man drei Sitze im nationalen Parlament erreicht, beispielsweise.
Interessant, Brainiac, danke.
Ich werde mich in die Langfassung einlesen.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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lili
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von lili »

Ich finde es grundsätzlich Interessant wenn wir neue Parteien bekommen. Das Alleinstellungsmerkmal ist wahrscheinlich die europäische Zusammenarbeit. Natürlich findet man das auch in anderen Parteien, aber bei Volt ist eher am meisten betont.


Ich warte grundsätzlich ab wie sich die Partei weiterhin entwickelt. Volt ist doch in einem Landtag vertreten. Vielleicht hat jemand schon ein ersten Eindruck dadurch gewonnen?

Viele meinen sie sind eine Mischung zwischen den Grünen und der FDP. Anderseits finde ich die Parteien so unterschiedlich, das meine Vorstellungskraft dadurch etwas fehlt.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
Skeptiker

Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Skeptiker »

Brainiac hat geschrieben:(22 Aug 2021, 09:28)
Vollzitat
Hallo Brainiac, danke für die ausführliche Darstellung eures Wahlprogramms, sodass man sich etwas besser eine Vorstellung davon machen kann, wofür ihr steht.

Ich habe das mal überflogen (so wie das 99% aller Interessenten wohl machen würden) und möchte das wie folgt kommentieren.

Ich sehe das als grünes Programm. Es ist auf Klima, Gesellschaft und europäisches Staatswesen ausgerichtet, und in diesen Punkten von dem Programm der Grünen kaum unterscheidbar.

Was ist euer Akzent? Was ist das, was den Wähler davon überzeugt EUCH und nicht die Grünen zu wählen? Immerhin geht er mit einer Stimme für euch das Risiko ein, dass diese Stimme für die Grünen fehlt - er also der linksliberalen Sache damit sogar schadet.

In vielen Punkten habe ich durchaus Sympathie mit der angestrebten Richtung. Insbesondere die Punkte der europäischen Einigung gehen in die richtige Richtung.

Wenig überraschend sehe ich die (ersatzlose) Abschaffung des Ehegattensplittungs als nichts anderes, als die Abschaffung der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft, und damit als Keimzelle unseres Staates. Das ist für mich fundamental falsch. Es ist illiberal, weil dadurch konservative Familienmodelle aufgrund des Zwanges für die Frau arbeiten zu MÜSSEN, unter Erwerbsdruck gesetzt werden - rein aus ideologischen Gründen. Der Gedanke dahinter: "Wer mit wem in welcher Situation Kinder bekommt ist egal. Hauptsache kein traditionelles Familienmodell. Jeder für sich selber.". Das ist aber keine Familie mehr, weil der Gedanke einer Familie die Gemeinsamkeit ist - genau DIE soll zugunsten individualisierter Ideale abgeschafft werden.
Die schröderschen Rentenreformen haben meiner Frau die Witwenrente genommen - allein aus ideologischem Hintergrund. Wir können z.B. unsere Rentenansprüche nicht teilen (nur wenn meine Frau bestimmte ideologische Vorleistungen erbringt), es sei denn - ja, unglaublich - wir ließen uns scheiden.
Diese Tatsache hat mich sehr für ideologische Eingriffe in die Familie sensibilisiert, und alleine DAS ist für mich ein Grund Volt NICHT zu wählen (trotz vieler guter Ansätze).

Mir gefallen die bildungspolitischen Ansätze, allerdings sehe ich es als vollkommen falsch an einerseits gemeinsame Bildungsstandards zu fordern, andererseits den Schulen mehr Freiraum für die Gestaltung des Unterrichts zu geben. Das hört sich für mich nach "weder Fisch noch Fleisch" an.
Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter einheitlicher Bildungsstandards, aber dann müssen die wissenschaftlich erarbeitet werden und mit festgelegten Methoden in den Schulen angewendet werden. Das Schulsystem in der Breite als Experimentierfeld für ideologisch motivierte Ansätze zu missbauchen, unterläuft jeden Standard, und damit auch jede Akzeptanz für moderne Lehransätze. Schule soll eben NICHT ideologisch sein, sondern sich anhand Zahlen, Daten und Fakten verbessern. Niemals ist das möglich, wenn man glaubt auf Ebene der Ausführung fröhliches ideologisches Büllerbü umsetzen zu wollen.

Die Einwandersungs- und Asylpolitik krankt in meinen Augen ebenso an gutmenschlicher Ideologie.
Wir sind in Europa auf Einwanderung angewiesen. Diese sollte zu unserem Vorteil gesteuert werden. Den Aspekt der humanitären Hilfe muss man davon klar trennen. Ganz offensichtlich will Volt den Grenzschutz zu einer Einwanderungspolizei umgestalten. Das wiederum widerspricht, insbesondere bei der demografischen und damit absehbaren wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika, vollkommen dem Gedanken einer gesteuerten Einwanderung.
In meinen Augen müsste man das klar Trennen, aber da sehe ich eben ein ideologischen Hindernis bei Volt, welchen ebenfalls ein Grund für mich wäre sie nicht zu wählen.

Alles in allem habe ich den Eindruck Volt möchte eine AntiAfD sein. Das mag für viele interessant sein - aber ich denke, dass Volt, wenn es erfolgreich ist, den Grünen wertvolle Prozente abnehmen könnte. Wenn man dann unter 5% bleibt, was anzunehmen ist, dann würde man der eigenen Sache eher schaden als nützen.
Ebiker
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Ebiker »

Skeptiker hat geschrieben:(22 Aug 2021, 10:54)

Alles in allem habe ich den Eindruck Volt möchte eine AntiAfD sein. Das mag für viele interessant sein - aber ich denke, dass Volt, wenn es erfolgreich ist, den Grünen wertvolle Prozente abnehmen könnte. Wenn man dann unter 5% bleibt, was anzunehmen ist, dann würde man der eigenen Sache eher schaden als nützen.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Michael_B »

Skeptiker hat geschrieben:(22 Aug 2021, 10:54)

Hallo Brainiac, danke für die ausführliche Darstellung eures Wahlprogramms, sodass man sich etwas besser eine Vorstellung davon machen kann, wofür ihr steht.

Ich habe das mal überflogen (so wie das 99% aller Interessenten wohl machen würden) und möchte das wie folgt kommentieren.

Ich sehe das als grünes Programm. Es ist auf Klima, Gesellschaft und europäisches Staatswesen ausgerichtet, und in diesen Punkten von dem Programm der Grünen kaum unterscheidbar.

Was ist euer Akzent? Was ist das, was den Wähler davon überzeugt EUCH und nicht die Grünen zu wählen? Immerhin geht er mit einer Stimme für euch das Risiko ein, dass diese Stimme für die Grünen fehlt - er also der linksliberalen Sache damit sogar schadet.

In vielen Punkten habe ich durchaus Sympathie mit der angestrebten Richtung. Insbesondere die Punkte der europäischen Einigung gehen in die richtige Richtung.

Wenig überraschend sehe ich die (ersatzlose) Abschaffung des Ehegattensplittungs als nichts anderes, als die Abschaffung der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft, und damit als Keimzelle unseres Staates. Das ist für mich fundamental falsch. Es ist illiberal, weil dadurch konservative Familienmodelle aufgrund des Zwanges für die Frau arbeiten zu MÜSSEN, unter Erwerbsdruck gesetzt werden - rein aus ideologischen Gründen. Der Gedanke dahinter: "Wer mit wem in welcher Situation Kinder bekommt ist egal. Hauptsache kein traditionelles Familienmodell. Jeder für sich selber.". Das ist aber keine Familie mehr, weil der Gedanke einer Familie die Gemeinsamkeit ist - genau DIE soll zugunsten individualisierter Ideale abgeschafft werden.
Die schröderschen Rentenreformen haben meiner Frau die Witwenrente genommen - allein aus ideologischem Hintergrund. Wir können z.B. unsere Rentenansprüche nicht teilen (nur wenn meine Frau bestimmte ideologische Vorleistungen erbringt), es sei denn - ja, unglaublich - wir ließen uns scheiden.
Diese Tatsache hat mich sehr für ideologische Eingriffe in die Familie sensibilisiert, und alleine DAS ist für mich ein Grund Volt NICHT zu wählen (trotz vieler guter Ansätze).

Mir gefallen die bildungspolitischen Ansätze, allerdings sehe ich es als vollkommen falsch an einerseits gemeinsame Bildungsstandards zu fordern, andererseits den Schulen mehr Freiraum für die Gestaltung des Unterrichts zu geben. Das hört sich für mich nach "weder Fisch noch Fleisch" an.
Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter einheitlicher Bildungsstandards, aber dann müssen die wissenschaftlich erarbeitet werden und mit festgelegten Methoden in den Schulen angewendet werden. Das Schulsystem in der Breite als Experimentierfeld für ideologisch motivierte Ansätze zu missbauchen, unterläuft jeden Standard, und damit auch jede Akzeptanz für moderne Lehransätze. Schule soll eben NICHT ideologisch sein, sondern sich anhand Zahlen, Daten und Fakten verbessern. Niemals ist das möglich, wenn man glaubt auf Ebene der Ausführung fröhliches ideologisches Büllerbü umsetzen zu wollen.

Die Einwandersungs- und Asylpolitik krankt in meinen Augen ebenso an gutmenschlicher Ideologie.
Wir sind in Europa auf Einwanderung angewiesen. Diese sollte zu unserem Vorteil gesteuert werden. Den Aspekt der humanitären Hilfe muss man davon klar trennen. Ganz offensichtlich will Volt den Grenzschutz zu einer Einwanderungspolizei umgestalten. Das wiederum widerspricht, insbesondere bei der demografischen und damit absehbaren wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika, vollkommen dem Gedanken einer gesteuerten Einwanderung.
In meinen Augen müsste man das klar Trennen, aber da sehe ich eben ein ideologischen Hindernis bei Volt, welchen ebenfalls ein Grund für mich wäre sie nicht zu wählen.

Alles in allem habe ich den Eindruck Volt möchte eine AntiAfD sein. Das mag für viele interessant sein - aber ich denke, dass Volt, wenn es erfolgreich ist, den Grünen wertvolle Prozente abnehmen könnte. Wenn man dann unter 5% bleibt, was anzunehmen ist, dann würde man der eigenen Sache eher schaden als nützen.
Vielen Dank für die interessante Zusammenfassung.
Ich bin auch gegen die Abschaffung des Ehegatten-Splitting. Was erlaube?
Auch agree zur Bildungspolitik. Individuelle Methoden kann man ja in freiwilligen Kursen anbieten und natürlich später an der Uni. Aber es muss einen knallharten Standard geben.
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Brainiac
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Skeptiker hat geschrieben:(22 Aug 2021, 10:54)
Ich habe das mal überflogen (so wie das 99% aller Interessenten wohl machen würden) und möchte das wie folgt kommentieren.
:thumbup:
Ich sehe das als grünes Programm. Es ist auf Klima, Gesellschaft und europäisches Staatswesen ausgerichtet, und in diesen Punkten von dem Programm der Grünen kaum unterscheidbar.

Was ist euer Akzent? Was ist das, was den Wähler davon überzeugt EUCH und nicht die Grünen zu wählen? Immerhin geht er mit einer Stimme für euch das Risiko ein, dass diese Stimme für die Grünen fehlt - er also der linksliberalen Sache damit sogar schadet.
Die Grünen stehet für den Umweltschutz, sind aber vor allem eine deutsche Partei. Die verschiedenen grünen Parteien in Europa sind durchaus unterschiedlich ausgerichtet. Sie haben sich das Thema Europa zusätzlich auf die Fahnen geschrieben, aber ihr Kernthema ist es nicht. Im Zweifel werden sie ihre nationalen politischen Interessen darüber stellen, denn sie wollen in Deutschland gewählt werden.

Für Volt dagegen ist tatsächlich der europäische Gedanke das primäre Thema, die DNA, und Volt Deutschland wird niemals etwas vertreten, das nicht auch auf europäischer Ebene abgestimmt ist. Des weiteren hat Volt auch in Sachen Digitalisierung einiges mehr zu bieten (siehe z.B. Abschnitte zur KI) und ist weniger ideologisch ausgerichtet, was man z.B. daran sieht, dass Kernenergie nicht komplett abgelehnt wird (vorausgesetzt die kritischen Fragen würden gelöst). Für Leute, die genau das an den Grünen stört, ist Volt eine Alternative.
In vielen Punkten habe ich durchaus Sympathie mit der angestrebten Richtung. Insbesondere die Punkte der europäischen Einigung gehen in die richtige Richtung.
Das freut mich.
Wenig überraschend sehe ich die (ersatzlose) Abschaffung des Ehegattensplittungs als nichts anderes, als die Abschaffung der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft, und damit als Keimzelle unseres Staates. Das ist für mich fundamental falsch. Es ist illiberal, weil dadurch konservative Familienmodelle aufgrund des Zwanges für die Frau arbeiten zu MÜSSEN, unter Erwerbsdruck gesetzt werden - rein aus ideologischen Gründen. Der Gedanke dahinter: "Wer mit wem in welcher Situation Kinder bekommt ist egal. Hauptsache kein traditionelles Familienmodell. Jeder für sich selber.". Das ist aber keine Familie mehr, weil der Gedanke einer Familie die Gemeinsamkeit ist - genau DIE soll zugunsten individualisierter Ideale abgeschafft werden.
Die schröderschen Rentenreformen haben meiner Frau die Witwenrente genommen - allein aus ideologischem Hintergrund. Wir können z.B. unsere Rentenansprüche nicht teilen (nur wenn meine Frau bestimmte ideologische Vorleistungen erbringt), es sei denn - ja, unglaublich - wir ließen uns scheiden.
Diese Tatsache hat mich sehr für ideologische Eingriffe in die Familie sensibilisiert, und alleine DAS ist für mich ein Grund Volt NICHT zu wählen (trotz vieler guter Ansätze).
Wie genau kommst du zu dem Urteil, die Abschaffung des Splittings sei ideologisch motiviert? Es gibt viele sachliche Gegenargumente. https://de.wikipedia.org/wiki/Ehegatten ... splittings Volt ist in keiner Weise gegen die Institution der Familie, hält das Ehegattensplitting nur für nicht zukunftsweisend, u.a. weil der Fokus auf der Entlastung von Familien mit Kindern liegen sollte, und nicht auf der Ehe an sich.
Mir gefallen die bildungspolitischen Ansätze, allerdings sehe ich es als vollkommen falsch an einerseits gemeinsame Bildungsstandards zu fordern, andererseits den Schulen mehr Freiraum für die Gestaltung des Unterrichts zu geben. Das hört sich für mich nach "weder Fisch noch Fleisch" an.
Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter einheitlicher Bildungsstandards, aber dann müssen die wissenschaftlich erarbeitet werden und mit festgelegten Methoden in den Schulen angewendet werden. Das Schulsystem in der Breite als Experimentierfeld für ideologisch motivierte Ansätze zu missbauchen, unterläuft jeden Standard, und damit auch jede Akzeptanz für moderne Lehransätze. Schule soll eben NICHT ideologisch sein, sondern sich anhand Zahlen, Daten und Fakten verbessern. Niemals ist das möglich, wenn man glaubt auf Ebene der Ausführung fröhliches ideologisches Büllerbü umsetzen zu wollen.
Auch hier ist die Unterstellung der ideologischen Motivation erst mal nur eine Unterstellung. Es bedarf im Bildungswesen doch offensichtlich einer sinnvollen Kombination von zentralen Standards UND eines gewissen Freiraums der Länder und deren Schulen, ihre eigenen Wege gehen zu können – und auch, bis zu einem gewissen Grade auf die Persönlichkeiten von Kindern einzugehen. Würde alles bundeseinheitlich bis ins letzte vorgegeben, sinkt die Motivation, Bildungspolitik zu betreiben und in staatlichen Schulen zu arbeiten, noch mehr. Volt will ja auch nicht den Bildungsföderalismus abschaffen (nur das Kooperationsverbot).

Sicherlich sind das - Standardisierung und Flexibilität - zwei gegenläufige Werte und es bedarf eines Kompromisses. Ob der von Volt dargestellte Ansatz funktionieren kann, kann man ja diskutieren. Die Frage wäre dann aber auch, welche Partei dazu ein besseres Konzept hat.
Die Einwandersungs- und Asylpolitik krankt in meinen Augen ebenso an gutmenschlicher Ideologie.
Wir sind in Europa auf Einwanderung angewiesen. Diese sollte zu unserem Vorteil gesteuert werden. Den Aspekt der humanitären Hilfe muss man davon klar trennen. Ganz offensichtlich will Volt den Grenzschutz zu einer Einwanderungspolizei umgestalten. Das wiederum widerspricht, insbesondere bei der demografischen und damit absehbaren wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika, vollkommen dem Gedanken einer gesteuerten Einwanderung.
In meinen Augen müsste man das klar Trennen, aber da sehe ich eben ein ideologischen Hindernis bei Volt, welchen ebenfalls ein Grund für mich wäre sie nicht zu wählen.
Wir hatten das weiter oben schon mal – mit dem Abschnitt bin ich auch nicht so ganz glücklich, bzw. er funktioniert wahrscheinlich nur in den guten Zeiten, wo man es sich leisten kann, aufzunehmen, wer rein möchte. 2015ff ging das nicht, in der Folge der Afghanistan-Krise ggfs. bald auch nicht mehr. Wir werden sehen.
Alles in allem habe ich den Eindruck Volt möchte eine AntiAfD sein. Das mag für viele interessant sein - aber ich denke, dass Volt, wenn es erfolgreich ist, den Grünen wertvolle Prozente abnehmen könnte. Wenn man dann unter 5% bleibt, was anzunehmen ist, dann würde man der eigenen Sache eher schaden als nützen.
Ich denke, das ist hinsichtlich der Motivation dieser Bewegung tatsächlich eine Fehleinschätzung. Es geht vor allem um die europäische Integration, die von keiner der etablierten Parteien überzeugend vertreten wird. Um Vorantreiben der Digitalisierung, die nach dem Untergang der Piraten parteipolitisch verwaist ist. Und um evidenzbasierte Politik: Schauen, was funktioniert, und genau das weiter unterstützen – nicht primär danach urteilen, ob es zu irgendeiner Ideologie passt. Deswegen gibt es auch die diversen Best Practice-Einschübe im Wahlprogramm.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von lili »

Brainiac hat geschrieben:(22 Aug 2021, 16:26)

Ich habe mal eine Frage zum Wahlprogramm bezüglich der Sozialpolitik:

Sie möchten eine negative Einkommensteuer einführen. Wollen sie am Workfare-Modell wie z.B. bei der FDP festhalten oder nicht?
Zuletzt geändert von Moses am So 5. Sep 2021, 22:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

lili hat geschrieben:(22 Aug 2021, 10:27)

Volt ist doch in einem Landtag vertreten. Vielleicht hat jemand schon ein ersten Eindruck dadurch gewonnen?
Das ist schwer möglich ;) , denn falls du die Landtage der deutschen Bundesländer meinst, dort sind sie (noch) nicht vertreten. Nur in Kommunalparlamenten.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von lili »

Brainiac hat geschrieben:(22 Aug 2021, 16:42)

Das ist schwer möglich ;) , denn falls du die Landtage der deutschen Bundesländer meinst, dort sind sie (noch) nicht vertreten. Nur in Kommunalparlamenten.
Ok alles klar, da war ich falsch informiert.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

lili hat geschrieben:(22 Aug 2021, 16:37)

Ich habe mal eine Frage zum Wahlprogramm bezüglich der Sozialpolitik:

Sie möchten eine negative Einkommensteuer einführen. Wollen sie am Workfare-Modell wie z.B. bei der FDP festhalten oder nicht?
Das kann ich dir nicht genau beantworten - das Thema ist sehr kompliziert und nicht mein Spezialgebiet.

Die negative Einkommenssteuer geht ja in die Richtung eines BGE. Andererseits steht auf Seite 134 des Langprogramms: "Finanziell werden nur Personen mit keinem oder niedrigem Einkommen profitieren, anders als zum Beispiel bei einem herkömmlichen bedingungslosen Grundeinkommen". Volt will dazu auch erst mal nur ein Konzept entwerfen und das dann weiter diskutieren.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von lili »

Brainiac hat geschrieben:(22 Aug 2021, 16:47)

Das kann ich dir nicht genau beantworten - das Thema ist sehr kompliziert und nicht mein Spezialgebiet.

Die negative Einkommenssteuer geht ja in die Richtung eines BGE. Andererseits steht auf Seite 134 des Langprogramms: "Finanziell werden nur Personen mit keinem oder niedrigem Einkommen profitieren, anders als zum Beispiel bei einem herkömmlichen bedingungslosen Grundeinkommen". Volt will dazu auch erst mal nur ein Konzept entwerfen und das dann weiter diskutieren.
Ok danke für die Info. :)
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Brainiac hat geschrieben:(22 Aug 2021, 16:26)
Das kann ich so nur unterschreiben. Ich finde zum Teil sehr gute innovative Ansätze, die man bei anderen Parteien vermisst, gerade auch bei den Grünen, aber auch bei den Liberalen. Mich persönlich beeindruckt am meisten, wie umfassend (im Sinne alles abdeckend) das Wahlprogramm für eine junge Partei ist. Da können sich andere durchaus eine Scheibe davon abschneiden. Ebenfalls beeindruckend die Sachlichkeit dahinter, fernab populistischer Forderungen und ideologischer Färbung. Es wird nicht an den bestehenden Zuständen rumgemäkelt, sondern ein klares Bild der gewünschten Zukunft entworfen. Da mag das eine oder andere noch etwas unausgegoren sein, aber das findet man auch bei anderen Parteien. Auch ist so, dass ich natürlich nicht mit allen Punkten konform gehe. Aber das ist auch bei anderen Parteien so. Wesentlich für mich ist tatsächlich, dass ich den Eindruck habe, dass hier engagierte junge Menschen am Start sind, die für sich ein genaues Bild der Zukunft entworfen haben, in der sie leben wollen und auch genau wissen, wie sie das gestalten können. Und damit werden sie zu einer ernstzunehmenden Alternative zu "etablierten" Parteien.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Skeptiker »

Brainiac hat geschrieben:(22 Aug 2021, 16:26)
Die Grünen stehet für den Umweltschutz, sind aber vor allem eine deutsche Partei. Die verschiedenen grünen Parteien in Europa sind durchaus unterschiedlich ausgerichtet. Sie haben sich das Thema Europa zusätzlich auf die Fahnen geschrieben, aber ihr Kernthema ist es nicht. Im Zweifel werden sie ihre nationalen politischen Interessen darüber stellen, denn sie wollen in Deutschland gewählt werden.

Für Volt dagegen ist tatsächlich der europäische Gedanke das primäre Thema, die DNA, und Volt Deutschland wird niemals etwas vertreten, das nicht auch auf europäischer Ebene abgestimmt ist. Des weiteren hat Volt auch in Sachen Digitalisierung einiges mehr zu bieten (siehe z.B. Abschnitte zur KI) und ist weniger ideologisch ausgerichtet, was man z.B. daran sieht, dass Kernenergie nicht komplett abgelehnt wird (vorausgesetzt die kritischen Fragen würden gelöst). Für Leute, die genau das an den Grünen stört, ist Volt eine Alternative.
Das mag ja alles ganz gut und schön sein, aber wenn die Programme von Volt und den Grünen fast deckungsgleich sind, dann ist es halt dennoch etwas "dünn" die unterschiedlichen Gewichtungen als Markenkern zu verkaufen. Im Wahlomat dürftet ihr z.B. auf den nahezu selben Wert kommen.
Wie genau kommst du zu dem Urteil, die Abschaffung des Splittings sei ideologisch motiviert? Es gibt viele sachliche Gegenargumente. https://de.wikipedia.org/wiki/Ehegatten ... splittings Volt ist in keiner Weise gegen die Institution der Familie, hält das Ehegattensplitting nur für nicht zukunftsweisend, u.a. weil der Fokus auf der Entlastung von Familien mit Kindern liegen sollte, und nicht auf der Ehe an sich.
Das IST ja eine ideologische Position. Merkwürdig, dass man das extra erwähnen muss, aber offenbar sind manche Kreise bereits so weit von dem Gedanken einer Lastenteilung zwischen Ehepartnern entfernt, dass man tatsächlich glaubt, die Ehe wäre AUSSCHLIESSLICH eine Kinderbackstube.
Indem ich meine Frau geheiratet habe, bin ich mit ihr nicht nur rechtlich, sondern auch mental eine Zugewinngemeinschaft eingegangen. Bei der Rente hat der Staat diesen Teil schon durch ideologischen Eingriff gekappt - meine Frau lebt zwar zu meinen Lebzeiten mit mir in einer Zugewinngemeinschaft - wenn ich aber tot bin, dann wird sie nur Rente aus ihrer sehr viel weniger einträglichen Tätigkeit erhalten. Einen Ausgleich kann man nur unter Vorbedingungen durchführen, nämlich indem die Frau selber 25 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat. Ob meine Frau das noch schafft ist eher fraglich, und womit hat dann der Staat das Recht diesen Teil der Zugewinngemeinschaft einfach einzubehalten?
Klar, wir können uns auch scheiden lassen. Dann ist wieder alles supi, DANN gibt es einen Versorgungsausgleich, EGAL ob meine Frau selber 25 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat. DAS ist hochideologisch, und in die gleiche Kerbe stößt die Abschaffung des Ehegattensplittings. Das ist natürlich hochideologisch, nur ist man links der Mitte schon so derart eingefahren auf das quasireligiöse Ziel, dass Frauen unbedingt aus selbem Niveau arbeiten müssen wie Männer, dass dieses dort nicht mal mehr als ideologische Position wahrgenommen wird, sondern als einzig überhaupt sinnvolle und erlaubte Position.
Auch hier ist die Unterstellung der ideologischen Motivation erst mal nur eine Unterstellung. Es bedarf im Bildungswesen doch offensichtlich einer sinnvollen Kombination von zentralen Standards UND eines gewissen Freiraums der Länder und deren Schulen, ihre eigenen Wege gehen zu können – und auch, bis zu einem gewissen Grade auf die Persönlichkeiten von Kindern einzugehen.
Auf die Persönlichkeit der Kinder eingehen - ja, klar.
Eigene Wege gehen - nein, Quatsch.

Irgendwie scheint es in der Bevölkerung die Idee zu geben, dass alles im örtlichen Rahmen individuell angepasst werden muss, damit es "gut" ist. Aber das ist vollkommener Unsinn. Man kann die Standards für einen Mathematikunterricht bis ins Detail regeln - und das wäre auch gut so. Das macht den Erfolg der Methoden messbar und damit eröffnet sich erst die Chance wissenschaftlich und evidenzbasiert die Lehrmethoden zu optimieren, sodass sie auch nachweisbar besser werden (an Zahlen, Daten, Fakten gemessen). Nebenbei fördert es die Chancengleichheit.

Das individuelle immer neue lokale Ausprobieren und Herumspielen an Lehrmethoden, führt letztendlich dazu, dass es nur einen großen Rahmen gibt, an dem Methoden und Lehrerfolg auch nicht mehr sicher zusammengeführt werden können.
Würde alles bundeseinheitlich bis ins letzte vorgegeben, sinkt die Motivation, Bildungspolitik zu betreiben und in staatlichen Schulen zu arbeiten, noch mehr. Volt will ja auch nicht den Bildungsföderalismus abschaffen (nur das Kooperationsverbot).
Bildungsföderalismus ist der größte Nachteil unseres Bildungssystems. Hast du dir schonmal Berichte von Leuten angehört, die mit schulpflichtigen Kindern - insbesondere gymnasialer Oberstufen - von ein Bundesland in ein anderes umgezogen sind? Da kannst du massive Probleme bekommen.
Ich kann nicht einsehen, warum es in Bayern andere Lehrstandards geben muss als in Bremen. Ein Abitur sollte ein deutscher Bildungsabschluss sein - kein Abschluss irgendeiner Region.
Ich denke, das ist hinsichtlich der Motivation dieser Bewegung tatsächlich eine Fehleinschätzung. Es geht vor allem um die europäische Integration, die von keiner der etablierten Parteien überzeugend vertreten wird. Um Vorantreiben der Digitalisierung, die nach dem Untergang der Piraten parteipolitisch verwaist ist. Und um evidenzbasierte Politik: Schauen, was funktioniert, und genau das weiter unterstützen – nicht primär danach urteilen, ob es zu irgendeiner Ideologie passt. Deswegen gibt es auch die diversen Best Practice-Einschübe im Wahlprogramm.
Europäische Integration und Digitalisierung wären die Punkte, die ich eher befürworten würde. Auch wenn du das nun anders darstellst, aber der Rest kommt für mich sehr grün, und damit hochideologisch, daher - inklusive Familienbild und ideologischer Bevorzugung des "Frau arbeitet wie Mann"-Ideals. Wenn das so nicht gemeint wäre, dann hätte man da mE diese Punkte nicht wie ein Abziehbild grüner Ansichten formulieren und in den Vordergrund schieben sollen.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Skeptiker hat geschrieben:(22 Aug 2021, 20:57)


Das IST ja eine ideologische Position. Merkwürdig, dass man das extra erwähnen muss
Naja, vielleicht ist aber auch das Festhalten am Ehegattensplitting eine ideologische Position und das nicht daran festhalten eben der Normalfall. Wo gibt es denn sowas wie Ehegattensplitting, ausser in Deutschland? Da musst du schon mit der Lupe suchen. Und dabei sei noch mal angemerkt, was Ehegattensplitting bedeutet. Es geht hier nur um die Glättung der Grenzsteuersätze zu einem durchschnittlichen Steuersatz. Eine Abschaffung des Ehegattensplittings bedeutet nicht, dass damit auch der steuerliche Grundfreibetrag des Ehepartners wegfällt (sollte er auch bei Nichtehepartnern nicht). Das wäre verfassungsrechtlich sowieso schwierig. Und es bedeutet auch nicht, dass man eine andere Art der Familienförderung einführt (wie das Programm von Volt ja zeigt). Es geht lediglich darum den Trauschein steuerlich nicht mehr zu bevorzugen, weil die Lebensrealität am eigentlichen Sinn dieser Regelung mittlerweile vorbeigeht. In alle Richtungen.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Skeptiker »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(22 Aug 2021, 21:17)
Naja, vielleicht ist aber auch das Festhalten am Ehegattensplitting eine ideologische Position und das nicht daran festhalten eben der Normalfall. Wo gibt es denn sowas wie Ehegattensplitting, ausser in Deutschland? Da musst du schon mit der Lupe suchen. Und dabei sei noch mal angemerkt, was Ehegattensplitting bedeutet. Es geht hier nur um die Glättung der Grenzsteuersätze zu einem durchschnittlichen Steuersatz. Eine Abschaffung des Ehegattensplittings bedeutet nicht, dass damit auch der steuerliche Grundfreibetrag des Ehepartners wegfällt (sollte er auch bei Nichtehepartnern nicht). Das wäre verfassungsrechtlich sowieso schwierig.
Vielleicht bin ich da nicht so der Experte, aber Ehegattensplitting bedeutet für mich eine gemeinsame steuerliche Veranschlagung. Bedeutet, dass unsere Gehälter zusammengerechnet werden und nach der Splittingtabelle besteuert werden, die genau die doppelten Werte enthält.
Wenn also beide das gleiche verdienen, dass ist es Jacke wie Hose. Verdient ein Partner mehr, dann macht es einen Unterschied - bei Alleinverdienern oder nahezu Alleinverdienern macht es einen großen Unterschied aus.

Wo hast du das mit der Glättung der Grenzsteuersätze her? Und was soll das alles mit dem steuerfreien Existenzminimum zu tun haben? :?
Und es bedeutet auch nicht, dass man eine andere Art der Familienförderung einführt (wie das Programm von Volt ja zeigt). Es geht lediglich darum den Trauschein steuerlich nicht mehr zu bevorzugen, weil die Lebensrealität am eigentlichen Sinn dieser Regelung mittlerweile vorbeigeht. In alle Richtungen.
Nein, das geht nicht an der Lebensrealität vorbei. Sorry, aber das ist wohl ein Eindruck den viele mittlerweile so verinnerlicht haben, dass es für sie schon zur Tatsache geworden scheint - aber das ist einfach nicht wahr.

Es gibt wirtschaftlich extrem ungleiche Partner. In der Ehe geht der Staat von einer Zugewinngemeinschaft aus und hat auch alle seine Regularien an diese Realität angepasst (siehe Brainiacs Link mit dem Ehegattensplitting unter Contra-Argumente). Wenn dann aber ein Partner stirbt, dann heißt es auf einmal April April - so war das nicht gedacht. Du erhältst nur unter bestimmten Bedingungen den Zugewinnanteil an des Partners Rente.

Schön auch, dass der Staat sich an die Ehe dann erinnert, wenn ein Partner in die Sozialhilfe rutscht und der Partner dann für das Leben aufkommen kann. Umgekehrt aber die Lastenteilung steuerlich als Lastenteilung behandeln - neeeee, das wollen wir nicht. Von wegen "Nicht mehr zeitgemäß" :rolleyes:

Also wat nu? Jeden individuell besteuern und Kinder separat fördern? Kann man machen - aber das wird für die Frauen eben NICHT besser werden, insbesondere wird die Wahlfreiheit Familie/Beruf dadurch nicht gefördert.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Skeptiker hat geschrieben:(22 Aug 2021, 21:42)

Vielleicht bin ich da nicht so der Experte, aber Ehegattensplitting bedeutet für mich eine gemeinsame steuerliche Veranschlagung. Bedeutet, dass unsere Gehälter zusammengerechnet werden und nach der Splittingtabelle besteuert werden, die genau die doppelten Werte enthält.
Wenn also beide das gleiche verdienen, dass ist es Jacke wie Hose. Verdient ein Partner mehr, dann macht es einen Unterschied - bei Alleinverdienern oder nahezu Alleinverdienern macht es einen großen Unterschied aus.

Wo hast du das mit der Glättung der Grenzsteuersätze her? Und was soll das alles mit dem steuerfreien Existenzminimum zu tun haben? :?
Die Glättung der Grenzsteuersätze ist genau das was du beschrieben hast, bedeutet aber nicht, dass es keinen zusätzlichen Freibetrag gibt.
Nein, das geht nicht an der Lebensrealität vorbei. Sorry, aber das ist wohl ein Eindruck den viele mittlerweile so verinnerlicht haben, dass es für sie schon zur Tatsache geworden scheint - aber das ist einfach nicht wahr.
Doch es ist wahr. Denn etwa die Hälfte der Ehen bleibt kinderlos, Immer mehr Ehen lassen sich scheiden und auf der anderen Seite steigen nichteheliche Lebensgemeinschaften, die auch Kinder haben.

Es gibt wirtschaftlich extrem ungleiche Partner. In der Ehe geht der Staat von einer Zugewinngemeinschaft aus und hat auch alle seine Regularien an diese Realität angepasst (siehe Brainiacs Link mit dem Ehegattensplitting unter Contra-Argumente). Wenn dann aber ein Partner stirbt, dann heißt es auf einmal April April - so war das nicht gedacht. Du erhältst nur unter bestimmten Bedingungen den Zugewinnanteil an des Partners Rente
.

Die Rente ist eine Risikobetrachtung und folgt dem Äquivalenzprinzip. Da müsstest du du als Alleinverdiener auch mehr einzahlen, wenn du deine Ehepartnerin noch zusätzlich absichern möchtest. Das Gegenteil ist aber der Fall. Deine Partnerin hat sogar Anspruch auf eine Witwenrente, die eben nicht dem Äquivalenzprinzip folgt, sondern eine versicherungsfremde Leistung ist. Also aus Steuermitteln bezuschusst wird. Und das obwohl du wegen Ehegattensplitting schon vergleichsweise wenig Steuern zahlst.
Schön auch, dass der Staat sich an die Ehe dann erinnert, wenn ein Partner in die Sozialhilfe rutscht und der Partner dann für das Leben aufkommen kann.
Dafür muss man auch in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aufkommen, ganz ohne Steuervorteile.
[]Also wat nu? Jeden individuell besteuern und Kinder separat fördern? Kann man machen - aber das wird für die Frauen eben NICHT besser werden, insbesondere wird die Wahlfreiheit Familie/Beruf dadurch nicht gefördert.
Na und? Jede Menge nichtehelicher Lebensgemeinschaften leben genau mit dem Umstand. Mit welchem Argument sollen hier Eheleute einen anderen Status haben?
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