Skull hat geschrieben:(09 Jun 2021, 06:43)
Wenn Du mir sagen kannst, welche bestimmte Waren da definiert sein sollen ?
Neben den Regelleistungen aus Hartz IV eben auch die von mir genannten Leistungen für Wohnung, Heizung, PV und KV.
Regelleistungen Hartz IV:
Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke 154,78 EUR
Freizeit, Unterhaltung, Kultur 43,52 EUR
Nachrichtenübermittlung 39,88 EUR
Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung 37,81 EUR
Bekleidung, Schuhe 37,01 EUR
Verkehr 40,01 EUR
Andere Waren und Dienstleistungen 35,53 EUR
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände 27,17 EUR
Gesundheitspflege 17,02 EUR
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen 11,65 EUR
Bildung 1,61 EUR
Insgesamt 446 EUR
Wohnung für einen Single typischerweise so um die 46qm - warm. Mal ein bisschen mehr, selten deutlich weniger. Was man dafür im Mittel ausgibt, kannst du in gängigen Tabellen ablesen. 500€ kommen da je nach Standort zusammen. PV und KV als Kopfpauschale kalkuliert kommen auf ca. 350€. Je nach genauer Wohnsituation kommt so ein Erwachsener Hartz IV Empfänger auf "Waren" bzw. Gegenleistungen im Wert von ca. 1000-1300€.
Im Steuerrecht werden ähnliche Gesamtbeträge als Grundfreibetrag ohne KV/PV gewährt (812€) - rechnet man diese wieder als Pauschale mit drauf sind wir auch in dem Range von 1000-1300€.
Man kann das ignorieren, oder auch einfach mal als gesetzt für das Existenzminimum akzeptieren und dies auch als Basis für eine vernünftige Diskussion eines denkbaren BGEs in Höhe des Existenzminimums annehmen.
Skull hat geschrieben:(09 Jun 2021, 06:43)
Desweiteren wird natürlich der grösste Teil eben über Eigenmittel finanziert,
eben nicht über den Staat und aus Steuermitteln.
Das nennt sich meistens Gehalt. Und wenn der Staat auf ein Existenzminimum keine Steuern erhebt,
ist das keine staatliche Finanzierung, sondern weiterhin privates Familieneinkommen.
Zweidrittel der RV werden von Arbeitgebern und Arbeitnehmen finanziert. Also auch nicht aus Steuermitteln.
mfg
Klar - das habe ich auch nicht anders geschrieben. So ist es heute organisiert. Bedeutet halt auch, dass das Geld im System drin ist. Denn es wird finanziert. Damit kann man durch Umorganisation sogar kostenneutral einfach nur durch Umetikettierung diese Mittel in ein BGE-System einbauen. Letzten Endes basieren auf solchen oder leicht abgewandelten Überlegungen sehr viele BGE-Finanzierungsansätze - regelmäßig wird allenfalls ein kleinerer Teil in echte neue Umverteilung münden. Doch genau bei diesem kleineren Teil wird es interessant - über den lohnt es sich auch zu diskutieren. Oft genug werden damit organisatorische Probleme des heutigen Systems korrigiert. Die könnte man auch heute ohne BGE korrigieren - aber jede entsprechende Korrektur kostet.
Korrekturwürdig wäre (um nur ein Beispiel zu nennen) der Übergangsbereich zwischen Hartz IV und bezahlter Arbeit - es ist schon ein systematisches Problem, dass hier für Hartz IV Empfänger der subjektive Eindruck entsteht, dass sich Arbeit nicht wirklich lohnt.
Man kann aber auch durchaus die Frage stellen, ob wir ausreichend Steuergerechtigkeit haben, wenn bei allen Steuerzahlern trotz sehr individueller Lebensverhältnisse der gleiche Grundfreibetrag zugrunde gelegt wird. Ich halte es durchaus für denkbar, dass Kläger aus München, Stuttgart oder Berlin durchaus erfolgreich begründen könnten, warum sie einen höheren Grundfreibetrag geltend machen wollen, weil dort schlicht und einfach der Grundfreibetrag nicht ausreicht, um die Existenzsicherung bei den gängigen Mieten dort zu gewährleisten. So gesehen zahlt so mancher Münchner ziemlich sicher zu viele Steuern.....
Skull hat geschrieben:(09 Jun 2021, 06:43)
Nehme die Steuereinnahmen des Staates, ziehe davon seine originären Aufgaben (also nicht den Sozialbereich) ab,
und Du kommst in etwa auf den Anteil der „staatlichen“ Finanzierung. HEUTE.
Du meinst also ernsthaft, dass der Sozialbereich keine originäre Aufgabe des Staates wäre? Im Gegenzug meinst du ernsthaft, dass Subventionspolitik eine originäre Aufgabe des Staates ist? Ich frag nur mal vorsichtshalber nach.....
Was Aufgabe des Staates ist, findet sich in Grundzügen im Grundgesetz wieder. Dass die Sicherstellung der Existenz dazu gehört, ist eigentlich unstrittig - dass der Bürger dafür auch einen Eigenanteil erbringen muss - ist auch unstrittig.
Insofern ist es schade, dass wir immer wieder über Selbstverständlichkeiten diskutieren müssen - anstatt mal ernsthaft und ohne ideologische Scheuklappen über alternative Organisationsformen der Existenzsicherung.
Ein BGE rein auf Existenzsicherungsniveau ist lediglich eine andere Organisationsform dessen, was heute schon gängige Praxis ist. Immer wieder die ollen Kamellen auszugraben, dass allenfalls 600€ finanzierbar wären, hilft noch nicht mal dem Leierkastenmann.
"Staatliche Finanzierung" ist auch so ein Buzzword mit Totschlagargumentationsstatus.
Ein schönes Beispiel dafür ist die Rente!
WENN der Staat noch jeden Arbeitnehmer verpflichten würde zu Riestern, würde sich an der staatlichen Finanzierung genau nichts ändern - und dennoch wären individuelle Gelder gebunden, und müssten in Risterrenten angelegt werden. Würde der Staat stattdessen Riester aufgeben, aber die Rentenbezüge etwas erhöhen, wären die Gelder durch die staatliche Rente im Gesamthaushalt enthalten.......
Vieles was da als Scheinargumentationen verwendet wird ist in der Praxis nur "Rechte Tasche - Linke Tasche".
Ein schönes Beispiel wären die KV-Beiträge. Würde man die paritätische Finanzierung aufgeben, und die Bruttolöhne der Arbeitnehmer um die Arbeitgeberbeiträge zur KV erhöhen, dann aber vom Arbeitnehmer die gesamten Beiträge zur KV erheben, wäre Netto diese Transformation neutral. Trotzdem würde ab diesem Zeitpunkt sich einiges ändern, weil die Arbeitgeber aus dem Thema KV raus wären.......Finanziell aber wäre das im ersten Schritt völlig neutral.
Der Staat kann viele Aufgaben privatisieren - wenn der gesetzliche Rahmen stimmt, ist dann der Staat aus der Finanzierung draußen - gleichzeitig aber kann der Staat auch jeden Bürger verpflichten, privat organisierte Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen. (Beispiel: Hausbesitzer müssen in vielen Bundesländern Elementarschäden absichern....das geht nur privat....aber ohne Absicherung geht es eben nicht....solche Leistungen werden dann nicht über den Staatshaushalt verbucht, aber sind MUSS-Leistungen! für die der Staat verantwortlich ist......)
Würde sich der Staat vollständig aus der KV zurückziehen, gleichzeitig aber definieren, dass jeder eine KV haben muss, und gleichzeitig den privaten KVs auferlegen, dass sie bestimmte Angebote machen müssen.....die KV wäre nicht mehr in den Statistiken zum Gesamthaushalt des Staates enthalten....was sie heute ist. Vieles ist also nur Statistik und Definitionssache....und gerade wenn es in einer BGE-Diskussion um wichtige Basics wie eine KV oder PV geht, kann man schnell den Blick verschleiern, indem man auf Fakten hinweist, die eben keine Basics sind, sondern die leicht veränderbar sind.
Die Grundlagen der Existenzsicherung hingegen sind kaum mehr Basics - gerade weil es zunehmend mehr auch höchstrichterliche Urteile gibt, wie das einzuschätzen und zu bewerten ist, wird der Spielraum für die Existenzsicherung immer kleiner. Der Staat hat für diese eine elementare Mitverantwortung. Und dieser kann der Staat gerecht werden, indem er es so organisiert, wie er es heute tut - oder aber, indem er die Existenzsicherung anders organisiert - beispielsweise in Form eines BGEs.
DAS wäre das eigentlich Diskussionswürdige hinter einer BGE-Diskussion - die 600€ als Obergrenze des Möglichen ist nur eine weitere Nebelkerze von vielen.