Intrigen, Lügen, Rechtsbeugung: Bauskandal um Flüchtlingsheime wird immer wilder
Ein Berliner Bauprogramm für Flüchtlingsunterkünfte strotzt vor Unregelmäßigkeiten. Vor allem ein Bau versammelt erstaunlich viele Intrigen, Falschaussagen und Rechtsbeugungen auf sich. Der Einzelfall ist reif für eine TV-Krimiserie und rückt das ganze Programm in ein zweifelhaftes Licht – und damit auch den Berliner Senat.
Die Liste an Vorwürfen an den Berliner Senat ist lang in diesem Teil der Hauptstadt. Sie haben sich über drei Jahre rund um eine Flüchtlingsunterkunft gesammelt und verwandeln die beschauliche Gegend im Süden der Stadt – mit Einfamilienhäusern, Kleingärten und Kirche – in die Kulisse eines Verwaltungsthrillers. In Steglitz-Zehlendorf, genauer am Osteweg 63, baute die Stadt im Jahr 2020 eine von rund 50 „Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge“ auf einem denkmalgeschützten Gelände. Was Bewohner und der zuständige Bezirk Steglitz-Zehlendorf ankreiden: Der Senat umging den Denkmalschutz mit krummen Listen, machte langjährige Planungen für eine Schule zu Nichte, ignorierte konsequent den Protest der Bewohner und des Bezirks, nutzte ein Sonderbaurecht auf unzulässige Weise und hat bis heute keine genauen Baukosten genannt.
Als ob das nicht reichen würde, steht auch noch der Vorwurf der Rechtsbeugung im Raum. Der MUF-Bau wurde in einem dermaßen hohen Tempo durchgeführt, dass Schäden an Gebäuden in 70 Meter Entfernung entstanden. Daraufhin stellten die Eigentümer eine Strafanzeige gegen die Baufirma und den im Senat verantwortlichen Mitarbeiter. Die Behörde entfernte eigenmächtig die Namen aus der Anzeige und verwandelte sie in „gegen Unbekannt“, was möglicherweise eine Rechtsbeugung darstellt. In Summe entsteht der unschöne Eindruck, die Stadtregierung Berlins nutze ihren langen Arm zur Durchsetzung ihrer Zwecke – mit wenig Rücksicht auf Bürger und Kollateralschäden. FOCUS Online prüft diese schweren Vorwürfe im Detail.
Ende 2018 fragte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die das MUF-Programm umsetzt, die Berliner Denkmalbehörde, ob am Osteweg 63 eine Modulare Unterkunft für Flüchtlinge möglich sei. Die Adresse ist Teil eines 60.000 Quadratmeter großen Areals und das zweitgrößte Denkmal der Hauptstadt, gleich nach dem Flughafen Tempelhof. Die Antwort der Behörde war eindeutig: Nein. Sowohl der Denkmalschutz vom Bezirk, wie der des Landes, die „unteren“ und „oberen“ Denkmalbehörden, waren sich einig: Der „eintönige“ Plattenbau füge sich nicht in die Umgebung, passe nicht neben die kleine Kirche von 1947, verbaue die Sicht auf das Telefunken-Werk aus den dreißiger Jahren, die lange eine Kaserne der US-Armee war. Eigentlich wären damit die MUF-Pläne hinfällig gewesen.
Doch die Stadt gab sich nicht geschlagen. Der für das MUF-Programm verantwortliche Mitarbeiter beim Senat für Stadtentwicklung, der Baudirigent Herrmann-Joseph Pohlmann, schrieb in einer Mail vom Juli 2019: Er werde einen „Dissens“ zwischen der unteren und oberen Denkmalbehörde „erzeugen“. Im Klartext, künstlich konstruieren.
Denn im Fall eines Dissens, oder Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Ebenen, entscheidet die oberste Denkmalschutzbehörde des Landes. Diese dritte Ebene ist direkt der Senatsverwaltung für Kultur unterstellt, die sich in diesem Fall für das MUF und gegen den Denkmalschutz entschied.
Parallel dazu wurde auf die untere Denkmalbehörde von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Druck ausgeübt, wie der „Tagesspiegel“ berichtete. Sollte sie bei einer Ablehnung bleiben wurden Regressforderungen in Aussicht gestellt. Der Denkmalschutz gab nach.
Die örtliche Bürgerinitiative „Schul- und Sportstandort Osteweg“ verlautbarte in einer Presseerklärung vom Oktober 2019 eine harte Kritik: „So biegen zwei linksgeführte Senatsverwaltungen gemeinsam Denkmalschutz in Berlin.“ Die Senatsverwaltung für Kultur wies die Vorwürfe zurück, der Senator Klaus Lederer antwortete der Bürgerinitiative in einem Brief, „dass zwischen der Denkschutzbehörde beim Bezirksamt und der Denkmalfachbehörde kein Einvernehmen zur Genehmigung des beantragten Vorhabens hergestellt werden konnte“. Allen Anschein nach wurde nicht versucht ein Einvernehmen zu finden, sondern einen Dissens zu erzeugen.
Das Viertel wuchs in den letzten zwölf Jahren um 10.000 Einwohner, eine Schule war dringend nötig. Anfang 2019 einigten sich alle Parteien im Bezirksparlament: Am Standort Osteweg 63 und 53 sollten Schule und Sporthalle entstehen, keine Unterkunft für Geflüchtete. Ein Lokalblatt berichtete über den seltenen Konsens aller sechs Parteien im Bezirksparlament, die der Bezirk in einer Drucksache festhielt. Der Bezirk bot einen brauchbaren Alternativstandort an, doch auch hier wurden Strippen gezogen, damit das Landesamt für Flüchtlingsfragen die Alternative ablehnt. Die Unterlagen liegen der Redaktion vor. Die Kommunikation verlief ebenfalls unglücklich, denn das Auftreten des Senats war „nach Gutsherrenart“ laut René Rögner-Franke, Mitglied der bezirklichen CDU-Fraktion. Zusätzlich fiel der Vertreter des Senats Pohlmann durch eine Bemerkung auf, die Teilnehmer als an der Grenze zu antisemitisch werteten. Er erwähnte als Beispiel für die Hindernisse, die ihm begegneten, Bäume die nicht gefällt werden dürften, weil sie von „Juden gepflanzt“ worden seien.
„Eine äußerst missglückte und missverständliche Äußerung“ meint Rögner-Franke. Die Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski wies Pohlmann sofort zurecht, wie das Protokoll der Sitzung des runden Tisches belegt.
Die Kosten des MUF am Osteweg gleichen Aktienkursen: Im März 2018 meinte der Finanzsenator Berlins Matthias Kollatz, ein MUF koste 16 Millionen Euro. Im Mai 2019 teilte die Senatsverwaltung für Integration mit, das MUF am Osteweg koste 14,2 Millionen Euro. Im Februar 2021 teilte die selbe Behörde mit, die Kosten beliefen sich auf rund 11 Millionen Euro. Und im Bauantrag von 2018 werden die reinen Baukosten mit 7,4 Millionen Euro ausgewiesen. Die Baukosten pro Quadratmeter schwanken also zwischen 1360 und 2610 Euro, je nach dem, wann man fragt. Diese Volatilität ist eher an Börsen üblich, nicht bei Vorhaben mit öffentlichen Geldern.
Die vorbereitenden Arbeiten im Frühjahr 2020 erzeugten starke Vibrationen. Sogar 70 Meter entfernte Gebäude zitterten wochenlang, da 18 Tonnen schwere Walzen zur Verdichtung des Baugrunds zum Einsatz kamen. Die Eigentümer des Gebäudes erstatteten eine Strafanzeige, weil im Haus Risse entstanden, von der Tiefgarage bis in die oberen Etagen. Die Gespräche mit der Baufirma und dem Vertreter des Senats blieben wirkungslos. Zwar sicherte man den Eigentümern zu, sanftere Methoden zur Verdichtung zu nutzen. Doch es blieb bei einem Versprechen, die Verdichtung wurde mit dem schweren Gerät einfach weitergeführt, ganze drei Wochen lang.
Namen aus der Strafanzeige gestrichen: Rechtsbeugung?
Die Strafanzeige wegen Sachbeschädigung wurde Ende Juni 2020 gestellt und richtete sich namentlich an die Baufirma Klebl GmbH und den Verantwortlichen des Senats.
In der Eingangsbestätigung der entsprechenden Behörde von Mitte Juli 2020 wurde die Anzeige in gegen Unbekannt umgewandelt.
Ich hatte das 2015 schon hier geschrieben, das mit dem Eindringen der Illegalen die Lüge als Normalzustand kommen wird. Nun sind genau die Auswirkungen festzustellen ...