Ist der Neoliberalismus unsozial

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VaterMutterKind

Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

Skull hat geschrieben:(22 Jul 2019, 08:53)

Für die einen ist es der Untergang des Sozialstaates, für andere eine wichtige Reform zur Rettung des Sozialstaates.

Das Deutschland und die Welt sich in den letzten 30 Jahren verändert hat, wird von ersteren gerne ausser acht gelassen.

mfg
Die Agenda 2010 ist bestimmt nicht perfekt, aber so schlecht wie ihr Ruf ist sie auch nicht. Leiharbeit und die Lockerung des Kündigungsschutzes waren notwendig, um die Wirtschaft flexibel zu halten. Von diesen Instrumenten wird ja auch nur in Krisenjahren Gebrauch gemacht. In länger anhaltenden Boomzeiten setzt man doch nicht auf Leiharbeit. Und gekündigt wird auch nicht.

Hartz 4 an sich finde ich gerecht. Nur bei älteren Menschen, die arbeitslos werden, würde ich nachbessern. Jemand der 35, 540 Jahre gearbeitet hat und in die Sozialkassen eingezahlt hat, der sollte nicht so behandelt werden wie jemand, der nach der Schule noch gar nicht gearbeitet hat.
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Selina
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(22 Jul 2019, 12:57)

Blödsinn.
Danke. Dieses "Blödsinn" sollte ich eher zu deiner Argumentation mit dem "zu faul zum frühen Aufstehen" sagen. So ein Käse! Von den Leuten, die ich kenne und die fürn Äppel und n Ei - trotz guter Ausbildung und guten Berufsabschlusses - in Niedriglohnjobs arbeiten und die wegen niedrigen Verdienstes im Jobcenter aufstocken müssen, die haben alle kein Problem mit dem frühen Aufstehen. Das sind alles kluge und verantwortungsbewusste Leute. Von denen ist niemand faul und niemand will, dass ihm die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Du solltest dich mehr mit den Auswirkungen des neoliberalen Sozialabbaus von Schröder und co. befassen (weswegen tausende SPD-Mitglieder die Partei verließen), damit du nicht solche merkwürdigen Wertungen treffen musst. Die Folgen von jahrzehntelangem Niedriglohnbezug sind Hungerrenten und Altersarmut. Wirklich toll, dein Neoliberalismus.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Kohlhaas »

Skull hat geschrieben:(21 Jul 2019, 22:30)

Was denn sonst ? :?:

Mitglieder des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn AG
(...)
Die Bundesrepublik Deutschland ist alleiniger Aktionär.
(...)
Anteilseignervertreter
(...)

Weder der Aufsichtsrat, noch die Aktionäre noch die Vertreter der Anteilseigner führen ein Unternehmen.

Seit der Bahnreform von 1994 ist die Bahn nicht mehr "Bundesbahn", sondern eine privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft. Zudem sind die Schienenstrecken für private Eisenbahngesellschaften geöffnet worden. Weiter sind diverse Aufgaben, die zuvor von Bahnangestellten und -beamten erfüllt wurden, in eigenständige Unternehmen ausgegliedert worden, die sich auf dem "freien Markt" gegen Konkurrenz behaupten müssen. Des weiteren wurde die Zuständigkeit für den Personennahverkehr auf der Schiene vom Bund auf die Länder übertragen. Von einem "natürlichen Monopol" des Staates (genau darum ging es in meinem Beitrag nämlich!) kann also keine Rede mehr sein.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Kohlhaas »

Skull hat geschrieben:(22 Jul 2019, 08:47)

Für mich ist der Begriff Neoliberalismus in erster Linie ein Kampfbegriff.

Man kann alles negative in Bezug auf Wirtschaft einfach als neoliberal bezeichnen,
Menschen und Vertreter in eine vermeintliche Schublade stecken und man hat sofort seine gewünschte Front.

Sieht man ja auch an den ersten Äussererungen in diesem Thread.
Hilfreich, Probleme zu erkennen und diese auch zu lösen, ist es es aber aus meiner Sicht nicht.

Eher kontraproduktiv.

mfg
Dann nochmal: Selbstverständlich ist es ein Kampfbegriff. Er markiert die Grenze zwischen zwei einander entgegengesetzten politischen Grundhaltungen. Keine dieser Grundhaltungen kann für sich in Anspruch nehmen, die reine Wahrheit zu sein. Es handelt sich um "MEINUNGEN". Deshalb ist es kontraproduktiv, wenn Du so tust, als wäre der Begriff an sich unsinnig und dürfe nicht verwendet werden. Diejenigen Menschen, die einem Teil der politisch Handelnden in diesem Land eine "neoliberale Politik" vorwerfen, bezeichnen damit ganz konkrete Sachverhalte. So erfüllt der Begriff "neoliberal" genau den Zweck, den er haben soll: Er macht allen Beteiligten deutlich, worum sich der politische Diskurs dreht. Mehr soll er nicht erreichen.

Welche der jeweiligen Positionen in dem Diskurs man richtig oder falsch findet, muss dann jeder Mensch für sich entscheiden.

Deshalb geht es völlig an der Sache vorbei, den "Neoliberalismus" als reines Schubladendenken abzutun. Eher zeugt es von Schubladendenken, dies so zu kommentieren.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Kohlhaas hat geschrieben:(22 Jul 2019, 15:49)

Weder der Aufsichtsrat, noch die Aktionäre noch die Vertreter der Anteilseigner führen ein Unternehmen.
Der Aufsichtsrat stellt die Unternehmensführung ein. Nennt sich Vorstand.

Die Deutsche Bahn ist weiterhin ein Staatsunternehmen.

Der einhundertprozentige Alleinaktionär ist die Bundesrepublik Deutschland.

Es ist ein einhundertprozentiges staatliches Unternehmen.

PUNKT.

mfg
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Kohlhaas »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(22 Jul 2019, 09:40)

Ich habe doch dargestellt wird was alles getan wird/wurde um die Leiharbeit so zu regulieren dass sie auch sozial funktionert.
Das muss ich überlesen haben. Tatsächlich ist mit der Agenda 2010 Leiharbeit unbefristet zulässig geworden, obwohl sie ursprünglich nur zum "Abfedern" von Auftragsspitzen dienen sollte. Wo soll es da "Regulierungen" gegeben haben? Meinst Du die Tarifbindung oder das Recht auf gleiche Bezahlung? Auch an anderen Stellen hat die Agenda 2010 ehemals geltende Regulierungen beseitigt. Z.B. diee Möglichkeit zur Befristung von Arbeitsverhältnissen ist deutlich ausgeweitet worden. Erst die jetzt amtierende Bundesregierung hat hier wieder regulierend eingegriffen, um massenhaften Missbrauch zu unterbinden.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Kohlhaas »

Skull hat geschrieben:(22 Jul 2019, 15:54)

Der Aufsichtsrat stellt die Unternehmensführung ein. Nennt sich Vorstand.

Der einhundertprozentige Alleinaktionär ist die Bundesrepublik Deutschland.

Es ist ein einhundertprozentiges staatliches Unternehmen.

PUNKT.

mfg
Der Aufsichtsrat führt das Unternehmen aber nicht. Ein hundertprozentig staatliches Unternehmen ist deshalb noch lange kein staatlich geführtes Unternehmen. PUNKT Nummer eins.

Ich habe auf die Aussage geantwortet, dass die Bahn ein "natürliches Monopol" sei. Und das ist sie NICHT mehr. PUNKT Nummer zwei.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Kohlhaas hat geschrieben:(22 Jul 2019, 15:58)

Ein hundertprozentig staatliches Unternehmen ist deshalb noch lange kein staatlich geführtes Unternehmen.
Was soll denn dann überhaupt ein staatliches geführtes Unternehmen sein ? :?: :D

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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

Kohlhaas hat geschrieben:(22 Jul 2019, 15:55)

Das muss ich überlesen haben. Tatsächlich ist mit der Agenda 2010 Leiharbeit unbefristet zulässig geworden, obwohl sie ursprünglich nur zum "Abfedern" von Auftragsspitzen dienen sollte. Wo soll es da "Regulierungen" gegeben haben? Meinst Du die Tarifbindung oder das Recht auf gleiche Bezahlung? Auch an anderen Stellen hat die Agenda 2010 ehemals geltende Regulierungen beseitigt. Z.B. diee Möglichkeit zur Befristung von Arbeitsverhältnissen ist deutlich ausgeweitet worden. Erst die jetzt amtierende Bundesregierung hat hier wieder regulierend eingegriffen, um massenhaften Missbrauch zu unterbinden.
Es gibt immer was zu verbessern. Gerade bei Gesetze die die Wirtschaft betreffen muß man ständig reformieren. Mit Nachbesserungen meine ich z.B. das Entsendegesetz und natürlich und im Besonderen die Nachunternehmerhaftung. Da ist der beauftragende Konzern in der Pflicht Sozialabgaben selber zu bezahlen wenn der Subunternehmer und der Subunternehmer des Subunternehmers das nicht tut. Der Mindestlohn ist auch eine sehr positive Verbesserung. Obwohl ja laut der Neoliberalen der Mindestlohn den Standort Deutschland gefährdet..... Tatsäch hat er endlich mal die Inlandsnachfrage gestärkt. Er hilft ja denen die alles konsumieren und nicht denen die sowieso schon zuviel Geld haben.

Und befristete Arbeitsverträge....wer wirklich Leute kriegen will sieht dass er sie hält. Fähige Leute sind nämlich sehr knapp.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 15:47)

Danke. Dieses "Blödsinn" sollte ich eher zu deiner Argumentation mit dem "zu faul zum frühen Aufstehen" sagen. So ein Käse! Von den Leuten, die ich kenne und die fürn Äppel und n Ei - trotz guter Ausbildung und guten Berufsabschlusses - in Niedriglohnjobs arbeiten und die wegen niedrigen Verdienstes im Jobcenter aufstocken müssen, die haben alle kein Problem mit dem frühen Aufstehen. Das sind alles kluge und verantwortungsbewusste Leute. Von denen ist niemand faul und niemand will, dass ihm die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Du solltest dich mehr mit den Auswirkungen des neoliberalen Sozialabbaus von Schröder und co. befassen (weswegen tausende SPD-Mitglieder die Partei verließen), damit du nicht solche merkwürdigen Wertungen treffen musst. Die Folgen von jahrzehntelangem Niedriglohnbezug sind Hungerrenten und Altersarmut. Wirklich toll, dein Neoliberalismus.
Ja. Deutschland hungert. Die Elendsgestalten, gehüllt in Lumpen hausen unter Brücken wenn sie müde vom täglichen Frondienst an ihre Schlafstelle humpeln. Natürlich nicht ohne zuerst bei der Armenspeisung vorbeizugehen. Und schuld daran ist natürlich die SPD. Ein weiterer Dolchstoß der Genossen der Bosse. Diesmal in den Rücken der geknechteten Arbeitnehmerschaft.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:14)

Ja. Deutschland hungert. Die Elendsgestalten, gehüllt in Lumpen hausen unter Brücken wenn sie müde vom täglichen Frondienst an ihre Schlafstelle humpeln. Natürlich nicht ohne zuerst bei der Armenspeisung vorbeizugehen. Und schuld daran ist natürlich die SPD. Ein weiterer Dolchstoß der Genossen der Bosse. Diesmal in den Rücken der geknechteten Arbeitnehmerschaft.

Sie haben doch ihr Klientel verraten? Das zeigt sich auch in ihren Wahlergebnissen.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:14)

Ja. Deutschland hungert. Die Elendsgestalten, gehüllt in Lumpen hausen unter Brücken wenn sie müde vom täglichen Frondienst an ihre Schlafstelle humpeln. Natürlich nicht ohne zuerst bei der Armenspeisung vorbeizugehen. Und schuld daran ist natürlich die SPD. Ein weiterer Dolchstoß der Genossen der Bosse. Diesmal in den Rücken der geknechteten Arbeitnehmerschaft.
Verarschen kann ich mich alleine. Selbstverständlich ist das regional sehr unterschiedlich. Und wenn es das in deinem näheren Umfeld alles nicht gibt, dann kannste froh sein. Aber solche Verwerfungen gibt es halt, vor allem im Osten. Das sollte man ernst nehmen. Es gibt dort ganze Gebiete, die infrastrukturell völlig abgehängt sind und deren Bewohner sich ebenfalls abgehängt fühlen. Ja, sie brauchen nicht hungern. Stimmt. Aber lebenswert ist das Dasein in der Niedriglohn-Spirale ganz sicher trotzdem nicht. Was die Einkommensgerechtigkeit anbelangt, da sollte das Unternehmertum schon mal gewaltig in sich gehen. Was natürlich nicht passieren wird :D
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

lili hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:15)

Sie haben doch ihr Klientel verraten? Das zeigt sich auch in ihren Wahlergebnissen.
Guten Tag,

ich möchte allgemein und gerade Dich als Threaderöffner auf Dein eigenes gewähltes Thema verweisen.

> Ist der Neoliberalismus unsozial ?
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:20)

Verarschen kann ich mich alleine. Selbstverständlich ist das regional sehr unterschiedlich. Und wenn es das in deinem näheren Umfeld alles nicht gibt, dann kannste froh sein. Aber solche Verwerfungen gibt es halt, vor allem im Osten. Das sollte man ernst nehmen. Es gibt dort ganze Gebiete, die infrastrukturell völlig abgehängt sind und deren Bewohner sich ebenfalls abgehängt fühlen. Ja, sie brauchen nicht hungern. Stimmt. Aber lebenswert ist das Dasein in der Niedriglohn-Spirale ganz sicher trotzdem nicht. Was die Einkommensgerechtigkeit anbelangt, da sollte das Unternehmertum schon mal gewaltig in sich gehen. Was natürlich nicht passieren wird :D
Und damit diese Leute nicht Rechtsradikalen hinterherlaufen, möchtest du denen jetzt die Kohle hinterherwerfen oder was?
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

lili hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:15)

Sie haben doch ihr Klientel verraten? Das zeigt sich auch in ihren Wahlergebnissen.
Nicht umsonst gibts den alten Spruch: "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!". Passt auf vieles in der Geschichte dieser Partei. Die mir natürlich trotzdem noch hundertmal lieber ist als diese braune Sippschaft in den Parlamenten.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Skull hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:24)

Guten Tag,

ich möchte allgemein und gerade Dich als Threaderöffner auf Dein eigenes gewähltes Thema verweisen.

> Ist der Neoliberalismus unsozial ?
Ja du hast Recht. Die SPD ist ein anderes Thema.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:26)

Nicht umsonst gibts den alten Spruch: "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!". Passt auf vieles in der Geschichte dieser Partei. Die mir natürlich trotzdem noch hundertmal lieber ist als diese braune Sippschaft in den Parlamenten.
Guten Tag,

auch hier...

Das Thema lautet: Ist der Neoliberalismus unsozial ?
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

VaterMutterKind hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:25)

Und damit diese Leute nicht Rechtsradikalen hinterherlaufen, möchtest du denen jetzt die Kohle hinterherwerfen oder was?
"Kohle hinterherwerfen?" Gehts noch? Ich will einfach, dass die SPD mal ihre Versprechen wahrmacht. Erstens sichtbare Korrekturen am Hartz-vier-Konstrukt. Zweitens Abbau der Kinderarmut durch eine Kindergrundsicherung, Mindestrente, von der man auch leben kann, ohne aufstocken zu müssen. Das ist alles kein Luxus, sondern müsste doch auch im Interesse derer sein, die den sozialen Frieden im Land nicht auf Dauer gefährdet sehen wollen. Das ist natürlich mit der CDU, die bekannt ist für ihre soziale Kälte, nicht hinzukriegen. Und falls Merz doch Kanzler werden sollte, hat sich das dann ganz erledigt.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

lili hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:15)

Sie haben doch ihr Klientel verraten? Das zeigt sich auch in ihren Wahlergebnissen.
Ich denke in den Wahlergebnissen spiegelt sich der Erfolg der besonderen Strategie Merkels wieder. Sie läßt die Minister machen und wenn erkennbar wird dass es beim Volk gut ankommt schafft sie es Erfolge als ihre Erfolge darzustellen. Und bei Mißerfolgen wie dem Gorch-Fock-Fiasko hält sie sich bedeckt.
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Re: Diskussionsstrang zur Moderation im Forum 10.

Beitrag von Selina »

Sorry, Skull, aber mit jedem einzelnen Satz habe ich belegt: Ja, der Neoliberalismus ist unsozial. Und zur Beantwortung dieser Frage gehört selbstverständlich auch die seit Schröder völlig veränderte SPD.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:34)

"Kohle hinterherwerfen?" Gehts noch? Ich will einfach, dass die SPD mal ihre Versprechen wahrmacht. Erstens sichtbare Korrekturen am Hartz-vier-Konstrukt. Zweitens Abbau der Kinderarmut durch eine Kindergrundsicherung, Mindestrente, von der man auch leben kann, ohne aufstocken zu müssen. Das ist alles kein Luxus, sondern müsste doch auch im Interesse derer sein, die den sozialen Frieden im Land nicht auf Dauer gefährdet sehen wollen. Das ist natürlich mit der CDU, die bekannt ist für ihre soziale Kälte, nicht hinzukriegen. Und falls Merz doch Kanzler werden sollte, hat sich das dann ganz erledigt.
Sozialgeschenke müssen finanziert werden. Hast du dir darüber auch Gedanken gemacht?
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

Skull hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:28)

Guten Tag,

auch hier...

Das Thema lautet: Ist der Neoliberalismus unsozial ?
Aber immer wieder schön zu sehen wie der Neoliberalismus zur SPD-Sache erklärt wird. Dabei war es doch gerade die FDP unter Guido Westerwelle der uns erklärt hat wie gut der Neoliberalismus und grenzenlose Privatisierungen gut fürs Volk wären.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

VaterMutterKind hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:40)

Sozialgeschenke müssen finanziert werden. Hast du dir darüber auch Gedanken gemacht?
Nochmal: Das sind keine Geschenke, sondern das ist die nötige staatliche Finanzierung zur Wahrung des Artikels 1 des Grundgesetzes.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:44)

Nochmal: Das sind keine Geschenke, sondern das ist die nötige staatliche Finanzierung zur Wahrung des Artikels 1 des Grundgesetzes.
Artikel 1 des Grundgesetzes wird jetzt schon eingehalten. Dafür braucht es keine weiteren Sozialleistungen.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:20)

Verarschen kann ich mich alleine. Selbstverständlich ist das regional sehr unterschiedlich. Und wenn es das in deinem näheren Umfeld alles nicht gibt, dann kannste froh sein. Aber solche Verwerfungen gibt es halt, vor allem im Osten. Das sollte man ernst nehmen. Es gibt dort ganze Gebiete, die infrastrukturell völlig abgehängt sind und deren Bewohner sich ebenfalls abgehängt fühlen. Ja, sie brauchen nicht hungern. Stimmt. Aber lebenswert ist das Dasein in der Niedriglohn-Spirale ganz sicher trotzdem nicht. Was die Einkommensgerechtigkeit anbelangt, da sollte das Unternehmertum schon mal gewaltig in sich gehen. Was natürlich nicht passieren wird :D
Schön das wir uns einig sind dass diskutieren sehr mühsam ist wenn das Gegenüber gnadenlos die Situation überzeichnet. Der Osten hat natürlich immer noch spezielle Probleme. Aber ich denke die wären ohne Agenda 2010 nicht kleiner. Als die gemacht wurde haben die Lohnnebenkosten die Firmen geradezu stranguliert. Auch im Osten! Was hätte man denn deiner Meinung nacht tun sollen um dieses Problem zu lösen?
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:47)

Schön das wir uns einig sind dass diskutieren sehr mühsam ist wenn das Gegenüber gnadenlos die Situation überzeichnet. Der Osten hat natürlich immer noch spezielle Probleme. Aber ich denke die wären ohne Agenda 2010 nicht kleiner. Als die gemacht wurde haben die Lohnnebenkosten die Firmen geradezu staranguliert. Auch im Osten! Was hätte man denn deiner Meinung nacht tun sollen um dieses Problem zu lösen?
Inzwischen wird keine Firma mehr stranguliert durch die Lohnnebenkosten. Und es gibt auch einige, die zahlen gut. Aber andere Unternehmen stellen immer noch nur befristet und nicht sozialversicherungspflichtig ein in so genannten Mini-Jobs. Die Leute nehmen diese Jobs aber nicht deshalb an, weil sie sich ein bisschen was dazuverdienen wollen oder weil ihre Qualifikation nicht reichen würde für eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle. Nein, sie müssen die schlecht bezahlten Jobs annehmen, weil sie ja von irgendwas leben müssen. Das aber heißt wegen des geringen Verdienstes aufstocken beim Amt. Unwürdig das Ganze. Es sollte zu den sozialen Standards gehören, dass man von seiner Hände Arbeit auch leben können muss. Ohne bei der Behörde um Aufstockung betteln zu müssen.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Wähler »

VaterMutterKind hat geschrieben:(22 Jul 2019, 15:26)
Die Agenda 2010 ist bestimmt nicht perfekt, aber so schlecht wie ihr Ruf ist sie auch nicht. Leiharbeit und die Lockerung des Kündigungsschutzes waren notwendig, um die Wirtschaft flexibel zu halten. Von diesen Instrumenten wird ja auch nur in Krisenjahren Gebrauch gemacht. In länger anhaltenden Boomzeiten setzt man doch nicht auf Leiharbeit. Und gekündigt wird auch nicht.
Grafik: Leiharbeitnehmer Deutschland 1991 bis 2017
https://www.boeckler.de/53499.htm
Bis auf das Jahr 2009 der Weltwirtschaftskrise ist die Leiharbeit in Deutschland kontinuierlich und unabhängig von der Konjunktur auf 1 Million gestiegen.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Gruwe »

Wähler hat geschrieben:(22 Jul 2019, 17:01)

Grafik: Leiharbeitnehmer Deutschland 1991 bis 2017
https://www.boeckler.de/53499.htm
Bis auf das Jahr 2009 der Weltwirtschaftskrise ist die Leiharbeit in Deutschland kontinuierlich und unabhängig von der Konjunktur auf 1 Million gestiegen.
Also ganze 2,7% der Erwerbstätigen? Haut mich jetzt nicht wirklich vom Hocker!
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:38)

Sorry, Skull, aber mit jedem einzelnen Satz habe ich belegt: Ja, der Neoliberalismus ist unsozial.

Und zur Beantwortung dieser Frage gehört selbstverständlich auch die seit Schröder völlig veränderte SPD.
Also ist die SPD mit und seit Schröder eine neoliberale Partei ? :?:

Und die Grünen auch ?

Und die CDU, CSU und die FDP dann sowieso ? Und die AfD gleich mit ? :D

Oder was ?

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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Wähler »

Gruwe hat geschrieben:(22 Jul 2019, 17:20)
Also ganze 2,7% der Erwerbstätigen? Haut mich jetzt nicht wirklich vom Hocker!
In Deutschland gibt es etwa 1 Million Leiharbeiter:
https://www.zeit.de/wirtschaft/2016-09/ ... st.link.sf
"4,17 Mio. Vollzeitkräfte haben 2017 zu Niedriglöhnen gearbeitet":
https://www.miese-jobs.de/chroniken/2018/15-08-18/
Anzahl der Vollzeitarbeitnehmer im April 2014 mit einem monatlichen Bruttoverdienst von...
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 58777.html
Mehr als 10% der Vollzeitarbeitskräfte liegen im Niedriglohnsektor.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

Skull hat geschrieben:(22 Jul 2019, 17:40)

Also ist die SPD mit und seit Schröder eine neoliberale Partei ? :?:

Und die Grünen auch ?

Und die CDU, CSU und die FDP dann sowieso ? Und die AfD gleich mit ? :D

Oder was ?

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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Kohlhaas »

Skull hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:07)

Was soll denn dann überhaupt ein staatliches geführtes Unternehmen sein ? :?: :D

mfg
OMG....!

Ich wiederhole es jetzt zum wiederholten Male: Ich habe auf eine Aussage geantwortet, in der es um "natürliche Monopole" in staatlicher Hand ging. Sei bitte so anständig und hör auf, meine Aussagen zwanghaft in einen anderen Zusammenhang stellen zu wollen!

Trotzdem noch eine Antwort auf Deine Frage:

- Die Deutsche Bundesbahn war ein staatlich geführtes Unternehmen, bis sie privatisiert und liberalisiert wurde. Seit der Privatisierung spielt der Staat als (Allein- oder Mit-)Eigentümer in der Bahn AG genau die gleiche Rolle, die private Eigentümer in privaten Unternehmen spielen. Vor der Privatisierung gab es keine "Geschäftsführer", die eigenständig unternehmerische Entscheidungen treffen konnten, und dabei im Wettbewerb zu anderen Unternehmern standen. Vor der Liberalisierung galten für das Unternehmen auch nicht allein die privatwirtschaftlichen Grundsätze für Beschäftigungsverhältnisse. Es gab darüber hinaus Angestellte im öffentlichen Dienst sowie Beamte. Das ist/war von entscheidender Bedeutung für die Rechtsstellung der betroffenen MENSCHEN!

- Die Deutsche Post war ein staatlich geführtes Unternehmen, bis sie privatisiert und liberalisiert wurde. Seit der Privatisierung spielt der Staat als (Allein- oder Mit-)Eigentümer in der Bahn AG genau die gleiche Rolle, die private Eigentümer in privaten Unternehmen spielen. Vor der Privatisierung gab es keine "Geschäftsführer", die eigenständig unternehmerische Entscheidungen treffen konnten, und dabei im Wettbewerb zu anderen Unternehmern standen. Vor der Liberalisierung galten für das Unternehmen auch nicht allein die privatwirtschaftlichen Grundsätze für Beschäftigungsverhältnisse. Es gab darüber hinaus Angestellte im öffentlichen Dienst sowie Beamte. Das ist/war von entscheidender Bedeutung für die Rechtsstellung der betroffenen MENSCHEN!

- Die Lufthansa war ein staatlich geführtes Unternehmen, bis sie privatisiert und liberalisiert wurde. Seit der Privatisierung ..... (siehe oben)

- Die Bundeswehr ist ein staatlich geführtes Unternehmen.... hoffentlich bis in alle Ewigkeit!

- Die Polizei ist ein staatlich geführtes Unternehmen.... hoffentlich... (siehe oben)

- Das Schulsystem ist ein staatlich geführtes Unternehmen, .... hoffentlich... (siehe oben)

Man könnte die Liste noch weiter führen. Universitäten, Rettungswesen, Feuerwehr, THW, Fernstraßenplanung...

Apropos Fernstraßenßlanung: Wenn wir da auch die Luftstraßen einbeziehen, bringt das vielleicht einen Aha-Effekt. Früher hätte alle Welt gedacht, dass Deutschland kein Problem damit hat, einen Flughafen wie BER zu planen und zu bauen. Alle Welt wird seit Jahren eines besseren belehrt. Alle Welt lacht uns seither aus. Die Privatwirtschaft hat es jedenfalls NICHT geschafft, den BER nach politischen Vorgaben zu planen und zu bauen.

Man sollte einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass die Theorien von Leuten wie Scott und Hume eben nur Theorien waren. Die konnten sich in der Realität nie beweisen. Im Gegenteil: Es hat sich wieder mal erwiesen, dass die Theorie fliegen kann, die Praxis aber zufuß gehen muss.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 16:56)

Inzwischen wird keine Firma mehr stranguliert durch die Lohnnebenkosten. Und es gibt auch einige, die zahlen gut. Aber andere Unternehmen stellen immer noch nur befristet und nicht sozialversicherungspflichtig ein in so genannten Mini-Jobs. Die Leute nehmen diese Jobs aber nicht deshalb an, weil sie sich ein bisschen was dazuverdienen wollen oder weil ihre Qualifikation nicht reichen würde für eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle. Nein, sie müssen die schlecht bezahlten Jobs annehmen, weil sie ja von irgendwas leben müssen. Das aber heißt wegen des geringen Verdienstes aufstocken beim Amt. Unwürdig das Ganze. Es sollte zu den sozialen Standards gehören, dass man von seiner Hände Arbeit auch leben können muss. Ohne bei der Behörde um Aufstockung betteln zu müssen.
So einfach ist es aber nicht. Du solltest dir nichts vormachen. Aufstockende Minjobber sind in der Regel zu gering qualifiziert. Das sind keine Handwerksgesellen sondern Menschen ohne Berufsabschluß oder einfache Verkäuferinnen. Man kann nicht jedem 15 €uro die Stunde und einen Vollzeitjob garantieren. Das ist illusorisch. Man kann nur jedem raten eine Ausbildung zu machen um erst gar nicht in so eine Situation zu geraten.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(22 Jul 2019, 19:04)

So einfach ist es aber nicht. Du solltest dir nichts vormachen. Aufstockende Minjobber sind in der Regel zu gering qualifiziert. Das sind keine Handwerksgesellen sondern Menschen ohne Berufsabschluß oder einfache Verkäuferinnen. Man kann nicht jedem 15 €uro die Stunde und einen Vollzeitjob garantieren. Das ist illusorisch. Man kann nur jedem raten eine Ausbildung zu machen um erst gar nicht in so eine Situation zu geraten.
Logisch, dass es nicht "so einfach" ist. Sage ich ja. Ich rede von realen Personen, die ich kenne. Und auch sonst weiß ich bei dem Thema schon sehr genau, wovon ich rede. Außerdem gehts um den gesamten Komplex Niedriglohn. Darunter sind Leute - wie ich oben bereits schrieb - die sind eben nicht "gering qualifiziert". Absolventen von Unis werden mit Vorliebe in befristete Billigjobs gesteckt. Selbst, wenn sie aus Forschungs- oder anderen Gründen nach dem Studium an der Uni bleiben, hangeln sie sich von befristetem Billigjob zu befristetem Billigjob. Familienplanung Fehlanzeige mit der Unsicherheit. Und es sind auch Menschen mit Behinderungen dabei, die durchaus gut ausgebildet und arbeitsfähig sind, nur aktuell halt unter einer Behinderung leiden, mitunter bis ans Lebensende. Die brauchen logischerweise eine spezielle Arbeitsmarkt-Förderung, nicht diesen Einheits-Mist im Jobcenter. Die Arbeitslosenquote bei Behinderten ist besonders hoch. Die Vorstellung, Aufstocker und andere Hartz-vier-Bezieher seien alles gering Qualifizierte und auch ein bisschen faul und unbeweglich, ist eine typisch neoliberale Haltung. Die Betroffenen sind doppelt angeschmiert, sie müssen in ewig unsicheren und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen existieren und werden obendrein noch verhöhnt und als nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig hingestellt. Unsäglich, aber alles gewollt vom feinen Herrn Schröder und den noch konservativeren Leuten, die ihm applaudiert haben und heute immer noch applaudieren.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 19:35)

Logisch, dass es nicht "so einfach" ist. Sage ich ja. Ich rede von realen Personen, die ich kenne. Und auch sonst weiß ich bei dem Thema schon sehr genau, wovon ich rede. Außerdem gehts um den gesamten Komplex Niedriglohn. Darunter sind Leute - wie ich oben bereits schrieb - die sind eben nicht "gering qualifiziert". Absolventen von Unis werden mit Vorliebe in befristete Billigjobs gesteckt. Selbst, wenn sie aus Forschungs- oder anderen Gründen nach dem Studium an der Uni bleiben, hangeln sie sich von befristetem Billigjob zu befristetem Billigjob. Familienplanung Fehlanzeige mit der Unsicherheit. Und es sind auch Menschen mit Behinderungen dabei, die durchaus gut ausgebildet und arbeitsfähig sind, nur aktuell halt unter einer Behinderung leiden, mitunter bis ans Lebensende. Die brauchen logischerweise eine spezielle Arbeitsmarkt-Förderung, nicht diesen Einheits-Mist im Jobcenter. Die Vorstellung, Aufstocker und andere Hartz-vier-Bezieher seien alles gering Qualifizierte und auch ein bisschen faul und unbeweglich, ist eine typisch neoliberale Haltung. Die Betroffenen sind doppelt angeschmiert, sie müssen in ewig unsicheren und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen existieren und werden obendrein noch verhöhnt und als nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig hingestellt. Unsäglich, aber alles gewollt vom feinen Herrn Schröder und den noch konservativeren Leuten, die ihm applaudiert haben und heute immer noch applaudieren.
Durch dein Beitrag ist mir jetzt auch eine Frage eingefallen: Ist dass jetzt eher neoliberal oder konservativ. Die Agenda 2010 kam ja auch vom Seeheimer Kreis und dass ist der rechte Flügel von der SPD. Sie gilt als den konservativen Part.

Deswegen wäre auch die spannende Frage: Ist Schröder konservativ oder neoliberal? Mit konservativ verstehe ich den Status Quo beibehalten.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

lili hat geschrieben:(22 Jul 2019, 19:40)

Durch dein Beitrag ist mir jetzt auch eine Frage eingefallen: Ist dass jetzt eher neoliberal oder konservativ. Die Agenda 2010 kam ja auch vom Seeheimer Kreis und dass ist der rechte Flügel von der SPD. Sie gilt als den konservativen Part.

Deswegen wäre auch die spannende Frage: Ist Schröder konservativ oder neoliberal? Mit konservativ verstehe ich den Status Quo beibehalten.
Beides, konservativ und neoliberal, jedenfalls nicht sozialdemokratisch im ursprünglichen Sinne. Das war er mal, ist lange her. Von Thatcher und später Blair in Großbritannien begonnen, setzte Schröder deren Werk des Sozialabbaus in Deutschland weiter fort. Motto: Der Markt wirds schon richten. So wichtig ist die Frage meines Erachtens auch nicht, wie man diese Erscheinungen nun bezeichnet. Es ist jedenfalls eine endlose Entsozialdemokratisierung im Gange, wie man sieht. Mit den erwähnten Folgen... bis hin zur bewusst in Kauf genommenen Altersarmut vieler Menschen.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 19:52)

Beides, konservativ und neoliberal, jedenfalls nicht sozialdemokratisch im ursprünglichen Sinne. Das war er mal, ist lange her. Von Thatcher und später Blair in Großbritannien begonnen, setzte Schröder deren Werk des Sozialabbaus in Deutschland weiter fort. Motto: Der Markt wirds schon richten. So wichtig ist die Frage meines Erachtens auch nicht, wie man diese Erscheinungen nun bezeichnet. Es ist jedenfalls eine endlose Entsozialdemokratisierung im Gange, wie man sieht. Mit den erwähnten Folgen... bis hin zur bewusst in Kauf genommenen Altersarmut vieler Menschen.

Ja das ist nicht Sozialdemokratisch. Für mich ist die Frage schon wichtig, weil ich ansonsten jemanden zu Unrecht beschuldige der sich evtl. ganz klar davon distanziert und mir dann erklärt dass es das nicht ist. Von den Medien kann ich auch keine klare Berichtserstattung erwarten.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

lili hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:08)

Ja das ist nicht Sozialdemokratisch. Für mich ist die Frage schon wichtig, weil ich ansonsten jemanden zu Unrecht beschuldige der sich evtl. ganz klar davon distanziert und mir dann erklärt dass es das nicht ist. Von den Medien kann ich auch keine klare Berichtserstattung erwarten.
Das ist schon sehr schwierig zu beantworten. Je nachdem, wo man sich selbst politisch sieht, so wird die Antwort ausfallen. Die eher konservativen Leute werden den Vorwurf des unsozialen Neoliberalismus natürlich strikt von sich weisen, die Linksliberalen und die Linken sehen das natürlich genauso, wie hier beschrieben.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:29)

Das ist schon sehr schwierig zu beantworten. Je nachdem, wo man sich selbst politisch sieht, so wird die Antwort ausfallen. Die eher konservativen Leute werden den Vorwurf des unsozialen Neoliberalismus natürlich strikt von sich weisen, die Linksliberalen und die Linken sehen das natürlich genauso, wie hier beschrieben.
Ich kenne auch Neoliberale die sagen die Agenda 2010 ist nicht neoliberal. Einige meinten es wäre neosozial mit der Bergründung, dass der Hilfeempfänger der Gemeinschaft etwas schulde und die Bürokratie dadurch schlimmer geworden ist. Die anderen sagen wiederum neoliberal bedeutet, auch soziale Verantwortung und hat mit dem Marktradikalismus nichts zu tun. Andere geben wiederum den Staat die Schuld und es sei der Markt überhaupt nicht beteiligt. Ich habe schon den Begriff Wirtschaftssozialismus gehört, weil die Verluste sozialisiert werden. Das ist ein richtiges Durcheinander.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

lili hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:35)

Ich kenne auch Neoliberale die sagen die Agenda 2010 ist nicht neoliberal. Einige meinten es wäre neosozial mit der Bergründung, dass der Hilfeempfänger der Gemeinschaft etwas schulde und die Bürokratie dadurch schlimmer geworden ist. Die anderen sagen wiederum neoliberal bedeutet, auch soziale Verantwortung und hat mit dem Marktradikalismus nichts zu tun. Andere geben wiederum den Staat die Schuld und es sei der Markt überhaupt nicht beteiligt. Ich habe schon den Begriff Wirtschaftssozialismus gehört, weil die Verluste sozialisiert werden. Das ist ein richtiges Durcheinander.
Ich sehe solche Fragen immer aus der Sicht der Betroffenen. Wer einmal unten angekommen ist, wer aus der Armuts- und Niedriglohn-Falle nicht mehr rauskommt, weil es in seiner Region einfach nur Billigarbeitsplätze gibt und er trotzdem sein Zuhause nicht aufgeben will und kann, der weiß genau, warum das so ist. Für den ist es egal, ob man die Verantwortlichen nun konservativ oder neoliberal nennt. Diese Leute haben die Erfahrung gemacht, dass die deutsche Einheit neben bürgerlichen Freiheiten (positiv) eben auch eine immense soziale Unsicherheit (negativ) gebracht hat. So ist er halt, der Kapitalismus.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:45)

Ich sehe solche Fragen immer aus der Sicht der Betroffenen. Wer einmal unten angekommen ist, wer aus der Armuts- und Niedriglohn-Falle nicht mehr rauskommt, weil es in seiner Region einfach nur Billigarbeitsplätze gibt und er trotzdem sein Zuhause nicht aufgeben will und kann, der weiß genau, warum das so ist. Für den ist es egal, ob man die Verantwortlichen nun konservativ oder neoliberal nennt. Diese Leute haben die Erfahrung gemacht, dass die deutsche Einheit neben bürgerlichen Freiheiten (positiv) eben auch eine immense soziale Unsicherheit (negativ) gebracht hat. So ist er halt, der Kapitalismus.
Wer nicht flexibel auf den Arbeitsmarkt reagieren will, der muss mit Hartz 4 oder Niedriglohn leben. Selber schuld. Dann hat man sich selbst eine Fall gestellt. Dafür kann niemand etwas ausser die betroffene Person allein.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

VaterMutterKind hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:51)

Wer nicht flexibel auf den Arbeitsmarkt reagieren will, der muss mit Hartz 4 oder Niedriglohn leben. Selber schuld. Dann hat man sich selbst eine Fall gestellt. Dafür kann niemand etwas ausser die betroffene Person allein.
Nein. Dafür sind selbstverständlich politische Weichen gestellt worden. Das ist aber das kleine Einmaleins in der Politik. Da kommste mit Individualisierung nicht weiter.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:56)

Nein. Dafür sind selbstverständlich politische Weichen gestellt worden. Das ist aber das kleine Einmaleins in der Politik. Da kommste mit Individualisierung nicht weiter.
Genau. Alle anderen sind schuld, nur man selbst nicht.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von lili »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:45)

Ich sehe solche Fragen immer aus der Sicht der Betroffenen. Wer einmal unten angekommen ist, wer aus der Armuts- und Niedriglohn-Falle nicht mehr rauskommt, weil es in seiner Region einfach nur Billigarbeitsplätze gibt und er trotzdem sein Zuhause nicht aufgeben will und kann, der weiß genau, warum das so ist. Für den ist es egal, ob man die Verantwortlichen nun konservativ oder neoliberal nennt. Diese Leute haben die Erfahrung gemacht, dass die deutsche Einheit neben bürgerlichen Freiheiten (positiv) eben auch eine immense soziale Unsicherheit (negativ) gebracht hat. So ist er halt, der Kapitalismus.
Das ist sicherlich richtig. Nur wenn man nicht klar bennen kann welches System wir aktuell haben bzw. haben möchten. Wird es schwierig mit der praktischen Umsetzung.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

VaterMutterKind hat geschrieben:(22 Jul 2019, 20:57)

Genau. Alle anderen sind schuld, nur man selbst nicht.
Nein. Das ist meistens eine Mischung aus gesellschaftlich-politischen und individuellen Gründen. Beide Seiten spielen immer eine Rolle. Daher gibt es auch Regionen, da ist die Langzeitarbeitslosigkeit höher als anderswo und umgekehrt. Mir hat mal eine regionale Jobcenter-Mitarbeiterin aus der Leitungsebene gesagt, diejenigen, die einfach nur faul seien und das Hartz-vier-System nur ausnutzten würden, könne sie an zwei Händen abzählen. Sie seien der Behörde bestens bekannt. Das sei aber - wie gesagt - eine sehr kleine Minderheit. Die anderen - die Mehrheit also - seien auf Grund vieler verschiedener Umstände auf Hartz vier angewiesen. Nix Faulheit, nix Bequemlichkeit.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von VaterMutterKind »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 21:08)

Nein. Das ist meistens eine Mischung aus gesellschaftlich-politischen und individuellen Gründen. Beide Seiten spielen immer eine Rolle. Daher gibt es auch Regionen, da ist die Langzeitarbeitslosigkeit höher als anderswo und umgekehrt. Mir hat mal eine regionale Jobcenter-Mitarbeiterin aus der Leitungsebene gesagt, diejenigen, die einfach nur faul seien und das Hartz-vier-System nur ausnutzten würden, könne sie an zwei Händen abzählen. Sie seien der Behörde bestens bekannt. Das sei aber - wie gesagt - eine sehr kleine Minderheit. Die anderen - die Mehrheit also - seien auf Grund vieler verschiedener Umstände auf Hartz vier angewiesen. Nix Faulheit, nix Bequemlichkeit.
Klar. Einfach Pech. Und die anderen haben einfach nur unverdientes Glück gehabt. Die haben nichts für den guten Job getan. Der ist denen so zugefallen.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Selina »

VaterMutterKind hat geschrieben:(22 Jul 2019, 21:11)

Klar. Einfach Pech. Und die anderen haben einfach nur unverdientes Glück gehabt. Die haben nichts für den guten Job getan. Der ist denen so zugefallen.
Hat keiner gesagt.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Skull »

Kohlhaas hat geschrieben:(22 Jul 2019, 18:48)

- Die Bundeswehr ist ein staatlich geführtes Unternehmen.... hoffentlich bis in alle Ewigkeit!

- Die Polizei ist ein staatlich geführtes Unternehmen.... hoffentlich... (siehe oben)

- Das Schulsystem ist ein staatlich geführtes Unternehmen, .... hoffentlich... (siehe oben)
Das sind alles keine staatlich geführten Unternehmen.

(im Gegensatz zur Deutschen Bahn AG - das ist ja eines)


Was bastelst Du Dir da zusammen ? :?: :D

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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von Alter Stubentiger »

Selina hat geschrieben:(22 Jul 2019, 19:35)

Logisch, dass es nicht "so einfach" ist. Sage ich ja. Ich rede von realen Personen, die ich kenne. Und auch sonst weiß ich bei dem Thema schon sehr genau, wovon ich rede. Außerdem gehts um den gesamten Komplex Niedriglohn. Darunter sind Leute - wie ich oben bereits schrieb - die sind eben nicht "gering qualifiziert". Absolventen von Unis werden mit Vorliebe in befristete Billigjobs gesteckt. Selbst, wenn sie aus Forschungs- oder anderen Gründen nach dem Studium an der Uni bleiben, hangeln sie sich von befristetem Billigjob zu befristetem Billigjob. Familienplanung Fehlanzeige mit der Unsicherheit. Und es sind auch Menschen mit Behinderungen dabei, die durchaus gut ausgebildet und arbeitsfähig sind, nur aktuell halt unter einer Behinderung leiden, mitunter bis ans Lebensende. Die brauchen logischerweise eine spezielle Arbeitsmarkt-Förderung, nicht diesen Einheits-Mist im Jobcenter. Die Arbeitslosenquote bei Behinderten ist besonders hoch. Die Vorstellung, Aufstocker und andere Hartz-vier-Bezieher seien alles gering Qualifizierte und auch ein bisschen faul und unbeweglich, ist eine typisch neoliberale Haltung. Die Betroffenen sind doppelt angeschmiert, sie müssen in ewig unsicheren und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen existieren und werden obendrein noch verhöhnt und als nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig hingestellt. Unsäglich, aber alles gewollt vom feinen Herrn Schröder und den noch konservativeren Leuten, die ihm applaudiert haben und heute immer noch applaudieren.
Ach Uniausbildung. Das ist ohnehin ein Thema für sich. Wir haben zuwenig MINT-Absolventen und zuviele Laberfach-Absolventen. Und die stehen dann tatsächlich oft in der Pommesbude hinter der Theke. Wir haben vor kurzem noch einen Mediengestalter gesucht. Dutzende von Bewerbungen. Und eine Fachkraft für die Produktion. Die Stelle ist immer noch unbesetzt.... Die Leute sollten sich auch mal überlegen ob ihr Studium wirklich zukunftsfähig ist.

Die Randgruppen wie Behinderte lassen wir mal außen vor. Auch deren Problem ist nicht die Agenda2010. Die hatten schon immer ein Problem am Arbeitsmarkt. Arbeitgeber zahlen lieber die Behindertenabgabe weil der Arbeitnehmerschutz quasi Unkündbarkeit für den Behinderten bedeutet. Und die haben Extraansprüche die eben auch Extrakosten bedeuten. Aber wie gesagt das Problem hat nichts mit Neoliberalismus oder der Agenda2010 zu tun und sollte gesondert diskutiert werden.
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Re: Ist der Neoliberalismus unsozial

Beitrag von z4ubi »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(22 Jul 2019, 09:03)

Das stimmt so nicht. Die Agenda war ein riesiger Erfolg. Du musst auch mal die Ausgangslage betrachten. Wirtschaftlich hatten z.B. Deutschland und Frankreich dieselben Probleme. Auch bei der Arbeitslosigkeit. Deutschland hat dann die Agenda 2010 installiert, Frankreich hat nichts getan. Und die Folgen sind man heute sehr deutlich.

Die Agenda2010 war nicht perfekt. So manches funktionierte nicht so wie gedacht. Aber insgesamt war sie ein großer Erfolg. Was damals besonders fehlte war ein Mindestlohn. Aber den haben wir ja doh noch gekriegt. Gegen den erbitterten Widerstand der Neoliberalen.
Ich würde sagen, die Agenda 2010 war weder ein Erfolg, noch sollte sich Frankreich daran ein Beispiel nehmen. Es gab in den letzten 20 Jahren doch nur eine Entwicklung in
Deutschland, die positiv verlaufen ist, und zwar die Entwicklung der Leistungs- und Handelsbilanz. Wenn man seinen Wohlstand also haupstächlich durch Exporte und Geld aus dem Ausland abhängig macht und durch Lohnzurückhaltung nicht einmal für eine soziale Verteilung dieses Wohlstandes sorgt, wieso sollte das für andere Länder von Vorbild sein?
Und an welches Modell sollen sich dann die Länder halten, die uns und einem Frankreich nach deutschem Vorbild zu den Leistungsbilanzüberschüssen verhelfen?

ps: wenn ich mir Frankreichs Inflationsraten seit 2008 anschaue, sieht das nicht danach aus, als würde man dort über seinen Verhältnissen leben.
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