"Es gibt in einem Land wie Grossbritannien eine grosse Variabilität zwischen (1) den Universitäten und (2) den Abschlüssen an diesen Universitäten. Gerade Postgraduierten-Abschlüsse werden teilweise auch einer zahlungskräftigen Klientel angeboten, die ihren Lebenslauf aufhübschen möchten, oder die sich ein Netzwerk erschliessen möchten. In solchen Studiengängen sitzt man dann häufig zusammen mit dem Söhnchen des Vorstandsvorsitzenden eines grossen Automobilkonzerns und dem Töchterchen einer orientalischen Majestät."Michael Alexander hat geschrieben:(11 Jul 2021, 20:17)
Die Qualität der Lehre ist in Grossbritannien und den Vereinigten Staaten viel heterogener als in Deutschland. Sie ist teilweise sehr, sehr gut, und teilweise eben mehr Schein als Sein - wobei viele Teilnehmer der Studiengänge auch nichts anderes erwarten. Deutschland ist dagegen viel homogener.
Mit solchen Studiengängen verdienen die Universitäten ihr Geld. Die allermeisten sind Stiftungen, man ist zwar nicht gezwungen, Gewinne zu erwirtschaften, ist aber auf Einnahmen zwingend angewiesen um den Betrieb und vor allem das Renommee aufrecht zu erhalten. Daraus ergibt sich eine ökonomische Zwangslage: weil man das Geld braucht und die Kundschaft durch zu strenge Anforderung nicht vergraulen kann, ist man gezwungen, da so einiges durchgehen lassen zu müssen. Problematisch wird es, wenn man mit so einem Abschluss z.B. hier in D ungesehen zur Promotion zugelassen werden kann. Genau da gehört ein Augenmerk drauf, da muss überprüft und ggf. nachgebessert werden.
"Es gibt aber auch sehr gute Studiengänge, die den Studenten sehr viel abverlangen und in denen rigoros geprüft wird."
Diese Studiengänge werden von doppelten Idealisten geleitet: die zum einen für ihre Profession brennen, zum anderen aber auch für die Lehre und die solide ausgebildeten akademischen Nachwuchs sorgen wollen und das auch tun. Bei einer Überprüfung britischer Studienabschlüsse würde man die Solidität der Ausbildung an solchen Studiengängen sofort nachweisen können.
"Ebenso gibt es grosse Unterschiede zwischen Studiengängen, die eher auf Seminaren und Vorlesungen beruhen (also verschult sind), und solchen, in denen eine tatsächliche originale Forschungsarbeit über mehrere Monate erwartet wird (und die also sehr wissenschaftlich orientiert sind). "
Es kommt da auf die Professoren an. In GB braucht man als Forscher nicht zwingendermaßen auch selber zu lehren, wie es z.B. im mitteleuropäischen Raum der Fall ist. Ralf Dahrendorf fand das für ihn in GB besser, ihm lag das Lehren im späteren Alter nicht, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. In Deutschland wäre er als Professor dazu verdonnert gewesen.
Trotzdem: es ist definitiv immer besser, als Student in einem Institut zu studieren, in dem man von Anfang an engen Kontakt zur Forschung und zu den Forschungsprojekten hat und den Betrieb von der Pieke auf kennen lernt. Viele vergessen, dass zu einer soliden akademischen Ausbildung eben nicht nur das Fachliche gehört, sondern auch das Handwerkliche.
"Die Preisfrage ist: Um was für einen Studiengang handelte es sich bei demjenigen, den Baerbock belegt hat?"
Da taucht ein nicht ganz unwichtiges Problem auf: der Abschluss ist 12 Jahre alt. Möglicherweise kann man dazu nicht mehr wirklich etwas sagen, weil keine Unterlagen mehr da sind, weil Professoren emeritiert, inzwischen senil oder gar verstorben sind. Man wird also auch über international verbindliche Dokumentations- und Auskunftspflichten im Bologna-Raum reden müssen.
Es wird mal Zeit, dass da Nägel mit Köpfen gemacht wird. Manche Dinge sind schon seit Jahrzehnten ein großes Ärgernis.