Objektive moralische Urteile

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Stoner

Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

In einem Strang (19 Nov 2020, 14:29) zum Thema Todesstrafe hat der User Concrete u.a. folgende Behauptung aufgestellt:

Es gibt definitiv Verbrechen, bei denen die Todesstrafe objektiv mehr als angemessen ist.
(Hervorhebung von mir)

Hier würde ich ihn gerne auffordern, nicht über Sinn und Unsinn der Todesstrafe zu sprechen, sondern darüber, im Rahmen welcher welcher Moral wir die objektive Angemessenheit eines Urteils feststellen könnten. Er müsste also für die Evidenz seiner Behauptung zeigen können, dass diese Angemessenheit tatsächlich gültig ist, universell verbindlich ist und keinem historischen und kulturellem Wandel unterliegen kann.

Ich bin sehr gespannt.
franzmannzini

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von franzmannzini »

Wenn eine Todesstrafe objektiv angemessen sein sollte, dann muß es auch der Totschlag sein.
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ThorsHamar
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von ThorsHamar »

Stoner hat geschrieben:(19 Nov 2020, 19:43)

In einem Strang (19 Nov 2020, 14:29) zum Thema Todesstrafe hat der User Concrete u.a. folgende Behauptung aufgestellt:




(Hervorhebung von mir)

Hier würde ich ihn gerne auffordern, nicht über Sinn und Unsinn der Todesstrafe zu sprechen, sondern darüber, im Rahmen welcher welcher Moral wir die objektive Angemessenheit eines Urteils feststellen könnten. Er müsste also für die Evidenz seiner Behauptung zeigen können, dass diese Angemessenheit tatsächlich gültig ist, universell verbindlich ist und keinem historischen und kulturellem Wandel unterliegen kann.

Ich bin sehr gespannt.
"objektive Moral" ist eine sehr hübsche Kombi .... :p
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Skeptiker »

Ethik und Moral sind keine messbaren Größen. Sie entstammen menschlicher Wahrnehmung und einem gesellschaftlichen und politischen Prozess. Nichts daran ist objektiv.

Folglich kann es auch keine objektiv richtige Strafe geben, weil diese sich an Recht orientiert, welches dem Moralverständnis der jeweiligen Zeit entstammt.
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Nov 2020, 20:09)

"objektive Moral" ist eine sehr hübsche Kombi .... :p
Sie ist eigentlich nicht ungewöhnlich. Erich Fromm, Ronald Dworkin oder Sam Harris wären exemplarische Vertreter einer objektiven Moral bzw. objektiver moralischer Werte.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von NicMan »

Nicht einmal die Menschenrechte sind eine objektiv gültige Wahrheit, sondern ebenso ein (sehr sinnvolles) ethisches und rechtliches Konstrukt, welches viel Leid erspart. Woher kommt der Drang, etwas müsse „objektiv wahr“ sein? Welche Autorität soll daraus abgeleitet werden und warum sollte etwas „objektiv wahres“ besser sein, als eine „subjektive Wahrheit“? Das geht nur, in dem man vom Axiom eines totalen Wahrheitsanspruchs ausgeht, wie man es aus totalitären Idelogien kennt. Und was soll eigentlich mit Menschen geschehen, die gegen „Objektive Wahrheiten“ oder „Objektive Moral“ verstoßen? Und wie beobachtet man eigentlich etwas ohne Beobachter? Fragen über Fragen...
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ThorsHamar
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von ThorsHamar »

Stoner hat geschrieben:(19 Nov 2020, 20:23)

Sie ist eigentlich nicht ungewöhnlich. Erich Fromm, Ronald Dworkin oder Sam Harris wären exemplarische Vertreter einer objektiven Moral bzw. objektiver moralischer Werte.
Ja, das sind Vertreter. :cool: ...nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Ich habe dazu vor ein paar Jahren mal Gerhard Ernst gelesen, "Die Objektivität der Moral". Das fand ich ganz schlüssig, bis auf eben die Grundprämisse, dass Moral praktisch wissenschaftlich objektiv wäre.
Ich bin seither noch fester der Meinung, dass Moral eine Lehrmeinung ist, deren Wert für das Individuum immer von der subjektiven Wahrnehmung der Situation und der subjektiven Hemmschwelle des moralischen Tabubruchs abhängt.
Moral ist für mich Ausdruck von Zivilisation und damit eine Art Luxuskatalog, der bei Bedarf dem animalischen Instinkt weichen muss, um zu überleben.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

NicMan hat geschrieben:(19 Nov 2020, 20:49)

Nicht einmal die Menschenrechte sind eine objektiv gültige Wahrheit, sondern ebenso ein (sehr sinnvolles) ethisches und rechtliches Konstrukt, welches viel Leid erspart.
Mit einer solchen Auffassung - also der Leugnung des Objektiven in solchen Dingen - macht man sich gewöhnlich keine Freunde bzw. viele drucksen da gerne herum. Ich hatte ja vor ein paar Tagen hier einen Strang zur Menschenwürde aufgemacht, die in Deutschland sogar als konstitutives Prinzip für die ersten 19 Artikel des GG herhalten muss.

Damit man mich nicht falsch versteht: Der Strang hier verdankt sich allein der Behauptung des Users Concrete, und es wäre spannend zu erfahren, wie er zu seiner Objektivitätsbehauptung kommt.
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JosefG
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von JosefG »

Wundert mich, dass Immanuel Kant mit seinem kategorischen Imperativ hier noch nicht genannt wurde.
franzmannzini

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von franzmannzini »

JosefG hat geschrieben:(19 Nov 2020, 21:37)

Wundert mich, dass Immanuel Kant mit seinem kategorischen Imperativ hier noch nicht genannt wurde.
Wenn Du willst:
„Hat er aber gemordet so muß er sterben. Es gibt hier kein Surrogat zur Befriedigung der Gerechtigkeit. Es ist keine Gleichartigkeit zwischen einem noch so kummervollen Leben und dem Tode, also auch keine Gleichheit des Verbrechens und der Wiedervergeltung, als durch den am Täter gerichtlich vollzogenen, doch von aller Mißhandlung, welche die Menschheit in der leidenden Person zum Scheusal machen könnte, befreieten Tod."
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

JosefG hat geschrieben:(19 Nov 2020, 21:37)

Wundert mich, dass Immanuel Kant mit seinem kategorischen Imperativ hier noch nicht genannt wurde.
Und wenn er genannt ist, haben wir die objektive Angemessenheit des Urteils erkannt?
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Progressiver
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Progressiver »

Es gibt meines Erachtens keine Objektivität. Als Mensch kann ich mir nur subjektiv ein Urteil bilden. Da wir in einer Gesellschaft leben, können wir uns mit anderen Menschen austauschen. Insofern können wir uns intersubjektiv ein gemeinsames Urteil erarbeiten. Anders wäre es, wenn jemand völlig über den Dingen stünde. Dies wurde in früheren Zeiten angenommen von einem göttlichen Wesen. Als Atheist weiß ich aber, dass es sich bei solch einer Vorstellung um ein Hirngespinst handelt.

Trotzdem braucht es natürlich zivilisatorische Standards. Die Menschenrechte und die Demokratie sind so einer. Natürlich sind auch sie angreif- und hinterfragbar. Dies unterscheidet sie ja von sogenannten "göttlichen Gesetzen", die per Dogma nicht infrage gestellt werden dürfen. Aber gerade diese Schwäche ist dann auch gleichzeitig ihre größte Stärke. Da jeder sich die Menschenrechte mit dem Werkzeug der Vernunft erarbeiten kann, genießen sie dann doch einen hohen Stellenwert. Und der gesellschaftliche Frieden bleibt gewahrt. In autoritären Gottesstaaten dagegen geht es weniger human und gewaltfrei zu.
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Adam Smith »

Es gibt doch den Utilitaristismus. Wenn eine Person eine andere Person töten möchte und nur der Tod der entsprechenden Person kann dieses verhindern, dann darf diese Person natürlich umgebracht werden.
Das ist Kapitalismus:

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BlueMonday
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von BlueMonday »

Das letzte Mal, als ich jemanden sah, der versuchte auf sprachlich-deduktiver Weise eine Moral letztzubegründen, war das Hans-Hermann Hoppe mit seiner "argumentation ethics".
Das Ganze baut im Grunde auf der Apelschen "Transzendentalpragmatik" auf. Im Kern meint man damit aus sogenannten "performativen Widersprüchen" irgendeinen unabweislichen Gehalt zu keltern.

Also bspw. wenn jemand sagt: "Es gibt keine Sprache", dann widerspricht er sich mit dieser Aussage, denn er spricht ja offenbar, um dieser Behauptung einen Ausdruck geben zu können. Sprechakt und Inhalt des Gesprochenen widersprechen sich.
Schlussfolgerung: Man kann nicht widerspruchsfrei Obiges behaupten (=> Ergo gibt es Sprache).

Analog versucht dies Hoppe mit der Anerkennung des sog. "Selbsteigentums", das in der "Struktur des Argumentierens" bereits vorhanden sein soll. Entsprechend kann man nicht dagegen argumentieren ohne sich performativ in einem Widerspruch zu verwickeln. Übrig bleibt eben ein objektiver, normativer Gehalt.

Bei kritischer näherer Betrachtung ist das freilich nur die übliche Übung, sich vermeintlich am eigenen Schopf aus dem "Begründungssumpf" gezogen haben zu wollen.
Letztlich hängt es wie überall an den Prämissen, die eben auch hier fallibel oder nur bloße Setzungen und damit leer sind und keine Deduktion der Welt kann etwas Fallibles zu etwas Letztgewissem transformieren oder "transzendieren". Jeder "Sprung" bleibt ein unsicherer, sobald er Gehalt beisteuern will. Gewiss ist nur die Leere, die Tautologie.

"Objektivität ist die Wahnvorstellung, Beobachtungen könnten ohne Beobachter gemacht werden." Heinz v. Foerster
Oder dass Urteile ohne Urteilenden gefällt worden wären.
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ThorsHamar
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von ThorsHamar »

BlueMonday hat geschrieben:(25 Nov 2020, 21:15)

... "Objektivität ist die Wahnvorstellung, Beobachtungen könnten ohne Beobachter gemacht werden." Heinz v. Foerster
Oder dass Urteile ohne Urteilenden gefällt worden wären.
Oh ....das klingt nach Schicksal .... :cool:
Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.
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Michael_B
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Michael_B »

Progressiver hat geschrieben:(25 Nov 2020, 17:48)

Es gibt meines Erachtens keine Objektivität. Als Mensch kann ich mir nur subjektiv ein Urteil bilden. Da wir in einer Gesellschaft leben, können wir uns mit anderen Menschen austauschen. Insofern können wir uns intersubjektiv ein gemeinsames Urteil erarbeiten. Anders wäre es, wenn jemand völlig über den Dingen stünde. Dies wurde in früheren Zeiten angenommen von einem göttlichen Wesen. Als Atheist weiß ich aber, dass es sich bei solch einer Vorstellung um ein Hirngespinst handelt.
Vielleicht kommt es auf den Rahmen an, in dem man sich bewegt?

Für die Augen eines Menschen mögen Grashalme objektiv grün sein, für die eines Marsianers aber anders.

Vielleicht kann man auch für die Todesstrafe einen Rahmen von Bedingungen aufstellen, und in Relation zu diesen Grundbedingungen dann eine gewisse Objektivität ermöglichen.

Auf Basis unseres Grundgesetzes kann es jedenfalls objektiv kein Verbrechen geben, das die Todesstrafe rechtfertigt, denn das Grundgesetz sieht keine Todesstrafe vor.

Wenn man natürlich außerhalb des Grundgesetzes argumentiert, kann man sich den passenden Bezugsrahmen basteln.

Da fällt mir ein, es gibt doch die 10 Gebote inkl. "Du sollst nicht töten". Wie können das bibeltreue Amerikaner eigentlich mit der Todesstrafe vereinbaren? heieiei

P.S.: Ich sehe gerade, Bluemonday hat das Thema mit den Prämissen schon viel besser beschrieben. :thumbup:
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Calvadorius
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Calvadorius »

Michael_B hat geschrieben:(25 Nov 2020, 22:58)
Vielleicht kommt es auf den Rahmen an, in dem man sich bewegt?
Das ganz genau ist die Beschreibung eines subjektiven Standpunkts.
Michael_B hat geschrieben:(25 Nov 2020, 22:58)
Für die Augen eines Menschen mögen Grashalme objektiv grün sein, für die eines Marsianers aber anders.
Auch das ist absolut subjektiv, weil halt von den Lichtrezeptoren (vulgo: Augen + Gehirn) abhängig.
Objektiv wäre es, Farbe an der Wellenlänge des Lichts festzumachen (-->messen).
Michael_B hat geschrieben:(25 Nov 2020, 22:58)[...] Auf Basis unseres Grundgesetzes kann es jedenfalls objektiv kein Verbrechen geben, das die Todesstrafe rechtfertigt, denn das Grundgesetz sieht keine Todesstrafe vor.
Wenn man natürlich außerhalb des Grundgesetzes argumentiert, kann man sich den passenden Bezugsrahmen basteln.
Unsere Verfassung ist kein objektiver Bezugsrahmen.
Sie sieht (gottseidank) keine Todesstrafe vor, ist aber dennoch genauso "zusammengebastelt" wie jede andere gesellschaftliche Konvention auch.
Leben ist eine sexuell übertragbare Krankheit, die in jedem Fall tödlich endet.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

Calvadorius hat geschrieben:[url=https://www.politik-forum.eu:443
Sie sieht (gottseidank) keine Todesstrafe vor, ist aber dennoch genauso "zusammengebastelt" wie jede andere gesellschaftliche Konvention auch.
"Sie" behauptet aber das Gegenteil, schon oder gerade im ersten Artikel.
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Liegestuhl
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Liegestuhl »

Was haltet ihr von der Aussage:

"Jeder Mensch ist in der Lage zwischen gut und böse zu unterscheiden?"
Ich schulde dem Leben das Leuchten in meinen Augen.
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

Liegestuhl hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:06)

Was haltet ihr von der Aussage:

"Jeder Mensch ist in der Lage zwischen gut und böse zu unterscheiden?"
Dazu müsste jeder Mensch wissen also erkennen, was Gut und Böse jeweils sind, was, wegen "jeder Mensch", wiederum bedeutet, dass Gut und Böse nicht kontingent sein können.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Liegestuhl hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:06)

Was haltet ihr von der Aussage:

"Jeder Mensch ist in der Lage zwischen gut und böse zu unterscheiden?"
Nichts.

Wenn dem so waere gaebe es wesentlich weniger Vrbrechen
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:19)

Nichts.

Wenn dem so waere gaebe es wesentlich weniger Vrbrechen
Das ist falsch, denn falls jeder Mensch wie behauptet dazu in der Lage wäre, folgt daraus nicht, dass er es auch tut. Daher geht Ihre Behauptung ins Leere.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:25)

Das ist falsch, denn falls jeder Mensch wie behauptet dazu in der Lage wäre, folgt daraus nicht, dass er es auch tut. Daher geht Ihre Behauptung ins Leere.
Nope!

Es gibt Psychopathen und Sociopathen, die durchaus nicht in der lage sind zwichen gut und boese zu unterscheiden oder Recht und Unrecht
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:56)

Nope!

Es gibt Psychopathen und Sociopathen, die durchaus nicht in der lage sind zwichen gut und boese zu unterscheiden oder Recht und Unrecht
Das hieße jetzt aber: grundsätzlich kann der Mensch das, Ausnahmen bestätigen die Regel. Also etwa so, wie es Männer und Frauen gibt (Regel) und Menschen, bei denen das nicht eindeutig ist (Ausnahme).

Dann allerdings ginge meine Antwort an Liegestuhl auch an Sie. Wenn (fast) jeder Mensch dazu in der Lage ist, müssen alle Menschen etwas haben, was ihnen diese Erkenntnis ermöglicht. Das sowie auch Gut und Böse dürfen dann aber keinerlei kontingenten historischen Bedingungen unterliegen.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:09)

Das hieße jetzt aber: grundsätzlich kann der Mensch das, Ausnahmen bestätigen die Regel. Also etwa so, wie es Männer und Frauen gibt (Regel) und Menschen, bei denen das nicht eindeutig ist (Ausnahme).

Dann allerdings ginge meine Antwort an Liegestuhl auch an Sie. Wenn (fast) jeder Mensch dazu in der Lage ist, müssen alle Menschen etwas haben, was ihnen diese Erkenntnis ermöglicht. Das sowie auch Gut und Böse dürfen dann aber keinerlei kontingenten historischen Bedingungen unterliegen.
Ausnahmen bestaetigen nicht die Regel sondern Abweichungen von der Regel oder eine Perversion der Regel. Das is lediglich eine andere Sichtweise, falsch oder richtig sei dahingestellt.

Aber man koennte auch argumentieren das das Eine ohne das Andere nicht sein kann.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

Es ist doch so: wenn die Annahme, jeder Mensch könne Gut und Böse unterscheiden, richtig wäre, dann gäbe es m. E. auch objektive moralische Urteile. Dazu müsste Liegestuhl aber klarstellen, ob sie das vertritt.
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naddy
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von naddy »

Ich habe mich ja schon durch die verquastetsten Gedankenwelten gewurschtelt, von Kant über Hegel bis Heidegger. Aber worum es in diesem Thread gehen soll, habe ich immer noch nicht begriffen. :s

Was soll denn das Kriterium für "objektive moralische Urteile" sein? Selbst wenn sie vermeintlich "der Sache angemessen" sind, bleiben es doch immer noch "Urteile", sind mithin zwingend an Subjekte gebunden. Oder hat schon jemand etwas von "Urteilen" in der Objektwelt gehört?
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von H2O »

An den Jahrestag der Urteilsverkündungen in den Nürnberger Prozessen ist doch gerade erst im ÖRR erinnert worden. Nicht einer der zum Tode Verurteilten hatte persönlich Blut an den Händen, und doch ging von ihnen das unbestritten Böse aus, mit etwa 5 Millionen planmäßig ermordeten Menschen. Zwar sprachen die Sieger auch die Urteile... ein Schönheitsfehler. Aber wie wollte man deutsche Richter finden, die nicht in Naziverbrechen verwickelt und somit befangen waren? Also, Urteile waren das ja wohl, die auch vollstreckt wurden. Moralisch, objektiv, wer will danach fragen? Gab es die Verbrechen, waren die Beklagten darin leitend verwickelt... gibt es da Zweifel?
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BlueMonday
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von BlueMonday »

Liegestuhl hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:06)

Was haltet ihr von der Aussage:

"Jeder Mensch ist in der Lage zwischen gut und böse zu unterscheiden?"

Das ist kein moralisches Urteil, sondern Deskription.

Ein moralisches Urteil ist bspw.: Es ist falsch zu töten. Führt in der Regel zur normativen Aussage(Moral): Du sollst nicht töten.

Oder:
"Ich mag die Farbe Blau" Das ist ein Werturteil. Ich werte, ziehe also eine Farbe anderen vor.
"Mein Zimmer soll in Blau gestrichen werden." => Sollensaussage
"Alle Zimmer sollten blau gestrichen werden" Die Sollensaussage wird zu einer allgemeinen Moral(Norm) erhoben.
"Es gibt Menschen, die die Farbe Blau mögen und ihre Zimmer deshalb blau streichen" => deskriptive(beschreibende), wert(urteils)freie Aussage.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Meruem »

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 14:12)

Ich habe mich ja schon durch die verquastetsten Gedankenwelten gewurschtelt, von Kant über Hegel bis Heidegger. Aber worum es in diesem Thread gehen soll, habe ich immer noch nicht begriffen. :s

Was soll denn das Kriterium für "objektive moralische Urteile" sein? Selbst wenn sie vermeintlich "der Sache angemessen" sind, bleiben es doch immer noch "Urteile", sind mithin zwingend an Subjekte gebunden. Oder hat schon jemand etwas von "Urteilen" in der Objektwelt gehört?
Sehe ich auch so egal wie man es auch dreht und wendet man kommt hier nicht um hin die subjektive Färbung solcher moralischer Werturteile zu nennen, da es schlicht keine " "objektiven moralischen Werturteile" gibt. Bsp Vergewaltigung was im Westen als moralisch schlecht und strafbar gilt ist in manch afrikanischer Stammesgesellschaft gang und gäbe dort wird man höchstens beim Wort " sexuelle Selbstbestimmung" ungläubig angeschaut, dort tauschen die Männer bisweilen sogar die Frauen untereinander aus ohne dass sich da irgendjemand empört ,. oder dass Thems Abtreibung für die einen Mord am noch ungeborenen Leben für andere das Recht über die körperliche Selbstbestimmung der Frau, und nun lässt sich da jetzt ganz objektiv einmoralisches Urteil fällen dass für alle Menschen , an allen Orten zu jeder Zeit gelten soll? Und wer nimmt sich das Recht vermeintlich moralisch "objektiv" urteilen zu können.
Zuletzt geändert von Meruem am Do 26. Nov 2020, 15:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von BlueMonday »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:32)

Es ist doch so: wenn die Annahme, jeder Mensch könne Gut und Böse unterscheiden, richtig wäre, dann gäbe es m. E. auch objektive moralische Urteile. Dazu müsste Liegestuhl aber klarstellen, ob sie das vertritt.
Wenn jeder Mensch Gut und Böse unterscheiden könnte, dann heißt es noch nicht, dass jeder gleich urteilt. Man kann also verschieden werten, Verschiedenes für Gut und Böse halten. Allein dieses Forum ist ja nur so gefüllt mit gegenläufigen Urteilen.
Und selbst wenn durch die Bank ohne Ausnahme die gleichen Urteile gefällt würden, dann sind die Urteile immer noch nicht objektiv. Objektiv hieße, dass ein Urteil unabhängig vom Urteil der Menschen in der Welt ist ... und nur von den Menschen "gefunden" oder "entdeckt", aber nicht entschieden wird. Urteilen heißt ja entscheiden. Und man kann nur etwas prinzipiell Unentscheidbares(Kontingentes) entscheiden. Prinzipiell entschieden = es gibt ein zwingendes("objektives") Prinzip in einer Frage.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 14:12)

Ich habe mich ja schon durch die verquastetsten Gedankenwelten gewurschtelt, von Kant über Hegel bis Heidegger. Aber worum es in diesem Thread gehen soll, habe ich immer noch nicht begriffen. :s

Was soll denn das Kriterium für "objektive moralische Urteile" sein? Selbst wenn sie vermeintlich "der Sache angemessen" sind, bleiben es doch immer noch "Urteile", sind mithin zwingend an Subjekte gebunden. Oder hat schon jemand etwas von "Urteilen" in der Objektwelt gehört?
Also mit den Voraussetzungen der Kantschen Vernunft - wenn man das akzeptiert - würde man zu solchen Behauptungen kommen. Was Liegestuhl schrieb, kann man m.E. mit Kant vertreten. (Nicht dass ich es täte)
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Meruem »

Skeptiker hat geschrieben:(19 Nov 2020, 20:10)

Ethik und Moral sind keine messbaren Größen. Sie entstammen menschlicher Wahrnehmung und einem gesellschaftlichen und politischen Prozess. Nichts daran ist objektiv.

Folglich kann es auch keine objektiv richtige Strafe geben, weil diese sich an Recht orientiert, welches dem Moralverständnis der jeweiligen Zeit entstammt.
Richtig, womit wir wieder bei der Subjektivität wären ,,Moralvorstellungen auf denen das Recht basiert sind durch und durch subjektiv und den Zeitgeist untworfen, eine objektive Moral oder objektive Moralvorstellungen sind ein Widerspruch in sich man kann sich ja überhaupt darüber streiten ob es sowas wie eine reine objektive Erkenntnis überhaupt gibt.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von naddy »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 15:55)

Also mit den Voraussetzungen der Kantschen Vernunft - wenn man das akzeptiert - würde man zu solchen Behauptungen kommen. Was Liegestuhl schrieb, kann man m.E. mit Kant vertreten. (Nicht dass ich es täte)
Ich hätte nichts dagegen, wenn Du diese Auffassung näher erläutern würdest, schließlich sind wir hier ja im Unterforum "Philosophie". ;)
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Fliege »

Politisch Korrekte vertreten die Auffassung, dass objektive moralische Urteile nicht nur möglich seien, sondern dass ihnen, den politisch Korrekten, unfehlbarer Expertenstatus für objektive moralische Urteile zukomme.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Adam Smith »

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 14:12)

Ich habe mich ja schon durch die verquastetsten Gedankenwelten gewurschtelt, von Kant über Hegel bis Heidegger. Aber worum es in diesem Thread gehen soll, habe ich immer noch nicht begriffen. :s

Was soll denn das Kriterium für "objektive moralische Urteile" sein? Selbst wenn sie vermeintlich "der Sache angemessen" sind, bleiben es doch immer noch "Urteile", sind mithin zwingend an Subjekte gebunden. Oder hat schon jemand etwas von "Urteilen" in der Objektwelt gehört?
Das Hamiltonsches Prinzip wäre so ein Urteil.

Wie bereits geschrieben basiert unsere Ethik auf dem Utilitarismus. Das Wirtschaften basiert zum Beispiel darauf.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 14:12)

Ich habe mich ja schon durch die verquastetsten Gedankenwelten gewurschtelt, von Kant über Hegel bis Heidegger. Aber worum es in diesem Thread gehen soll, habe ich immer noch nicht begriffen. :s

Was soll denn das Kriterium für "objektive moralische Urteile" sein?
Objektive Gültigkeit moralischer Normen, um es korrekt auszudrücken.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Progressiver »

Liegestuhl hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:06)

Was haltet ihr von der Aussage:

"Jeder Mensch ist in der Lage zwischen gut und böse zu unterscheiden?"
Ich halte von dieser Aussage auch nichts. Sie setzt ein manichäisches Denken voraus. Und ist somit selbst in der Konsequenz totalitär.

Denn was soll das denn sein, das "Gute" und das "Böse"? Gibt es so etwas wie ein absolutes Gutes und Böses?

Die Realität sieht doch eher so aus: Jeder Mensch hat seine eigenen Bedürfnisse, die auf der Maslowschen Bedürfnispyramide aufbauen. Da wir in einer Gesellschaft leben, wird es dabei intrapersonelle als auch interpersonelle Konflikte geben. Der Konflikt ist dabei nicht böse, sondern die Realität. Entscheidend ist, wie man seine Interessen durchsetzt. Geschieht das eher im Kompromiss mit anderen? Oder versucht man, seine Interessen durchzusetzen, indem man andere Leute psychisch zerstört oder gleich ganz umbringt? Für letzteren Personenkreis gibt es zurecht Gefängnisse. Wenn jemand aber seine Interessen artikuliert, indem er sie ausspricht, dann kann dies zu Meinungsverschiedenheiten führen. Der dadurch entstehende Konflikt ist aber nicht böse, weil er einen vorher existierenden Frieden, ja eine Friedhofsruhe, gestört hat. Sondern es ist das Recht jedes Menschen, seine Interessen zu artikulieren. Wenn zum Beispiel bei zwei Personen oder Gruppen so etwas wie eine Kompromissfähigkeit und die Fähigkeit zur gegenseitigen Empathie vorherrscht, dann artet das Ganze auch nicht in Gewalt aus.

Das Konzept "Gut versus Böse" funktioniert jedoch ganz anders. Da meint eine Seite, die alleinglückselige Wahrheit gefunden zum haben sowie das Wissen, was denn das absolute Gute sei. Und in der Praxis wird das "Gute" als derart heilig angesehen, dass der Zweck die Mittel heiligt. In einem ersten Stadium wird versucht, den Gegner moralisch zu diskreditieren und zu dämonisieren. Dies führt dann aber dazu, dass man die andere Seite als moralisch verkommene Leute betrachtet, denen man nur mit Belehrungen und Vorwürfen kommen kann. In einem nächsten Schritt wird dann der anderen Seite vielleicht sogar abgesprochen, dass es sich bei ihnen um Menschen handelt. Dann aber sind der Gewalt gegenüber den "Bösen" keine Grenzen mehr gesetzt. Anstatt Kompromisse zu finden auf der Basis eines "Leben und leben lassen", geht es nur noch darum, die "Bösen" von der Erde auszumerzen. Und genau diese Einstellung führt dann zu Mord und Totschlag.

Beim Konzept "Gut versus Böse" gibt es folglich ebenfalls keine objektiven moralischen Urteile. Aber man versucht, die andere Seite eines Konfliktes zu einem toten Objekt zu machen. Wenn dagegen ein Konflikt zugelassen und zivilisiert ausgetragen wird, kann das vielleicht sogar das Gemeinschaftsgefühl zwischen zwei Parteien stärken.
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

Progressiver hat geschrieben:(26 Nov 2020, 18:08)


Denn was soll das denn sein, das "Gute" und das "Böse"? Gibt es so etwas wie ein absolutes Gutes und Böses?
Also, wenn man die Behauptung Liegestuhls nimmt und den Kant dagegenhält, dann könnte man ihm - die Frage seiner Prämissen mal außer Acht lassend - zumindest ein sicheres Navigieren durch Gut und Böse behaupten, ohne jetzt ein manichäisches Prinzip aus den Begriffen zu machen.
Was ich also zu tun habe, damit mein Wollen sittlich gut sei, darzu brauche ich gar keine weit ausholende Scharfsinnigkeit. Unerfahren in Ansehung des Weltlaufs, unfähig, auf alle sich eräugnende Vorfälle desselben gefaßt zu sein, frage ich mich nur: Kannst du auch wollen, daß deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde? wo nicht, so ist sie verwerflich, und das zwar nicht um eines dir, oder auch anderen, daraus bevorstehenden Nachteils willen, sondern weil sie nicht als Prinzip in eine mögliche allgemeine Gesetzgebung passen kann, für diese aber zwingt mir die Vernunft unmittelbare Achtung ab, von der ich zwar jetzt noch nicht einsehe, worauf sie sich gründe (welches der Philosoph untersuchen mag), wenigstens aber doch so viel verstehe: daß es eine Schätzung des Wertes sei, welcher allen Wert dessen, was durch Neigung angepriesen wird, weit überwiegt, und daß die Notwendigkeit meiner Handlungen aus reiner Achtung fürs praktische Gesetz dasjenige sei, was die Pflicht ausmacht, der jeder andere Bewegungsgrund weichen muß, weil sie die Bedingung eines an sich guten Willens ist, dessen Wert über alles geht.
In diesem Sinne dürfte man Liegestuhls Satz dann auch zustimmen.
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Calvadorius
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Calvadorius »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 10:04)

"Sie" behauptet aber das Gegenteil, schon oder gerade im ersten Artikel.
Echt?
:?:
Wo denn genau?
Leben ist eine sexuell übertragbare Krankheit, die in jedem Fall tödlich endet.
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

Calvadorius hat geschrieben:(26 Nov 2020, 21:41)

Echt?
:?:
Wo denn genau?
"Das Gegenteil" bezog sich nicht auf die Todesstrafe, sondern auf "Konstrukt" in Ihrem Beitrag. Die Menschenwürde in Art. 1 gilt aber nicht als Konstrukt, sondern als Gattungswürde.

Falls Sie je dazu was sagen wollen, es gibt einen inzwischen eingeschlafenen Strang hierzu.
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naddy
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von naddy »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 19:10)

Also, wenn man die Behauptung Liegestuhls nimmt und den Kant dagegenhält, dann könnte man ihm - die Frage seiner Prämissen mal außer Acht lassend - zumindest ein sicheres Navigieren durch Gut und Böse behaupten, ohne jetzt ein manichäisches Prinzip aus den Begriffen zu machen.
Noch mehr subjektives "Urteil" als die Setzung von "Gut und Böse" geht doch gar nicht, oder sind wir da unterschiedlicher Auffassung?

Diese Begrifflichkeiten sind Leerformeln, die mit beliebigen Inhalten gefüllt werden können - und auch werden. Darauf hat schon der User Progressiver hingewiesen. Banales Beispiel: Für einen "Gotteskrieger" ist das Abschlachten von "Ungläubigen" gut, die Nicht-Befolgung dieses "göttlichen Auftrags" böse. Wir sehen das überwiegend anders. Ist da ein Kompromiß denkbar, der die Anforderungen an ein "objektives moralisches Urteil" erfüllt?

Noch einmal meine grundsätzliche Meinung zu diesem Thema: Von "objektiven Urteilen" zu reden ist schon deshalb unsinnig, weil sich im Urteil die subjektive Bewertung eines Objekts oder Sachverhalts ausdrückt. Ohne diese Beziehung zwischen Subjekt und Objekt gibt es kein Urteil. Siehe dazu auch die von BlueMonday zitierte Aussage Heinz v. Foersters.
"Das gefährliche an der Dummheit ist, daß sie die dumm macht, die ihr begegnen." (Sokrates).
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 22:54)

Noch mehr subjektives "Urteil" als die Setzung von "Gut und Böse" geht doch gar nicht, oder sind wir da unterschiedlicher Auffassung?
Nein, ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass man vielleicht mit Kant den Satz von Liegestuhl begründen kann.

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 22:54)
Diese Begrifflichkeiten sind Leerformeln, die mit beliebigen Inhalten gefüllt werden können - und auch werden. Darauf hat schon der User Progressiver hingewiesen. Banales Beispiel: Für einen "Gotteskrieger" ist das Abschlachten von "Ungläubigen" gut, die Nicht-Befolgung dieses "göttlichen Auftrags" böse. Wir sehen das überwiegend anders. Ist da ein Kompromiß denkbar, der die Anforderungen an ein "objektives moralisches Urteil" erfüllt?

Noch einmal meine grundsätzliche Meinung zu diesem Thema: Von "objektiven Urteilen" zu reden ist schon deshalb unsinnig, weil sich im Urteil die subjektive Bewertung eines Objekts oder Sachverhalts ausdrückt. Ohne diese Beziehung zwischen Subjekt und Objekt gibt es kein Urteil. Siehe dazu auch die von BlueMonday zitierte Aussage Heinz v. Foersters.
Ich hatte die sprachliche Schlamperei schon präzisiert: Es geht um die objektive Gültigkeit moralischer Urteile - hier wäre es die "objektive Angemessenheit" für ein Todesurteil, was aber derjenige, der es behauptet hat, ohnehin wieder zurückgezogen hat. Ob die Förster-Formel nicht auch ein Idealismus oder eine Leerformel ist, wäre ein anderes Thema.

Was die Frage des Guten oder des Bösen angeht, halte ich es mit Safranski:
„Mir geht es beim Nachdenken über das Böse darum, den Reichtum der Beschreibung wiederherzustellen gegenüber den menschlichen Tatsachen. Die Begriffe, mit denen die Wissenschaft arbeitet, erscheinen mir notorisch harmloser als die Wirklichkeit. “


Wobei der Begriff natürlich immer schon etwas aufgeladen klingt. Aber sich über das radikal Negative Gedanken zu machen und es nicht irgendwelchen Wissenschaftlern, manchen Sozialwissenschaftlern zumal, zu überlassen, kann durchaus sinnvoll sein.
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Calvadorius
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Calvadorius »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 21:53)

"Das Gegenteil" bezog sich nicht auf die Todesstrafe, sondern auf "Konstrukt" in Ihrem Beitrag. Die Menschenwürde in Art. 1 gilt aber nicht als Konstrukt, sondern als Gattungswürde.

Falls Sie je dazu was sagen wollen, es gibt einen inzwischen eingeschlafenen Strang hierzu.
Wenn Du meinen Beitrag richtig gelesen hättest, wäre Dir aufgefallen, daß die "Gattungswürde" in dieser Betrachtung völlig unerheblich ist.
Es ging in meiner Mitteilung schlicht darum, daß unsere (sehr gute) Verfassung keinerlei "Objektivität" begründet.
Leben ist eine sexuell übertragbare Krankheit, die in jedem Fall tödlich endet.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von aleph »

Skeptiker hat geschrieben:(19 Nov 2020, 20:10)

Ethik und Moral sind keine messbaren Größen. Sie entstammen menschlicher Wahrnehmung und einem gesellschaftlichen und politischen Prozess. Nichts daran ist objektiv.

Folglich kann es auch keine objektiv richtige Strafe geben, weil diese sich an Recht orientiert, welches dem Moralverständnis der jeweiligen Zeit entstammt.
Der grad des schadens, den eine tat anderen oder dich selbst zufügt, könnte man irgendwie bewerten, schließlich auch die verhältnismäßigkeit, beliebt für solche Gedankenspiele sind inseln. Wenn man da einen mörder hat, der wieder morden will und den man nicht wegsperren kann, wäre es objektiv gerechtfertigt, ihn zu töten.
Auf dem Weg zum Abgrund kann eine Panne lebensrettend sein. Walter Jens
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von schokoschendrezki »

"Objektiv" wäre zum Beispiel, wenn man in vergleichenden Studien nachweisen könnte, dass die Verhängung der Todesstrafe für die Verbrechen, die gemeint sind, zu einem relevanten Absinken der entsprechenden Raten führen würde im Vergleich zu Regionen, in denen die Todesstrafe dafür nicht verhängt wird. Das besagt zwar noch nix über irgendein moralisches Urteil. Weder zu diesen Verbrechen noch zur Verhängung der Todesstrafe. Aber es wäre ersteinmal ein objektiver Zugang.

Ich wüsste aber nicht, dass es Studien mit solchen Ergebnissen gibt. In den Niederlanden zum Beispiel gibt es eine extrem strafvermeidende Justiz. In den USA dagegen eine regelrechte Gefängnisindustrie. In China oder dem Iran eine hohe Rate von Todesurteilen. Zu einer besseren Gesellschaft hat wohl weder die eine noch die andere Praxis geführt.

Auch über die grundsätzliche Unangemessenheit einer "Vergeltungsjustiz", bei der also Strafen nicht in Hinsicht auf eine Verbesserung des Sozialgefüges ausgerichtet sind sondern im Sinne einer Vergeltung eine Äquivalenz zur Straftat sein sollen, ließe sich objektiv philosophieren.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

Calvadorius hat geschrieben:(27 Nov 2020, 01:21)

Wenn Du meinen Beitrag richtig gelesen hättest, wäre Dir aufgefallen, daß die "Gattungswürde" in dieser Betrachtung völlig unerheblich ist.
Es ging in meiner Mitteilung schlicht darum, daß unsere (sehr gute) Verfassung keinerlei "Objektivität" begründet.
Ich empfehle dazu die Lektüre des Lüth-Urteils des Verfassungsgerichts sowie des Artikels 1 GG.
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

aleph hat geschrieben:(27 Nov 2020, 01:58)

Der grad des schadens, den eine tat anderen oder dich selbst zufügt, könnte man irgendwie bewerten, schließlich auch die verhältnismäßigkeit, beliebt für solche Gedankenspiele sind inseln. Wenn man da einen mörder hat, der wieder morden will und den man nicht wegsperren kann, wäre es objektiv gerechtfertigt, ihn zu töten.
Oben hat schon jemand auf den Utilitarismus hingewiesen. Innerhalb eines Ansatzes des Handlungsutilitarismus sind solche Überlegungen möglich.
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 06:47)

"Objektiv" wäre zum Beispiel, wenn man in vergleichenden Studien nachweisen könnte, dass die Verhängung der Todesstrafe für die Verbrechen, die gemeint sind, zu einem relevanten Absinken der entsprechenden Raten führen würde im Vergleich zu Regionen, in denen die Todesstrafe dafür nicht verhängt wird. Das besagt zwar noch nix über irgendein moralisches Urteil. Weder zu diesen Verbrechen noch zur Verhängung der Todesstrafe. Aber es wäre ersteinmal ein objektiver Zugang.
Richtig, denn es ist ja nur eine Beschreibung. Daraus dann eine Norm abzuleiten würden wir ja als naturalistischen Fehlschluss einstufen.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von ThorsHamar »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 06:47)

Ich wüsste aber nicht, dass es Studien mit solchen Ergebnissen gibt. In den Niederlanden zum Beispiel gibt es eine extrem strafvermeidende Justiz. In den USA dagegen eine regelrechte Gefängnisindustrie. In China oder dem Iran eine hohe Rate von Todesurteilen. Zu einer besseren Gesellschaft hat wohl weder die eine noch die andere Praxis geführt. ....
"bessere Gesellschaft" kann man gar nicht belegen, denn dazu müsste es im selben Land eine gegenteilige Praxis zum objektiven Vergleich geben.
So bleibt Deine Behauptung eine Vermutung, eine subjektiv determinierte Gleichsetzung.
Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.
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