Tomaner hat geschrieben:(10 Sep 2018, 11:37)
Interessant ist doch wenn du Kommunen ansprichst. Dort werden Sachen entschieden die vor Ort jeden betreffen und man kennt normalerweise viele Politiker von Stadtrat oder Gemeinderat persönlich. Es gibt dort Ortsbegehungen in Stadteilen wo die einwohner eingeladen sind, um ihre Meinung nach Gestaltung einfließen zu lassen. Wieviele kommen da aus einen Stadteil mit 5000 Einwohner? Keine 10, wenn man glück hat mal 3 bis 5 Leute. Und bei den Kommunalwahlen gehen meist gerade mal 50 Prozent überhaupt zur Wahl.
Der Vorteil einer parlamentarischen Demokratie ist, es ist eine Macht auf Zeit und man kann von einer Mehrheit, zu einer Minderheit werden. Somit muß man auch die Interessen einer Minderheit im Auge behalten. Nehmen wir doch an, wir haben eine Stadt mit 50000 Einwohner, davon 40000 katholisch und 10000 evangelisch. Wollen die Evangelischen ein Gemeindezentrum bauen mit bezuschußten Jugendräumen, dürfen die es erst dann wenn die katohlische Mehrheit dafür stimmt? Oder der Ortsansässige Fußballverein steigt von Regionalliga in 3. Bundesliga auf und das Stadteigene Stadion braucht eine Flutlichtanlage! In der Stadt aber interessieren sich aber nur 15 000 für Fußball und in einer direkten Demokratie stimmt dann eine Mehrheit gegen diese Ausgaben. Was ist dann erst mit einen Kaninchenzuchtverein, der nur 300 Mitglieder hat und die Zustimmung für eine Gebäuteerweiterung will? Soll das dann erst gehen, wenn der Rest der Einwohner von 49700 dafür stimmt? Was ich meine ist, eine Partei die momentan eine Mehrheit besitzt, muß einen Ausgleich für die verschiedensten Interessensgruppen finden um wieder gewählt zu werden, also auch mal kleinere Interessensgruppen unterstützen, was eine direkte Demokratie nicht nötig hat.
Wenn aber durch eine direkte Demokratie, die Interessen von allen kleineren Gruppen blockiert sind, wirkt sich dies auch auf dem insgesammten Wohlfühlcharakter der Stadt aus, denn eigentlich jeder hat persönliche Interessen, die aber in der geammten Gesellschaft eine Minderheit darstellen. Und geht es nur um einen Spielplatz für Kinder, der direkten Anwohnern zu laut ist? Wenn aber niemand einen Kinderspielplatz vor seiner Türe haben will, schaffen wir sie dann alle ab?
Ein weiteres Problem ist auch, dass bestimmte Ausgaben, Beispiel oben Flutlicht, als Image der Stadt nicht direkt meßbar ist. Auswärtige Zuschauer reisen einen Tag vorher an, besuchen Museum, gehen Abends etwas trinken, oder ihnen gefällt die Stadt und machen dann da auch mal einen Urlaub, was dann wieder Gelder zurückfliessen läst.
Danke für deine Antwort
Was deine Bedenken der direkten Demokratie angeht, kann ich sie verstehen, jedoch glaube ich, dass man sie mit einem gewissen Zeitaufwand lösen kann.
1. Wahlbeteiligung, selbst in Bundestagswahlen liegt "nur" bei 75%, in den letzten Jahren eher niedriger. Das Problem liese sich aber lösen, indem man eine Mindestbeteiligung fest legt, z.B. 70%, solange die tatsächliche Wahlbeteiligung darunter liegt, ist die Wahl ungültig. Anfangs wird es nur zu einem "Stillstand" kommen, aber sobald Bürger von den Auswirkungen direkt betroffen sind, werden sie auch wählen. Parteien würde ich nicht komplett abschaffen, aber Bürger mehr in Entscheidungsprozesse einbezeiehen. In diesem Kontext würde ich eine Nein-Kästchen auf dem Wahlzettel hinzufügen, für alle, die keine Partei finden, aber denncoh helfen wollen die Wahlbeteiligung zu erreichen, also z.B wenn ihnen die Details einer Entscheidung egal sind, sie aber keinen Stillstand wollen.
Edit: Das Nein-Kästchen lässt politische Posten einfach unbesetzt, ist also nicht gegen alles, sondern einfach neutral.
2. Ich fasse Zuschüsse und co. mal unter Finanzpolitik zusammen, wenn eine Kommune einen Finanzplan für die kommenden Jahre aufsetzt, müssen sich eben Menschen zu Interessengruppen zusammenfinden, erst wenn ein Vorschlag von der Mehrheit bestätigt wurde, ist dieser gültig. Wenn die Mehrheit lieber in Infrastruktur und ein Museum investieren will, statt ein Fussballstadion zu finanzieren, dann ist das eben so. Natürlich sollte der Fussballverein auf privater Ebene, oder als Verein das Recht haben, das Stadion selbst zu bezahlen, aber wenn er keine Mehrheit überzeugen kann, indem sie z.B. Interessen von anderen Unterstützen, gibt es keine kommunalen Zuschüsse.
3. Parteien hätten somit die Aufgabe, Wähler über ihre Vorschläge präzise zu informieren, und auch ihr Vertrauen zu erwerben. Aber die Entscheidung wird immer von der Basis bestätigt, sodass ein plötzliche politische Richtungsänderung nur von der Mehrheit getragen werden kann.