syna hat geschrieben:(03 Dec 2021, 11:36)
Es ist nicht nur eine Frage der Höhe des BGEs. Es ist auch eine Frage des Selbstverständnisses
des Einzelnen - und eine Frage, wie "die Arbeitswelt" in unserem Staat funktioniert: ...
Es ist eine Frage der Höhe des BGEs. Das Selbstverständnis des Einzelnen kommt erst danach als Faktor hinzu. Wenn du heute jedem 5000€ gibst, wird kaum einer mehr arbeiten gehen.
Das Selbstverständnis spielt nur eine Rolle im Grenzbereich zwischen Existenzminimum und etwas mehr.
Na, das ist ja schon lange geklärt: Dadurch, dass das BGE ja jeder bekommt - auch der Millionär,
wird jeder "Hinzuverdienst" wie ein normaler Verdienst behandelt und auch genauso besteuert,
z.B. als 50% Flattax an der Quelle.
Genau der letzte Halbsatz ist noch lange nicht geklärt und heftig umstritten - und da gibt es auch viele unterschiedliche Denkschulen bei den BGE-Befürwortern.
HEUTE wird an der Grenze zwischen Hartz IV und "auf eigenen Füßen stehen" bis zu 90% verrechnet. DAS ist arbeitsfeindlich. Subjektiv entsteht bei Betroffenen das Gefühl, dass sie sich bei oftmals harter körperlicher Arbeit nicht mehr leisten können, als nur mit Hartz IV. Das ist mit ein Grund, warum es zu viele gibt, die nicht zuverdienen wollen. Du kannst genau diesen Effekt auch bei einem BGE-Modell erreichen - wenn du zu heftig an der Grenze zwischen dem, wo Menschen nur vom BGE leben und dem, dass Menschen zuverdienen, zu hoch verrechnest.
Die hohe Verrechnungsrate bei Hartz IV ergibt sich ein wenig aus der Denklogik von Hartz IV. Deshalb wäre eine neue Denke a la BGE hier schon hilfreich. Prinzipiell aber kann man diesen relevanten Grenzbereich auch heute schon so gestalten, dass es sich lohnt, arbeiten zu gehen. Im Denkschema von Hartz IV aber passiert das nicht oder zu wenig - BGE-Modelle hingegen arbeiten und wirken anders, weshalb der Übergang regelmäßig deutlich freundlicher gestaltet wird.
Prinzipiell braucht es dafür kein BGE - aber weil es um Haltungen geht, ist ein BGE mit seiner Denkweise hilfreich, um den bekannten Missstand zu beheben.
Skull hat geschrieben:(03 Dec 2021, 13:38)
...
Speziell ICH halte nur eine Betrachtung von 1000 Euro und mehr (zuletzt wurden hier ja 1.500 Euro genannt)
weder für realistisch, noch für finanzierbar, noch ansatzweise … für sinnvoll.....
mfg
Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Nennung eines konkreten Betrages dann und nur dann sinnvoll ist, wenn der jeweilige Betrag im Kontext dessen genannt wird, was er alles beinhaltet.
Ich bin sofort dabei, dass Überlegungen zur MASSIVEN sozialen Unterstützung über das Existenzminimum hinaus kaum realistisch sind. KLEINE Anpassungen im Detail hingegen wahrscheinlich schon. Ich bin auch dabei, dass bei Anpassungen immer auch gerechtfertigt verargumentiert werden kann und darf und sogar muss, ob die Anpassung nicht nach unten vorgenommen werden sollte.
Bei der Frage allerdings, was das Existenzminimum beinhaltet, sollte man dies genau definieren. Das beinhaltet heute schon nicht nur die Geldleistungen aus Hartz IV, sondern auch eine angemessene Wohnung (die ich in der vorhandenen Allgemeinheit kritisch hinterfragen würde), sowie Leistungen für die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung.
Der nominale WERT dieser Leistungen der Existenzsicherung liegt heute schon faktisch für Erwachsene deutlich oberhalb von 1.000€ je Kopf. Je nachdem was im Detail und wie ge- und verrechnet wird, kommt man auch auf mehr als 1.200€.
ABER: Das Bedeutet nicht (!) dass sich Empfänger einer solchen Existenzsicherung deshalb auch nur einen Artikel mehr leisten könnten als heute.
WENN es zu einem BGE kommt, wird dieses BGE faktisch bedeuten, dass nur wenige mehr Konsum- oder Investitions-Möglichkeiten durch das BGE erhalten. Bei den meisten Menschen wird die Einführung eines BGEs wenig verändern.
Im Detail aber kann sich viel ändern - beispielsweise im Verhältnis der Geschlechter, beispielsweise bei der subjektiven Bewertung der Erziehungsleistung von meist Frauen, beispielsweise aber auch bei der Bewertung des Grenzbereichs zwischen BGE und Einkommen aus Arbeit. Ein BGE ist hier nicht die Lösung für alles - aber ein BGE löst vieles tendenziell leichter als andere Sozialmodelle.
Ob dafür 500€, 800€, 1000€ oder 1.400€ BGE richtig oder notwendig sind, und ob es für Kinder ein gleichhohes, oder ein angepasstes oder niedrigeres BGE gibt - das hängt vom konkreten Modell ab, von dem gesprochen wird.
Es macht auch einen großen Unterschied, ob man per se die Arbeitgeber verdonnert 50% der Sozialversicherungen zu zahlen, oder ab man intelligentere Formen findet......
Besonders interessant wird es, wenn man über ein BGE für Kinder redet......kaum jemand hat da im Blick, dass wir in der heutigen Gesellschaft einen Kompromiss haben, dass Bildungskosten weitgehend von der Gesellschaft übernommen werden.....ist aber so - und ist ziemlich relevant.
Was genau würde passieren, wenn man die Kosten für Bildung über ein BGE abbildet? Es ist kein Problem, mit dieser Grundannahme ein BGE für Kinder in der gleichen Höhe zu rechtfertigen, wie für Erwachsene.
ABER: Die Gesellschaft, die so agieren würde, wäre eine andere als heute!
KINDER bekämen ein relativ hohes BGE, die Eltern müssten wesentliche Teile desselben aber sofort wieder an die Schulen überweisen......
Wenn du aber als Elternteil 500€ an die Schule überweist, dann verändert sich bei dem ein oder anderen schon etwas....die Erwartungshaltung an die leistung der Schule steigt------wenn ich 500€ jeden Monat für die Schule ausgebe, will ich auch eine entsprechende Gegenleistung sehen......
Heute gibt man faktisch 500€ für die Schulen aus.....aber weil das so intransparent und versteckt passiert, wird zu häufig zu wenig Erwartungshaltung gegenüber den Schulen deutlich gemacht.....dabei könnten die Eltern auch heute schon.....tun sie aber nicht.....
Mit einem passenden BGE ändert sich finanziell weniger als manche befürchten - bewusstseinsmäßig aber hat ein BGE ein hohes Potential, dass Themen adressiert werden, die heute durchaus relevant sind, aber kaum beachtet werden.
DAS ist EINE der Stärken des BGEs.......
Wunschträumern a la Schlaraffenland erteile ich eine klare Absage - das wird ein BGE nicht leisten!