Mit 100.000 Volt für Europa

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tarkomed
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von tarkomed »

Orbiter1 hat geschrieben:(26 Jul 2020, 12:05)

Das würde hier zu weit führen aber es ist so ziemlich das Gegenteil von diesem realitäts-, kultur-, geschichtsfremden, bürgerfernen, gleichmachenden, zentralistischen und linksideologisch angehauchten Monster das Volt vorschwebt und absehbar mit den USE enden soll. Die werden in Deutschland die 5%-Hürde nie erreichen. Da wäre die Hälfte davon schon ein kleines Wunder.
Wenn eine Partei wie die AfD mit ihrer rückwärtsgewandten, nationalistischen Ideologie mehr als 12% bei der Bundestagswahl holen kann, dann traue ich einer jungen europäischen Partei, die endlich mal das Projekt der europäischen Einigung vorantreiben will, mindestens die Hälfte zu. Die EU hat uns schließlich über viele Jahrzehnte mit Frieden, Freiheit und Wohlstand beschenkt. Was haben wir im Gegenzug positives dem Nationalismus der Ewiggestrigen zu verdanken?
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
Wenn sie es trotzdem tun, dann bist du es...
Perkeo
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Perkeo »

Brainiac hat geschrieben:(26 Jul 2020, 15:01)

Im Moment ist Einstimmigkeit erforderlich, ja. Und Volksabstimmungen ebenfalls, sofern es wirklich eine europäische Verfassung geben soll, denn damit ist das deutsche Grundgesetz nicht kompatibel, und die meisten anderen heutigen Verfassungen der Staaten ebenfalls nicht. Das ist der zwangsläufige Weg dorthin. Aber warum muss das im Zielzustand so bleiben? In einem europäischen Bundesstaat, der auf repräsentativer Demokratie basiert, sollten die gesetzgebenden Institutionen (Parlament + Rat), ausreichende Mehrheiten vorausgesetzt, die Verfassung auch ändern können. Zusätzliche direktdemokratische Elemente unbenommen, die es auch geben sollte.


Da ich nicht sicher bin, ob wir über dasselbe reden, vielleicht mal kurz ein Abriß, wie ich mir als Vision einen föderalen europäischen Bundesstaat vorstelle.

Er besteht institutionsseitig aus
  • einem Europäischen Parlament, gewählt von den europäischen Bürgern (z.B. per Zwei-Stimmen-Wahlrecht)
  • einem Europäischen Rat, der sich aus Regierungsvertretern der Mitgliedsstaaten zusammensetzt
  • Gesetzen, die von Parlament und Rat gemeinsam beschlossen werden (müssen)
  • einer europäischen Regierung, die vom Parlament gewählt wird
  • einem europäischen Verfassungsgericht
Dabei darf man den "Europäischen Rat" in diesem Modell nicht verwechseln mit dem heutigen gleichnamigen Gremium, und auch nicht mit dem Rat der EU. Heute haben die Mitgliedsstaaten einen vielfach höheren Einfluß auf die EU als in obigem Zielzustand, beispielsweise darüber, dass sie die Kommisionsmitglieder nominieren, zu diversen Themen Einstimmigkeit im Rat der EU gefordert ist und sie auch noch den Europäischen Rat konstituieren, der, obwohl eigentlich außerhalb der Gewaltenteilung stehend, bekanntlich nachhaltigen Einfluß auf die gesamte Politik der EU nimmt und diese faktisch steuert. All das würde es im Zielzustand nicht mehr geben.

Wie hier schon mehrfach erwähnt, verbleiben im Zielzustand erhebliche Kompetenzen - geteilt oder ausschließlich - bei den Mitgliedsstaaten. Alle Kompetenzen, die besser dort angesiedelt sind, sollen auch dort verbleiben. Ich hatte einige Beispiele genannt.

Man kann sich jetzt auf europäischer Ebene als Gremium, das die Mitgliedsstaaten repräsentiert, anstelle des Rats auch einen Senat vorstellen. Dieser würde von den europäischen Bürgern gewählt und nicht von Vertretern der nationalen Regierungen besetzt, vielleicht kannst du dich besser mit diesem Modell anfreunden? Ich persönlich bevorzuge allerdings das Ratsmodell, da die zusätzliche Wahl und der Personenkreis der gewählten Senatoren m.E. eher eine Zersplitterung des Einflusses der Mitgliedsstaaten mit sich bringt. Andererseits ist das Senatsmodell wohl etwas demokratischer - es gibt Pros und Contras für beide Varianten.
In der Tat reden wir über zwei verschiedene Dinge. Du redest über den von dir bevorzugten Zielzustand. Da sind wir gar nicht so weit auseinander.
Ich aber rede darüber was man jetzt tun muss, um der EU überhaupt so viel Legitimation zu verleihen, über den von uns gewünschten oder einen anderen Zielzustand zu verhandeln.
Istzustand ist ein EU-Parlament, das in etwa die gleichen Befugnisse hat wie der deutsche Bundesrat, und ein EU-Rat, der hinter verschlossenen Türen durch Kuhhandel entscheidet und nur sehr bedingt die Mehrheitsmeinungen repräsentiert. Nur mal ein Beispiel: Wie sähen die Befugnisse des Parlaments aus, wenn die EU Bürger über konkrete Inhalte (und eben nicht nur ja oder nein) abstimmen könnten, und was würde die EU Gesetzgebung realistischerweise zur berüchtigten Abstimmung vorlegen?
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Brainiac
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Perkeo hat geschrieben:(26 Jul 2020, 17:53)

In der Tat reden wir über zwei verschiedene Dinge. Du redest über den von dir bevorzugten Zielzustand. Da sind wir gar nicht so weit auseinander.
Ich aber rede darüber was man jetzt tun muss, um der EU überhaupt so viel Legitimation zu verleihen, über den von uns gewünschten oder einen anderen Zielzustand zu verhandeln.
Istzustand ist ein EU-Parlament, das in etwa die gleichen Befugnisse hat wie der deutsche Bundesrat, und ein EU-Rat, der hinter verschlossenen Türen durch Kuhhandel entscheidet und nur sehr bedingt die Mehrheitsmeinungen repräsentiert. Nur mal ein Beispiel: Wie sähen die Befugnisse des Parlaments aus, wenn die EU Bürger über konkrete Inhalte (und eben nicht nur ja oder nein) abstimmen könnten, und was würde die EU Gesetzgebung realistischerweise zur berüchtigten Abstimmung vorlegen?
Da sind wir beeinander.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Orbiter1 »

Brainiac hat geschrieben:(26 Jul 2020, 12:20)

Klären Sie mich doch freundlicherweise auf und zitieren Sie einige Passagen aus dem Programm, die Sie als realitäts-, kultur-, geschichtsfremd, bürgerfern, gleichmachend, zentralistisch und linksideologisch einordnen. Und auch mich würde Ihre Vision von Europa interessieren, ich habe eigentlich immer viel von Ihren Beiträgen gehalten. Zum Beispiel: Staatenbund oder Bundesstaat?
Ich starte mal mit ein paar Punkten zum Thema realitätsfremd.

Fakt ist, selbst vor einer Vorstufe von Volt-Europa (ever closer union) haben die Briten reißaus genommen um wieder selbst entscheiden zu können. Noch ist nicht erkennbar dass den Briten jemand folgt, aber das kann sich auch ganz schnell ändern, z. B. wenn die EU ihr größtes Versprechen, Frieden und Wohlstand, nicht mehr einhalten kann.

Die Mehrheit der Bürger in den Osteuropastaaten kann man sicher für Frieden und Wohlstand gewinnen, aber nicht für gemeinsame Grundwerte wie Toleranz (LGBT, Islam, ...) oder Minderheitenschutz (Flüchtlinge, Migranten, Roma, ..). Und bei der Frage wollt ihr 50 € mehr Kindergeld oder Pressefreiheit entscheiden die sich fürs Kindergeld. Die heutige EU ist nicht in der Lage die Grundwerte in den EU-Verträgen wirksam durch Sanktionen zu verteidigen. Ungarn, Polen und bald auch Andere entwickeln sich (unter teilweise mehrfach wiedergewählten Regierungen) zu Autokratien die mit Rechtsstaatlichkeit nichts am Hut haben. An der exzessiven Korruption hat sich in mehreren Mitgliedstaaten auch nach Jahrzehnten nichts geändert. Einem Lissabon-Nachfolgevertrag (Einstimmigkeit erforderlich) der für viele Volt-Ansätze erforderlich ist, werden diese Staaten niemals zustimmen.

Und ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, das auch der Lissabon-Vertrag zulässt, bietet nur eingeschränkte Möglichkeiten. Mir fallen aber auch innerhalb der liberaleren Weststaaten keine 2 Mitglieder ein die sich hier auf den Weg machen würden. Wenn man das Tempo Deutschland - Frankreich (die ein paar Harmonisierungen in Angriff nehmen wollen) zum Maßstab nimmt wird dieses Jahrhundert nicht mehr viel passieren. Andere sind davon noch viel weiter entfernt.

Ich glaub ja gerne dass solche Wolkenkuckucksheime, wie von Volt propagiert, die Antwort Europas auf alle globalen Herausforderungen sein könnte, aber wie der Weg dahin unter Einbeziehung der Realitäten bewältigt werden soll ist mir ein Rätsel.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Orbiter1 hat geschrieben:(26 Jul 2020, 18:48)

Ich starte mal mit ein paar Punkten zum Thema realitätsfremd.

Fakt ist, selbst vor einer Vorstufe von Volt-Europa (ever closer union) haben die Briten reißaus genommen um wieder selbst entscheiden zu können. Noch ist nicht erkennbar dass den Briten jemand folgt, aber das kann sich auch ganz schnell ändern, z. B. wenn die EU ihr größtes Versprechen, Frieden und Wohlstand, nicht mehr einhalten kann.

Die Mehrheit der Bürger in den Osteuropastaaten kann man sicher für Frieden und Wohlstand gewinnen, aber nicht für gemeinsame Grundwerte wie Toleranz (LGBT, Islam, ...) oder Minderheitenschutz (Flüchtlinge, Migranten, Roma, ..). Und bei der Frage wollt ihr 50 € mehr Kindergeld oder Pressefreiheit entscheiden die sich fürs Kindergeld. Die heutige EU ist nicht in der Lage die Grundwerte in den EU-Verträgen wirksam durch Sanktionen zu verteidigen. Ungarn, Polen und bald auch Andere entwickeln sich (unter teilweise mehrfach wiedergewählten Regierungen) zu Autokratien die mit Rechtsstaatlichkeit nichts am Hut haben. An der exzessiven Korruption hat sich in mehreren Mitgliedstaaten auch nach Jahrzehnten nichts geändert. Einem Lissabon-Nachfolgevertrag (Einstimmigkeit erforderlich) der für viele Volt-Ansätze erforderlich ist, werden diese Staaten niemals zustimmen.

Und ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, das auch der Lissabon-Vertrag zulässt, bietet nur eingeschränkte Möglichkeiten. Mir fallen aber auch innerhalb der liberaleren Weststaaten keine 2 Mitglieder ein die sich hier auf den Weg machen würden. Wenn man das Tempo Deutschland - Frankreich (die ein paar Harmonisierungen in Angriff nehmen wollen) zum Maßstab nimmt wird dieses Jahrhundert nicht mehr viel passieren. Andere sind davon noch viel weiter entfernt.

Ich glaub ja gerne dass solche Wolkenkuckucksheime, wie von Volt propagiert, die Antwort Europas auf alle globalen Herausforderungen sein könnte, aber wie der Weg dahin unter Einbeziehung der Realitäten bewältigt werden soll ist mir ein Rätsel.
Danke, damit kann ich was anfangen.

Richtig, die Verstärkte Zusammenarbeit gibt nicht allzuviel her, Lissabon setzt relativ enge Grenzen. So dass man Lissabon wohl kündigen müsste, um eine echte Kern-EU aufzubauen. Das traut sich heute natürlich keiner, auch nur auszusprechen.

Das ist aber alles kein Argument dagegen, zu formulieren, welchen Zielzustand man eigentlich für sinnvoll hält. Auch wenn der Weg zum Ziel kurzfristig kaum begangen werden kann. Die derzeitige Nationalismuswelle wird irgendwann auch wieder abebben, die globalen Herausforderungen werden zunehmen, und das vielleicht schneller als wir uns heute vorstellen können. Ich bleibe dabei: In ein paar Jahrzehnten, auf jeden Fall in diesem Jahrhundert, wird der europäische Föderalstaat Realität sein. Weil er auf Dauer unumgänglich ist. Und dann wird man sich rückblickend kopfschüttelnd fragen, was daran so schwer war.
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H2O
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Wichtig wäre zu wissen wie die Gewichtung ist, wenn man in der Praxis die Gelder verteilen soll.
Ich fürchte, daß diese Frage nicht nur die Bildungspolitik betrifft. Ich stelle mir gerade vor, wie das Spiel ausgehen könnte, wenn die wohlhabenden und erfolgreichen Mitglieder der EU Ziele anstreben, die ihnen sehr wichtig sind, die aber aus Mangel an Mitteln unerreichbar bleiben, weil ein erklecklicher Teil des erwirtschafteten Geldes aufgewandt werden muß, um ganz schlimme Rückständigkeiten in weniger erfolgreichen Mitgliedsstaaten ein zu ebnen. Etwa, weil die bestehende Korruption und mafiöse Strukturen nicht trockengelegt werden können. Wenn diese Mitglieder also nicht in der Lage sind, den Rückstand mit eigener Wirtschaftstätigkeit auf zu holen. Alimentation auf unabsehbare Zukunft? Wenn das man gut geht!

Aber auch ich sage dennoch: Der Versuch muß gemacht werden. Allerdings tendiere ich doch eher zu der Auffassung, daß es schon in schöner Erfolg der VOLT-Bewegung wäre, wenn europapolitische Themen in den bisher etablierten Parteien an Schwung gewännen. Richtig ist aber auch, daß gelegentlich etwas Glück und der richtige Zeitpunkt darüber entscheiden, ob eine Neugründung einen erfolgreichen Weg nimmt.

Derzeit fehlt mir besonders die fühlbare Gemeinsamkeit dieser pan-europäischen Bewegung. Denken die polnischen Zweige wirklich auch das was wir Schwarz auf Weiß in deutscher Sprache lesen? Oder ist so etwas Wunschdenken? Für Frankreich und Italien stelle ich diese Fragen ebenfalls. Gibt es dort VOLT als wählbare Gruppierung, oder sind das nur einige fünfzig EU-Parlamentarier, die mit den DIE GRÜNEN oder den LINKEN hadern? Rein sprachlich gesehen könnte ich der Sache auf den Grund gehen... ob etwa in diesen Ländern eine wahrnehmbare politische Bewegung dieser Art von sich reden macht. Der Gute Wille einer Gruppe ist unbedingt notwendig, aber er reicht doch nicht aus für eine ernsthafte europaweite Unterstützung!
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Lenny »

tarkomed hat geschrieben: Wenn eine Partei wie die AfD mit ihrer rückwärtsgewandten, nationalistischen Ideologie mehr als 12% bei der Bundestagswahl holen kann, dann traue ich einer jungen europäischen Partei, die endlich mal das Projekt der europäischen Einigung vorantreiben will, mindestens die Hälfte zu.
Der Motor der die AFD antreibt ist die völlig verkorkste Zuwanderungspolitik, und das wird sich, solange auch die Leftisten nicht zur Besinnung kommen, nicht ändern, sondern eher verstärken - von temporären Rückschlägen mal abgesehen.
Die Linken haben mit ihrer Einwanderungspolitik nur geschafft das Bild der Zuwanderes endgültig zu ruinieren und Zuwanderung mit Bildungsferne, Prekariat, religiösem Extremismus und Kriminalität zu Verbinden. Und das ist kein Märchen, sondern Faktengestützt.

Volts potential kann man also zumindest auf Bundesebene gar nicht mit der AFD vergleichen, zumal es bereits einige, ETABLIERTE Alternativen zu VOLT gibt.

Wie gesagt, als Konservativer finde ich es natürlich amüsant wenn sich die Linke zersplittert. Man stelle sich vor, es gäbe noch 100 weitere dieser Parteien. Das wäre großartig.
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Orbiter1
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Orbiter1 »

Brainiac hat geschrieben:(26 Jul 2020, 19:16)

Danke, damit kann ich was anfangen.

Richtig, die Verstärkte Zusammenarbeit gibt nicht allzuviel her, Lissabon setzt relativ enge Grenzen. So dass man Lissabon wohl kündigen müsste, um eine echte Kern-EU aufzubauen. Das traut sich heute natürlich keiner, auch nur auszusprechen.
Die Volt-Vision ist unzweifelhaft nur mit einer kleinen Anzahl wirtschaftlich und kulturell sehr ähnlich strukturierter Staaten umsetzbar. Davon gibt es nicht allzu viele.
Das ist aber alles kein Argument dagegen, zu formulieren, welchen Zielzustand man eigentlich für sinnvoll hält. Auch wenn der Weg zum Ziel kurzfristig kaum begangen werden kann.
Das stimmt. Aber wer wählt eine Partei die zwar einen Zielzustand beschreiben kann aber keine Antwort darauf hat wie der Weg dahin aussieht? Da reduzier ich meine Prognose für Volt gleich einmal von 2,5% auf 1,5%.
Die derzeitige Nationalismuswelle wird irgendwann auch wieder abebben, die globalen Herausforderungen werden zunehmen, und das vielleicht schneller als wir uns heute vorstellen können.
Da habe ich meine Zweifel. In den letzten 12 Jahren gab es drei große weltweite Krisen. Und die EU hat dabei nicht gut ausgesehen. Die Finanzkrise hat die Südeuropäer entfremdet. Die Flüchtlingskrise hat die Osteuropäer entfremdet. Und die Corona-Krise wird die EU im besten Fall hochverschuldet zurücklassen. Kann aber auch schlechter ausgehen. Wie man auf eine absehbare Klimakrise reagieren wird bleibt abzuwarten. Die Polen wurden jedenfalls vom Ziel der Klimaneutralität bis 2050 befreit. Was wäre wenn sich Russland wieder seinen alten Einflussbereich in Osteuropa zurückholen will? Werden denen die Flüchtlingsankunftstaaten Griechenland, Italien, Malta und Spanien solidarisch zur Seite stehen nachdem sie selbst in der Not von den Osteuropäern im Stich gelassen wurden?
Ich bleibe dabei: In ein paar Jahrzehnten, auf jeden Fall in diesem Jahrhundert, wird der europäische Föderalstaat Realität sein. Weil er auf Dauer unumgänglich ist. Und dann wird man sich rückblickend kopfschüttelnd fragen, was daran so schwer war.
Ich bin da nach der Entwicklung der EU in den letzten 20 Jahren extrem skeptisch. Absehbar neue, problembehaftete Mitglieder wie die Westbalkanstaaten, die neben Armut und Korruption auch starke nationalistische Parteien sowie jahrhundertealte ungelöste Konflikte mit einbringen, machen mich nicht optimistischer.
Zuletzt geändert von Orbiter1 am So 26. Jul 2020, 21:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Brainiac
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

H2O hat geschrieben:(26 Jul 2020, 20:28)

Ich fürchte, daß diese Frage nicht nur die Bildungspolitik betrifft. Ich stelle mir gerade vor, wie das Spiel ausgehen könnte, wenn die wohlhabenden und erfolgreichen Mitglieder der EU Ziele anstreben, die ihnen sehr wichtig sind, die aber aus Mangel an Mitteln unerreichbar bleiben, weil ein erklecklicher Teil des erwirtschafteten Geldes aufgewandt werden muß, um ganz schlimme Rückständigkeiten in weniger erfolgreichen Mitgliedsstaaten ein zu ebnen. Etwa, weil die bestehende Korruption und mafiöse Strukturen nicht trockengelegt werden können. Wenn diese Mitglieder also nicht in der Lage sind, den Rückstand mit eigener Wirtschaftstätigkeit auf zu holen. Alimentation auf unabsehbare Zukunft? Wenn das man gut geht!

Aber auch ich sage dennoch: Der Versuch muß gemacht werden. Allerdings tendiere ich doch eher zu der Auffassung, daß es schon in schöner Erfolg der VOLT-Bewegung wäre, wenn europapolitische Themen in den bisher etablierten Parteien an Schwung gewännen. Richtig ist aber auch, daß gelegentlich etwas Glück und der richtige Zeitpunkt darüber entscheiden, ob eine Neugründung einen erfolgreichen Weg nimmt.

Derzeit fehlt mir besonders die fühlbare Gemeinsamkeit dieser pan-europäischen Bewegung. Denken die polnischen Zweige wirklich auch das was wir Schwarz auf Weiß in deutscher Sprache lesen? Oder ist so etwas Wunschdenken? Für Frankreich und Italien stelle ich diese Fragen ebenfalls. Gibt es dort VOLT als wählbare Gruppierung, oder sind das nur einige fünfzig EU-Parlamentarier, die mit den DIE GRÜNEN oder den LINKEN hadern? Rein sprachlich gesehen könnte ich der Sache auf den Grund gehen... ob etwa in diesen Ländern eine wahrnehmbare politische Bewegung dieser Art von sich reden macht. Der Gute Wille einer Gruppe ist unbedingt notwendig, aber er reicht doch nicht aus für eine ernsthafte europaweite Unterstützung!
Die Facebook-Seite von Volt Polen ist aktuell nicht erreichbar. Hier die Homepages für Frankreich und Italien - gerne mal durchklicken. Es handelt sich definitiv um wählbare Gruppierungen und nicht nur irgendeinen versprengten Haufen.

https://www.voltfrance.org/
https://www.voltitalia.org/
Volt France was founded as the 9th country chapter of Volt Europa and is active with nine so called "city teams" in Grenoble, Lille, Lyon, Nantes, Nice, Paris, Reindeer, and the two border chapters Ain-Geneva as well as Strasbourg-Kehl.

The party was unable to participate in the European Elections 2019 due to a lack of funding. In 2020, Volt France participated in the municipal elections, electable as a coalition with the Greens in Lille and received 24.5% in the first round[40], as a coalition with "100% citoyens" in Lyon and receiving 3.4%[41] and 1.6%[42] in two disctrict, and running alone in Paris' 9th district where it received 0.5%[43] in the first round. The second round was postponed due to the COVID-19 pandemic.
''Volt Italia'' is Volt's registered political party in Italy. ''Volt Italia'' took part to Novi Ligure's 2019 municipal election gaining 1.43% of the votes.[57]. In January 2020, the party also participated in the Emilia-Romagna's regional election, gaining 0.43% of the votes.
https://en.wikipedia.org/wiki/Volt_Europa
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Immerhin: Es gibt also vor Ort in Frankreich und Italien Gruppierungen der VOLT, die sich am politischen Tagesgeschäft beteiligen. Das nötigt mir schon einigen Respekt ab!

Mißlich ist natürlich, daß damit ausgerechnet jene EU-Staaten mit lebenden VOLT-Gruppen aufwarten können, in denen die Zustimmungswerte zur EU seit langer Zeit tief im Keller liegen (<60%). Gut, daran kann man arbeiten!
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Wie schon erwähnt, einfach mal auf dieser Seite: https://www.volteuropa.org/ nach unten scrollen, dann sieht man die lokalen Ableger in (derzeit) 29 europäischen Staaten.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(26 Jul 2020, 21:20)

Immerhin: Es gibt also vor Ort in Frankreich und Italien Gruppierungen der VOLT, die sich am politischen Tagesgeschäft beteiligen. Das nötigt mir schon einigen Respekt ab!

Mißlich ist natürlich, daß damit ausgerechnet jene EU-Staaten mit lebenden VOLT-Gruppen aufwarten können, in denen die Zustimmungswerte zur EU seit langer Zeit tief im Keller liegen (<60%). Gut, daran kann man arbeiten!
In Italien hat sich auch ein Gegenpol zu VOLT gebildet. Eine Partei die den Austritt Italiens aus der EU anstrebt. https://sz.de/1.4975402 Es gab gleich ein Treffen mit Nigel Farage. Der kennt sich ja mit dem Thema EU-Austritt aus. Mal sehen ob VOLT oder die ITALEXIT-Partei bei den nächsten Wahlen besser abschneidet.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Senexx »

Orbiter1 hat geschrieben:(26 Jul 2020, 21:38)

In Italien hat sich auch ein Gegenpol zu VOLT gebildet. Eine Partei die den Austritt Italiens aus der EU anstrebt. https://sz.de/1.4975402 Es gab gleich ein Treffen mit Nigel Farage. Der kennt sich ja mit dem Thema EU-Austritt aus. Mal sehen ob VOLT oder die ITALEXIT-Partei bei den nächsten Wahlen besser abschneidet.
Italien hat nichts in der EU verloren. Es ist schließlich kein Rechtsstaat.

Wenn ich dort einen Zivilprozess anstrenge, muss ich zwischen 5 und 10 Jahren kalkulieren.

Der Sohn von Beppe Grillo wird der gemeinschaftlichen Vergewaltigung beschuldigt. Die vermeintliche Tat war vor einem Jahr. Im Januar haben die Sachverständigen ihren Bericht geliefert. Seitdem hat man nichts mehr davon gehört. Würde mich nicht wundern, wenn die rot-Clownregierung den Fall versickern lässt.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(26 Jul 2020, 21:38)

In Italien hat sich auch ein Gegenpol zu VOLT gebildet. Eine Partei die den Austritt Italiens aus der EU anstrebt. https://sz.de/1.4975402 Es gab gleich ein Treffen mit Nigel Farage. Der kennt sich ja mit dem Thema EU-Austritt aus. Mal sehen ob VOLT oder die ITALEXIT-Partei bei den nächsten Wahlen besser abschneidet.
Diese Bestrebungen sind aber nicht neu. Wenn ich mich richtig erinnere, dann hatte
die 5-Sterne-Bewegung sich mit einem EU-Austritt beschäftigt; also immerhin eine an der italienischen Regierung beteiligte Partei. Insofern könnte man die Gründung dieser Bewegung als politische Zersplitterung der italienischen Parteienlandschaft verstehen.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(26 Jul 2020, 22:01)

Diese Bestrebungen sind aber nicht neu. Wenn ich mich richtig erinnere, dann hatte
die 5-Sterne-Bewegung sich mit einem EU-Austritt beschäftigt; also immerhin eine an der italienischen Regierung beteiligte Partei. Insofern könnte man die Gründung dieser Bewegung als politische Zersplitterung der italienischen Parteienlandschaft verstehen.
Dann gibt es mit der ITALEXIT-Partei auf der rechten und der VOLT-Partei auf der linken Seite eine Zersplitterung. Ergibt das am Ende eine Stärkung der Parteien in der Mitte? Warten wir es ab.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(26 Jul 2020, 22:15)

Dann gibt es mit der ITALEXIT-Partei auf der rechten und der VOLT-Partei auf der linken Seite eine Zersplitterung. Ergibt das am Ende eine Stärkung der Parteien in der Mitte? Warten wir es ab.
Ach, Italien hat ein sehr merkwürdiges Parteiengesetz (oder hatte es; ich habe irgendwann nicht mehr mitgekoppelt):

Zwar gab es eine Art 5%-Hürde. Die konnte aber geknackt werden, wenn kleine Parteien ein Wahlbündnis schlossen. Nachdem das Bündnis in der Wahl die Hürde genommen hatte, trennten sich ihre Wege wieder in x kleine Einmann-Fraktionen.

Dann war es schwer Mehrheiten zu bilden; deshalb bekam die Partei mit den meisten Wählerstimmen eine Gutschrift von X% der Gesamtstimmen.

Für uns Nordlichter kaum zu fassen... aber so lief oder läuft das dort. Kein Grund, auf dem hohen Roß Platz zu nehmen.... siehe NSU 2.0 und das Umfeld in unseren "Sicherheitsorganen".

Bei einer insgesamt gut gebildeten italienischen Wählerschaft halte ich es für ein Wunder, daß Leute überhaupt noch zur Wahl gehen. Der bestehende Interessenfilz läßt tiefgreifende Reformen in Richtung eines normalen demokratischen Staatswesens nicht zu.

Heute sprang mich ein Bild an, in dem Carabinieri als Drogenhändler enttarnt wurden. Damit bricht für mich die letzte Instanz zusammen, zu der ich in Italien ein ehrlich empfundenes Grundvertrauen entwickelt hatte.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(27 Jul 2020, 00:18)

Bei einer insgesamt gut gebildeten italienischen Wählerschaft halte ich es für ein Wunder, daß Leute überhaupt noch zur Wahl gehen. Der bestehende Interessenfilz läßt tiefgreifende Reformen in Richtung eines normalen demokratischen Staatswesens nicht zu.
Naja, auch das italienische Wahlvolk lässt bezüglich gewünschter Veränderungen (z. B. Verhältnis der beiden parlamentarischen Kammern zueinander) eine Chance nach der anderen ungenutzt verstreichen. Entsprechende Ansätze von Berlusconi und von Renzi wurden im Rahmen von Referenden zurückgewiesen. Die Italiener bevorzugen die Fortsetzung des Chaos und der Unregierbarkeit.

Apropos Referendum, da hat VOLT dazugelernt. Das Wort taucht im Grundsatzprogramm nirgends auf. So basisdemokratisch soll es dann auch wieder nicht sein. Zu oft ging der Ansatz in den letzten Jahrzehnten bei wichtigen Abstimmungen (z. B. EU-Verfassung) in die Hose. Allerdings fällt man bei der EU-Verfassung nun gleich ins andere Extrem.

"Schließlich unterstützt Volt ausdrücklich die Ausarbeitung und Verabschiedung einer Europäischen Verfassung durch Vertreter*innen der europäischen Bürger*innen, die die bestehenden EU-Verträge ersetzt und die Grundrechte und -pflichten der Bürger*innen sowie die institutionellen Vereinbarungen der EU regelt."

Bitte was? Ausarbeitung und Verabschiedung (= Ratifizierung?) durch Vertreter der europäischen Bürger? Kein Referendum, aber selbst der einzelne Mitgliedstaat spielt da offenbar keine Rolle mehr. Das machen die in Brüssel schon alles selber. So läuft das typischerweise bei einem Elitenprojekt.

Das Grundprinzip 1 Bürger, 1 Stimme bei der Wahl des Europaparlaments sehe ich auch sehr kritisch. Kleinstaaten, und davon gibt es in der EU bekanntlich eine ganze Reihe, haben nichts mehr zu melden und werden zu bedeutungslosen Anhängseln.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Tom Bombadil »

H2O hat geschrieben:(27 Jul 2020, 00:18)

Damit bricht für mich die letzte Instanz zusammen, zu der ich in Italien ein ehrlich empfundenes Grundvertrauen entwickelt hatte.
Das gibt es auch in D: https://www.vice.com/de/article/8x8njk/ ... gearbeitet
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Tom Bombadil hat geschrieben:(27 Jul 2020, 08:10)

Das gibt es auch in D: https://www.vice.com/de/article/8x8njk/ ... gearbeitet
Ja, diese Entdeckung im deutschen Polizeidienst ist natürlich in gleicher Weise niederschmetternd. Drohbriefe an Politiker, deren persönliche Daten aus Polizei-Rechnern in Hessen stammen, waren für mich noch bedrückender.

Vielleicht verklären wir unsere preußische Vergangenheit viel zu sehr... bei mir hat sich ein Bild von unbestechlich staatstreuen preußischen Beamten festgesetzt, wo es gelegentlich einmal einen Skandal gab, aber sich das System insgesamt als vertrauenswürdig erwies. Naja. vielleicht mein Wunschtraum... verlottert unsere Gesellschaft?
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(27 Jul 2020, 08:01)

Naja, auch das italienische Wahlvolk lässt bezüglich gewünschter Veränderungen (z. B. Verhältnis der beiden parlamentarischen Kammern zueinander) eine Chance nach der anderen ungenutzt verstreichen. Entsprechende Ansätze von Berlusconi und von Renzi wurden im Rahmen von Referenden zurückgewiesen. Die Italiener bevorzugen die Fortsetzung des Chaos und der Unregierbarkeit.
Diesen Eindruck kann man gewinnen; eine LmaA-Stimmung inbegriffen "Vaffanculo". Wenig konstruktiv!
Apropos Referendum, da hat VOLT dazugelernt. Das Wort taucht im Grundsatzprogramm nirgends auf. So basisdemokratisch soll es dann auch wieder nicht sein. Zu oft ging der Ansatz in den letzten Jahrzehnten bei wichtigen Abstimmungen (z. B. EU-Verfassung) in die Hose. Allerdings fällt man bei der EU-Verfassung nun gleich ins andere Extrem.
Mit der Vorstellung unseres geschätzten Teilnehmers @Schokoschendrezki eines Europas "von unten" , Graswurzelprinzip, konnte ich bisher nichts anfangen. Dazu sind schon politische Parteien der richtige Ort, um entsprechende Vorschläge zu machen und in politischen Wahlen an zu bieten. Von nichts kommt gar nichts.
"Schließlich unterstützt Volt ausdrücklich die Ausarbeitung und Verabschiedung einer Europäischen Verfassung durch Vertreter*innen der europäischen Bürger*innen, die die bestehenden EU-Verträge ersetzt und die Grundrechte und -pflichten der Bürger*innen sowie die institutionellen Vereinbarungen der EU regelt."

Bitte was? Ausarbeitung und Verabschiedung (= Ratifizierung?) durch Vertreter der europäischen Bürger? Kein Referendum, aber selbst der einzelne Mitgliedstaat spielt da offenbar keine Rolle mehr. Das machen die in Brüssel schon alles selber. So läuft das typischerweise bei einem Elitenprojekt.
Ich sehe das ähnlich kritisch. Der Versuch, die Vereinigten Staaten von Europa "von oben" zu gestalten (Präsident Giscard d'Estaing, Kanzler Helmut Schmidt) ist kläglich gescheitert... so wie später auch das Referendum über eine EU-Verfassung an kleinlicher nationalpolitischer Rache ("Denkzettel"). So wird das also auch nichts.

Vielleicht ist es ein Weg, daß erst einmal das bestehende System in Brüssel/Straßburg sich zurecht rüttelt, und dann die Fraktionen der europäischen Parteien sich des Themas "Weiterentwicklung der EU" annehmen, ihre Gedanken in Europawahlen anbieten, und das Volk darüber dann Zug um Zug in Europawahlen entscheiden lassen?
Das Grundprinzip 1 Bürger, 1 Stimme bei der Wahl des Europaparlaments sehe ich auch sehr kritisch. Kleinstaaten, und davon gibt es in der EU bekanntlich eine ganze Reihe, haben nichts mehr zu melden und werden zu bedeutungslosen Anhängseln.
Ja, diesen Ansatz sehe ich auch mit Sorge; so etwas kann doch nur unter sehr gleichartigen Staaten gut funktionieren... also vielleicht am Ende einer einige Jahrhunderte langen gemeinsamen Entwicklung. Was also in Deutschland so einigermaßen ohne Verklemmung zwischen Saarland, Bremen einerseits und NRW, Bayern, Baden-Wüttemberg andererseits funktioniert, das läßt sich doch nicht kurzerhand auf Europa übertragen. Da werden Jahrhunderte übersprungen. Mir ist natürlich klar, daß auch das Vereinigte Europa nie spannungsfrei funktionieren kann. Die derzeit gefundene Lösung für das EU-Parlament halte ich für zweckmäßig, um die Interessen und die Sichtbarkeit der kleinen Staaten sicher zu stellen und den großen Staaten doch noch irgendwie gerecht zu werden. Ich hatte noch nie das Gefühl, daß im EU-Parlament deutsche Interessen höhnisch übergangen wurden, oder daß kleinen Staaten der EU übel mitgespielt wurde. Insofern verstehe ich den BREXIT nicht... da hat sich wohl eine Art nationalen Hochmuts ausgetobt. Nix zu machen!
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Orbiter1 hat geschrieben:(26 Jul 2020, 21:00)

Das stimmt. Aber wer wählt eine Partei die zwar einen Zielzustand beschreiben kann aber keine Antwort darauf hat wie der Weg dahin aussieht?
Nun, Volt hat schon auch eine Menge an Vorschlägen zu bieten, wie die EU in der aktuellen Form reformiert werden sollte, angefangen vom Gesetzesinitiativrecht des Parlaments über Reform des Wahlrechts bis hin Besetzung und Rolle der Kommission.

Das alles führt allerdings innerhalb der existierenden EU nicht geradewegs zum Zielzustand, das ist richtig. Jemand, der diesen Weg in Einzelmaßnahmen zerlegen und aufzeigen könnte, hätte vermutlich den Nobelpreis verdient. Trotzdem ist es richtig, eine Vision zu formulieren, wenn man von dieser überzeugt ist. Geschichte lässt sich selten in allen Einzelschritten prognostizieren. Ein denkbares Szenario wäre für mich, dass es irgendwann - siehe auch nächster Kommentar - in Europa weit überwiegend gewählte Parlamente und Regierungen gibt, die von der weiteren Integration überzeugt sind, dabei befeuert von globalen Herausforderungen (wie Klima), die ein dauerhaft koordiniertes Handeln erzwingen, und gemeinsam und koordiniert die Verträge von Lissabon kündigen und etwas neues aufsetzen. Mit denen, die dann dabei sein wollen.

Da habe ich meine Zweifel. In den letzten 12 Jahren gab es drei große weltweite Krisen. Und die EU hat dabei nicht gut ausgesehen. Die Finanzkrise hat die Südeuropäer entfremdet. Die Flüchtlingskrise hat die Osteuropäer entfremdet. Und die Corona-Krise wird die EU im besten Fall hochverschuldet zurücklassen. Kann aber auch schlechter ausgehen. Wie man auf eine absehbare Klimakrise reagieren wird bleibt abzuwarten. Die Polen wurden jedenfalls vom Ziel der Klimaneutralität bis 2050 befreit. Was wäre wenn sich Russland wieder seinen alten Einflussbereich in Osteuropa zurückholen will? Werden denen die Flüchtlingsankunftstaaten Griechenland, Italien, Malta und Spanien solidarisch zur Seite stehen nachdem sie selbst in der Not von den Osteuropäern im Stich gelassen wurden?

Ich bin da nach der Entwicklung der EU in den letzten 20 Jahren extrem skeptisch. Absehbar neue, problembehaftete Mitglieder wie die Westbalkanstaaten, die neben Armut und Korruption auch starke nationalistische Parteien sowie jahrhundertealte ungelöste Konflikte mit einbringen, machen mich nicht optimistischer.
Ob diese drei Krisen ohne EU besser gemeistert worden wären, wage ich sehr zu bezweifeln. Die Bewertung der Rolle der EU ist allerdings in der Tat, der allgemeinen Stimmung geschuldet, regelmäßig negativ. Wir haben seit knapp 10 Jahren weltweit eine Nationalismuswelle, die sich natürlich auch in zahlreichen Regierungsbesetzungen widerspiegelt. Das wird sich irgendwann auch wieder ändern, und die Menschen werden irgendwann auch wieder anders wählen, und die Stimmung wird irgendwann wieder eine andere sein. Und somit auch die Bewertung des Nutzens der europäischen Integration. Das kann ich natürlich nicht beweisen.
Orbiter1 hat geschrieben:(27 Jul 2020, 08:01)

Apropos Referendum, da hat VOLT dazugelernt. Das Wort taucht im Grundsatzprogramm nirgends auf. So basisdemokratisch soll es dann auch wieder nicht sein.
Das scheint mir ein Mißverständnis, Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie haben für Volt einen ziemlich hohen Stellenwert, weswegen es umfangreiche eigene Kapitel dazu im Programm gibt (außerhalb des EU-Blocks). Auf europäischer Ebene werden diverse Vorschläge zur Verbesserung des Verfahrens der Europäischen Bürgerinitiativen gemacht, auch werden Bürgerversammlungen vorgeschlagen. Das Thema wird im Bundestagswahlprogramm 2021 vielleicht auch noch weiter ausgearbeitet werden, die Partei gibt es noch nicht ganz so lange wie die Union oder SPD.

Zu oft ging der Ansatz in den letzten Jahrzehnten bei wichtigen Abstimmungen (z. B. EU-Verfassung) in die Hose. Allerdings fällt man bei der EU-Verfassung nun gleich ins andere Extrem.

"Schließlich unterstützt Volt ausdrücklich die Ausarbeitung und Verabschiedung einer Europäischen Verfassung durch Vertreter*innen der europäischen Bürger*innen, die die bestehenden EU-Verträge ersetzt und die Grundrechte und -pflichten der Bürger*innen sowie die institutionellen Vereinbarungen der EU regelt."

Bitte was? Ausarbeitung und Verabschiedung (= Ratifizierung?) durch Vertreter der europäischen Bürger? Kein Referendum, aber selbst der einzelne Mitgliedstaat spielt da offenbar keine Rolle mehr. Das machen die in Brüssel schon alles selber. So läuft das typischerweise bei einem Elitenprojekt.
Da interpretieren Sie meines Erachtens zu viel hinein. Ich denke, dass damit nur gemeint ist, dass gewählte Vertreter der Bürger, wie eben in einer repräsentativen Demokratie üblich, die Verfassung ausarbeiten. Das können und müssen, neben den auf europäischer Ebene gewählten Repräsentanten, selbstverständlich auch Abgeordnete und/oder Regierungsvertreter der Nationalstaaten sein. Die gewählten Repräsentanten müssen die Verfassung dann natürlich auch beschließen, was nicht ausschließt, zusätzlich dazu Referenden durchzuführen.

Das Grundprinzip 1 Bürger, 1 Stimme bei der Wahl des Europaparlaments sehe ich auch sehr kritisch. Kleinstaaten, und davon gibt es in der EU bekanntlich eine ganze Reihe, haben nichts mehr zu melden und werden zu bedeutungslosen Anhängseln.
Fänden Sie es denn in Deutschland richtig, wenn die Stimme eines Saarländers bei der Bundestagswahl drei- oder viermal mehr zählte, als die eines NRW-Einwohners? So ist das in Deutschland jedenfalls nicht. Der Einfluß des Saarlands, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, wird über den Bundesrat sichergestellt. Und dort (!) hat das Saarland nach Art 51 GG gemessen an der Bevölkerungszahl mehr Sitze, als NRW. Der Rat ist der richtige Ort, den Einfluß kleiner Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Aber nicht das Bundesparlament.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Tom Bombadil »

H2O hat geschrieben:(27 Jul 2020, 08:28)

verlottert unsere Gesellschaft?
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Fänden Sie es denn in Deutschland richtig, wenn die Stimme eines Saarländers bei der Bundestagswahl drei- oder viermal mehr zählte, als die eines NRW-Einwohners? So ist das in Deutschland jedenfalls nicht. Der Einfluß des Saarlands, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, wird über den Bundesrat sichergestellt. Und dort (!) hat das Saarland nach Art 51 GG gemessen an der Bevölkerungszahl mehr Sitze, als NRW. Der Rat ist der richtige Ort, den Einfluß kleiner Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Aber nicht das Bundesparlament.
Ich verstehe diesen Teil Ihres Beitrags so, daß die Kleinen auf andere Weise doch sichtbar und in großen Frage mitentscheidend bleiben. Dann kann das Parlament schön demokratisch besetzt werden und auch entscheiden. Am Ende kommt dann die nächste Instanz und schüttelt symbolisch mit dem Kopf... gehe zurück auf "Los"... bis die erste Instanz zähneknirschend das entschieden hat, was die 2. Instanz zuläßt.

So besonders gesund sieht mir dieses Verfahren aber auch nicht aus. Wenn also Einigkeit unter den Mitgliedsstaaten über die degressive Stimmenzuweisung für die Großen besteht... wo ist denn da der Vorteil des Konzepts der Stimmengleichheit? Das Konzept ist anders, aber in der Wirkung weitgehend gleich. Oder es ist ganz anders, und die Großen bestimmen, was die Kleinen gut finden sollen.

Deshalb hatte man doch im EU Ministerrat die Qualifizierte Mehrheit erfunden: Ein Vorschlag gilt als angenommen, wenn 2/3 aller Partnerstaaten zugestimmt haben, wenn die auch zugleich 2/3 der EU-Wahlberechtigten vertreten. Als Notbremse dann noch das Veto, wo 2 Quertreiber die EU der 27 vorführen können.

Und im EU-Parlament hatte man ersatzweise die degressive Zuteilung von Parlamentssitzen erfunden. Hat sich darüber denn ein Parnerstaat ernsthaft beschwert? Oder warum will VOLT etwas ändern, was in den nächsten Jahrzehnten gar keinen Widerspruch findet? Als Fernziel für 2100 teile ich dieses Konzept. Bis dahin sollte hinreichend gegenseitiges Wohlwollen unter den Partnern gewachsen sein.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Odin1506 »

Was mich stört ist:
I.1 Institutionelle Reformen
> Demokratie
Volt unterstützt Institutionen, die den europäischen Bürger*innen mehr Entscheidungsbefugnisse verleihen. Dies bedeutet sowohl, sicherzustellen, dass die Vertreter*innen der Bürger*innen den Großteil
der Regierungsmacht innehaben, als auch, dass diese Repräsentant*innen Anreize haben, die Interessen
ihrer Wähler*innen zu vertreten.
Wir haben den Vertretern und Repräsentanten die Entscheidungsbefugnisse verliehen und nicht umgekehrt.
Quelle: https://assets.volteuropa.org/inline-im ... 1Vhz2M.pdf
Ich bin keine Signatur, ich putze hier nur!!! :p
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

H2O hat geschrieben:(27 Jul 2020, 16:57)

Ich verstehe diesen Teil Ihres Beitrags so, daß die Kleinen auf andere Weise doch sichtbar und in großen Frage mitentscheidend bleiben. Dann kann das Parlament schön demokratisch besetzt werden und auch entscheiden. Am Ende kommt dann die nächste Instanz und schüttelt symbolisch mit dem Kopf... gehe zurück auf "Los"... bis die erste Instanz zähneknirschend das entschieden hat, was die 2. Instanz zuläßt.

So besonders gesund sieht mir dieses Verfahren aber auch nicht aus.
Kein Wahlverfahren ist 100%ig "gesund", das lässt sich sogar wissenschaftlich beweisen. ;) Irgend ein Ziel wird immer verletzt.

Wenn also Einigkeit unter den Mitgliedsstaaten über die degressive Stimmenzuweisung für die Großen besteht... wo ist denn da der Vorteil des Konzepts der Stimmengleichheit? Das Konzept ist anders, aber in der Wirkung weitgehend gleich. Oder es ist ganz anders, und die Großen bestimmen, was die Kleinen gut finden sollen.

Der wesentliche Unterschied besteht darin: Heute zählen bei ein und derselben Wahl des europäischen Parlaments Wählerstimmen in unterschiedlichen Staaten nicht gleich viel. Das ist in höchstem Maße undemokratisch.

Im von mir vorgeschlagenen Modell ist das nicht so: Bei den nationalen Wahlen sind die dortigen Wählerstimmen in der Regel ja auch gleichwertig. Nur die Zusammensetzung des Europäischen Rats erfolgt nicht exakt anhand der hinter den jeweiligen Regierungen stehenden Wählerstimmen. Das ist auch eine Ungleichbehandlung, aber viel indirekter und m.E. viel tolerierbarer, als wenn in ein und derselben Wahl verschiedene Stimmen nicht dasselbe zählen. Und eine andere Möglichkeit, die Bedeutung der kleinen Mitgliedsstaaten aufrechtzuerhalten, sehe ich nicht.

Deshalb hatte man doch im EU Ministerrat die Qualifizierte Mehrheit erfunden: Ein Vorschlag gilt als angenommen, wenn 2/3 aller Partnerstaaten zugestimmt haben, wenn die auch zugleich 2/3 der EU-Wahlberechtigten vertreten. Als Notbremse dann noch das Veto, wo 2 Quertreiber die EU der 27 vorführen können.

Und im EU-Parlament hatte man ersatzweise die degressive Zuteilung von Parlamentssitzen erfunden. Hat sich darüber denn ein Parnerstaat ernsthaft beschwert? Oder warum will VOLT etwas ändern, was in den nächsten Jahrzehnten gar keinen Widerspruch findet? Als Fernziel für 2100 teile ich dieses Konzept. Bis dahin sollte hinreichend gegenseitiges Wohlwollen unter den Partnern gewachsen sein.
Mit Verlaub - dass es dagegen bislang keine großartigen Proteste gab, dürfte wohl eher der allgemeinen Bedeutungslosigkeit der Europawahl geschuldet sein. Vielleicht ist dieses Ungleichgewicht von Stimmen sogar eine der Ursachen dieser Bedeutungslosigkeit und des Desinteresses der Bevölkerung, beispielsweise in Deutschland.

Und natürlich hauen die deutschen Vertreter innerhalb der EU mit dem Thema auch nicht sonderlich auf den Tisch, da ja sowieso ständig die deutsche Dominanz kritisiert wird und Frau Merkel mit dem Istzustand, inkusive Bedeutungslosigkeit des europäischen Parlaments, bestens leben kann. Daraus folgt aber nicht, dass das so richtig ist.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Ich meine, daß die hohen Zustimmungswerte für die EU-Mitgliedschaft Deutschlands Beweis genug sind dafür, daß sich kaum jemand ernsthaft über die Stimmengewichte im EU-Parlament aufregt. Ich muß für mich als deutschem Staatsbürger feststellen, daß mir die Frage meines Stimmengewichts im EU-Parlament bis eben noch vollkommen schnuppe war, weil mir die gefundene Lösung ganz vernünftig erschien.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

H2O hat geschrieben:(27 Jul 2020, 21:56)

Ich meine, daß die hohen Zustimmungswerte für die EU-Mitgliedschaft Deutschlands Beweis genug sind dafür, daß sich kaum jemand ernsthaft über die Stimmengewichte im EU-Parlament aufregt. Ich muß für mich als deutschem Staatsbürger feststellen, daß mir die Frage meines Stimmengewichts im EU-Parlament bis eben noch vollkommen schnuppe war, weil mir die gefundene Lösung ganz vernünftig erschien.
Das ist nachvollziehbar, denn Deutschland hat ja auch hinreichend starken Einfluss auf die EU. Allerdings nicht auf demokratischem Wege, sondern per Machtdominanz in Europäischen Rat. Das Europäische Parlament hat damit rein gar nichts zu tun. Man kann damit zufrieden sein, die Weiterentwicklung der europäischen Integration geht anders.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von H2O »

Brainiac hat geschrieben:(27 Jul 2020, 22:31)

Das ist nachvollziehbar, denn Deutschland hat ja auch hinreichend starken Einfluss auf die EU. Allerdings nicht auf demokratischem Wege, sondern per Machtdominanz in Europäischen Rat. Das Europäische Parlament hat damit rein gar nichts zu tun. Man kann damit zufrieden sein, die Weiterentwicklung der europäischen Integration geht anders.
Beides ist aus meiner Sicht wahr. Natürlich müssen Maßnahmen ergriffen werden, daß europäische Beschlüsse mit sinnvollen Mehrheitsentscheidungen getroffen werden können. Über das "Wie" kann man sehr lange nachdenken... meine ich. Am Gewicht Deutschlands wird sich nie etwas ändern, so lange wir wirtschaftlich erfolgreich sind. 83 Mio Menschen sind nun einmal ein großer Teil der europäischen Erzeuger und Verbraucher. Deshalb neige ich eher zur Leisetreterei in deutschen Angelegenheiten.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von firlefanz11 »

Brainiac hat geschrieben:(25 Jul 2020, 20:55)

Martin Schulz ist heute natürlich erledigt. Damals - 2017 - war er alles andere als erledigt, und mit ihm lag die SPD zeitweise gleichauf mit der Union. Woran das wohl gelegen haben könnte?
Daran, dass die Leute damals von seiner Vetternwirtschaft im EU Parlament u. seiner generellen Unfähigkeit noch nichts wussten...
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von firlefanz11 »

Elmar Brok hat geschrieben:(25 Jul 2020, 21:56)

Das Wählerpotential von Volt würde ich vor allem bei potentiellen FDP-Wählern sehen, sollte die FDP sich (weiter) nach rechts bewegen.
Dass die FDP Positionen vertritt, die Dir nicht in den Kram passen macht sie noch nicht nach rechts driftend aber warum versuche ich das eigtl. jemandem zu erklären, der wie alle Linksgrünen der Meinung ist alles was nicht links von ihm steht ist rääächts...? :rolleyes:
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Elmar Brok »

firlefanz11 hat geschrieben:(28 Jul 2020, 11:26)

Dass die FDP Positionen vertritt, die Dir nicht in den Kram passen macht sie noch nicht nach rechts driftend aber warum versuche ich das eigtl. jemandem zu erklären, der wie alle Linksgrünen der Meinung ist alles was nicht links von ihm steht ist rääächts...? :rolleyes:
Alles entspannt, auch die FDP kann nach rechts, in eine libertäre Richtung rutschen. Daran ist auch erstmal nichts schlechtes. Warum auch? Natürlich steht die FDP rechts der SPD.

Aber zurück zum Thema. Wenn die FDP sich in eine solche Richtung bewegt, dann wird Volt für einige Liberale, zB Sozialliberale, interessant.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von firlefanz11 »

Elmar Brok hat geschrieben:(28 Jul 2020, 11:42)
Wenn die FDP sich in eine solche Richtung bewegt, dann wird Volt für einige Liberale, zB Sozialliberale, interessant.
Wird sie aber nicht. Stattdessen wird sie sich wie bisher für die Bürgerrechte u. einen fortschrittlicheren Kurs insbesondere in Sachen Digitalisierung stark machen, und den sich immer mehr abzeichnenden Sozialismus 2.0 sowohl deutschland- als auch EU weit bekämpfen. Wie Linksgrüne das dann nennen interessiert so sehr wie ein umfallender Sack Reis...
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Elmar Brok »

firlefanz11 hat geschrieben:(28 Jul 2020, 11:50)

Wird sie aber nicht. Stattdessen wird sie sich wie bisher für die Bürgerrechte u. einen fortschrittlicheren Kurs insbesondere in Sachen Digitalisierung stark machen, und den sich immer mehr abzeichnenden Sozialismus 2.0 sowohl deutschland- als auch EU weit bekämpfen. Wie Linksgrüne das dann nennen interessiert so sehr wie ein umfallender Sack Reis...
Warum zitierst du mich dann, ohne irgendetwas zum Thema beizutragen?
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von imp »

Das Programm ist ganz OK. Ich verliere aber langsam den Überblick. Humanisten, Volt, Piraten, LD, Partei, SL, ich kann die kaum noch auseinander halten. Ich sehe keine von denen so bald (wieder) in einem Landtag. Warum soll ich in der Kommune Volt wählen und nicht die lokale Wählervereinigung oder meinetwegen die FDP? Bei der Europawahl hat das Voltprogramm eine gewisse Eigenständigkeit. Aber wozu brauche ich die auf anderen Ebenen?

Was mir auffällt: Sprachlich wirkt das alles wie von Jungs für Jungs aufgeschrieben. Ist das eine Partei, in der auch Frauen und Familienmenschen prägend sind?
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

In einer Woche ist Kommunalwahl in Köln, und Volt ist der FDP auf den Fersen. ;)

https://www.ksta.de/image/37280784/max/ ... tswahl.png
https://www.ksta.de/politik/kommunalwah ... d-37280706

Die Beachtung in den bedeutenderen Medien steigt auch so langsam:

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/mu ... -1.5020143
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Orbiter1 »

Brainiac hat geschrieben:(05 Sep 2020, 08:19)

In einer Woche ist Kommunalwahl in Köln, und Volt ist der FDP auf den Fersen. ;)
Sieht eher so aus als ob die FDP ihre Position halten könnte. Die AfD legt mehr zu als Volt, die Grünen deutlich mehr. Wem nimmt Volt dann überhaupt die Stimmen ab? Den anderen Parteien? Oder doch eher der Union und der SPD?
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Orbiter1 hat geschrieben:(05 Sep 2020, 10:17)

Sieht eher so aus als ob die FDP ihre Position halten könnte. Die AfD legt mehr zu als Volt, die Grünen deutlich mehr. Wem nimmt Volt dann überhaupt die Stimmen ab? Den anderen Parteien? Oder doch eher der Union und der SPD?
Gute Frage, dafür muss man wohl die Wahl abwarten. Die Sonstigen wären noch ein Kandidat (Piraten), und es gibt natürlich auch Überlagerungseffekte.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von grün »

Brainiac hat geschrieben:Volt, die bislang einzige echte transnationale Wählerliste mit europaweit einheitlichem Programm
Klar, wenn man so tut, als gäbe es die (ältere und bekanntere) Piratenpartei nicht. Die ist nämlich auch in mehreren Ländern mit europaweit einheitlichem Programm angetreten.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

grün hat geschrieben:(10 Sep 2020, 10:40)

Klar, wenn man so tut, als gäbe es die (ältere und bekanntere) Piratenpartei nicht. Die ist nämlich auch in mehreren Ländern mit europaweit einheitlichem Programm angetreten.
Aber nie in allen, es sind immer auch Piratenableger in diversen Mitgliedstaaten eigenständig angetreten, mit eigenem Programm. Oder das (recht kurz gefasste) gemeinsame PPEU-Programm wurde national (unterschiedlich) ergänzt, wie beispielsweise in Deutschland. Es ging schon in die paneuropäische Richtung, wurde aber nicht konsequent durchgezogen, soweit ich das beurteilen kann.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von grün »

Nicht ganz. Die Piratenpartei Deutschland hatte sich nach zähem Ringen als letzte europäische Piratenpartei dazu durchringen können, alle eigenen Ergänzungen nur als Positionspapier (also nicht als Teil des Programms) zu veröffentlichen.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Was nichts daran ändert, dass der Teil inhaltlich als Teil des Programms wahrgenommen wird. Eine andere Funktion hat er ja auch nicht. Ein Wahlprogramm ist ja sowieso nichts juristisch Einklagbares, sondern nur eine Absichtserklärung.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von grün »

Um diese Wahrnehmung zu verhindern, hat die Piratenpartei Deutschland die Positionspapiere außerhalb der eigenen Website gar nicht erst veröffentlicht. Infostände und dergleichen hatten ausschließlich das Programm der PPEU.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Auszählung Kommunalwahlen in Köln läuft noch. Nach ca. 60-70% der Wahlbezirke Volt deutlich über 5%, deutlich vor FDP, fast gleichauf mit AfD. :eek:
https://wahlen.stadt-koeln.de/prod/KW20 ... Koeln.html
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von grün »

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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Vongole »

Brainiac hat geschrieben:(13 Sep 2020, 20:44)

Auszählung Kommunalwahlen in Köln läuft noch. Nach ca. 60-70% der Wahlbezirke Volt deutlich über 5%, deutlich vor FDP, fast gleichauf mit AfD. :eek:
https://wahlen.stadt-koeln.de/prod/KW20 ... Koeln.html
Das würde ich einen schönen Erfolg nennen!
Am Yisrael Chai

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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Brainiac »

Vongole hat geschrieben:(13 Sep 2020, 23:58)

Das würde ich einen schönen Erfolg nennen!
Danke, sieht stark danach aus. Inzwischen hat ein Bäumchen-wechsel-dich stattgefunden, Volt liegt knapp hinter der FDP, aber vor der AfD. Besser als umgekehrt. ;)

https://wahlen.stadt-koeln.de/prod/KW20 ... Koeln.html
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Vongole »

Brainiac hat geschrieben:(14 Sep 2020, 00:04)

Danke, sieht stark danach aus. Inzwischen hat ein Bäumchen-wechsel-dich stattgefunden, Volt liegt knapp hinter der FDP, aber vor der AfD. Besser als umgekehrt. ;)

https://wahlen.stadt-koeln.de/prod/KW20 ... Koeln.html
Ab jetzt wird's schwieriger bei der Aufgabe, dieses Ergebnis zu verteidigen oder sogar zu verbessern.
Am Yisrael Chai

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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von Orbiter1 »

Hier das Ergebnis in den Städten in denen Volt angetreten ist.

Aachen 3,71%
Bonn 5,07%
Düsseldorf 1,88%
Essen 0,73%
Köln 4,98%
Münster 2,61%
Paderborn 0,85%
Siegen 3,00%

Das Ergebnis des Regionalverbandes Ruhr (53 Städte und Gemeinden) kann ich auf dem Smartphone nicht ansehen (Seitenaufbau?). https://www.rvr.ruhr/politik-regionalve ... rgebnisse/ Wie auch immer, Volt ist und bleibt eine bedeutungslose Kleinpartei. Ich vermute die werden in ländlichen Gebieten noch weitaus schlechter abschneiden als in den Städten.
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von grün »

In den neulich stattgefunden habenden Wahlen scheint Volt jeweils die Partei mit dem prozentual größten Stimmenzuwachs gewesen zu sein, wenn ich die Berichterstattung richtig verstanden habe. Doch ein neuer Hype?
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3x schwarzer Kater
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Re: Mit 100.000 Volt für Europa

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Brainiac hat geschrieben:(25 Jul 2020, 20:16)

In Summe eine Partei, mit der ich sehr viel anfangen kann - ich hoffe und glaube, dass sie nicht so schnell wieder untergehen wird.
Wie sehen das die Mitforisten?
Ich sehe das genau so.
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
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