Atue001 hat geschrieben:(09 Dec 2020, 23:36)
Es ist schon richtig, dass wir heute verschiedenste Probleme mit Hartz IV und anderen SGB-Geldern haben - dazu zählt auch, dass leider nicht immer jeder der einen Anspruch auf eine Leistung hätte, dies auch kennt. Es kommt auch vor, dass zwar ein Anspruch besteht, aber die Realisierung des Anspruchs an formalen Problemstellungen scheitert. Allein durch die Einführung eines BGEs ist allerdings noch lange nicht garantiert, dass diese Hürden auch alle gänzlich beseitigt sind.
Ich teile nicht die These, dass in einer Gesellschaft mit BGE niemand mehr auf der Straße leben würde. Hierzu sind die Schicksale viel zu individuell und müssten dann auch jeweils individuell darauf analysiert werden, was genau bezüglich der heute existierenden sozialen Sicherungssysteme schief gelaufen ist.
Dass ein BGE innerhalb gewisser Grenzen prinzipiell finanzierbar ist, ist eigentlich kaum mehr bestritten - auch wenn hier im Forum die niedrig gerechnete Zahl von 650€ sicherlich noch nicht sonderlich attraktiv wirkt. Gerade weil immer wieder die (falsche) These entsteht, dass ein BGE nur bis zu dieser Höhe finanzierbar ist, ist die Argumentation etwas schräg, dass mit einem so niedrigen BGE zu viele nicht mehr arbeiten würden....
Das auch deshalb, da ein noch so geringes BGE gegen finanziert werden muss. Dafür wird man Steuern oder Abgaben erheben müssen, die ggf. den Nettozugewinn durch ein BGE wieder relativieren oder sogar ganz aufheben. Ob ein BGE jemanden vom Arbeiten abhält hängt also nicht nur von der Höhe des BGEs ab, sondern auch davon, was man sich von diesem BGE ganz realistisch tatsächlich leisten kann - und zwar unter Berücksichtigung der Gegenfinanzierungsmaßnahmen.
Dies ändert sich auch nicht, wenn man statt einem BGE von 650€ ein BGE von 1.500€ anführt.
Prinzipiell halte ich BGEs in Höhe bis zu 1.500€ durchaus für darstellbar - geht es über diesen Betrag hinaus, wird es in Deutschland ziemlich schwer, eine solide Gesamtkonstruktion zu finden, die dann auch noch auf eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz stößt.
Die Wesentlichen Vorteile eines BGEs liegen deshalb meiner Überzeugung nach auch weniger in der Vermeidung von dramatischen Einzelschicksalen, sondern darin, dass der Umstieg auf ein BGE-System diverse heute vorhandene Systembrüche im Finanz- und Sozialsystem grundlegend vermeiden hilft. Damit werden systematische Sollbruchstellen bezüglich der Gerechtigkeitsthematik deutlich vermieden, Unschärfen werden transparent und geraten überhaupt erst in den Fokus der Öffentlichkeit. In der Folge entsteht ein breites Bewusstsein dafür, welchen Sozialstaat wir uns leisten wollen.
Darüber hinaus schafft Transparenz und Stringenz eines BGE-Systems eine Grundsicherheit in der Gesellschaft, was die Thematik der Existenzsicherung angeht. Es gibt ausreichend Studien dazu, dass eine solche Grundsicherheit für das Glücksgefühl oder mindestens die Zufriedenheit einer Bevölkerung in der Breite äußerst positiv wirkt. Mit einer solchen Grundsicherheit wird die Basis verstärkt, die dazu führt, dass mehr Menschen eigenverantwortlich und selbstbewusst den Schritt ins Unternehmertum wagen. Mehr Unternehmertum sollte nicht gerade sonderlich schädlich sein......
Dass mit einer BGE-Gesellschaft die negativen Auswüchse von Faulenzertum u.ä. verstärkt würden, halte ich für ein Gerücht. Auch ohne BGE haben wir diese Auswüchse, und solange wir im Rahmen dessen bleiben was mit einem modernen Grundgesetz mit menschenwürde machbar ist, kann man getrost sagen, dass alle bisherigen Versuche mit mehr Druck und Drangsale diese Auswüchse einzudämmen, ziemlich genau gar nichts bewirkt haben. Deshalb wird man diese Auswüchse auch zukünftig kaum erfolgreich bekämpfen, indem man so weiter macht wie bisher, oder irgendwie versucht, den Druck noch zu erhöhen.
BGE ist ein grundlegend anderer Ansatz - der keine Wunder vollbringen wird, aber der das Potential hat, verstärkend positive Kräfte in der Gesellschaft wirksam werden zu lassen.