Ich finds ja völlig o.k. und - mehr noch - unverzichtbar, solche empirischen Untersuchungen wirklich genau, differenziert und sozuagen zahlen- und nicht erwartungsbezogen zu studieren.jellobiafra hat geschrieben:(07 Sep 2017, 23:21)
Hier findet man die komplette Studie:
http://www.fes-gegen-rechtsextremismus. ... %A4nde.pdf
Wenn wir uns die Zustimmungsraten zu den 13 Elementen des GMF-Syndroms (GMF = Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit) ansehen, dann sind davon 11 zurückgegangen im Zeitraum von 2002 (oder dem Jahr der ersten Untersuchung, nicht alle Elemente wurden bereits 2002 untersucht) bis 2016. Eines blieb gleich (Abwertung langzeitarbeitsloser Menschen) und eines ist leicht gestiegen von 2014 bis 2016 (Abwertung von Asylsuchenden).
Und für die Frage eines "Rechtsrucks" in Deutschland (ja oder nein) wären tatsächlich auch die summarischen, kumulierten Ergebnisse entscheidend. Das was die Studie tatsächlich belegt und auch in ihrem Untertitel ("Gespaltene Mitte") tatsächlich ausdrückt, nämlich eine tendenzielle Polarisierung dieser Mitte, lässt sich dennoch als eine "Rechtsdrift" der Gesellschaft umschreiben. Denn auch eine Verwerfungs- und Polarsisierungs-Tendenz, die summarisch nicht auf eine eindeutige Rechtstendenz hinausläuft, ist im Wesentlichen eine strukturelle "Drift". Die Frage, warum nun bei einer solchen Polarisierung von einer Rechts- und nicht (gleichzeitig) von einer "Linksdrift" zu sprechen ist, würde ich von den Anlässen der Bekenntnisse und Gegenbekenntnisse abhängig machen. Es gibt in Deutschland (anders als vielleicht in Frankreich) zum Beispiel keine starke gewerkschaftliche Auflehnung gegen arbeitsrechtliche Tendenzen. Größere Streiks und dergleichen, die dann eine Reaktion der eher wirtschaftsliberalen Seite hervorrufen würde. Wäre dem so, würde ich schon eher von einer "Linksdrift", von einem Aufflammen von Arbeitskämpfen (und deren Diffamierung) sprechen. AUslöser dieser in der Studie konstatierten "SPaltung der Mitte" war aus meiner Sicht eindeutig all das, was exemplarisch den Dammbruch der Sarrazinschen Publikationen und des entsprechenden öffentlich-medialen Aufruhrs darstellte.
Was in diesem als "Diskurs-Hypothese" zusammengefassten Tendenz zu einer als "politische Korrektheit" umschriebenen Tendenz zählt, würde ich keineswegs als ausgemacht "links" beschreiben. Was alle noch so unterschiedlichen linken Strömungen letztendlich vereint, ist das Ziel eines Egalitarismus vor allem in sozialer Hinsicht. Libertarismus und radikaler Individualismus stehen dem letztendlich zumindest widersprüchlich gegenüber. In meinen Augen gilt noch immer und in vollem Umfang das, was Heinrich Heine - schwankend zwischen Sympathie und Ablehnung - über die Kommunisten als Hauptvertreter damals neu aufkommender linker Bewegungen sagte: Dass sie aus seinem "Buch der Lieder" "Tüten drehen werden", um darin Kaffee und Tabak an die alten Frauen zu verteilen.