Michael_B hat geschrieben:(25 Sep 2021, 12:00)
@Michael Alexander: Sorry, hier verstehe ich dich nicht. Du schreibst oft klare, logische Texte, wenn auch oft polemisch, aber alles Ok.
Nur, deine Verteidigung der AfD ist nicht nachvollziehbar.
Die AfD beherbergt derzeit sehr unterschiedliche politische Richtungen.
Es gibt dort durchaus viele Leute, die ich in erster Linie als wirtschaftsliberal, nationalkonservativ oder christlich-konservativ einordnen würde, aber nicht als rechtsradikal oder gar rechtsextrem. Dazu gehören beispielsweise Meuthen, Pazderski, oder Lucassen.
Natürlich gab und gibt es in der AfD auch andere Strömungen, die man als rechtspopulistisch, teilweise auch als rechtsradikal einordnen kann. Mit der Impfgegner-Szene hat sich hier ein seltsames Gebräu ergeben, das der Partei noch grosse Probleme bereiten könnte. Ich bitte aber auch darum zur Kenntnis zu nehmen, dass zumindest Leute wie Poggenburg oder Kalbitz aus der Partei ausgeschlossen wurden.
Für mich ist offensichtlich, dass hier ein Kampf innerhalb der AfD tobt, der noch lange nicht entschieden ist. Er wird wohl nach den Wahlen offen ausbrechen; die Messer werden schon jetzt gewetzt (bildlich gesprochen...). Meuthen hatte ja vor einiger Zeit selbst eine Spaltung der Partei in die Diskussion eingebracht.
Für mich persönlich wären Leute wie Meuthen, Pazderski, Lucassen etc. durchaus wählbar; ich teile viele Positionen mit ihnen. Björn Höcke und Stephan Brander wären für mich dagegen persönlich nicht wählbar, weil sie zu radikale, illiberale und populistische Positionen vertreten. Allerdings halte ich auch solche Leute nicht für rechtsextrem, weil ich erstens nicht glaube, dass sie ein grundsätzliches Problem mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben, und weil ich sie zweitens nicht als Befürworter von Gewalt erlebt habe.
Viele ihrer Positionen sind sogar deckungsgleich mit weiten Teilen der Positionen, die Konservative noch vor einigen Jahrzehnten vertreten haben, hiessen sie nun Strauß oder Dregger. Ich empfehle auch immer wieder die Lektüre alter Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, die so manchem die Augen öffnen dürften, was noch vor wenigen Jahrzehnten konservativer Mainstream war. Von den Medien und anderen Parteien wird hier sehr viel böswillig interpretiert, ohne eigentliche Sachgrundlage.
Die Medien blasen eben jeden dummen Spruch der AfD zu einem Skandal auf. Es wird dabei übersehen, dass die dummen Sprücheklopfer nur einen kleinen Teil der AfD ausmachen, und vor allem, dass es solche Leute auch in anderen Parteien gibt. Dort wird es aber nicht zum Thema gemacht.
Ich kann auch grundsätzlich nicht dulden, dass Gewalt (Angriff auf Wahlkampfstände, Anzünden von Autos, tätliche Angriffe) gegen politische Gegner angewandt wird und diese systematisch benachteiligt werden (etwa durch die Verweigerung von Räumen für Veranstaltungen und durch Ausschluss von Diskussionsrunden). Dies ist ganz offensichtlich der Fall, was die AfD angeht, ohne dass dies Behörden, Polizei, Medien und andere Parteien besonders stören würde. Das macht mich sehr nachdenklich. Viele Anhänger der AfD haben inzwischen Angst, ihre Sympathien öffentlich zu machen.
Bei der Die Linke gibt es doch auch unterschiedliche Strömungen. Es gibt dort Leute, die eher pragmatisch eingestellt sind und die freiheitlich-demokratische Grundordnung grundsätzlich bejahen. Es gibt dort aber auch radikale Leute, die grundsätzlich ein Problem mit der parlamentarischen Demokratie haben und mehr oder weniger verklausuliert zu Gewalt aufrufen und/ oder Gewalttäter decken. Ja, dieses Spektrum reicht sogar in die Grünen und die SPD hinein, vor allem in ihre Jugendorganisationen.
Man sollte deswegen nicht ganze Parteien ausgrenzen, sondern nur die Gewalttäter und diejenigen, die zu Gewalt aufrufen, oder die grundsätzlich freiheitliche Demokratie und Rechtsstaat ablehnen. Kontaktschuld sollte es gar nicht geben. Nur weil jemand mit einem anderen spricht oder ein Bier trinkt, lädt er keine Schuld auf sich.
Ich plädiere für weniger Hysterie, mehr Toleranz und mehr inhaltliche Auseinandersetzung. Ja, das mag auch für mich gelten, schliesslich mache ich manchmal auch polemische Aussagen. Ich würde aber nie auf die Idee kommen, Parteien wie Die Linke oder die AfD verbieten zu wollen. Ich finde, dass Hans-Georg Maaßen den Finger in die Wunde gelegt hat, als er neulich gesagt hat, der Verfassungsschutz solle doch eher gegen Terroristen arbeiten als politische Parteien zu beobachten, seien das nun die Die Linke oder die AfD. Es ist auch international gesehen in einer Demokratie ein ziemlicher Ausnahmefall, dass Parteien der Opposition von Behörden beobachtet und klassifiziert werden.
Auf jeden Fall empfinde ich das Meinungsklima in Deutschland derzeit als besorgniserregend. Man sollte politische Gegner nicht grundsätzlich vom Diskurs ausschliessen, sondern sie stattdessen einbinden und pragmatisch zur Sache diskutieren. In anderen Ländern geht das doch auch, seien das die Schweiz, Österreich oder Dänemark.