King Kong 2006 hat geschrieben:(10 Jan 2016, 09:09)
Ich verstehe dich schon.
Es verhält sich nicht so, wie du es darstellst. Wir sprechen nicht über eine Krabbenpuhlfabrik z.B. in Marokko, wo Nordseekrabben hinverschifft werden und dort einfach nur gepuhlt werden, um dann wieder den Weg hierher zu finden. Also, die marokkanischen Krabbenpuhlerinnen nur zum Krabben puhlen gut sind.
Der Iran wird natürlich Technologie erhalten. Wenn Mercedes wieder größer zurückkommt, dann z.B. mit Produktionsstandorten im Iran. Das bedeutet Technologietransfer und Ausbildung qualifiziertem Personals vor Ort. Das hat auch Synergieeffekte für Zulieferer vor Ort und den Berufsschulen, dem Bildungssystem. Wenn dadurch das Personal höher als bisher qualifiziert wird und höherwertige Produkte produziert werden können, mit besserer Technologie, Effizienz und Logistik ist das immer vorzuziehen. Wir sprechen nicht nur von Endprodukten, die gekauft werden. Sondern von Produktionsstandorten im Iran.
China kann deshalb einigermassen zu gebrauchende Kampfflugzeuge bauen, weil sie die Technologie durch Lizenz aus Russland bekommen haben. Sie bauen jetzt ihren ersten Träger, weil sie einen russischen kaufen konnten. Huawei gibt es, weil US-Firmen, wie Apple ihre Produkte in China fertigen lassen. Ohne technologischen Austausch, mit Sanktionen wäre das nie gegangen. Und das war/ist dem Iran verwehrt. Aus gutem Grund. Damit wollte man u.a. verhindern, daß diese Technologie z.B. dual-use in die Rüstung geht. Der Iran gehört nicht zu den Staaten, die nur als Werkbank dienen. Sie lassen diese Technologie in ihre Produktionszyklen einfliessen. Bekommt der Iran nur eine Gasultrazentrifuge in die Hand, wie geschehen, dann baut er die nach und entwickelt sie weiter. Deshalb wurde dies sanktioniert. Keinen Technologietransfer. Er hat sich diese dann schwarz beschafft. Inzwischen sind die Zentrifugen x-mal so effizient geworden.
Das Beispiel mit den Kampfpanzern von dir hinkt. Es macht einfach keinen Sinn eine teure Panzerentwicklung zu unterhalten, wenn anschliessend etwas dabei herauskommt, das einfach nicht Massentauglich ist. Das teuer ist und im Feld im Ernstfall völlig vergeigt. Nicht effizient ist. Wenn z.B. dann Spanien, Norwegen, die Niederlande, die Schweiz, Indien oder der Iran sagen, daß man lieber Panzer (Flugzeuge, Schiffe...) aus XY kauft und in Lizenz produziert (gilt auch für den Iran), dann ist das weder dumm, eine Katastrophe, noch eine Schande. Der Iran baut russische Panzer in Lizenz. Und wenn der T-90 kommen sollte, dann wird das vermutlich ähnlich laufen. In den iranischen Panzerwerken, mit besserer Technologie als bisher möglich. Welcher Staat kann denn heute alles im zivilen und militärischen Bereich selbst aus eigener Kraft entwickeln und produzieren? Ein Mercedes besteht doch fast komplett aus Teilen, die weltweit entwickelt und produziert worden sind. Am Ende kommt der Stern dran und fertig. Der US-Abrams Panzer hat eine dt. Rheinmetallkanone. Die Europäer brauchen einander um Raketen ins All zu schiessen. Der Iran braucht den Austausch, wie jeder andere Staat auch. Sonst kommt man nicht vorwärts. Er braucht Technologietransfer, Wirtschaftskontakte uvm. um weiterzukommen. Die iranischen IT-Startups brauchen das. Die iranische Gesellschaft braucht das.
Wenn durch den Wegfall der Sanktionen im Iran erstmal Produkte verschwinden, wie einst nach der Wiedervereinigung in der DDR, dann ist das so. Letztendlich wird es besser fürs Land sein, wie im Falle der DDR. Die iranischen Hardliner fürchten, daß nicht nur iranische Produkte, sondern auch sie verschwinden bzw. an Bedeutung verlieren könnten. Dann ist das so.
Der Gedanken eines Ausverkaufs Irans, wie unter dem Schah beschrieben existiert. Nur, es muß nicht so laufen. Oder ist das in der Türkei auch so? In China? Oder Indien? Ist das von Nachteil ohne Sanktionen zu sein? Für die Wirtschaft und Technologie? Wäre mir neu. Wie gesagt, der Iran ist auch nicht Bangladesch oder Marokko. Und wie es bis jetzt läuft, ist keine besonders charmante Zukunftsversion. Davon erzählen die Millionen ausgewanderten IranerInnen.
Das ist keine Alternative.
Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, deswegen mache ich es kurz:
1. Der Iran wird
definitiv keine hochmoderne Technologie erhalten; weder Brasilien, Mexiko, die Türkei noch Südafrika, Russland, China, Malaysia oder Indien haben moderne Technologien vom Westen in Form von "Investitionenbeifang" erhalten, zumindest nicht flächendeckend. Eine Fabrik in Iran (oder einem anderen Land der Erde) zu eröffnen, geht immer auch mit einem gewissen Grad an Transfer von Wissen einher, aber dies bedeutet nicht -
niemals - dass dem Rezipientenstaat einer FDI [Ausländische Direktinvestition] kritisches Wissen übermittelt würde. Dieser Logik folgend müssten alle Schwellenstaat auf dem besten Weg sein, sich westlichen Industrienationen im Bereich von Wissen, Forschung, Technologie und Entwicklung anzunähern - das sind sie aber nicht.
2. Ein Atomprogramm mit "
Reverse Engineering (engl., bedeutet: umgekehrt entwickeln, rekonstruieren, Kürzel: RE)" zu verbinden, ist sachlich falsch. Zumal in Bezug zum iranischen Programm viel zu große Wissenslücken vorhanden sind. Wir wissen bis heute nicht, wieviel Knowhow-Transfer der Iran vom wem, wann, wie genau erhielt - und was der Iran selbst baute. Das meiste hierzu beruht auf Mutmaßungen, Schätzungen und Annahmen. Genaues wird man wohl nie erfahren.
3. Ein Atomwaffenprogramm wird unter Hinnahme eines mehrfachen Bruchs des Völkerrechts unterhalten. Gesetze, Normen, Vorschriften, Zertifikate etc. pp. spielen hierbei keine Rolle. Eine funktionierende Privatwirtschaft, die global agieren möchte, ist auf solche Regeln angewiesen, denen sich sogar China im Großen und Ganzen unterordnet.
Ein Beispiel: Werden bestimmte Teil der saudischen Waffensysteme defekt, dürfen saudische Mitarbeiter diese weder öffnen noch versuchen, selbst zu reparieren. Es wird der Herstellerfirma gemeldet, die wiederum die Reparatur übernimmt. Das gilt auch für russische Systeme. Werden diese Verträge gebrochen, müssen empfindliche Strafen gezahlt werden. Wiederholt ein Staat dieses Benehmen, wird es zukünftig nicht mehr bedient. Mit der Ausnahme von...
4. China. China ist ein Fall für sich und in jeglicher Hinsicht nicht vergleichbar mit einem der anderen Schwellenstaaten. Dieser Vergleich hinkt nicht, er läuft gar nicht erst. Das Land lässt Firmen nur in Kooperation mit eigenen Staatsunternehmen auf den riesigen heimischen Markt. Die Hauptquelle für ausländisches Knowhow ist aber der Aufkauf ausländischer Betriebe, was weder der Iran noch ein anderer sich entwickelnder Staat leisten kann; davon abgesehen bietet kein anderer Staat die Profitchancen an, die China Investoren verspricht. Kein Vergleich zum Iran oder der Türkei - nicht mal der gesamten Golfregion.
Jüngstes Beispiel:
Krauss-Maffei: Chinesische Staatsfirma kauft deutschen Maschinenbauer
Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen:
Stelle dem Iran 500 Mrd. USD bar zur Verfügung und das Land wird dennoch niemals auch nur im Entferntesten ein Kampfflugzeug aus dem Blauen heraus konzipieren und bauen können, das dem F-35 in Sachen Leistung ähnelt. Das gilt für die Türkei, für Indien (das bis heute am schrottreifen HAL Tejas bastelt) und sogar für China. RE hat seine Grenzen. Das Reich der Mitte hängt immer noch Korea in Sachen Hochtechnologie hinterher.
Zusammengefasst: Der Iran wird zweifellos wohlhabender werden. Das Land wird Fortschritte erleben. Neue Produkte werden entwickelt, aber alte werden verschwinden - darunter auch sehr wichtige Eigenentwicklungen, deren Modernisierungsprogramme mit dem schreitenden Fortschritt nicht standhalten können. Im Groben und Ganzen wird sich das die Waage halten. Einen immensen technologischen und produktiven Sprung nach vorne wird es deshalb nicht geben. Dafür spricht schlicht und ergreifend die Empirie gegen deine Annahme. Ob der Iran vielleicht
die eine Ausnahme wird, die die Regel bestätigt, bleibt abzuwarten. Ich glaube es nicht.