Ist der Libertarismus unsozial?

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Liegestuhl
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Liegestuhl »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 18:35)

Nein ich fokussiere mich nicht per se auf den Staat, sondern kritisiere den Kapitalismus.
Eigentlich kritisierst du nicht den Kapitalismus, sondern die Menschen, die frei agieren können und so sozial sein können, wie sie gerne möchten.

Glaubst du eigentlich, dass Menschen durch ein System zu besseren Menschen erzogen werden müssen?
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Liegestuhl hat geschrieben:(08 Apr 2021, 18:40)

Wenn du Vermögen umverteilen willst, dann brauchst du eine Instanz, die die Macht hat, einer Gruppe gegen ihren Willen etwas zu nehmen, um es der anderen Gruppe zu geben. Das ist aber alles andere als "Anarchismus", denn die bedeutet die Abwesenheit von Herrschaft.


Warum? Die Menschen sind doch die gleichen. Entweder die Gesellschaft möchte eine Umverteilung oder sie möchte sie nicht. Wenn man sie möchte, dann kann sie auch freiwillig geschehen. Alles andere ist Zwang.
Die Menschen sind nicht perse die gleichen. Wenn der Mensch merkt, dass er aus dem System nicht rauskommt. Dann hat er sich damit abgefunden. Nach dem Motto: Es geht nicht anders und dann stumpft man ab.
Man könnte freiwillige Kommunen bilden, dann muss nicht jeder etwas abgeben. Du würdest jetzt schreiben, dass es im Libertarismus genauso wäre. Nur in meinem Fall ist der Kapitalismus nicht die Herrschaftsform. Vielleicht hätte man mehrere Systeme nebeneinander.

Das wäre aber jetzt nur eine Utopie meinerseits.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Liegestuhl hat geschrieben:(08 Apr 2021, 18:44)

Eigentlich kritisierst du nicht den Kapitalismus, sondern die Menschen, die frei agieren können und so sozial sein können, wie sie gerne möchten.

Glaubst du eigentlich, dass Menschen durch ein System zu besseren Menschen erzogen werden müssen?

Das System erzieht automatisch. Der Libertarismus erzieht auch ohne Staat.

Der Libertarismus will ja nicht der Herrschaft aufgeben, sondern den Staat abschaffen und alles Privatisieren. Der Kapitalismus + Lohnarbeit basiert auf autoritären Strukturen. Arbeitgeber über den Arbeitnehmer. Jetzt wirst du sicherlich sagen, wieso die Verträge sind doch freiwillig. Nicht ganz...Die beiden Gruppen sind nicht auf Augenhöhe. Person A hat eine stärkere Position als Person B. Ein großen ökonomischen Druck der die freie Entscheidung beeinträchtigen wird.

Ein richtiger Anarchismus ist Herrschaftslosigkeit.
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Liegestuhl
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Liegestuhl »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 18:47)

Die Menschen sind nicht perse die gleichen. Wenn der Mensch merkt, dass er aus dem System nicht rauskommt. Dann hat er sich damit abgefunden. Nach dem Motto: Es geht nicht anders und dann stumpft man ab.
Das sehe ich etwas anders. Wir leben in Deutschland in einer Rundumversorgung. Wenn du arm bist, bekommst du Geld vom Staat. Wenn du nichts zu essen hast, bekommst du essen. Wenn du keine Wohnung hast, wird dir eine Wohnung gegeben. Wenn der Nachbar sein Kind schlägt, kümmert sich das Jugendamt. Wenn du nichts zum Anziehen hast, gibt es eine Kleiderkammer. Wenn du krank bist, hast du eine Krankenkasse, die deinen Krankenhausaufenthalt bezahlt. Wenn Nachbars Kinder auf die Universität wollen, unterstützt der Staat mit Bafög und anderen finanziellen Hilfen.

Eigentlich brauchen wir uns als Menschen nicht um unsere Mitmenschen zu kümmern, weil wir genau wissen, dass der Staat diese Aufgabe schon übernommen hat. Wir können uns mit gutem Gewissen zurücklehnen, da wir wissen, dass sich der Staat um alles kümmert. Beginnt hier nicht die Umerziehung? Meiner Meinung nach verkümmert unser soziales Gewissen.
Man könnte freiwillige Kommunen bilden, dann muss nicht jeder etwas abgeben. Du würdest jetzt schreiben, dass es im Libertarismus genauso wäre. Nur in meinem Fall ist der Kapitalismus nicht die Herrschaftsform. Vielleicht hätte man mehrere Systeme nebeneinander.
Würde ich befürworten.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Liegestuhl hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:00)

Das sehe ich etwas anders. Wir leben in Deutschland in einer Rundumversorgung. Wenn du arm bist, bekommst du Geld vom Staat. Wenn du nichts zu essen hast, bekommst du essen. Wenn du keine Wohnung hast, wird dir eine Wohnung gegeben. Wenn der Nachbar sein Kind schlägt, kümmert sich das Jugendamt. Wenn du nichts zum Anziehen hast, gibt es eine Kleiderkammer. Wenn du krank bist, hast du eine Krankenkasse, die deinen Krankenhausaufenthalt bezahlt. Wenn Nachbars Kinder auf die Universität wollen, unterstützt der Staat mit Bafög und anderen finanziellen Hilfen.

Eigentlich brauchen wir uns als Menschen nicht um unsere Mitmenschen zu kümmern, weil wir genau wissen, dass der Staat diese Aufgabe schon übernommen hat. Wir können uns mit gutem Gewissen zurücklehnen, da wir wissen, dass sich der Staat um alles kümmert. Beginnt hier nicht die Umerziehung? Meiner Meinung nach verkümmert unser soziales Gewissen.


Würde ich befürworten.

1) Natürlich haben wir in Deutschland ein Sozialstaat. Ich habe mich jetzt auf den Libertarismus bezogen.

Ich glaube intuitiv dass es irgendwann in Zukunft evtl. auch kein Staat mehr geben wird. Ich kann es aber nicht rational begründen. Nur es sollte kein System für alle gelten. Jeder will ja zwangsläufig etwas anderes. Deshalb finde ich es ja beruhigend dass du dieser Vorstellung etwas abgewinnen kannst.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Kohlhaas »

lili hat geschrieben:(07 Apr 2021, 13:06)

Doch das weiß ich. Historisch haben sie sich gegen den Sozialstaat positioniert. Der liberale Sozialstaat ist eine gekürzte Sozialhilfe. Das einzige was sie wirklich vertreten haben war: Mein Privateigentum gehört mir und sieh zu wo du bleibst.

Die Freiheit beim Liberalismus ist ein Etikettenschwindel. Es bezieht sich nur auf die negativen Freiheitsrechte.
Historisch ist der Liberalismus entstanden, als es sowas wie Sozialstaat noch gar nicht gab. Grundgedanke war, dass Menschen nicht mehr "Eigentum" von anderen, mächtigeren Menschen sein dürfen, wie das im Absolutismus "normal" war. Es wurden allgemeine Menschenrechte formuliert, die ganz unabhängig von sozialer Stellung definiert waren. Dieser Liberalismus hat dazu geführt, dass in Deutschland die ersten Sozialversicherungen entstanden sind. Dass Liberalismus heute oft anders gedeutet wird, ist eine andere Frage.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Aldus »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:04)
Ich glaube intuitiv dass es irgendwann in Zukunft evtl. auch kein Staat mehr geben wird.
Wenn man sich die menschliche Natur vor Augen führt, wäre das meines Erachtens aber nicht gerade erstrebenswert. In seiner Grundanlage ist der Mensch doch immer noch ein Raubtier - ohne einen Staat, der dafür sorgt, das sich alle an gewisse Regeln halten, haben die "Stärkeren" in der Gesellschaft keinen Grund mehr dazu. Historisch gesehen haben sie es dann meißt auch nicht mehr getan. Halte ich eigentlich nicht für erstrebenswert, so eine Gesellschaft.

Und die menschliche Natur wird sich nicht ändern, davon bin ich für meinen Teil zumindest überzeugt. Ich weiß auch gar nicht, ob es so gut wäre, wenn sie es täte.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Kohlhaas hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:06)

Historisch ist der Liberalismus entstanden, als es sowas wie Sozialstaat noch gar nicht gab. Grundgedanke war, dass Menschen nicht mehr "Eigentum" von anderen, mächtigeren Menschen sein dürfen, wie das im Absolutismus "normal" war. Es wurden allgemeine Menschenrechte formuliert, die ganz unabhängig von sozialer Stellung definiert waren. Dieser Liberalismus hat dazu geführt, dass in Deutschland die ersten Sozialversicherungen entstanden sind. Dass Liberalismus heute oft anders gedeutet wird, ist eine andere Frage.
Da muss ich eingrätschen. Die Liberalen waren historisch gegen die Wohlfahrt. Selbst einige Liberale waren durchaus für die Sklaverei. Leider haben sie nicht so eine reine Weste wie uns das vorgegaukelt wurde.

https://monde-diplomatique.de/artikel/!470286
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Aldus hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:13)

Wenn man sich die menschliche Natur vor Augen führt, wäre das meines Erachtens aber nicht gerade erstrebenswert. In seiner Grundanlage ist der Mensch doch immer noch ein Raubtier - ohne einen Staat, der dafür sorgt, das sich alle an gewisse Regeln halten, haben die "Stärkeren" in der Gesellschaft keinen Grund mehr dazu. Historisch gesehen haben sie es dann meißt auch nicht mehr getan. Halte ich eigentlich nicht für erstrebenswert, so eine Gesellschaft.

Und die menschliche Natur wird sich nicht ändern, davon bin ich für meinen Teil zumindest überzeugt. Ich weiß auch gar nicht, ob es so gut wäre, wenn sie es täte.
Die Angst und das Misstrauen kann ich absolut nachvollziehen. Ich will (genauso wie du) kein Recht des Stärkeren und bei mir war es nur eine Utopie eines Paradieses.

Ich habe mich ja selber erschrocken wie es z.B. in den USA abläuft. Die haben zwar auch einen Staat, aber das Sozial und Gesundheitswesen ist eine Katastrophe. Anhand meinen 2 Beispielen (YouTube) die ich hier aufgezeigt habe teile ich auch deine Befürchtung.

Wir müssen einfach abwarten was kommt.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Aldus »

Kohlhaas hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:06)
Grundgedanke war, dass Menschen nicht mehr "Eigentum" von anderen, mächtigeren Menschen sein dürfen, wie das im Absolutismus "normal" war.
Wobei das mMn eher etwas mit einem geänderten Zeitgeist zu tun hatte, als mit dem Absoloutismus, den ich größtenteils für eine logische Folge eben des alten Zeitgeistes halte, genauso wie die "Eigentumsfrage". Denn Sklaverei z.B. hat es überall im Altertum gegeben. In der Demokratie Athens, bzw. in der römischen Republik war sie genauso normal und selbstverständlich wie in den absoloutistischen Königreichen des Mittelalters. Von der Regierungsform war sie also eher nicht abhängig.
Kohlhaas hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:06)Dass Liberalismus heute oft anders gedeutet wird, ist eine andere Frage.
Er wird ja im Grunde nicht anders "gedeutet". Man hat nur den größten Teils des Liberalismus schlicht vergessen und ihn auf den wirtschaftsorientierten Neo-Liberalismus reduziert. Die FDP mit ihrer Wandlung von der einst sozial-liberalen zur neo-liberalen Partei hat hierzulande meines Erachtens einen großen Anteil daran.
lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:20)
Die Angst und das Misstrauen kann ich absolut nachvollziehen. Ich will (genauso wie du) kein Recht des Stärkeren und bei mir war es nur eine Utopie eines Paradieses.

Ich habe mich ja selber erschrocken wie es z.B. in den USA abläuft. Die haben zwar auch einen Staat, aber das Sozial und Gesundheitswesen ist eine Katastrophe.
Und da du selbst dieses Beispiel bringst: Es ist doch symptomatisch - (fast) jeder weiß mittlerweile, das weder die US-amerikanischen Republikaner noch die FDP hierzulande wirklich "freundliche" Menschen sind. Und beide Parteien und ihre Anhänger sprechen sich entschieden für ein Zurückdrängen des Staates und eine Reduzierung staatlicher Aufgaben aus. Die wissen schon warum. Deswegen finde ich, sollte man mit einer derartigen Argumentation eben sehr vorsichtig sein. Die meißten, die mit sowas um die Ecke biegen wollen im Grunde nur eins: Mehr für sich und weniger für die anderen. Um diese Kausalkette - weniger Staat -> mehr Gesetz des Dschungels - zu durchbrechen, müßte sich wohl wirklich erst die menschliche Natur ändern. Und davon sind wir meilenweit entfernt.

Aber natürlich, als theoretische Utopie kann man dem selbstverständlich durchaus mal nachhängen. Man sollte eben nur - finde ich - vorsichtig werden, wenn jemand so etwas heutzutage in der Praxis fordert. Denn wir sind halt noch nicht soweit.
Zuletzt geändert von Aldus am Do 8. Apr 2021, 19:45, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Kohlhaas »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:04)

1) Natürlich haben wir in Deutschland ein Sozialstaat. Ich habe mich jetzt auf den Libertarismus bezogen.
Es gibt in der Welt keinen real existierenden Libertarismus. Das ist nur ein theoretisches Konstrukt, das dazu dient, gesellschaftliche Verhältnisse eventuell besser zu verstehen."Verwirklichen" könnte man solche Ideen nicht, weil Menschen nunmal soziale Wesen sind und allein auf sich gestellt nicht existieren können.
Ich glaube intuitiv dass es irgendwann in Zukunft evtl. auch kein Staat mehr geben wird. Ich kann es aber nicht rational begründen. Nur es sollte kein System für alle gelten. Jeder will ja zwangsläufig etwas anderes.
Und weil jeder was anderes will, muss zwangsläufig auf irgendeine Art ein Konsens hergestellt werden. Anders geht es nicht. Wenn ich eine Brücke brauche, um über einen Fluss zu kommen, dann stehe ich unmittelbar vor dem Problem, dass ich allein diese Brücke nicht bauen kann. Ich brauche dazu die Hilfe anderer Menschen.

Es gab hierzulande mal eine Gesellschaftsform, die ohne Staat auskam. Da gab es keine Herrscher, kein Eigentum, kein geschriebenes Recht. Es gab nur das Recht des Stärkeren. "Eigentum" war nur das, was ein Individuum sich aneignen und anschließend auch behaupten konnte. Kein Staat, keine Polizei, keine Gerichte, die fragen konnten, ob das alles "rechtmäßig" war. Folge: Alle Individuen haben ihre Häuser nur bewaffnet verlassen. Ich rede von der Stammesgesellschaft. Und selbst die war alles andere als "libertär". Die war "egalitär" in dem Sinne, dass alle Individuen die gleichen Chancen hatten, sich und ihre Interessen durchzusetzen. Aber selbst diese Leute waren dabei auf Unterstützung angewiesen. Sie konnten ihre Interessen nur gemeinsam mit anderen Menschen durchsetzen.

Im persönlichen Kontakt mit anderen Menschen kann man seine Interessen vielleicht noch einigermaßen selbst vertreten. Je größer eine Gemeinschaft wird, desto größer ist aber die Notwendigkeit, kodifizierte Regeln (Gesetze und dergleichen) zu haben. Ein Gemeinwesen wie Deutschland mit 80 Millionen Menschen kann man nicht mittels persönlicher Sozialkontakte aufrecht erhalten. Es braucht Gesetze, Polizei, Gerichte, Eigentumskataster etc.pp. Dass eine libertäre Gesellschaft ohne Staat möglich sein könnte, ist reine Illusion.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Kohlhaas hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:33)

Es gibt in der Welt keinen real existierenden Libertarismus. Das ist nur ein theoretisches Konstrukt, das dazu dient, gesellschaftliche Verhältnisse eventuell besser zu verstehen."Verwirklichen" könnte man solche Ideen nicht, weil Menschen nunmal soziale Wesen sind und allein auf sich gestellt nicht existieren können.


Und weil jeder was anderes will, muss zwangsläufig auf irgendeine Art ein Konsens hergestellt werden. Anders geht es nicht. Wenn ich eine Brücke brauche, um über einen Fluss zu kommen, dann stehe ich unmittelbar vor dem Problem, dass ich allein diese Brücke nicht bauen kann. Ich brauche dazu die Hilfe anderer Menschen.

Es gab hierzulande mal eine Gesellschaftsform, die ohne Staat auskam. Da gab es keine Herrscher, kein Eigentum, kein geschriebenes Recht. Es gab nur das Recht des Stärkeren. "Eigentum" war nur das, was ein Individuum sich aneignen und anschließend auch behaupten konnte. Kein Staat, keine Polizei, keine Gerichte, die fragen konnten, ob das alles "rechtmäßig" war. Folge: Alle Individuen haben ihre Häuser nur bewaffnet verlassen. Ich rede von der Stammesgesellschaft. Und selbst die war alles andere als "libertär". Die war "egalitär" in dem Sinne, dass alle Individuen die gleichen Chancen hatten, sich und ihre Interessen durchzusetzen. Aber selbst diese Leute waren dabei auf Unterstützung angewiesen. Sie konnten ihre Interessen nur gemeinsam mit anderen Menschen durchsetzen.

Im persönlichen Kontakt mit anderen Menschen kann man seine Interessen vielleicht noch einigermaßen selbst vertreten. Je größer eine Gemeinschaft wird, desto größer ist aber die Notwendigkeit, kodifizierte Regeln (Gesetze und dergleichen) zu haben. Ein Gemeinwesen wie Deutschland mit 80 Millionen Menschen kann man nicht mittels persönlicher Sozialkontakte aufrecht erhalten. Es braucht Gesetze, Polizei, Gerichte, Eigentumskataster etc.pp. Dass eine libertäre Gesellschaft ohne Staat möglich sein könnte, ist reine Illusion.
Ich habe bei mir nur geschrieben, dass dieses Paradies eher eine Utopie ist.

Wann war das? Ich denke die Menschen waren nicht so zivilisiert.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Aldus hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:25)

Wobei das mMn eher etwas mit einem geänderten Zeitgeist zu tun hatte, als mit dem Absoloutismus, den ich größtenteils für eine logische Folge eben des alten Zeitgeistes halte, genauso wie die "Eigentumsfrage". Denn Sklaverei z.B. hat es überall im Altertum gegeben. In der Demokratie Athens, bzw. in der römischen Republik war sie genauso normal und selbstverständlich wie in den absoloutistischen Königreichen des Mittelalters. Von der Regierungsform war sie also eher nicht abhängig.


Er wird ja im Grunde nicht anders "gedeutet". Man hat nur den größten Teils des Liberalismus schlicht vergessen und ihn auf den wirtschaftsorientierten Neo-Liberalismus reduziert. Die FDP mit ihrer Wandlung von der einst sozial-liberalen zur neo-liberalen Partei hat hierzulande meines Erachtens einen großen Anteil daran.


Und da du selbst dieses Beispiel bringst: Es ist doch symptomatisch - (fast) jeder weiß mittlerweile, das weder die US-amerikanischen Republikaner noch die FDP hierzulande wirklich "freundliche" Menschen sind. Und beide Parteien und ihre Anhänger sprechen sich entschieden für ein Zurückdrängen des Staates und eine Reduzierung staatlicher Aufgaben aus. Die wissen schon warum. Deswegen finde ich, sollte man mit einer derartigen Argumentation eben sehr vorsichtig sein. Die meißten, die mit sowas um die Ecke biegen wollen im Grunde nur eins: Mehr für sich und weniger für die anderen. Um diese Kausalkette zu durchbrechen, müßte sich wohl wirklich erst die menschliche Natur ändern. Und davon sind wir meilenweit entfernt.

Aber natürlich, als theoretische Utopie kann man dem selbstverständlich durchaus mal nachhängen. Man sollte eben nur - finde ich - vorsichtig werden, wenn jemand so etwas heutzutage in der Praxis fordert. Denn wir sind halt noch nicht soweit.
Naja ich wollte eher in die soziale Richtung, nicht in die kapitalistische.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Kohlhaas »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:15)

Da muss ich eingrätschen. Die Liberalen waren historisch gegen die Wohlfahrt. Selbst einige Liberale waren durchaus für die Sklaverei. Leider haben sie nicht so eine reine Weste wie uns das vorgegaukelt wurde.

https://monde-diplomatique.de/artikel/!470286
Reden wir über "einige Liberale" oder reden wir über die historischen Wurzeln des Liberalismus? Selbstverständlich gingen solche Ideen damals von der Oberschicht aus. Das waren ja seinerzeit die einzigen Leute, die gebildet genug waren und genug Zeit hatten, sich mit derartigen Fragestellungen überhaupt zu beschäftigen. Dass die Liberalen z.B. in Preußen aber "gegen die Wohlfahrt" waren, stimmt so einfach nicht. Es waren genau solche liberalen Kräfte, die erste Sozialversicherungen ins Leben gerufen haben. Nochmal: Bis zur Französischen Revolution war es allgemein als gottgewollte Tatsache anerkannt, dass die Menschen keine Bürger sondern Untertanen waren. Quasi "Eigentum" ihres jeweiligen Fürsten. Historisch gesehen wollte der Liberalismus genau damit aufräumen. Es wurden persönliche Freiheitsrechte JEDES MENSCHEN formuliert. Schon auf dem Hambacher Fest im Jahr 1832 wurden Forderungen nach Meinungs- und Pressefreiheit aufgestellt. An "Wohlfahrt" hat damals noch niemand gedacht. Das war überhaupt nicht Thema, weil es das bis dahin gar nicht gab. Das waren Zeiten, in denen einfache Soldaten, die in Gefechten verwundet worden waren, nicht mal medizinisch versorgt wurden. Medizinische VErsorgung gab es nur für die adeligen Offiziere. Es gab für die Herrscher vielerorts noch das "Recht der ersten Nacht". DAS war es, womit der Liberalismus aufräumen wollte. Um "Wohlfahrt" ging es dabei gar nicht. Dass es unter den Liberalen jener Zeit auch Leute gab, die "Neger" nicht als Menschen betrachtet haben... Jo, das ist wohl so. Das kann man denen aber heute kaum noch vorwerfen. Es waren halt andere Zeiten.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Kohlhaas »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:37)

Ich habe bei mir nur geschrieben, dass dieses Paradies eher eine Utopie ist.

Wann war das? Ich denke die Menschen waren nicht so zivilisiert.
Uhhh, "zivilisiert"...

Wie ich geschrieben habe, führte die "Utopie" zwangsläufig zu hoher Gewaltbereitschaft. Und war trotzdem nicht in die Realität umzusetzen. Hierzulande ist das gut 2000 Jahre her. Es gibt aber auch heute noch solche Gesellschaften in der Welt. Und ich würde die nicht als unzivilisiert bezeichnen, weil sie technologisch nicht mit Deutschland mithalten können.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Kohlhaas hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:49)

Reden wir über "einige Liberale" oder reden wir über die historischen Wurzeln des Liberalismus? Selbstverständlich gingen solche Ideen damals von der Oberschicht aus. Das waren ja seinerzeit die einzigen Leute, die gebildet genug waren und genug Zeit hatten, sich mit derartigen Fragestellungen überhaupt zu beschäftigen. Dass die Liberalen z.B. in Preußen aber "gegen die Wohlfahrt" waren, stimmt so einfach nicht. Es waren genau solche liberalen Kräfte, die erste Sozialversicherungen ins Leben gerufen haben. Nochmal: Bis zur Französischen Revolution war es allgemein als gottgewollte Tatsache anerkannt, dass die Menschen keine Bürger sondern Untertanen waren. Quasi "Eigentum" ihres jeweiligen Fürsten. Historisch gesehen wollte der Liberalismus genau damit aufräumen. Es wurden persönliche Freiheitsrechte JEDES MENSCHEN formuliert. Schon auf dem Hambacher Fest im Jahr 1832 wurden Forderungen nach Meinungs- und Pressefreiheit aufgestellt. An "Wohlfahrt" hat damals noch niemand gedacht. Das war überhaupt nicht Thema, weil es das bis dahin gar nicht gab. Das waren Zeiten, in denen einfache Soldaten, die in Gefechten verwundet worden waren, nicht mal medizinisch versorgt wurden. Medizinische VErsorgung gab es nur für die adeligen Offiziere. Es gab für die Herrscher vielerorts noch das "Recht der ersten Nacht". DAS war es, womit der Liberalismus aufräumen wollte. Um "Wohlfahrt" ging es dabei gar nicht. Dass es unter den Liberalen jener Zeit auch Leute gab, die "Neger" nicht als Menschen betrachtet haben... Jo, das ist wohl so. Das kann man denen aber heute kaum noch vorwerfen. Es waren halt andere Zeiten.
Die historischen Wurzeln des Liberalismus.

Du meinst: SPD, Zentrum und Sozialliberale.

https://www.bpb.de/izpb/214326/geschich ... pien?p=all

Ich habe Sozialliberale explizit rausgenommen, weil sie eine Besonderheit darstellen. Ich meinte den Liberalismus an sich und der war wirklich Unsozial. Im Liberalismus gibt es hauptsächlich nur die negativen Freiheitsrechte und den Schutz des Privateigentums. In späteren Jahren haben sich einige zu diesem Thema positioniert und es angenommen.

Sie haben die sozialen Systeme abgelehnt. Also war der Vorschlag bereits da.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Kohlhaas hat geschrieben:(08 Apr 2021, 19:53)

Uhhh, "zivilisiert"...

Wie ich geschrieben habe, führte die "Utopie" zwangsläufig zu hoher Gewaltbereitschaft. Und war trotzdem nicht in die Realität umzusetzen. Hierzulande ist das gut 2000 Jahre her. Es gibt aber auch heute noch solche Gesellschaften in der Welt. Und ich würde die nicht als unzivilisiert bezeichnen, weil sie technologisch nicht mit Deutschland mithalten können.
Ich habe nicht geschrieben, dass es so sein wird. Dennoch bevorzuge ich auch eine soziale und wohlwollende Gesellschaft indem es keine Armut gibt.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Aldus »

Ich denke, man sollte hier die unterschiedlichen Anfänge des Liberalismus in den verschiedenen Ländern berücksichtigen. Ansonsten redet man aneinander vorbei.

In Preußen gab es den Freiherrn vom Stein und andere Gesinnungsgenossen, die wohl wirklich sozial-liberale Reformen wollten. Auch eine Besserstellung der Arbeiter z.B. gegen die verknöcherten preußischen Junker, die von den Liberalen zunehmend als Problem für den Staat angesehen wurden.
In England gab es ebenfalls die Liberalen - die aber eher für Freihandel standen und meines Wissens tatsächlich gegen jede staatliche Einmischung und erst recht gegen soziale Sicherungssystem waren, die ja letztlich ihr Geld kosten würden.

Es gibt historisch also nicht "den Liberalismus". Verschiedene Länder -> verschiedene Ausprägungsformen.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Aldus hat geschrieben:(08 Apr 2021, 20:33)

Ich denke, man sollte hier die unterschiedlichen Anfänge des Liberalismus in den verschiedenen Ländern berücksichtigen. Ansonsten redet man aneinander vorbei.

In Preußen gab es den Freiherrn vom Stein und andere Gesinnungsgenossen, die wohl wirklich sozial-liberale Reformen wollten. Auch eine Besserstellung der Arbeiter z.B. gegen die verknöcherten preußischen Junker, die von den Liberalen zunehmend als Problem für den Staat angesehen wurden.
In England gab es ebenfalls die Liberalen - die aber eher für Freihandel standen und meines Wissens tatsächlich gegen jede staatliche Einmischung und erst recht gegen soziale Sicherungssystem waren, die ja letztlich ihr Geld kosten würden.

Es gibt historisch also nicht "den Liberalismus". Verschiedene Länder -> verschiedene Ausprägungsformen.
Das ist richtig. Ich meinte nur, dass ich den sozialen Liberalismus rausgenommen habe. Nur der Sozialliberalismus ist bzw. war sozial, weil sie die positive, sowie die negative Freiheit wollten.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Aldus »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 20:35)
Nur der Sozialliberalismus ist bzw. war sozial, weil sie die positive, sowie die negative Freiheit wollten.
Stimmt.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von SillyWalks »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 18:08)
Das schränkt die Freiheit ein.
Umstände können die Freiheit nicht einschränken, nur andere Menschen können das. Du bist nicht weniger frei, nur weil du wenig Geld hast oder in einer eingestürzten Hölle eingesperrt bist. Wer nach Geld verlangt, weil er sonst nicht frei sein könne, will in Wahrheit keine Freiheit, sondern Privilegien.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

SillyWalks hat geschrieben:(08 Apr 2021, 21:36)

Umstände können die Freiheit nicht einschränken, nur andere Menschen können das. Du bist nicht weniger frei, nur weil du wenig Geld hast oder in einer eingestürzten Hölle eingesperrt bist. Wer nach Geld verlangt, weil er sonst nicht frei sein könne, will in Wahrheit keine Freiheit, sondern Privilegien.
Wenn du für das Überleben kämpfst, dann sind es für mich keine Privilegien. Im Libertarismus kriegst du noch nicht mal eine Grundversorgung.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Tom Bombadil »

ich nehme jetzt einfach der Sozialdemokratie die soziale Komponente weg und kritisiere die ganz dolle, weil die so unsozial sind :D
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von SillyWalks »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 21:37)
Im Libertarismus kriegst du noch nicht mal eine Grundversorgung.
Keine, die garantiert ist, das stimmt. Das wäre auch unsozial.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

SillyWalks hat geschrieben:(08 Apr 2021, 22:12)

Keine, die garantiert ist, das stimmt. Das wäre auch unsozial.
Jemanden verhungern lassen ist sozial?

Für mich ist das am Ende: Recht des Stärkeren

Ich möchte es nicht haben.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von SillyWalks »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 22:31)
Jemanden verhungern lassen ist sozial?
Jemanden zu zwingen, für jemand anderen zu arbeiten, ist asozial. Sozial ist, wenn die Menschen freiwillig etwas abgeben, um Menschen zu helfen, die in Not geraten sind.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Kohlhaas »

SillyWalks hat geschrieben:(08 Apr 2021, 23:49)

Jemanden zu zwingen, für jemand anderen zu arbeiten, ist asozial. Sozial ist, wenn die Menschen freiwillig etwas abgeben, um Menschen zu helfen, die in Not geraten sind.
Wieso? Jeder von uns arbeitet doch jederzeit auch zum Nutzen anderer Menschen, sei es in der Familie, in sozialen Berufen, streng genommen sogar in allen Berufen. Nahezu alles, was Menschen tun, nutzt mittel- oder unmittelbar auch anderen Menschen. Das passiert nicht immer aus Altruismus, sondern zumeist aus reiner Notwendigkeit. Für ihren "Einsatz" bekommen die Menschen aber halt auch etwas zurück. Menschen sind nunmal soziale Wesen. Die menschliche Gesellschaft ist grundsätzlich geprägt von sozialem Handeln. Der Liberalismus wollte daran auch nichts ändern. Ursprüngliches Ziel war es nur, allen Menschen gewisse unveräußerliche Rechte zu geben und sie vor der Willkür mächtigerer Menschen zu schützen. Ich rede jetzt auch nicht von späteren Ausprägungen des Liberalismus, die sich z.B. durch die Veränderungen der Wirtschaftsverfassung ergeben haben.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von SillyWalks »

Kohlhaas hat geschrieben:(09 Apr 2021, 13:25)
Wieso?
Das entscheidende Wort aus meinem Beitrag heißt zwingen. Solange niemand von jemand anderem zu etwas gezwungen wird, ist alles okay.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von BlueMonday »

lili hat geschrieben:(08 Apr 2021, 22:31)

Jemanden verhungern lassen ist sozial?

Ich möchte es nicht haben.
Wenn du es nicht haben möchtest, dann musst du dem Hungernden Nahrung geben oder zeigen, wie er für sich selbst sorgen kann.
Was hast du bisher getan? Dich wird es kaum kümmern, weil sich ja "der Staat" darum kümmert.
Der Libertäre will dir erst das "Sozialsein" überhaupt ermöglichen, indem er dich selbst entscheiden lässt, was du tust.

Vielleicht sagen dann die meisten: Ich habe ja selber kaum etwas, kann mir selbst kaum helfen, brauche selber staatliche Hilfe. Oder der Staat hat ja schon meine Steuern und Abgaben, soll er sich gefälligst kümmern. Stell dir vor, alle wären irgendwann in diesem prekären hilflosen Zustand, weil alle auf den helfenden Staat setzen, glauben, mit ihm ein positives "Recht" auf das Produkt anderer zu haben. Spätestens an dem Tag wird wohl der Letzte bemerken, dass "der Staat" nur eine leere unproduktive Hülle ist, die dem Menschen Stück für Stück abgewöhnt hat, sozial und produktiv zu sein.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Alexyessin »

SillyWalks hat geschrieben:(08 Apr 2021, 23:49)

Jemanden zu zwingen, für jemand anderen zu arbeiten, ist asozial. Sozial ist, wenn die Menschen freiwillig etwas abgeben, um Menschen zu helfen, die in Not geraten sind.
Und wo genau funktioniert das wirklich? Hast du da mal ein paar konkrete Beispiele?
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Europa2050 »

Alexyessin hat geschrieben:(09 Apr 2021, 16:04)

Und wo genau funktioniert das wirklich? Hast du da mal ein paar konkrete Beispiele?
Grundsätzlich fragen liberale Denkmodelle eben nicht danach, wie jemanden in der Not zu helfen ist, sondern warum der Mensch in Not ist, was ihm fehlt, sich heraus zu wursteln.

Ist es ein Recht, ist es Bildung, ist es bewusstes „Kleinhalten“ durch die „natürlichen“ Hierarchien, ist es fehlender Schutz seiner Persönlichkeit durch die Gesellschaft?

Ist dies alles gegeben, sehen liberale Denkmodelle in ihrer Reinform keinen Grund (körperliche Behinderung etc. ausgenommen), einem Menschen zusätzliche, sie den anderen bevorzugende Rechtspositionen - Sozialleistungen, aber auch Wirtschaftssubventionen einzuräumen.

Da wir aber vom Liberalismus ebensowenig eine Reinform haben, wie von den anderen -ismen

- was auch eine Katastrophe wäre, wie bei allen anderen -Ismen -

sieht man daran, dass es eben auf der einen Seite die soziale Marktwirtschaft mit hohem Sozialbudget gibt, wie auch Wirtschafts- und Klientelförderung für alle möglichen Gruppen.

Aber „hilf dir selbst dann hilft dir Gott“ könnte ein liberaler Leitsatz sein - halt mit „die staatliche Ordnung“ statt „Gott“.

Und im Libertarismus halt in (fast) ideologisch radikalster Form (der Nachtwächterstaat). Danach kommt wirklich nur noch der Anarchismus..,
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von SillyWalks »

Alexyessin hat geschrieben:(09 Apr 2021, 16:04)
Und wo genau funktioniert das wirklich? Hast du da mal ein paar konkrete Beispiele?
Ärzte ohne Grenzen, Welthungerhilfe, Misereor, Deutsche Krebshilfe, DKMS, Manager ohne Grenzen und Tafel fallen mir spontan ein. Im Übrigen muss es gar nicht "funktionieren", das ist kein gültiger Maßstab für eine Moraldiskussion über das siebte Gebot. Wen es hart erwischt, den erwischt es hart. Daraus entstehen keinerlei Ansprüche gegen Mitmenschen.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Alexyessin »

SillyWalks hat geschrieben:(09 Apr 2021, 17:08)

Ärzte ohne Grenzen, Welthungerhilfe, Misereor, Deutsche Krebshilfe, DKMS, Manager ohne Grenzen und Tafel fallen mir spontan ein. Im Übrigen muss es gar nicht "funktionieren", das ist kein gültiger Maßstab für eine Moraldiskussion über das siebte Gebot. Wen es hart erwischt, den erwischt es hart. Daraus entstehen keinerlei Ansprüche gegen Mitmenschen.
Also doch asozial. Danke.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

BlueMonday hat geschrieben:(09 Apr 2021, 15:39)

Wenn du es nicht haben möchtest, dann musst du dem Hungernden Nahrung geben oder zeigen, wie er für sich selbst sorgen kann.
Was hast du bisher getan? Dich wird es kaum kümmern, weil sich ja "der Staat" darum kümmert.
Der Libertäre will dir erst das "Sozialsein" überhaupt ermöglichen, indem er dich selbst entscheiden lässt, was du tust.

Vielleicht sagen dann die meisten: Ich habe ja selber kaum etwas, kann mir selbst kaum helfen, brauche selber staatliche Hilfe. Oder der Staat hat ja schon meine Steuern und Abgaben, soll er sich gefälligst kümmern. Stell dir vor, alle wären irgendwann in diesem prekären hilflosen Zustand, weil alle auf den helfenden Staat setzen, glauben, mit ihm ein positives "Recht" auf das Produkt anderer zu haben. Spätestens an dem Tag wird wohl der Letzte bemerken, dass "der Staat" nur eine leere unproduktive Hülle ist, die dem Menschen Stück für Stück abgewöhnt hat, sozial und produktiv zu sein.
Ich habe schon eigenständig Bedürftige Geld gegeben und auch eine ärmeren Mutter geholfen. Ich habe nichts gegen Staatskritik. Mir geht es nur darum, dass ich eine gesellschaftliche Verwahrlosung befürchte.

Gerade beim Anarchokapitalismus kriege ich Angst.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von SillyWalks »

Alexyessin hat geschrieben:(09 Apr 2021, 19:04)
Also doch asozial.
Was ist denn an Ärzte ohne Grenzen asozial? Ich glaube, bei dir ist etwas falsch gepolt.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Alexyessin »

SillyWalks hat geschrieben:(09 Apr 2021, 21:40)

Was ist denn an Ärzte ohne Grenzen asozial? Ich glaube, bei dir ist etwas falsch gepolt.
Psst.
Wen es hart erwischt, den erwischt es hart. Daraus entstehen keinerlei Ansprüche gegen Mitmenschen.
Der Satz war von dir, nicht? Also, asozial.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von SillyWalks »

Alexyessin hat geschrieben:(09 Apr 2021, 22:07)
Also, asozial.
Das genaue Gegenteil ist richtig: mir geht es schlecht, du schuldest mir Geld - das ist asozial.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Agesilaos Megas »

lili hat geschrieben:(15 Sep 2019, 09:55)

Hallo,

ich habe mal eine Frage an euch: Ich habe gelesen, dass der Libertarismus die Lösung wäre und es keine Armut und Arbeitslosigkeit dadurch geben würde. Da bin ich skeptisch, weil es in diesem System keine soziale Sicherung geben würde und wie will man vermeiden, dass keine Monopole entstehen? Kommt da nicht so ein Survival Of The Fittest raus?
Hier muss man differenzieren. Die Libertären sind schon ein wilder und bunter Haufen. Einige wollen einen kleinen Staat, die anderen sind noch verrückter, und wollen ihn gar beseitigen. Es wäre daher möglich, dass gewisse (vor allem linke) Libertäre durchaus den Staat brauchen, um Monopole zu verhindern. Selbstverständlich bietet das wieder unzählige Fragen. Daneben gibt es aber den rechten Flügel, den man halt vom tea party movement kennt, das sich ja bis in die etablierten Republikaner erstreckt. Alle wissen ja, wie unglücklich das ausgegangen ist. Anstatt den Libertarismus als geschlossene Ideologie wahrzunehmen, kann man ja auch mal eine andere Perspektive gebrauchen: Der Neoliberalismus ist halt überaltert und trifft nun auf ähnliche Probleme wie der Sozialismus: Die Welt hat sich geändert und die Menschen suchen nach neuen Antworten. Die letzten 30 Jahre waren halt Turbojahre des Neoliberalismus, und dennoch sind die Probleme der Welt nicht gelöst worden. Der Kapitalismus hat sich durch Globalisierung selbst zersplittert und ist im eigenen Stolz korrumpiert. Der einst gierig-dominierende Neoliberalismus der westlichen "freien Welt" wird jetzt kräftig vom chinesischen Staatskapitalismus (schau mal nach Xinjiang) in Bedrängnis gebracht. Plötzlich sieht man, dass Kapitalismus nicht nur demokratisch sein kann, sondern auch autoritär (damit werden natürlich auch einige Kalte-Krieg-Kinder mit kaltem Realitätswasser übergossen). Wir haben jetzt schon survival of the fittest. Das enttäuscht viele Menschen, selbst realitätsresistente Neoliberale, die neue Wege gehen. Da der Mensch nun fehlbar ist, sehen einige nicht ihre Fehler ein, sondern wollen noch einen Schritt weiter gehen - "Je purer, desto besser!" Und schon haben wir libertäre Alternativen. Den Krisen unserer Tage werden sie nicht gewachsen sein. Man schaue sich allein die staatlichen Maßnahmen in den USA und GB an, um das Impfproblem zu lösen - der Staat wird so schnell nicht verschwinden. Seht endlich den Irrtum ein.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Alexyessin »

SillyWalks hat geschrieben:(09 Apr 2021, 22:29)

Das genaue Gegenteil ist richtig: mir geht es schlecht, du schuldest mir Geld - das ist asozial.
Warum sollte ich dir Geld schulden?
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Praia61 »

Weniger sozial ist nicht gleich asozial.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Alexyessin »

Praia61 hat geschrieben:(10 Apr 2021, 13:54)

Weniger sozial ist nicht gleich asozial.
Definiere Weniger in eigenen Worten. :thumbup:
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(10 Apr 2021, 06:10)

Hier muss man differenzieren. Die Libertären sind schon ein wilder und bunter Haufen. Einige wollen einen kleinen Staat, die anderen sind noch verrückter, und wollen ihn gar beseitigen. Es wäre daher möglich, dass gewisse (vor allem linke) Libertäre durchaus den Staat brauchen, um Monopole zu verhindern. Selbstverständlich bietet das wieder unzählige Fragen. Daneben gibt es aber den rechten Flügel, den man halt vom tea party movement kennt, das sich ja bis in die etablierten Republikaner erstreckt. Alle wissen ja, wie unglücklich das ausgegangen ist. Anstatt den Libertarismus als geschlossene Ideologie wahrzunehmen, kann man ja auch mal eine andere Perspektive gebrauchen: Der Neoliberalismus ist halt überaltert und trifft nun auf ähnliche Probleme wie der Sozialismus: Die Welt hat sich geändert und die Menschen suchen nach neuen Antworten. Die letzten 30 Jahre waren halt Turbojahre des Neoliberalismus, und dennoch sind die Probleme der Welt nicht gelöst worden. Der Kapitalismus hat sich durch Globalisierung selbst zersplittert und ist im eigenen Stolz korrumpiert. Der einst gierig-dominierende Neoliberalismus der westlichen "freien Welt" wird jetzt kräftig vom chinesischen Staatskapitalismus (schau mal nach Xinjiang) in Bedrängnis gebracht. Plötzlich sieht man, dass Kapitalismus nicht nur demokratisch sein kann, sondern auch autoritär (damit werden natürlich auch einige Kalte-Krieg-Kinder mit kaltem Realitätswasser übergossen). Wir haben jetzt schon survival of the fittest. Das enttäuscht viele Menschen, selbst realitätsresistente Neoliberale, die neue Wege gehen. Da der Mensch nun fehlbar ist, sehen einige nicht ihre Fehler ein, sondern wollen noch einen Schritt weiter gehen - "Je purer, desto besser!" Und schon haben wir libertäre Alternativen. Den Krisen unserer Tage werden sie nicht gewachsen sein. Man schaue sich allein die staatlichen Maßnahmen in den USA und GB an, um das Impfproblem zu lösen - der Staat wird so schnell nicht verschwinden. Seht endlich den Irrtum ein.

Volle Zustimmung!!!
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von SillyWalks »

Alexyessin hat geschrieben:(10 Apr 2021, 13:28)
Warum sollte ich dir Geld schulden?
Eben.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von BlueMonday »

lili hat geschrieben:(09 Apr 2021, 19:52)
Mir geht es nur darum, dass ich eine gesellschaftliche Verwahrlosung befürchte.

Gerade beim Anarchokapitalismus kriege ich Angst.
Die soziale Verwahrlosung besteht ja gerade im Abschieben jeglicher sozialen Verantwortung auf "den Staat". Und die Angst vor einem verantwortungsbewussten Leben ist gerade der Hebel des Etatismus: "Ihr müsst dann alle verhungern, ihr werdet alle verelenden, ihr werdet nur Krieg gegeneinander führen, niemand wird euch helfen, ohne mich, dem Staat, dem Großen Bruder." Das ist weitaus mehr religiöse Ehrfurcht als es das Christentum bspw. je erzeugen konnte. Die Hölle fürchten sie nicht so sehr.

Das Missverständnis geht ja schon damit los, dass der völlig verängstigte, getriebene Mensch glaubt, dass es irgendwie um einen schockartigen Systemwechsel ginge. Dass jemand "Anarchokapitalimus" nächsten Montag einführen könnte.
Nimm ein kleines Beispiel. Die GEZ. Da geht nun die Welt unter, wenn man die Menschen von der "Pflicht" entlässt, diese Gebühr zwangsweise zu bezahlen? Angeblich ist der sog. "öffentliche Rundfunk" von der überwältigenden Mehrheit gewollt und man zahlt gern und nimmt das ganze Angebot gern in Anspruch. Ja prima. In dem Moment, in dem man den Zwangscharakter dieser Veranstaltung beendet wird, wäre diese ganze Institution ja nicht verschwunden, sondern sie würde sich nur von einer Räuberbande zu einem zivilisierten Unternehmen geändert haben, mit Millionen zufriedenen Kunden. Wie war denn der Zustand 2013 der GEZ? Auch nicht nett mit diesen ganzen GEZ-Schnüfflern, aber wer partout nicht zahlen wollte, zahlte nicht - ohne nennenswerte Konsequenzen. Es war ein Angebot, das man über Umwege noch ablehnen konnte. Aber nun zieht man peu à peu die Daumenschrauben an. Verabschiedet sich immer mehr vom zivilisierten Benehmen. Über solche Entwicklungen sollte der Bürger besser mal nachdenken. Aber Angst fressen offenbar Seele auf. Und für den "normalen" Bürger ist es wohl undenkbar geworden, dass man den ÖR auf normale Weise finanziert. Der sieht es sofort zusammenbrechen. Sieht das Schreckgespenst des "Privatfernsehen", dass nur noch Glücksrad im TV läuft. Oh Gott, oh Gott, wollt ihr das? Niemals! Und alles hängt daran, dass wir ein paar Widerspenstige zwingen ins Töpfchen zu zahlen. Sonst droht Dauerglücksrad und Schlimmeres.

Die Gefahr besteht freilich, dass ein Staatswesen einestages an seiner eigenen Masse und dieser Selbstgerechtigkeit kollabiert, dass die Antriebe immer weiter erlahmen und die Bedürftigkeiten stattdessen anwachsen. Aber daran ist ja nun nicht der "Libertarismus" schuld. Im Gegenteil, man sollte ihn als hilfreiche Attitüde begreifen vor diesem Zusammenbruch in ein selbstständiges selbstbewusstes Leben zurückzufinden, eine tragfähige Zivilsphäre zu schaffen. Da verliert man schnell die Lebensangst, weil man sieht, dass es immer weitergeht und wie man selbst und mit anderen zusammen vieles schaffen kann - ohne zu zwingen.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von lili »

BlueMonday hat geschrieben:(10 Apr 2021, 15:30)

Die soziale Verwahrlosung besteht ja gerade im Abschieben jeglicher sozialen Verantwortung auf "den Staat". Und die Angst vor einem verantwortungsbewussten Leben ist gerade der Hebel des Etatismus: "Ihr müsst dann alle verhungern, ihr werdet alle verelenden, ihr werdet nur Krieg gegeneinander führen, niemand wird euch helfen, ohne mich, dem Staat, dem Großen Bruder." Das ist weitaus mehr religiöse Ehrfurcht als es das Christentum bspw. je erzeugen konnte. Die Hölle fürchten sie nicht so sehr.

Das Missverständnis geht ja schon damit los, dass der völlig verängstigte, getriebene Mensch glaubt, dass es irgendwie um einen schockartigen Systemwechsel ginge. Dass jemand "Anarchokapitalimus" nächsten Montag einführen könnte.
Nimm ein kleines Beispiel. Die GEZ. Da geht nun die Welt unter, wenn man die Menschen von der "Pflicht" entlässt, diese Gebühr zwangsweise zu bezahlen? Angeblich ist der sog. "öffentliche Rundfunk" von der überwältigenden Mehrheit gewollt und man zahlt gern und nimmt das ganze Angebot gern in Anspruch. Ja prima. In dem Moment, in dem man den Zwangscharakter dieser Veranstaltung beendet wird, wäre diese ganze Institution ja nicht verschwunden, sondern sie würde sich nur von einer Räuberbande zu einem zivilisierten Unternehmen geändert haben, mit Millionen zufriedenen Kunden. Wie war denn der Zustand 2013 der GEZ? Auch nicht nett mit diesen ganzen GEZ-Schnüfflern, aber wer partout nicht zahlen wollte, zahlte nicht - ohne nennenswerte Konsequenzen. Es war ein Angebot, das man über Umwege noch ablehnen konnte. Aber nun zieht man peu à peu die Daumenschrauben an. Verabschiedet sich immer mehr vom zivilisierten Benehmen. Über solche Entwicklungen sollte der Bürger besser mal nachdenken. Aber Angst fressen offenbar Seele auf. Und für den "normalen" Bürger ist es wohl undenkbar geworden, dass man den ÖR auf normale Weise finanziert. Der sieht es sofort zusammenbrechen. Sieht das Schreckgespenst des "Privatfernsehen", dass nur noch Glücksrad im TV läuft. Oh Gott, oh Gott, wollt ihr das? Niemals! Und alles hängt daran, dass wir ein paar Widerspenstige zwingen ins Töpfchen zu zahlen. Sonst droht Dauerglücksrad und Schlimmeres.

Die Gefahr besteht freilich, dass ein Staatswesen einestages an seiner eigenen Masse und dieser Selbstgerechtigkeit kollabiert, dass die Antriebe immer weiter erlahmen und die Bedürftigkeiten stattdessen anwachsen. Aber daran ist ja nun nicht der "Libertarismus" schuld. Im Gegenteil, man sollte ihn als hilfreiche Attitüde begreifen vor diesem Zusammenbruch in ein selbstständiges selbstbewusstes Leben zurückzufinden, eine tragfähige Zivilsphäre zu schaffen. Da verliert man schnell die Lebensangst, weil man sieht, dass es immer weitergeht und wie man selbst und mit anderen zusammen vieles schaffen kann - ohne zu zwingen.

Ich habe kein Problem mit einer Staatskritik. Mir geht es eher um den Kapitalismus. Ein reiner Kapitalismus macht mir Angst. Die Anarchokapitalisten werden die Bedürftigen mehr unter Druck setzen und haben meiner Meinung nach ein Leistungsfetisch. Es würde erst klappen, wenn die Roboter menschliche Arbeit hauptsächlich übernehmen. Dann wäre es aber kein Kapitalismus mehr.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Alexyessin »

SillyWalks hat geschrieben:(10 Apr 2021, 14:55)

Eben.
Erklär doch mal. Was soll der Einwurf denn aussagen?
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Praia61 »

Alexyessin hat geschrieben:(10 Apr 2021, 14:10)

Definiere Weniger in eigenen Worten. :thumbup:
Weniger als das Bestehende.

Sozialleistungen stellenweise einschränken , stagnieren , kürzen.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von SillyWalks »

Alexyessin hat geschrieben:(10 Apr 2021, 15:59)
Erklär doch mal. Was soll der Einwurf denn aussagen?
Der Einwurf weist darauf hin, dass du dir gerade selbst erklärt hast, warum meine Aussage, Härten im Leben führten nicht zu Ansprüchen gegen andere Menschen, stimmt, und deine Entgegnung, das sei asozial, deshalb ins Leere zielt. Denn, wie du ja selbst fragst: warum solltest du mir - oder irgendwem - Geld schulden? Die Antwort: tust du nicht. Das wäre sonst tatsächlich asozial.
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Alexyessin »

SillyWalks hat geschrieben:(11 Apr 2021, 00:02)

Der Einwurf weist darauf hin, dass du dir gerade selbst erklärt hast, warum meine Aussage, Härten im Leben führten nicht zu Ansprüchen gegen andere Menschen, stimmt, und deine Entgegnung, das sei asozial, deshalb ins Leere zielt. Denn, wie du ja selbst fragst: warum solltest du mir - oder irgendwem - Geld schulden? Die Antwort: tust du nicht. Das wäre sonst tatsächlich asozial.
Sorry, dieses Gedankenkostrukt ergibt keinen Sinn.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
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Re: Ist der Libertarismus unsozial?

Beitrag von Alexyessin »

Praia61 hat geschrieben:(10 Apr 2021, 19:36)

Weniger als das Bestehende.

Sozialleistungen stellenweise einschränken , stagnieren , kürzen.
Und wo genau was willst du denn eingeschränkt wissen?
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
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