Ist der Neoliberalismus unsozial

In diesem Forum werden Themen rund um die sozialen Sicherungsysteme diskutiert.
Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Arbeitslosengeld 2 (HartzIV), Rentenversicherung, Sozialgesetzbuch.

Moderator: Moderatoren Forum 1

VaterMutterKind

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:45)

Ich sehe solche Fragen immer aus der Sicht der Betroffenen. Wer einmal unten angekommen ist, wer aus der Armuts- und Niedriglohn-Falle nicht mehr rauskommt, weil es in seiner Region einfach nur Billigarbeitsplätze gibt und er trotzdem sein Zuhause nicht aufgeben will und kann, der weiß genau, warum das so ist. Für den ist es egal, ob man die Verantwortlichen nun konservativ oder neoliberal nennt. Diese Leute haben die Erfahrung gemacht, dass die deutsche Einheit neben bürgerlichen Freiheiten (positiv) eben auch eine immense soziale Unsicherheit (negativ) gebracht hat. So ist er halt, der Kapitalismus.
Wer nicht flexibel auf den Arbeitsmarkt reagieren will, der muss mit Hartz 4 oder Niedriglohn leben. Selber schuld. Dann hat man sich selbst eine Fall gestellt. Dafür kann niemand etwas ausser die betroffene Person allein.
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

VaterMutterKind hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:51)

Wer nicht flexibel auf den Arbeitsmarkt reagieren will, der muss mit Hartz 4 oder Niedriglohn leben. Selber schuld. Dann hat man sich selbst eine Fall gestellt. Dafür kann niemand etwas ausser die betroffene Person allein.
Nein. Dafür sind selbstverständlich politische Weichen gestellt worden. Das ist aber das kleine Einmaleins in der Politik. Da kommste mit Individualisierung nicht weiter.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
VaterMutterKind

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:56)

Nein. Dafür sind selbstverständlich politische Weichen gestellt worden. Das ist aber das kleine Einmaleins in der Politik. Da kommste mit Individualisierung nicht weiter.
Genau. Alle anderen sind schuld, nur man selbst nicht.
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:45)

Ich sehe solche Fragen immer aus der Sicht der Betroffenen. Wer einmal unten angekommen ist, wer aus der Armuts- und Niedriglohn-Falle nicht mehr rauskommt, weil es in seiner Region einfach nur Billigarbeitsplätze gibt und er trotzdem sein Zuhause nicht aufgeben will und kann, der weiß genau, warum das so ist. Für den ist es egal, ob man die Verantwortlichen nun konservativ oder neoliberal nennt. Diese Leute haben die Erfahrung gemacht, dass die deutsche Einheit neben bürgerlichen Freiheiten (positiv) eben auch eine immense soziale Unsicherheit (negativ) gebracht hat. So ist er halt, der Kapitalismus.
Das ist sicherlich richtig. Nur wenn man nicht klar bennen kann welches System wir aktuell haben bzw. haben möchten. Wird es schwierig mit der praktischen Umsetzung.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

VaterMutterKind hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:57)

Genau. Alle anderen sind schuld, nur man selbst nicht.
Nein. Das ist meistens eine Mischung aus gesellschaftlich-politischen und individuellen Gründen. Beide Seiten spielen immer eine Rolle. Daher gibt es auch Regionen, da ist die Langzeitarbeitslosigkeit höher als anderswo und umgekehrt. Mir hat mal eine regionale Jobcenter-Mitarbeiterin aus der Leitungsebene gesagt, diejenigen, die einfach nur faul seien und das Hartz-vier-System nur ausnutzten würden, könne sie an zwei Händen abzählen. Sie seien der Behörde bestens bekannt. Das sei aber - wie gesagt - eine sehr kleine Minderheit. Die anderen - die Mehrheit also - seien auf Grund vieler verschiedener Umstände auf Hartz vier angewiesen. Nix Faulheit, nix Bequemlichkeit.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
VaterMutterKind

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 21:08)

Nein. Das ist meistens eine Mischung aus gesellschaftlich-politischen und individuellen Gründen. Beide Seiten spielen immer eine Rolle. Daher gibt es auch Regionen, da ist die Langzeitarbeitslosigkeit höher als anderswo und umgekehrt. Mir hat mal eine regionale Jobcenter-Mitarbeiterin aus der Leitungsebene gesagt, diejenigen, die einfach nur faul seien und das Hartz-vier-System nur ausnutzten würden, könne sie an zwei Händen abzählen. Sie seien der Behörde bestens bekannt. Das sei aber - wie gesagt - eine sehr kleine Minderheit. Die anderen - die Mehrheit also - seien auf Grund vieler verschiedener Umstände auf Hartz vier angewiesen. Nix Faulheit, nix Bequemlichkeit.
Klar. Einfach Pech. Und die anderen haben einfach nur unverdientes Glück gehabt. Die haben nichts für den guten Job getan. Der ist denen so zugefallen.
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

VaterMutterKind hat geschrieben:(22 Jul 2019, 21:11)

Klar. Einfach Pech. Und die anderen haben einfach nur unverdientes Glück gehabt. Die haben nichts für den guten Job getan. Der ist denen so zugefallen.
Hat keiner gesagt.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
Skull
Moderator
Beiträge: 27077
Registriert: Do 12. Apr 2012, 22:22
user title: woaussie
Wohnort: NRW / ST

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Kohlhaas hat geschrieben:(22 Jul 2019, 18:48)

- Die Bundeswehr ist ein staatlich geführtes Unternehmen.... hoffentlich bis in alle Ewigkeit!

- Die Polizei ist ein staatlich geführtes Unternehmen.... hoffentlich... (siehe oben)

- Das Schulsystem ist ein staatlich geführtes Unternehmen, .... hoffentlich... (siehe oben)
Das sind alles keine staatlich geführten Unternehmen.

(im Gegensatz zur Deutschen Bahn AG - das ist ja eines)


Was bastelst Du Dir da zusammen ? :?: :D

mfg
Man dient für Lohn und liebt sich für Geschenke
Benutzeravatar
Alter Stubentiger
Beiträge: 5419
Registriert: Fr 6. Jan 2012, 08:20
user title: Sozialdemokrat

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 19:35)

Logisch, dass es nicht "so einfach" ist. Sage ich ja. Ich rede von realen Personen, die ich kenne. Und auch sonst weiß ich bei dem Thema schon sehr genau, wovon ich rede. Außerdem gehts um den gesamten Komplex Niedriglohn. Darunter sind Leute - wie ich oben bereits schrieb - die sind eben nicht "gering qualifiziert". Absolventen von Unis werden mit Vorliebe in befristete Billigjobs gesteckt. Selbst, wenn sie aus Forschungs- oder anderen Gründen nach dem Studium an der Uni bleiben, hangeln sie sich von befristetem Billigjob zu befristetem Billigjob. Familienplanung Fehlanzeige mit der Unsicherheit. Und es sind auch Menschen mit Behinderungen dabei, die durchaus gut ausgebildet und arbeitsfähig sind, nur aktuell halt unter einer Behinderung leiden, mitunter bis ans Lebensende. Die brauchen logischerweise eine spezielle Arbeitsmarkt-Förderung, nicht diesen Einheits-Mist im Jobcenter. Die Arbeitslosenquote bei Behinderten ist besonders hoch. Die Vorstellung, Aufstocker und andere Hartz-vier-Bezieher seien alles gering Qualifizierte und auch ein bisschen faul und unbeweglich, ist eine typisch neoliberale Haltung. Die Betroffenen sind doppelt angeschmiert, sie müssen in ewig unsicheren und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen existieren und werden obendrein noch verhöhnt und als nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig hingestellt. Unsäglich, aber alles gewollt vom feinen Herrn Schröder und den noch konservativeren Leuten, die ihm applaudiert haben und heute immer noch applaudieren.
Ach Uniausbildung. Das ist ohnehin ein Thema für sich. Wir haben zuwenig MINT-Absolventen und zuviele Laberfach-Absolventen. Und die stehen dann tatsächlich oft in der Pommesbude hinter der Theke. Wir haben vor kurzem noch einen Mediengestalter gesucht. Dutzende von Bewerbungen. Und eine Fachkraft für die Produktion. Die Stelle ist immer noch unbesetzt.... Die Leute sollten sich auch mal überlegen ob ihr Studium wirklich zukunftsfähig ist.

Die Randgruppen wie Behinderte lassen wir mal außen vor. Auch deren Problem ist nicht die Agenda2010. Die hatten schon immer ein Problem am Arbeitsmarkt. Arbeitgeber zahlen lieber die Behindertenabgabe weil der Arbeitnehmerschutz quasi Unkündbarkeit für den Behinderten bedeutet. Und die haben Extraansprüche die eben auch Extrakosten bedeuten. Aber wie gesagt das Problem hat nichts mit Neoliberalismus oder der Agenda2010 zu tun und sollte gesondert diskutiert werden.
Niemand hat vor eine Mauer zu errichten (Walter Ulbricht)
...und die Mauer wird noch in 50 oder 100 Jahren stehen (Erich Honecker)
z4ubi
Beiträge: 308
Registriert: Di 22. Sep 2015, 20:32

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von z4ubi »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(22 Jul 2019, 09:03)

Das stimmt so nicht. Die Agenda war ein riesiger Erfolg. Du musst auch mal die Ausgangslage betrachten. Wirtschaftlich hatten z.B. Deutschland und Frankreich dieselben Probleme. Auch bei der Arbeitslosigkeit. Deutschland hat dann die Agenda 2010 installiert, Frankreich hat nichts getan. Und die Folgen sind man heute sehr deutlich.

Die Agenda2010 war nicht perfekt. So manches funktionierte nicht so wie gedacht. Aber insgesamt war sie ein großer Erfolg. Was damals besonders fehlte war ein Mindestlohn. Aber den haben wir ja doh noch gekriegt. Gegen den erbitterten Widerstand der Neoliberalen.
Ich würde sagen, die Agenda 2010 war weder ein Erfolg, noch sollte sich Frankreich daran ein Beispiel nehmen. Es gab in den letzten 20 Jahren doch nur eine Entwicklung in
Deutschland, die positiv verlaufen ist, und zwar die Entwicklung der Leistungs- und Handelsbilanz. Wenn man seinen Wohlstand also haupstächlich durch Exporte und Geld aus dem Ausland abhängig macht und durch Lohnzurückhaltung nicht einmal für eine soziale Verteilung dieses Wohlstandes sorgt, wieso sollte das für andere Länder von Vorbild sein?
Und an welches Modell sollen sich dann die Länder halten, die uns und einem Frankreich nach deutschem Vorbild zu den Leistungsbilanzüberschüssen verhelfen?

ps: wenn ich mir Frankreichs Inflationsraten seit 2008 anschaue, sieht das nicht danach aus, als würde man dort über seinen Verhältnissen leben.
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:14)

Ich würde sagen, die Agenda 2010 war weder ein Erfolg, noch sollte sich Frankreich daran ein Beispiel nehmen. Es gab in den letzten 20 Jahren doch nur eine Entwicklung in
Deutschland, die positiv verlaufen ist, und zwar die Entwicklung der Leistungs- und Handelsbilanz. Wenn man seinen Wohlstand also haupstächlich durch Exporte und Geld aus dem Ausland abhängig macht und durch Lohnzurückhaltung nicht einmal für eine soziale Verteilung dieses Wohlstandes sorgt, wieso sollte das für andere Länder von Vorbild sein?
Und an welches Modell sollen sich dann die Länder halten, die uns und einem Frankreich nach deutschem Vorbild zu den Leistungsbilanzüberschüssen verhelfen?

ps: wenn ich mir Frankreichs Inflationsraten seit 2008 anschaue, sieht das nicht danach aus, als würde man dort über seinen Verhältnissen leben.
Würdest du die Agenda 2010 als neoliberal bezeichnen?
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
VaterMutterKind

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

lili hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:19)

Würdest du die Agenda 2010 als neoliberal bezeichnen?
Nein. Von dieser Agenda haben ja alle profitiert. Die gesamte Wirtschaft. Das hat Arbeitsplätze erhalten und die deutsche Wirtschaft konkurrenzfähig gehalten.
z4ubi
Beiträge: 308
Registriert: Di 22. Sep 2015, 20:32

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von z4ubi »

lili hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:19)

Würdest du die Agenda 2010 als neoliberal bezeichnen?
Den marktradikalen Neoliberalismus, welcher der sozialen Marktwirtschaft entgegen steht, kann man durchaus mit der Agenda 2010 in Verbindung bringen.
Benutzeravatar
Skull
Moderator
Beiträge: 27077
Registriert: Do 12. Apr 2012, 22:22
user title: woaussie
Wohnort: NRW / ST

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:35)

Den marktradikalen Neoliberalismus,
welcher der sozialen Marktwirtschaft entgegen steht,
kann man durchaus mit der Agenda 2010 in Verbindung bringen.
Dann erkläre das mal bitte.

mfg
Man dient für Lohn und liebt sich für Geschenke
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

VaterMutterKind hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:26)

Nein. Von dieser Agenda haben ja alle profitiert. Die gesamte Wirtschaft. Das hat Arbeitsplätze erhalten und die deutsche Wirtschaft konkurrenzfähig gehalten.
Nein davon haben nicht alle profitiert.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:35)

Den marktradikalen Neoliberalismus, welcher der sozialen Marktwirtschaft entgegen steht, kann man durchaus mit der Agenda 2010 in Verbindung bringen.
Kannst du das auch begründen?
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Ich möchte gerne die Frage nochmal aufgreifen:

Ich kann mir nicht vorstellen, dass staatliche Maßnahmen mit dem Neoliberalismus zu tun haben. Nach meiner Kenntnis wollen Neoliberale die Dinge gerne vereinfachen. Der Staat agiert viel zu bürokratisch und kompliziert.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Skull hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:45)

Dann erkläre das mal bitte.

mfg
Auf die Erklärung bin ich jetzt auch gespannt.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
VaterMutterKind

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

lili hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:53)

Nein davon haben nicht alle profitiert.
Ich denke doch. Von einer guten Wirtschaftslage profitieren alle. Auch die Sozialleistungsempfänger. So ein Sozialsystem muss man sich ja auch leisten können.
Benutzeravatar
Alter Stubentiger
Beiträge: 5419
Registriert: Fr 6. Jan 2012, 08:20
user title: Sozialdemokrat

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:14)

Ich würde sagen, die Agenda 2010 war weder ein Erfolg, noch sollte sich Frankreich daran ein Beispiel nehmen. Es gab in den letzten 20 Jahren doch nur eine Entwicklung in
Deutschland, die positiv verlaufen ist, und zwar die Entwicklung der Leistungs- und Handelsbilanz. Wenn man seinen Wohlstand also haupstächlich durch Exporte und Geld aus dem Ausland abhängig macht und durch Lohnzurückhaltung nicht einmal für eine soziale Verteilung dieses Wohlstandes sorgt, wieso sollte das für andere Länder von Vorbild sein?
Und an welches Modell sollen sich dann die Länder halten, die uns und einem Frankreich nach deutschem Vorbild zu den Leistungsbilanzüberschüssen verhelfen?

ps: wenn ich mir Frankreichs Inflationsraten seit 2008 anschaue, sieht das nicht danach aus, als würde man dort über seinen Verhältnissen leben.
Inflationszahlen???
Niemand hat vor eine Mauer zu errichten (Walter Ulbricht)
...und die Mauer wird noch in 50 oder 100 Jahren stehen (Erich Honecker)
z4ubi
Beiträge: 308
Registriert: Di 22. Sep 2015, 20:32

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von z4ubi »

lili hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:56)

Auf die Erklärung bin ich jetzt auch gespannt.
Die Deregulierungen im Arbeitsmarkt (Zeitarbeit, Kündigungsschutz).
Benutzeravatar
Alter Stubentiger
Beiträge: 5419
Registriert: Fr 6. Jan 2012, 08:20
user title: Sozialdemokrat

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:35)

Den marktradikalen Neoliberalismus, welcher der sozialen Marktwirtschaft entgegen steht, kann man durchaus mit der Agenda 2010 in Verbindung bringen.
Nein. Schau dir mal an was Deutschland im Jahr für das Sozialsystem ausgibt. Das ist schon eine Menge. Wäre Deutschland marktradikal gäbe es ein Sozialsystem wie in den USA. Die Briten haben ihr Gesundheitsystem im Neoliberalen Sinne umgestaltet. Und jetzt ist es kaputt.
Niemand hat vor eine Mauer zu errichten (Walter Ulbricht)
...und die Mauer wird noch in 50 oder 100 Jahren stehen (Erich Honecker)
Benutzeravatar
BlueMonday
Beiträge: 3794
Registriert: Mo 14. Jan 2013, 17:13
user title: Waldgänger&Klimaoptimist

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von BlueMonday »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:35)

Den marktradikalen Neoliberalismus, welcher der sozialen Marktwirtschaft entgegen steht, kann man durchaus mit der Agenda 2010 in Verbindung bringen.
Was soll am Neoliberalismus "marktradikal" sein? Das wäre ja wie ein schwarzer Schimmel. Und was soll am Markt wiederum nicht sozial sein? Es ist die sozialste Institution, die die Menschheit je hervorgebracht hat. Das wusste ja schon Ludwig Erhard, als er sagte: „Ich meine, dass der Markt an sich sozial ist, nicht dass er sozial gemacht werden muss.“

Die Agenda 2010 bestand dann aus minimalen Reformen des mehr und mehr ausufernden Umverteilungsstaats, um ihn überhaupt erhalten zu können. Dass man hier nun schon von "Marktradikalismus" fabuliert, zeigt vor allem, wie sehr die Einordnung der Begrifflichkeiten bei manchen Zeitgenossen mittlerweile verrutscht ist.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

VaterMutterKind hat geschrieben:(23 Jul 2019, 17:58)

Ich denke doch. Von einer guten Wirtschaftslage profitieren alle. Auch die Sozialleistungsempfänger. So ein Sozialsystem muss man sich ja auch leisten können.

Die profitieren erst recht nicht, weil sie gezwungen werden für den Niedriglohnsektor zu arbeiten.
Zuletzt geändert von lili am Di 23. Jul 2019, 18:30, insgesamt 1-mal geändert.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:19)

Die Deregulierungen im Arbeitsmarkt (Zeitarbeit, Kündigungsschutz).
Ist dann nicht der Begriff neokonservativ besser?
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

BlueMonday hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:21)

Was soll am Neoliberalismus "marktradikal" sein? Das wäre ja wie ein schwarzer Schimmel. Und was soll am Markt wiederum nicht sozial sein? Es ist die sozialste Institution, die die Menschheit je hervorgebracht hat. Das wusste ja schon Ludwig Erhard, als er sagte: „Ich meine, dass der Markt an sich sozial ist, nicht dass er sozial gemacht werden muss.“

Die Agenda 2010 bestand dann aus minimalen Reformen des mehr und mehr ausufernden Umverteilungsstaats, um ihn überhaupt erhalten zu können. Dass man hier nun schon von "Marktradikalismus" fabuliert, zeigt vor allem, wie sehr die Einordnung der Begrifflichkeiten bei manchen Zeitgenossen mittlerweile verrutscht ist.
Empfindest du die USA als marktradikal?
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
z4ubi
Beiträge: 308
Registriert: Di 22. Sep 2015, 20:32

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von z4ubi »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:20)

Nein. Schau dir mal an was Deutschland im Jahr für das Sozialsystem ausgibt. Das ist schon eine Menge. Wäre Deutschland marktradikal gäbe es ein Sozialsystem wie in den USA. Die Briten haben ihr Gesundheitsystem im Neoliberalen Sinne umgestaltet. Und jetzt ist es kaputt.
Nur weil Rot-Grün keine amerikanischen Verhältnisse geschaffen hat, heißt das nicht, dass keine neoliberalen/marktradikalen Ansätze vorhanden waren.
Die Teilprivatisierung der Rente unter Rot-Grün ist auch ein entscheidender Einschnitt bzw. (zum Glück nicht weiterverfolgter) Kurswechsel.

lili hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:28)

Ist dann nicht der Begriff neokonservativ besser?
Und wenn es auf beides zutrifft?
BlueMonday hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:21)
Und was soll am Markt wiederum nicht sozial sein? Es ist die sozialste Institution, die die Menschheit je hervorgebracht hat. Das wusste ja schon Ludwig Erhard, als er sagte: „Ich meine, dass der Markt an sich sozial ist, nicht dass er sozial gemacht werden muss.“
Wenn mir Herr Erhard noch sagt, was er unter Markt versteht, könnte ich ihm vielleicht sogar zustimmen.
Solange keine marktradikalen Akteure die Regeln bestimmen, kann ein Markt durchaus sozial sein, ja. ;)
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Kohlhaas »

Skull hat geschrieben:(22 Jul 2019, 21:54)

Das sind alles keine staatlich geführten Unternehmen.
Was sind sie denn Deiner Meinung nach sonst (gewesen)?

Es gibt heute private Krankenhäuser, Schulen, Universitäten... Die betrachtest Du als „Unternehmen“, nicht aber die staatlichen Einrichtungen, die genau dieselbe Dienstleistung erbringen?

Die „Post“ macht heute nichts anderes als sie vor 40 Jahren gemacht hat. Heute ist sie ein Unternehmen, damals nicht??? Eine private Universität ist ein „Unternehmen“, die öffentliche Uni (die genau die gleiche Leistung anbietet!) aber nicht? Eine private Schule.... Ich könnte dieses Fragespiel endlos fortsetzen.

Googel mal nach dem Stichwort „Unternehmensbegriff“. Da wirst Du bei entsprechend sorgfältiger Suche auf Definitionen stoßen, die der Europäische Gerichtshof gesetzt hat. Ich zitiere mal:

Daher hat der EuGH in seiner Rechtsprechung eine Definition entwickelt, die von einem einheitlichen Unternehmensbegriff im gesamten EU-Wettbewerbsrecht ausgeht. Danach ist ein Unternehmen „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung

Auch der Staat selbst kann funktional als Unternehmen qualifiziert werden, wenn er wirtschaftlich auf einem bestimmten Markt tätig wird. Dies ergibt sich zum einen aus der Definition des EuGH selbst, da diese keine Einschränkungen für staatliche Akteure vorsieht. Zum anderen spricht auch die Existenz des Art. 106 AEUV, der Regelungen für öffentliche Unternehmenent-ält, für eine solche weite Auslegung des europäischen Unternehmensbegriffs.

Stammt beides von hier: https://www.bundestag.de/resource/blob/ ... f-data.pdf

Auch "Dienstleistungen" wie z.B. die Gewährung von Sicherheit (durch Polizei oder Militär) können demnach als unternehmerische Tätigkeiten betrachtet werden. Das passiert ja auch schon! Zum Glück noch nicht hier in Deutschland.
(im Gegensatz zur Deutschen Bahn AG - das ist ja eines)
Das behauptest Du – und begründest es mit nichts anderem als mit den Besitzverhältnissen. Wie viele Unternehmen haben denn heute noch einen „Besitzer“? In wie vielen Unternehmen kann denn der „Besitzer“ noch direkt die „Geschäfte“ des Unternehmens führen?

Abschließend: Du behauptest im Grunde, dass die Bahn AG heute noch genauso geführt wird, wie seinerzeit die Deutsche Bahn. Glaubst Du das eigentlich selbst? Kannst Du uns dann erläutern, wozu die ganzen „Liberalisierungen“ bei der Bahn gedient haben?

Und jetzt weise ich letztmalig darauf hin, dass Du Dich hier die ganze Zeit wie ein tollwütiger Terrier an einer Formlierung festbeißt, die nur ein Randaspekt war. Im Kern ging es nämlich um „natürliche Monopole“. Und dazu hast Du bislang kein Wort gesagt. Hast nur Deinem Terrier-Beißreflex nachgegeben.
Was bastelst Du Dir da zusammen ? :?: :D
Wirf mir vor, was Du willst. Aber ich habe mich wenigstens zur Sache geäußert. Du nicht.
Slava Ukraini
Benutzeravatar
Skull
Moderator
Beiträge: 27077
Registriert: Do 12. Apr 2012, 22:22
user title: woaussie
Wohnort: NRW / ST

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Kohlhaas hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:50)

Was sind sie denn Deiner Meinung nach sonst (gewesen)?
Das sind keine Unternehmen.

Auch nicht das Schulsystem. :D

mfg
Man dient für Lohn und liebt sich für Geschenke
Benutzeravatar
Skull
Moderator
Beiträge: 27077
Registriert: Do 12. Apr 2012, 22:22
user title: woaussie
Wohnort: NRW / ST

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:19)

Die Deregulierungen im Arbeitsmarkt (Zeitarbeit, Kündigungsschutz).
Und das nennst Du marktradikalen Neoliberalismus ? :D

mfg
Man dient für Lohn und liebt sich für Geschenke
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:46)

Nur weil Rot-Grün keine amerikanischen Verhältnisse geschaffen hat, heißt das nicht, dass keine neoliberalen/marktradikalen Ansätze vorhanden waren.
Die Teilprivatisierung der Rente unter Rot-Grün ist auch ein entscheidender Einschnitt bzw. (zum Glück nicht weiterverfolgter) Kurswechsel.




Und wenn es auf beides zutrifft?



Wenn mir Herr Erhard noch sagt, was er unter Markt versteht, könnte ich ihm vielleicht sogar zustimmen.
Solange keine marktradikalen Akteure die Regeln bestimmen, kann ein Markt durchaus sozial sein, ja. ;)

Ich frage deshalb, weil konservative häufig den Status Quo beibehalten wollen. Wie man es aktuell sieht kommen die Armen nicht über die Runden und die gleichen Leute bleiben auf ihre Sessel kleben. In den USA ist es schlimmer, da sind die Neocons. auch populärer.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
Benutzeravatar
Skull
Moderator
Beiträge: 27077
Registriert: Do 12. Apr 2012, 22:22
user title: woaussie
Wohnort: NRW / ST

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Kohlhaas hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:50)

Abschließend: Du behauptest im Grunde, dass die Bahn AG heute noch genauso geführt wird,
wie seinerzeit die Deutsche Bahn.

Glaubst Du das eigentlich selbst? Kannst Du uns dann erläutern,
wozu die ganzen „Liberalisierungen“ bei der Bahn gedient haben?
Blödsinn.

Wann habe ich behauptet, das die Deutsche Bahn AG GENAUSO geführt wird,
wie die Deutsche Bundesbahn oder die Reichsbahn ?

Und die Veränderungen bei der Deutschen Bahn haben schon „vieler Dinge“ gedient.

-Geringere gesellschaftliche Kosten (Verschuldung/Steuermittel)
-höhere Effektivität
-sinnvollerer Einsatz von Ressourcen
-deutlich mehr Komfort
-bessere Kundendienstleistungen

Und jetzt kannst Du natürlich die heutigen Probleme der Deutschen Bahn thematisieren.
Ich schaue mir aber die Deutsche Bundesbahn des Jahres 1990 und die Reichsbahn des Jahres 1989 an.

Und da muss man kontatieren, das sich die Deutsche Bahn EXTREM verbessert hat.
Trotz aller (existierenden) Probleme.

mfg
Man dient für Lohn und liebt sich für Geschenke
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Kohlhaas »

Skull hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:57)

Das sind keine Unternehmen.

Auch nicht das Schulsystem. :D

mfg
Ja, das hast Du schonmal geschrieben. ich habe das zur Kenntnis genommen. Das ist aber keine Antwort auf meine Frage: Was sind sie denn sonst???

Wenn Du Dich noch zu einer Antwort herablassen solltest, könntest Du vielleicht die Definitionen des Europäischen Gerichtshofs im Hinterkopf behalten? Danke.
Slava Ukraini
Benutzeravatar
Skull
Moderator
Beiträge: 27077
Registriert: Do 12. Apr 2012, 22:22
user title: woaussie
Wohnort: NRW / ST

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Kohlhaas hat geschrieben:(23 Jul 2019, 19:10)

Ja, das hast Du schonmal geschrieben. ich habe das zur Kenntnis genommen.

Das ist aber keine Antwort auf meine Frage: Was sind sie denn sonst???
Die Bundeswehr, genausowenig wie die Polizei ... sind KEINE Unternehmen. :D

Und auch nicht das SchulSYSTEM. :dead:

mfg
Man dient für Lohn und liebt sich für Geschenke
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Kohlhaas »

Skull hat geschrieben:(23 Jul 2019, 19:08)

Blödsinn.

Wann habe ich behauptet, das die Deutsche Bahn AG GENAUSO geführt wird,
wie die Deutsche Bundesbahn oder die Reichsbahn ?
Du hast jetzt oft genug behauptet, dass die Bahn AG ein staatlich geführtes Unternehmen sei. Das haben sicherlich jetzt genug Diskussionsteilnehmer mitbekommen, um Relativierungsversuche Deinerseits als solche erkennen zu können. Bleib mir also vom Hals mit der durchsichtigen Unterstreichung von "genauso".

Und jetzt lege ich Dir - obwohl ich es nicht mehr wollte! - nochmal nahe, Dich bitte endlich auf die von mir getätigten Aussagen (zur Erinnerung für Dich: natürliches Monopol!) zu beziehen. Ich bin es leid, mich permanent von jemandem anpampen zu lassen, der sich nur zu selbst konstruierten Zusammenhängen äußert und Hintergrundinfos zum "Unternehmesbegriff" offensichtlich nicht mal zur Kenntnis nehmen will oder kann.
Slava Ukraini
Benutzeravatar
Skull
Moderator
Beiträge: 27077
Registriert: Do 12. Apr 2012, 22:22
user title: woaussie
Wohnort: NRW / ST

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Kohlhaas hat geschrieben:(23 Jul 2019, 19:20)

Du hast jetzt oft genug behauptet, dass die Bahn AG ein staatlich geführtes Unternehmen sei.
Ich behaupte das doch nicht.

Es IST so. :)

mfg
Man dient für Lohn und liebt sich für Geschenke
Benutzeravatar
Skull
Moderator
Beiträge: 27077
Registriert: Do 12. Apr 2012, 22:22
user title: woaussie
Wohnort: NRW / ST

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Kohlhaas hat geschrieben:(23 Jul 2019, 19:20)

Ich bin es leid, mich permanent von jemandem anpampen zu lassen,
der sich nur zu selbst konstruierten Zusammenhängen äußert und Hintergrundinfos
zum "Unternehmesbegriff" offensichtlich nicht mal zur Kenntnis nehmen will oder kann.
Ich pampe nicht rum. Auch konstruiere ich nichts.

Die Bundeswehr, die Polizei und das deutsche Schulsystem...sind KEINE Unternehmen.

Da kannst DU noch so auf den Boden stampfen. :s

mfg
Man dient für Lohn und liebt sich für Geschenke
Benutzeravatar
Alter Stubentiger
Beiträge: 5419
Registriert: Fr 6. Jan 2012, 08:20
user title: Sozialdemokrat

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:46)

Nur weil Rot-Grün keine amerikanischen Verhältnisse geschaffen hat, heißt das nicht, dass keine neoliberalen/marktradikalen Ansätze vorhanden waren.
Die Teilprivatisierung der Rente unter Rot-Grün ist auch ein entscheidender Einschnitt bzw. (zum Glück nicht weiterverfolgter) Kurswechsel.
Das war damals ein Fehler und wie du selber schreibst hat die Zeit die Befürworter zum Schweigen gebracht. Damals wurde dass auch nur gemacht weil die Wirtschaftswissenschaft dies unisono der Politik empfohlen hat. Damals dachten alle "Privat vor Staat"(FDP) wäre die Lösung. Wurde rund um den Globus propagiert und die Briten und die USA schienen damit auch erfolgreich zu sein. Die Rechnung kam dann später. Man hätte Typen wie Milton Friedman zum Mond schießen sollen.
Niemand hat vor eine Mauer zu errichten (Walter Ulbricht)
...und die Mauer wird noch in 50 oder 100 Jahren stehen (Erich Honecker)
Benutzeravatar
3x schwarzer Kater
Beiträge: 25726
Registriert: Mo 26. Mai 2014, 16:25
user title: Do legst di nieda
Wohnort: Schwaben

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Kohlhaas hat geschrieben:(23 Jul 2019, 19:20)

Du hast jetzt oft genug behauptet, dass die Bahn AG ein staatlich geführtes Unternehmen sei. Das haben sicherlich jetzt genug Diskussionsteilnehmer mitbekommen, um Relativierungsversuche Deinerseits als solche erkennen zu können. Bleib mir also vom Hals mit der durchsichtigen Unterstreichung von "genauso".

Und jetzt lege ich Dir - obwohl ich es nicht mehr wollte! - nochmal nahe, Dich bitte endlich auf die von mir getätigten Aussagen (zur Erinnerung für Dich: natürliches Monopol!) zu beziehen. Ich bin es leid, mich permanent von jemandem anpampen zu lassen, der sich nur zu selbst konstruierten Zusammenhängen äußert und Hintergrundinfos zum "Unternehmesbegriff" offensichtlich nicht mal zur Kenntnis nehmen will oder kann.
Korrekt liegst du insofern, dass die Bahn natürlich kein staatlich geführtes Unternehmen mehr ist.
Falsch ist natürlich deine Ansicht, dass Vertreter der Exekutive (Polizei, Bundeswehr, aber natürlich auch Finanzamt etc.) staatlich geführte Unternehmen wären. Das ist die Exekutive. Die erbringt auch keine Dienstleistung, die setzt ganz einfach Gesetze um. Das hat mit Unternehmen nichts zu tun.

Im Zwitterbereich kann man natürlich durchaus Bildungseinrichtungen sehen, sofern sie über die gesamte Anforderungen der Schulpflicht hinausgehen. Aber auch hier erkennt man letztendlich die Schwächen staatlicher Organisationen. Es kostet halt was es kostet. Unternehmerisches handeln beschränkt sich auf die Einhaltung staatlich zugewiesener Budgets. Eine Bepreisung der angebotenen Leistungen gibt es nicht. Mehr Privatisierung und mehr Wettbewerb könnten hier sicherlich zu deutlich besseren Leistungen führen.
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
Benutzeravatar
3x schwarzer Kater
Beiträge: 25726
Registriert: Mo 26. Mai 2014, 16:25
user title: Do legst di nieda
Wohnort: Schwaben

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

z4ubi hat geschrieben:(23 Jul 2019, 18:46)

.
Solange keine marktradikalen Akteure die Regeln bestimmen,
Was soll denn diese seltsame Terminus "marktradikal" bedeuten? Außer dass es sich um einen politischen Kampfbegriff handelt.
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
Benutzeravatar
Agesilaos Megas
Beiträge: 950
Registriert: Fr 8. Mai 2015, 12:24
user title: Zusammenschließen!

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Agesilaos Megas »

lili hat geschrieben:(21 Jul 2019, 14:35)

Hallo,

ich wollte mal eure Meinung dazu wissen. Ich lese immer diverse Artikel und auch die Kommentare dazu. Einige meinen das liegt am Neoliberalismus und die anderen meinen dass liegt nicht am Neoliberalismus...Die Begründungen sind vielfältig.....Sie geben dem Staat die Schuld oder das extreme Marktgeschehen hat mir der ursprünglichen Historie des Neoliberalismus nicht gemein. Dieser Begriff ist aktuell ein Schimpfwort.

Meine Frage wäre ist der Neoliberalismus unsozial? und ist die Agenda 2010 auch ein Bestandteil des Neoliberalismus?
Hey, lili,

Schröder ließ sich bei den Reformen vom angelsächsischen Modell inspirieren, wo die Neoliberalisten ja vor nicht allzu langer Zeit den Zugang zu Regierungskreisen erlangt hatten. Seine Überzeugung war es, sich an den neuen neoliberalen Zeitgeist, der sich auch international angebahnt hatte, anzupassen, um den Sozialstaat zu erhalten. So verkaufte er es uns zumindest. In der Tat sieht die Agenda in einigen Bereichen sogar eine vermehrte öffentliche Finanzierung vor. Das allerdings mag trügen. Wie man auch z.B. in den USA jetzt wieder sehr stark sieht, wurden im Zuge der Agenda die Lasten von oben nach unten umverteilt. Deregulierung des Kündigungsschutzes, der Leiharbeit (daraus folgte auch vermehrter Konkurrenzdruck und eine zunehmende Verfeindung der Arbeitnehmerschaft untereinander), Senkung der Sozialabgaben von Arbeitgebern zulasten der Arbeitnehmer, ganz zu schweigen von der restriktiven Leistungspolitik, usw.

Dieser Vergleich mit "reformierten" Ländern in der Agenda-Rede Schröders macht diesen Bezug zum Neoliberalismus nochmals deutlich. Historisch betrachtet wurde mit dem Untergang der UdSSR der Nimbus dieser Ordnung begründet, auch wenn derselbe erst spät in der westlichen Welt wirkte und nicht für alle Erfolge verantwortlich zu machen ist. Länder der dritten Welt, besonders die autoritären, nahmen den Neoliberalismus gern auf: Er ermöglichte schnelles Wachstum, zwar zu Lasten der Sklaven... äh... Menschen, aber wenn kümmerte das schon. Am Ende gerieten auch die jungen Demokratien im Osten, das China Europas, durch den Neoliberalismus in arge Bedrängnis. In Polen regiert die PiS, wo ein sehr radikaler Schnitt gemacht wurde, Ungarn hat sein Sklavengesetz (die Deutschen freuen sich, da sie jetzt dort Autos billig bauen dürfen), und in den neuen Bundesländern rekrutiert sich aus der asozialen Bundespolitik plus Austerität eine antidemokratische Front. Kein Witz.

Wenn Du die Lasten von oben nach unten umverteilst, die öffentlichen Pflichten/Leistungen für die Menschen reduzierst, die Privilegien in die Hände eines abstrakten Marktes legst - Arbeitgeber handeln nicht als Menschen, sondern als Unternehmen und haben daher naturgemäß Profit, nicht ihre Pflichten gegenüber den Mitmenschen im Sinn -, stärkst Du eine Gruppe, schwächst andere. Das wiederum zerreißt die Gesellschaft. Nichts wäre antisozialer. Und die unten sind, kämpfen dann, ohne Sicherheit, um die paar Krümel, die über sind. survival of the fittest. Bloß nicht krank werden. Neoliberalismus hat den Sozialdarwinismus nach 1945 wiederbelebt.
gentibus solidaritas, una fit humanitas.
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(24 Jul 2019, 11:37)

Hey, lili,

Schröder ließ sich bei den Reformen vom angelsächsischen Modell inspirieren, wo die Neoliberalisten ja vor nicht allzu langer Zeit den Zugang zu Regierungskreisen erlangt hatten. Seine Überzeugung war es, sich an den neuen neoliberalen Zeitgeist, der sich auch international angebahnt hatte, anzupassen, um den Sozialstaat zu erhalten. So verkaufte er es uns zumindest. In der Tat sieht die Agenda in einigen Bereichen sogar eine vermehrte öffentliche Finanzierung vor. Das allerdings mag trügen. Wie man auch z.B. in den USA jetzt wieder sehr stark sieht, wurden im Zuge der Agenda die Lasten von oben nach unten umverteilt. Deregulierung des Kündigungsschutzes, der Leiharbeit (daraus folgte auch vermehrter Konkurrenzdruck und eine zunehmende Verfeindung der Arbeitnehmerschaft untereinander), Senkung der Sozialabgaben von Arbeitgebern zulasten der Arbeitnehmer, ganz zu schweigen von der restriktiven Leistungspolitik, usw.

Dieser Vergleich mit "reformierten" Ländern in der Agenda-Rede Schröders macht diesen Bezug zum Neoliberalismus nochmals deutlich. Historisch betrachtet wurde mit dem Untergang der UdSSR der Nimbus dieser Ordnung begründet, auch wenn derselbe erst spät in der westlichen Welt wirkte und nicht für alle Erfolge verantwortlich zu machen ist. Länder der dritten Welt, besonders die autoritären, nahmen den Neoliberalismus gern auf: Er ermöglichte schnelles Wachstum, zwar zu Lasten der Sklaven... äh... Menschen, aber wenn kümmerte das schon. Am Ende gerieten auch die jungen Demokratien im Osten, das China Europas, durch den Neoliberalismus in arge Bedrängnis. In Polen regiert die PiS, wo ein sehr radikaler Schnitt gemacht wurde, Ungarn hat sein Sklavengesetz (die Deutschen freuen sich, da sie jetzt dort Autos billig bauen dürfen), und in den neuen Bundesländern rekrutiert sich aus der asozialen Bundespolitik plus Austerität eine antidemokratische Front. Kein Witz.

Wenn Du die Lasten von oben nach unten umverteilst, die öffentlichen Pflichten/Leistungen für die Menschen reduzierst, die Privilegien in die Hände eines abstrakten Marktes legst - Arbeitgeber handeln nicht als Menschen, sondern als Unternehmen und haben daher naturgemäß Profit, nicht ihre Pflichten gegenüber den Mitmenschen im Sinn -, stärkst Du eine Gruppe, schwächst andere. Das wiederum zerreißt die Gesellschaft. Nichts wäre antisozialer. Und die unten sind, kämpfen dann, ohne Sicherheit, um die paar Krümel, die über sind. survival of the fittest. Bloß nicht krank werden. Neoliberalismus hat den Sozialdarwinismus nach 1945 wiederbelebt.

Dass das System sozialdarwinistisch ist sehe ich auch so. Nur es gibt viele die bestreiten es und sehen das nicht als neoliberal. Deswegen meine Frage.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
Benutzeravatar
Agesilaos Megas
Beiträge: 950
Registriert: Fr 8. Mai 2015, 12:24
user title: Zusammenschließen!

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Agesilaos Megas »

lili hat geschrieben:(24 Jul 2019, 11:45)

Dass das System sozialdarwinistisch ist sehe ich auch so. Nur es gibt viele die bestreiten es und sehen das nicht als neoliberal. Deswegen meine Frage.
Naja, es gibt ja auch nicht viele Möglichkeiten, sich politisch zu bilden. Die großen Medien sind zentristisch und färben lieber die Agenda ihrer Gruppe (Bertelsmann etc.) schön, als dass sie dem Pöbel sagen, dass er aufstehen und sich seine Würde von ihnen zurückholen soll.
gentibus solidaritas, una fit humanitas.
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(24 Jul 2019, 12:03)

Naja, es gibt ja auch nicht viele Möglichkeiten, sich politisch zu bilden. Die großen Medien sind zentristisch und färben lieber die Agenda ihrer Gruppe (Bertelsmann etc.) schön, als dass sie dem Pöbel sagen, dass er aufstehen und sich seine Würde von ihnen zurückholen soll.
Das stimmt...Nur wenn ich sage zu jedem unsozialen....Ey du neoliberaler und er sagt dann zu mir dass ist überhaupt nicht neoliberal. Dann blamiere ich mich doch. Solche Leute sagen dieses zentristische System sei neosozial oder neokonservativ.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
Benutzeravatar
Agesilaos Megas
Beiträge: 950
Registriert: Fr 8. Mai 2015, 12:24
user title: Zusammenschließen!

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Agesilaos Megas »

lili hat geschrieben:(24 Jul 2019, 12:06)

Das stimmt...Nur wenn ich sage zu jedem unsozialen....Ey du neoliberaler und er sagt dann zu mir dass ist überhaupt nicht neoliberal. Dann blamiere ich mich doch. Solche Leute sagen dieses zentristische System sei neosozial oder neokonservativ.
"neosozial" geht auf Prof. Lessenich zurück, der alles andere als ein Neoliberaler ist. Ich weiß nicht mehr genau, aber ich glaube, dass er damit explizit die Agenda 2010 meinte: Mit der Beschränkung der Leistungen bedurfte es einer größeren öfftl. Struktur, um die Schikanen aufrechtzuerhalten ("Fallprüfung"). Damit zielt er aber auf den Effekt für die Unterklasse ab, die Ziel dieser autoritären Politik ist. Gänzlich unbeachtet lässt er die Motivation Schröders sowie die Regulierungen und ohnehin den größeren Kontext, in welchem die Agenda nur ein Baustein für eine Transformation der Gesellschaft ist. Und "neokon" ist doch schon ziemlich alt, wird seltener gebraucht, oder? Dass Konservative die meisten Großspenden erhalten und folglich auch eine gewisse Loyalität gegenüber einer sozioökonomischen Seite haben, lässt beide recht nahe zusammenliegen. In den USA siehst Du das klarer als hier: Die Konservativen senken Steuern und deregulieren alles; im Gegenzug dürfen sie ein paar Ausländer in Konzentrationslager stecken. do, ut des.
gentibus solidaritas, una fit humanitas.
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(24 Jul 2019, 12:26)

"neosozial" geht auf Prof. Lessenich zurück, der alles andere als ein Neoliberaler ist. Ich weiß nicht mehr genau, aber ich glaube, dass er damit explizit die Agenda 2010 meinte: Mit der Beschränkung der Leistungen bedurfte es einer größeren öfftl. Struktur, um die Schikanen aufrechtzuerhalten ("Fallprüfung"). Damit zielt er aber auf den Effekt für die Unterklasse ab, die Ziel dieser autoritären Politik ist. Gänzlich unbeachtet lässt er die Motivation Schröders sowie die Regulierungen und ohnehin den größeren Kontext, in welchem die Agenda nur ein Baustein für eine Transformation der Gesellschaft ist. Und "neokon" ist doch schon ziemlich alt, wird seltener gebraucht, oder? Dass Konservative die meisten Großspenden erhalten und folglich auch eine gewisse Loyalität gegenüber einer sozioökonomischen Seite haben, lässt beide recht nahe zusammenliegen. In den USA siehst Du das klarer als hier: Die Konservativen senken Steuern und deregulieren alles; im Gegenzug dürfen sie ein paar Ausländer in Konzentrationslager stecken. do, ut des.
Ich hatte den Namen nicht mehr im Kopf und es bezieht sich auf die Agenda 2010. Welche politische Einstellung hat er denn? Ich weiß nicht ob dieser Begriff dazu passt, aber ich finde es auch ziemlich autoritär wie man mit den ärmeren Leuten umgeht. Der Begriff neokon ist ziemlich alt, aber ich finde schon dass bei einigen Parteien eine leichte Tendenz in diese Richtung haben. Im amerikanischen Spektrum ist es weiter verbreitet, abgesehen von den Ausländern.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
Benutzeravatar
Agesilaos Megas
Beiträge: 950
Registriert: Fr 8. Mai 2015, 12:24
user title: Zusammenschließen!

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Agesilaos Megas »

lili hat geschrieben:(24 Jul 2019, 12:32)

Ich hatte den Namen nicht mehr im Kopf und es bezieht sich auf die Agenda 2010. Welche politische Einstellung hat er denn? Ich weiß nicht ob dieser Begriff dazu passt, aber ich finde es auch ziemlich autoritär wie man mit den ärmeren Leuten umgeht. Der Begriff neokon ist ziemlich alt, aber ich finde schon dass bei einigen Parteien eine leichte Tendenz in diese Richtung haben. Im amerikanischen Spektrum ist es weiter verbreitet, abgesehen von den Ausländern.
Deutschland ist traditionell als eines der Zentren der Arbeiterbewegung, aber auch des Preußentumes ein Land mit Sozialstaat und starken Regulierungen. Das darf man nicht vergessen. Und gegen die autoritären Traditionen in Deutschland anzugehen ist ein ewiger Kampf. Ebenso ist das Vorhandensein eines Sozialstaates selbstverständlich. Daher funktioniert die Implementierung neoliberaler Politik anders als z.B. in den USA, wo die Arbeiterbewegung nie Fuß fassen konnte, und soziale Errungenschaften erst recht spät kamen, aber dann auch wieder früh abgeschafft werden konnten. Ich denke aber, dass man sich nicht scheuen sollte, den Terminus des Neoliberalismus zu gebrauchen, da er den Fokus auf das Wesentliche lenkt: Die Verteilung von Wohlstand und die sozioökonomische Situation von Menschen. "neokon" fokussiert zu sehr auf die Ideologie, zumal auch Grüne, FDP und SPD beim Kahlschlagen mitgeholfen haben.
gentibus solidaritas, una fit humanitas.
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(24 Jul 2019, 12:41)

Deutschland ist traditionell als eines der Zentren der Arbeiterbewegung, aber auch des Preußentumes ein Land mit Sozialstaat und starken Regulierungen. Das darf man nicht vergessen. Und gegen die autoritären Traditionen in Deutschland anzugehen ist ein ewiger Kampf. Ebenso ist das Vorhandensein eines Sozialstaates selbstverständlich. Daher funktioniert die Implementierung neoliberaler Politik anders als z.B. in den USA, wo die Arbeiterbewegung nie Fuß fassen konnte, und soziale Errungenschaften erst recht spät kamen, aber dann auch wieder früh abgeschafft werden konnten. Ich denke aber, dass man sich nicht scheuen sollte, den Terminus des Neoliberalismus zu gebrauchen, da er den Fokus auf das Wesentliche lenkt: Die Verteilung von Wohlstand und die sozioökonomische Situation von Menschen. "neokon" fokussiert zu sehr auf die Ideologie, zumal auch Grüne, FDP und SPD beim Kahlschlagen mitgeholfen haben.
Es kann auch sein dass man evtl. den Neoliberalismus selber differenzieren zwischen kontinental und ängelsächsisch. Du hast es ja eigentlich auch gemacht.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
Kohlhaas
Beiträge: 13677
Registriert: So 24. Feb 2019, 19:47

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Kohlhaas »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(24 Jul 2019, 10:00)

Korrekt liegst du insofern, dass die Bahn natürlich kein staatlich geführtes Unternehmen mehr ist.
Falsch ist natürlich deine Ansicht, dass Vertreter der Exekutive (Polizei, Bundeswehr, aber natürlich auch Finanzamt etc.) staatlich geführte Unternehmen wären. Das ist die Exekutive. Die erbringt auch keine Dienstleistung, die setzt ganz einfach Gesetze um. Das hat mit Unternehmen nichts zu tun.
In Deutschland sind die von Dir genannten Bereiche tatsächlich in weiten Teilen noch "Exekutive". Das ist aber keineswegs "naturgegeben", sondern liegt an politischen Entscheidungen, die bei Gründung der Bundesrepublik Deutschland getroffen wurden.

Auch in Deutschland sind hier aber schon Aufweichungstendenzen zu erkennen. Beispiel Bundeswehr:

"Bereits unter der Regierung Kohl wurden zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts erste Schritte unternommen, öffentliche Aufgaben des Bundes durch Private erledigen zu lassen. (...) Hierzu wurden auf der Grundlage eines zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der Wirtschaft am 15. Dezember 1999 geschlossenen Rahmenvertrages über „Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr“, der u. a. zum Inhalt hatte, „gesellschaftsrechtliche Lösungen für Servicefunktionen der Bundeswehr mit Beteiligung der Wirtschaft zu initiieren und umzusetzen“ (3), eine Reihe privatwirtschaftlich organisierter Unternehmen gegründet. Hierzu zählen unter anderem die:

Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH (g.e.b.b. mbH),
IT-Gesellschaft (HERKULES),
Heeresinstandsetzungslogistik GmbH (HIL),
Gesellschaft des Bundes zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten mbH (GEKA),
BundeswehrFuhrparkService GmbH (BwFPS),
LHBw Bekleidungsgesellschaft mbH (LHBw) sowie
Fernleitungsbetriebsgesellschaft mbH (FBG)
"

Aus: https://www.friedenskooperative.de/frie ... isierungen

Dass es z.B. in den USA bereits private Militärdienstleister gibt, hatte ich schon erwähnt.

Beispiel Polizei:
Nicht nur die Deutsche Polizeigewerkschaft klagt schon länger über Personalabbau und Tendenzen zur Privatisierung von Polizeiaufgaben. Hier ein Beitrag des Deutschlandfunks dazu: https://www.deutschlandfunk.de/privatis ... _id=360178

Auch hier gibt es in der Welt bereits Beispiele für private Polizei-Unternehmen. In Großbritannien gibt es offenbar schon eine private Polizeieinheit: https://en.wikipedia.org/wiki/TM_Eye_Ltd sowie https://www.express.co.uk/news/uk/95585 ... mands-soar

Auch vor diesem Hintergrund hatte ich darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof einen Unternehmensbegriff formuliert hat, der nicht mehr zwischen privater oder öffentlicher Leistungserbringung unterscheidet.

Gleichgültig ob wir das jetzt alles als "Unternehmen" betrachten oder nicht: Die von mir soeben beschriebenen Tendenzen gibt es seit vielen Jahren in praktisch allen Lebensbereichen. Sie resultieren aus dem Paradigma der wirtschaftsliberalen Theorie, dass "Private wirtschaftlich handelnde Akteure" alles besser und preiswerter erledigen können als der Staat. Als "neoliberal" werden heute im politischen Diskurs die Menschen und Organisationen kritisiert, die dieses alte Paradigma nun erneut formulieren. Es widerspricht nämlich eigentlich dem Geist unseres Grundgesetzes, das einen Staat vorsieht, der im Interesse der Allgemeinheit Wirtschaftsprozesse reguliert.

Jeder mag seine eigene Meinung zu diesem Themenfeld haben. Ich persönlich bin der Ansicht, dass Kernaufgaben des Staates (Grundversorgung, Daseinsvorsorge, hoheitliches Handeln) nicht in private Hände gehört und nicht dem (an sich legitimen) Gewinnstreben privater Akteure unterworfen sein darf. Wie an den Bereichen Polizei und Militär dargestellt, geschieht das aber bereits. Auch in Deutschland.
Slava Ukraini
lili
Beiträge: 9110
Registriert: Mi 5. Nov 2014, 20:51

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Was ich nicht verstehe: Hartz 4 ist neoliberal und das BGE ist angeblich auch neoliberal. Selbst wenn das BGE unsozial wäre. Die beiden Sachen unterscheiden sich wie Tag und Nacht. Wie kann beides neoliberal sein?
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
Antworten