Objektive moralische Urteile

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TheManFromDownUnder
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Liegestuhl hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:06)

Was haltet ihr von der Aussage:

"Jeder Mensch ist in der Lage zwischen gut und böse zu unterscheiden?"
Nichts.

Wenn dem so waere gaebe es wesentlich weniger Vrbrechen
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:19)

Nichts.

Wenn dem so waere gaebe es wesentlich weniger Vrbrechen
Das ist falsch, denn falls jeder Mensch wie behauptet dazu in der Lage wäre, folgt daraus nicht, dass er es auch tut. Daher geht Ihre Behauptung ins Leere.
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TheManFromDownUnder
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:25)

Das ist falsch, denn falls jeder Mensch wie behauptet dazu in der Lage wäre, folgt daraus nicht, dass er es auch tut. Daher geht Ihre Behauptung ins Leere.
Nope!

Es gibt Psychopathen und Sociopathen, die durchaus nicht in der lage sind zwichen gut und boese zu unterscheiden oder Recht und Unrecht
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:56)

Nope!

Es gibt Psychopathen und Sociopathen, die durchaus nicht in der lage sind zwichen gut und boese zu unterscheiden oder Recht und Unrecht
Das hieße jetzt aber: grundsätzlich kann der Mensch das, Ausnahmen bestätigen die Regel. Also etwa so, wie es Männer und Frauen gibt (Regel) und Menschen, bei denen das nicht eindeutig ist (Ausnahme).

Dann allerdings ginge meine Antwort an Liegestuhl auch an Sie. Wenn (fast) jeder Mensch dazu in der Lage ist, müssen alle Menschen etwas haben, was ihnen diese Erkenntnis ermöglicht. Das sowie auch Gut und Böse dürfen dann aber keinerlei kontingenten historischen Bedingungen unterliegen.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von TheManFromDownUnder »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:09)

Das hieße jetzt aber: grundsätzlich kann der Mensch das, Ausnahmen bestätigen die Regel. Also etwa so, wie es Männer und Frauen gibt (Regel) und Menschen, bei denen das nicht eindeutig ist (Ausnahme).

Dann allerdings ginge meine Antwort an Liegestuhl auch an Sie. Wenn (fast) jeder Mensch dazu in der Lage ist, müssen alle Menschen etwas haben, was ihnen diese Erkenntnis ermöglicht. Das sowie auch Gut und Böse dürfen dann aber keinerlei kontingenten historischen Bedingungen unterliegen.
Ausnahmen bestaetigen nicht die Regel sondern Abweichungen von der Regel oder eine Perversion der Regel. Das is lediglich eine andere Sichtweise, falsch oder richtig sei dahingestellt.

Aber man koennte auch argumentieren das das Eine ohne das Andere nicht sein kann.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

Es ist doch so: wenn die Annahme, jeder Mensch könne Gut und Böse unterscheiden, richtig wäre, dann gäbe es m. E. auch objektive moralische Urteile. Dazu müsste Liegestuhl aber klarstellen, ob sie das vertritt.
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naddy
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von naddy »

Ich habe mich ja schon durch die verquastetsten Gedankenwelten gewurschtelt, von Kant über Hegel bis Heidegger. Aber worum es in diesem Thread gehen soll, habe ich immer noch nicht begriffen. :s

Was soll denn das Kriterium für "objektive moralische Urteile" sein? Selbst wenn sie vermeintlich "der Sache angemessen" sind, bleiben es doch immer noch "Urteile", sind mithin zwingend an Subjekte gebunden. Oder hat schon jemand etwas von "Urteilen" in der Objektwelt gehört?
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von H2O »

An den Jahrestag der Urteilsverkündungen in den Nürnberger Prozessen ist doch gerade erst im ÖRR erinnert worden. Nicht einer der zum Tode Verurteilten hatte persönlich Blut an den Händen, und doch ging von ihnen das unbestritten Böse aus, mit etwa 5 Millionen planmäßig ermordeten Menschen. Zwar sprachen die Sieger auch die Urteile... ein Schönheitsfehler. Aber wie wollte man deutsche Richter finden, die nicht in Naziverbrechen verwickelt und somit befangen waren? Also, Urteile waren das ja wohl, die auch vollstreckt wurden. Moralisch, objektiv, wer will danach fragen? Gab es die Verbrechen, waren die Beklagten darin leitend verwickelt... gibt es da Zweifel?
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BlueMonday
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von BlueMonday »

Liegestuhl hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:06)

Was haltet ihr von der Aussage:

"Jeder Mensch ist in der Lage zwischen gut und böse zu unterscheiden?"

Das ist kein moralisches Urteil, sondern Deskription.

Ein moralisches Urteil ist bspw.: Es ist falsch zu töten. Führt in der Regel zur normativen Aussage(Moral): Du sollst nicht töten.

Oder:
"Ich mag die Farbe Blau" Das ist ein Werturteil. Ich werte, ziehe also eine Farbe anderen vor.
"Mein Zimmer soll in Blau gestrichen werden." => Sollensaussage
"Alle Zimmer sollten blau gestrichen werden" Die Sollensaussage wird zu einer allgemeinen Moral(Norm) erhoben.
"Es gibt Menschen, die die Farbe Blau mögen und ihre Zimmer deshalb blau streichen" => deskriptive(beschreibende), wert(urteils)freie Aussage.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Meruem »

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 14:12)

Ich habe mich ja schon durch die verquastetsten Gedankenwelten gewurschtelt, von Kant über Hegel bis Heidegger. Aber worum es in diesem Thread gehen soll, habe ich immer noch nicht begriffen. :s

Was soll denn das Kriterium für "objektive moralische Urteile" sein? Selbst wenn sie vermeintlich "der Sache angemessen" sind, bleiben es doch immer noch "Urteile", sind mithin zwingend an Subjekte gebunden. Oder hat schon jemand etwas von "Urteilen" in der Objektwelt gehört?
Sehe ich auch so egal wie man es auch dreht und wendet man kommt hier nicht um hin die subjektive Färbung solcher moralischer Werturteile zu nennen, da es schlicht keine " "objektiven moralischen Werturteile" gibt. Bsp Vergewaltigung was im Westen als moralisch schlecht und strafbar gilt ist in manch afrikanischer Stammesgesellschaft gang und gäbe dort wird man höchstens beim Wort " sexuelle Selbstbestimmung" ungläubig angeschaut, dort tauschen die Männer bisweilen sogar die Frauen untereinander aus ohne dass sich da irgendjemand empört ,. oder dass Thems Abtreibung für die einen Mord am noch ungeborenen Leben für andere das Recht über die körperliche Selbstbestimmung der Frau, und nun lässt sich da jetzt ganz objektiv einmoralisches Urteil fällen dass für alle Menschen , an allen Orten zu jeder Zeit gelten soll? Und wer nimmt sich das Recht vermeintlich moralisch "objektiv" urteilen zu können.
Zuletzt geändert von Meruem am Do 26. Nov 2020, 15:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von BlueMonday »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 12:32)

Es ist doch so: wenn die Annahme, jeder Mensch könne Gut und Böse unterscheiden, richtig wäre, dann gäbe es m. E. auch objektive moralische Urteile. Dazu müsste Liegestuhl aber klarstellen, ob sie das vertritt.
Wenn jeder Mensch Gut und Böse unterscheiden könnte, dann heißt es noch nicht, dass jeder gleich urteilt. Man kann also verschieden werten, Verschiedenes für Gut und Böse halten. Allein dieses Forum ist ja nur so gefüllt mit gegenläufigen Urteilen.
Und selbst wenn durch die Bank ohne Ausnahme die gleichen Urteile gefällt würden, dann sind die Urteile immer noch nicht objektiv. Objektiv hieße, dass ein Urteil unabhängig vom Urteil der Menschen in der Welt ist ... und nur von den Menschen "gefunden" oder "entdeckt", aber nicht entschieden wird. Urteilen heißt ja entscheiden. Und man kann nur etwas prinzipiell Unentscheidbares(Kontingentes) entscheiden. Prinzipiell entschieden = es gibt ein zwingendes("objektives") Prinzip in einer Frage.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 14:12)

Ich habe mich ja schon durch die verquastetsten Gedankenwelten gewurschtelt, von Kant über Hegel bis Heidegger. Aber worum es in diesem Thread gehen soll, habe ich immer noch nicht begriffen. :s

Was soll denn das Kriterium für "objektive moralische Urteile" sein? Selbst wenn sie vermeintlich "der Sache angemessen" sind, bleiben es doch immer noch "Urteile", sind mithin zwingend an Subjekte gebunden. Oder hat schon jemand etwas von "Urteilen" in der Objektwelt gehört?
Also mit den Voraussetzungen der Kantschen Vernunft - wenn man das akzeptiert - würde man zu solchen Behauptungen kommen. Was Liegestuhl schrieb, kann man m.E. mit Kant vertreten. (Nicht dass ich es täte)
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Meruem »

Skeptiker hat geschrieben:(19 Nov 2020, 20:10)

Ethik und Moral sind keine messbaren Größen. Sie entstammen menschlicher Wahrnehmung und einem gesellschaftlichen und politischen Prozess. Nichts daran ist objektiv.

Folglich kann es auch keine objektiv richtige Strafe geben, weil diese sich an Recht orientiert, welches dem Moralverständnis der jeweiligen Zeit entstammt.
Richtig, womit wir wieder bei der Subjektivität wären ,,Moralvorstellungen auf denen das Recht basiert sind durch und durch subjektiv und den Zeitgeist untworfen, eine objektive Moral oder objektive Moralvorstellungen sind ein Widerspruch in sich man kann sich ja überhaupt darüber streiten ob es sowas wie eine reine objektive Erkenntnis überhaupt gibt.
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naddy
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von naddy »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 15:55)

Also mit den Voraussetzungen der Kantschen Vernunft - wenn man das akzeptiert - würde man zu solchen Behauptungen kommen. Was Liegestuhl schrieb, kann man m.E. mit Kant vertreten. (Nicht dass ich es täte)
Ich hätte nichts dagegen, wenn Du diese Auffassung näher erläutern würdest, schließlich sind wir hier ja im Unterforum "Philosophie". ;)
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Fliege »

Politisch Korrekte vertreten die Auffassung, dass objektive moralische Urteile nicht nur möglich seien, sondern dass ihnen, den politisch Korrekten, unfehlbarer Expertenstatus für objektive moralische Urteile zukomme.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Adam Smith »

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 14:12)

Ich habe mich ja schon durch die verquastetsten Gedankenwelten gewurschtelt, von Kant über Hegel bis Heidegger. Aber worum es in diesem Thread gehen soll, habe ich immer noch nicht begriffen. :s

Was soll denn das Kriterium für "objektive moralische Urteile" sein? Selbst wenn sie vermeintlich "der Sache angemessen" sind, bleiben es doch immer noch "Urteile", sind mithin zwingend an Subjekte gebunden. Oder hat schon jemand etwas von "Urteilen" in der Objektwelt gehört?
Das Hamiltonsches Prinzip wäre so ein Urteil.

Wie bereits geschrieben basiert unsere Ethik auf dem Utilitarismus. Das Wirtschaften basiert zum Beispiel darauf.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 14:12)

Ich habe mich ja schon durch die verquastetsten Gedankenwelten gewurschtelt, von Kant über Hegel bis Heidegger. Aber worum es in diesem Thread gehen soll, habe ich immer noch nicht begriffen. :s

Was soll denn das Kriterium für "objektive moralische Urteile" sein?
Objektive Gültigkeit moralischer Normen, um es korrekt auszudrücken.
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Progressiver
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Progressiver »

Liegestuhl hat geschrieben:(26 Nov 2020, 11:06)

Was haltet ihr von der Aussage:

"Jeder Mensch ist in der Lage zwischen gut und böse zu unterscheiden?"
Ich halte von dieser Aussage auch nichts. Sie setzt ein manichäisches Denken voraus. Und ist somit selbst in der Konsequenz totalitär.

Denn was soll das denn sein, das "Gute" und das "Böse"? Gibt es so etwas wie ein absolutes Gutes und Böses?

Die Realität sieht doch eher so aus: Jeder Mensch hat seine eigenen Bedürfnisse, die auf der Maslowschen Bedürfnispyramide aufbauen. Da wir in einer Gesellschaft leben, wird es dabei intrapersonelle als auch interpersonelle Konflikte geben. Der Konflikt ist dabei nicht böse, sondern die Realität. Entscheidend ist, wie man seine Interessen durchsetzt. Geschieht das eher im Kompromiss mit anderen? Oder versucht man, seine Interessen durchzusetzen, indem man andere Leute psychisch zerstört oder gleich ganz umbringt? Für letzteren Personenkreis gibt es zurecht Gefängnisse. Wenn jemand aber seine Interessen artikuliert, indem er sie ausspricht, dann kann dies zu Meinungsverschiedenheiten führen. Der dadurch entstehende Konflikt ist aber nicht böse, weil er einen vorher existierenden Frieden, ja eine Friedhofsruhe, gestört hat. Sondern es ist das Recht jedes Menschen, seine Interessen zu artikulieren. Wenn zum Beispiel bei zwei Personen oder Gruppen so etwas wie eine Kompromissfähigkeit und die Fähigkeit zur gegenseitigen Empathie vorherrscht, dann artet das Ganze auch nicht in Gewalt aus.

Das Konzept "Gut versus Böse" funktioniert jedoch ganz anders. Da meint eine Seite, die alleinglückselige Wahrheit gefunden zum haben sowie das Wissen, was denn das absolute Gute sei. Und in der Praxis wird das "Gute" als derart heilig angesehen, dass der Zweck die Mittel heiligt. In einem ersten Stadium wird versucht, den Gegner moralisch zu diskreditieren und zu dämonisieren. Dies führt dann aber dazu, dass man die andere Seite als moralisch verkommene Leute betrachtet, denen man nur mit Belehrungen und Vorwürfen kommen kann. In einem nächsten Schritt wird dann der anderen Seite vielleicht sogar abgesprochen, dass es sich bei ihnen um Menschen handelt. Dann aber sind der Gewalt gegenüber den "Bösen" keine Grenzen mehr gesetzt. Anstatt Kompromisse zu finden auf der Basis eines "Leben und leben lassen", geht es nur noch darum, die "Bösen" von der Erde auszumerzen. Und genau diese Einstellung führt dann zu Mord und Totschlag.

Beim Konzept "Gut versus Böse" gibt es folglich ebenfalls keine objektiven moralischen Urteile. Aber man versucht, die andere Seite eines Konfliktes zu einem toten Objekt zu machen. Wenn dagegen ein Konflikt zugelassen und zivilisiert ausgetragen wird, kann das vielleicht sogar das Gemeinschaftsgefühl zwischen zwei Parteien stärken.
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

Progressiver hat geschrieben:(26 Nov 2020, 18:08)


Denn was soll das denn sein, das "Gute" und das "Böse"? Gibt es so etwas wie ein absolutes Gutes und Böses?
Also, wenn man die Behauptung Liegestuhls nimmt und den Kant dagegenhält, dann könnte man ihm - die Frage seiner Prämissen mal außer Acht lassend - zumindest ein sicheres Navigieren durch Gut und Böse behaupten, ohne jetzt ein manichäisches Prinzip aus den Begriffen zu machen.
Was ich also zu tun habe, damit mein Wollen sittlich gut sei, darzu brauche ich gar keine weit ausholende Scharfsinnigkeit. Unerfahren in Ansehung des Weltlaufs, unfähig, auf alle sich eräugnende Vorfälle desselben gefaßt zu sein, frage ich mich nur: Kannst du auch wollen, daß deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde? wo nicht, so ist sie verwerflich, und das zwar nicht um eines dir, oder auch anderen, daraus bevorstehenden Nachteils willen, sondern weil sie nicht als Prinzip in eine mögliche allgemeine Gesetzgebung passen kann, für diese aber zwingt mir die Vernunft unmittelbare Achtung ab, von der ich zwar jetzt noch nicht einsehe, worauf sie sich gründe (welches der Philosoph untersuchen mag), wenigstens aber doch so viel verstehe: daß es eine Schätzung des Wertes sei, welcher allen Wert dessen, was durch Neigung angepriesen wird, weit überwiegt, und daß die Notwendigkeit meiner Handlungen aus reiner Achtung fürs praktische Gesetz dasjenige sei, was die Pflicht ausmacht, der jeder andere Bewegungsgrund weichen muß, weil sie die Bedingung eines an sich guten Willens ist, dessen Wert über alles geht.
In diesem Sinne dürfte man Liegestuhls Satz dann auch zustimmen.
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Calvadorius
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Calvadorius »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 10:04)

"Sie" behauptet aber das Gegenteil, schon oder gerade im ersten Artikel.
Echt?
:?:
Wo denn genau?
Leben ist eine sexuell übertragbare Krankheit, die in jedem Fall tödlich endet.
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

Calvadorius hat geschrieben:(26 Nov 2020, 21:41)

Echt?
:?:
Wo denn genau?
"Das Gegenteil" bezog sich nicht auf die Todesstrafe, sondern auf "Konstrukt" in Ihrem Beitrag. Die Menschenwürde in Art. 1 gilt aber nicht als Konstrukt, sondern als Gattungswürde.

Falls Sie je dazu was sagen wollen, es gibt einen inzwischen eingeschlafenen Strang hierzu.
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naddy
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von naddy »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 19:10)

Also, wenn man die Behauptung Liegestuhls nimmt und den Kant dagegenhält, dann könnte man ihm - die Frage seiner Prämissen mal außer Acht lassend - zumindest ein sicheres Navigieren durch Gut und Böse behaupten, ohne jetzt ein manichäisches Prinzip aus den Begriffen zu machen.
Noch mehr subjektives "Urteil" als die Setzung von "Gut und Böse" geht doch gar nicht, oder sind wir da unterschiedlicher Auffassung?

Diese Begrifflichkeiten sind Leerformeln, die mit beliebigen Inhalten gefüllt werden können - und auch werden. Darauf hat schon der User Progressiver hingewiesen. Banales Beispiel: Für einen "Gotteskrieger" ist das Abschlachten von "Ungläubigen" gut, die Nicht-Befolgung dieses "göttlichen Auftrags" böse. Wir sehen das überwiegend anders. Ist da ein Kompromiß denkbar, der die Anforderungen an ein "objektives moralisches Urteil" erfüllt?

Noch einmal meine grundsätzliche Meinung zu diesem Thema: Von "objektiven Urteilen" zu reden ist schon deshalb unsinnig, weil sich im Urteil die subjektive Bewertung eines Objekts oder Sachverhalts ausdrückt. Ohne diese Beziehung zwischen Subjekt und Objekt gibt es kein Urteil. Siehe dazu auch die von BlueMonday zitierte Aussage Heinz v. Foersters.
"Das gefährliche an der Dummheit ist, daß sie die dumm macht, die ihr begegnen." (Sokrates).
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 22:54)

Noch mehr subjektives "Urteil" als die Setzung von "Gut und Böse" geht doch gar nicht, oder sind wir da unterschiedlicher Auffassung?
Nein, ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass man vielleicht mit Kant den Satz von Liegestuhl begründen kann.

naddy hat geschrieben:(26 Nov 2020, 22:54)
Diese Begrifflichkeiten sind Leerformeln, die mit beliebigen Inhalten gefüllt werden können - und auch werden. Darauf hat schon der User Progressiver hingewiesen. Banales Beispiel: Für einen "Gotteskrieger" ist das Abschlachten von "Ungläubigen" gut, die Nicht-Befolgung dieses "göttlichen Auftrags" böse. Wir sehen das überwiegend anders. Ist da ein Kompromiß denkbar, der die Anforderungen an ein "objektives moralisches Urteil" erfüllt?

Noch einmal meine grundsätzliche Meinung zu diesem Thema: Von "objektiven Urteilen" zu reden ist schon deshalb unsinnig, weil sich im Urteil die subjektive Bewertung eines Objekts oder Sachverhalts ausdrückt. Ohne diese Beziehung zwischen Subjekt und Objekt gibt es kein Urteil. Siehe dazu auch die von BlueMonday zitierte Aussage Heinz v. Foersters.
Ich hatte die sprachliche Schlamperei schon präzisiert: Es geht um die objektive Gültigkeit moralischer Urteile - hier wäre es die "objektive Angemessenheit" für ein Todesurteil, was aber derjenige, der es behauptet hat, ohnehin wieder zurückgezogen hat. Ob die Förster-Formel nicht auch ein Idealismus oder eine Leerformel ist, wäre ein anderes Thema.

Was die Frage des Guten oder des Bösen angeht, halte ich es mit Safranski:
„Mir geht es beim Nachdenken über das Böse darum, den Reichtum der Beschreibung wiederherzustellen gegenüber den menschlichen Tatsachen. Die Begriffe, mit denen die Wissenschaft arbeitet, erscheinen mir notorisch harmloser als die Wirklichkeit. “


Wobei der Begriff natürlich immer schon etwas aufgeladen klingt. Aber sich über das radikal Negative Gedanken zu machen und es nicht irgendwelchen Wissenschaftlern, manchen Sozialwissenschaftlern zumal, zu überlassen, kann durchaus sinnvoll sein.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Calvadorius »

Stoner hat geschrieben:(26 Nov 2020, 21:53)

"Das Gegenteil" bezog sich nicht auf die Todesstrafe, sondern auf "Konstrukt" in Ihrem Beitrag. Die Menschenwürde in Art. 1 gilt aber nicht als Konstrukt, sondern als Gattungswürde.

Falls Sie je dazu was sagen wollen, es gibt einen inzwischen eingeschlafenen Strang hierzu.
Wenn Du meinen Beitrag richtig gelesen hättest, wäre Dir aufgefallen, daß die "Gattungswürde" in dieser Betrachtung völlig unerheblich ist.
Es ging in meiner Mitteilung schlicht darum, daß unsere (sehr gute) Verfassung keinerlei "Objektivität" begründet.
Leben ist eine sexuell übertragbare Krankheit, die in jedem Fall tödlich endet.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von aleph »

Skeptiker hat geschrieben:(19 Nov 2020, 20:10)

Ethik und Moral sind keine messbaren Größen. Sie entstammen menschlicher Wahrnehmung und einem gesellschaftlichen und politischen Prozess. Nichts daran ist objektiv.

Folglich kann es auch keine objektiv richtige Strafe geben, weil diese sich an Recht orientiert, welches dem Moralverständnis der jeweiligen Zeit entstammt.
Der grad des schadens, den eine tat anderen oder dich selbst zufügt, könnte man irgendwie bewerten, schließlich auch die verhältnismäßigkeit, beliebt für solche Gedankenspiele sind inseln. Wenn man da einen mörder hat, der wieder morden will und den man nicht wegsperren kann, wäre es objektiv gerechtfertigt, ihn zu töten.
Auf dem Weg zum Abgrund kann eine Panne lebensrettend sein. Walter Jens
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von schokoschendrezki »

"Objektiv" wäre zum Beispiel, wenn man in vergleichenden Studien nachweisen könnte, dass die Verhängung der Todesstrafe für die Verbrechen, die gemeint sind, zu einem relevanten Absinken der entsprechenden Raten führen würde im Vergleich zu Regionen, in denen die Todesstrafe dafür nicht verhängt wird. Das besagt zwar noch nix über irgendein moralisches Urteil. Weder zu diesen Verbrechen noch zur Verhängung der Todesstrafe. Aber es wäre ersteinmal ein objektiver Zugang.

Ich wüsste aber nicht, dass es Studien mit solchen Ergebnissen gibt. In den Niederlanden zum Beispiel gibt es eine extrem strafvermeidende Justiz. In den USA dagegen eine regelrechte Gefängnisindustrie. In China oder dem Iran eine hohe Rate von Todesurteilen. Zu einer besseren Gesellschaft hat wohl weder die eine noch die andere Praxis geführt.

Auch über die grundsätzliche Unangemessenheit einer "Vergeltungsjustiz", bei der also Strafen nicht in Hinsicht auf eine Verbesserung des Sozialgefüges ausgerichtet sind sondern im Sinne einer Vergeltung eine Äquivalenz zur Straftat sein sollen, ließe sich objektiv philosophieren.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

Calvadorius hat geschrieben:(27 Nov 2020, 01:21)

Wenn Du meinen Beitrag richtig gelesen hättest, wäre Dir aufgefallen, daß die "Gattungswürde" in dieser Betrachtung völlig unerheblich ist.
Es ging in meiner Mitteilung schlicht darum, daß unsere (sehr gute) Verfassung keinerlei "Objektivität" begründet.
Ich empfehle dazu die Lektüre des Lüth-Urteils des Verfassungsgerichts sowie des Artikels 1 GG.
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

aleph hat geschrieben:(27 Nov 2020, 01:58)

Der grad des schadens, den eine tat anderen oder dich selbst zufügt, könnte man irgendwie bewerten, schließlich auch die verhältnismäßigkeit, beliebt für solche Gedankenspiele sind inseln. Wenn man da einen mörder hat, der wieder morden will und den man nicht wegsperren kann, wäre es objektiv gerechtfertigt, ihn zu töten.
Oben hat schon jemand auf den Utilitarismus hingewiesen. Innerhalb eines Ansatzes des Handlungsutilitarismus sind solche Überlegungen möglich.
Stoner

Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 06:47)

"Objektiv" wäre zum Beispiel, wenn man in vergleichenden Studien nachweisen könnte, dass die Verhängung der Todesstrafe für die Verbrechen, die gemeint sind, zu einem relevanten Absinken der entsprechenden Raten führen würde im Vergleich zu Regionen, in denen die Todesstrafe dafür nicht verhängt wird. Das besagt zwar noch nix über irgendein moralisches Urteil. Weder zu diesen Verbrechen noch zur Verhängung der Todesstrafe. Aber es wäre ersteinmal ein objektiver Zugang.
Richtig, denn es ist ja nur eine Beschreibung. Daraus dann eine Norm abzuleiten würden wir ja als naturalistischen Fehlschluss einstufen.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von ThorsHamar »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 06:47)

Ich wüsste aber nicht, dass es Studien mit solchen Ergebnissen gibt. In den Niederlanden zum Beispiel gibt es eine extrem strafvermeidende Justiz. In den USA dagegen eine regelrechte Gefängnisindustrie. In China oder dem Iran eine hohe Rate von Todesurteilen. Zu einer besseren Gesellschaft hat wohl weder die eine noch die andere Praxis geführt. ....
"bessere Gesellschaft" kann man gar nicht belegen, denn dazu müsste es im selben Land eine gegenteilige Praxis zum objektiven Vergleich geben.
So bleibt Deine Behauptung eine Vermutung, eine subjektiv determinierte Gleichsetzung.
Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von aleph »

ThorsHamar hat geschrieben:(27 Nov 2020, 10:13)

"bessere Gesellschaft" kann man gar nicht belegen, denn dazu müsste es im selben Land eine gegenteilige Praxis zum objektiven Vergleich geben.
So bleibt Deine Behauptung eine Vermutung, eine subjektiv determinierte Gleichsetzung.
Man kann verschiedene Länder vergleichen. Man könnte Norwegen und die USA vergleichen oder Kanada und die USA.
Auf dem Weg zum Abgrund kann eine Panne lebensrettend sein. Walter Jens
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

aleph hat geschrieben:(27 Nov 2020, 10:14)

Man kann verschiedene Länder vergleichen. Man könnte Norwegen und die USA vergleichen oder Kanada und die USA.
Die Frage ist doch dann: WAS vergleichen Sie eigentlich, wenn Sie vergleichen?

Wenn ich etwas vergleiche, dann muss ich doch möglichst viele Parameter haben für einen Vergleich. Welche also würde man sinnvollerweise heranziehen?
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von aleph »

Stoner hat geschrieben:(27 Nov 2020, 10:25)

Die Frage ist doch dann: WAS vergleichen Sie eigentlich, wenn Sie vergleichen?

Wenn ich etwas vergleiche, dann muss ich doch möglichst viele Parameter haben für einen Vergleich. Welche also würde man sinnvollerweise heranziehen?
Nicht möglichst viele, sondern die relevanten. Was will ich mit der todesstrafe erreichen? Eine geringere mordrate? Dann reicht es doch, die mordrate in ländern mit und ohne todesstrafe zu vergleichen, um festzustellen, ob die todesstrafe eine abschreckende wirkung hat.
Auf dem Weg zum Abgrund kann eine Panne lebensrettend sein. Walter Jens
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Stoner »

aleph hat geschrieben:(27 Nov 2020, 10:29)

Nicht möglichst viele, sondern die relevanten. Was will ich mit der todesstrafe erreichen? Eine geringere mordrate? Dann reicht es doch, die mordrate in ländern mit und ohne todesstrafe zu vergleichen, um festzustellen, ob die todesstrafe eine abschreckende wirkung hat.
Das wäre mir zu dürftig. Ich wüsste dann gar nicht, warum Länder mit ähnlichen Mordraten womöglich zu unterschiedlichen Ansätzen kämen: Hier die Todesstrafe, dort nicht.

Ich glaube, erst einmal müsste man wissen, wie man in einer Gesellschaft zu Gewalt steht, zum Strafen, welche Weltanschauungen dem zugrunde liegen, welche Traditionen. Man müsste ermitteln, wie hoch oder wie niedrig die Rate des gegenseitigen Vertrauens ist, wie stark das Vertrauen in das Handeln der Institutionen. Um nur einmal einen Anfang zu nennen.
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ThorsHamar
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von ThorsHamar »

aleph hat geschrieben:(27 Nov 2020, 10:14)

Man kann verschiedene Länder vergleichen. Man könnte Norwegen und die USA vergleichen oder Kanada und die USA.
Natürlich kann man verschiedene Länder vergleichen, aber eben nicht gleichsetzen.
Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von ThorsHamar »

aleph hat geschrieben:(27 Nov 2020, 10:29)

Nicht möglichst viele, sondern die relevanten. Was will ich mit der todesstrafe erreichen? Eine geringere mordrate? Dann reicht es doch, die mordrate in ländern mit und ohne todesstrafe zu vergleichen, um festzustellen, ob die todesstrafe eine abschreckende wirkung hat.
Was soll so ein Vergleich bringen? :p
Beispiel:
Welcher Staat hatte eine "bessere Gesellschaft" (Zitat schoko), die DDR oder die Bundesrepublik?
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von aleph »

ThorsHamar hat geschrieben:(27 Nov 2020, 11:05)

Was soll so ein Vergleich bringen? :p
Beispiel:
Welcher Staat hatte eine "bessere Gesellschaft" (Zitat schoko), die DDR oder die Bundesrepublik?
Das haben die bürger der ddr mit ihren füßen entschieden
Auf dem Weg zum Abgrund kann eine Panne lebensrettend sein. Walter Jens
Besser schweigen und als Narr zu scheinen, als sprechen und jeden Zweifel zu beseitigen. Abraham Lincoln
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von ThorsHamar »

aleph hat geschrieben:(27 Nov 2020, 11:08)

Das haben die bürger der ddr mit ihren füßen entschieden
Nicht ablenken, bitte ....
Es geht hier um eine Gleichsetzung zur Analyse.
In der DDR gab es offenbar weniger Kriminalität als bei uns. Nach statista waren es 1989 in der DDR ca. 100 000 Straftaten, incl. politischer Vorgänge.
In der Bundesrepublik waren es letztes Jahr ca. 5 400 000. (gleiche quelle)
Was kann man daraus jetzt für eine "bessere Gesellschaft" konstruieren, wenn man als Vergleichs-Basis die Judikative selbst plus Strafvollzug heranzieht?
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Meruem »

In Japan ist die Kriminalitätsrate offiziell auch niedriger , wollen da deswegen alle nach Japan auswandern? :?:
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Nov 2020, 06:47)

"Objektiv" wäre zum Beispiel, wenn man in vergleichenden Studien nachweisen könnte, dass die Verhängung der Todesstrafe für die Verbrechen, die gemeint sind, zu einem relevanten Absinken der entsprechenden Raten führen würde im Vergleich zu Regionen, in denen die Todesstrafe dafür nicht verhängt wird. Das besagt zwar noch nix über irgendein moralisches Urteil. Weder zu diesen Verbrechen noch zur Verhängung der Todesstrafe. Aber es wäre ersteinmal ein objektiver Zugang.
.
Objektiv(=intersubjektiv, gemeinsam beobachtbar) sind nur die bloßen Fälle. Wobei die Grenze, die man um eine Zahl von Fällen zieht (was betrachten wir, was schließen wir ein und aus, in welchem Zeitraum, wofür interessieren wir uns) ja schon wieder Werturteil ist.
Die Zahl vollstreckter Todesurteile und die Zahl der Straftaten, die mit mit Todesstrafe bestraft werden, das ist nur - Korrelation. Also ein bloßer statistischer Zusammenfall verschiedener vergangener Fälle. Kausalität("Todesstrafe bewirkt ein Absinken von Straftaten") ist hingegen nicht beobachtbar(Hume), sondern nur eine gedankliche Zuschreibung eines Zusammenhangs von Ursache und Wirkung. Also eine gedachte "Gesetzmäßigkeit", die nicht nur für die gemeinsam beobachtbare Vergangenheit gilt, sondern sich vom zeitlichen Rahmen löst und gleichförmig immer und überall gelten soll, wie eine "Kraft", die etwas ursächlich antreibt. Nur hängt so eine Vorstellung, Zuschreibung oder Spekulation eben von einem Zuschreibenden oder Spekulierenden ab. Objektivität im strengeren Sinne hängt letztlich hinter dem Vorhang der Metaphysik. Eine Spekulation darüber, was hinter der Beobachtung "wirkt". Eine der frühesten Spekulationen darauf war "Gott".

Und wenn man nun zum "moralischen Urteil" springt, dann lässt sich das nun auch nicht beobachten und wie ein Apfel vom Baume pflücken. Der Grund für "Strafe" ist auch nicht nur die vermeintlichen Abschreckung der Straftat, sondern da gibt es tausend andere Gründe. Ein Strafrechtler meinte einmal, dass wir vor allem strafen würden, um uns selbst zu kennzeichnen als die besseren Menschen, um allen anderen zu sagen: "Schaut her, so sind wir nicht wie diese Halunken, so wollen wir nicht sein". Beweggründe der Anschauung also, eines ästhetischen Urteils letztlich.

Warum will mancher selbstbestimmt sterben? Weil es eine hässliche Vorstellung ist sinnlos weitervegetieren zu müssen. Der katholische Pfarrer lebt hingegen eine andere Ästhetik. Die Ästhetik des durchhaltenen, ertragenen, für alles dankbaren, demütigen Menschen, in dessen Hand es nicht liegt, das "Geschenk des Lebens" abzuweisen und vorzeitig zu beenden.
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(27 Nov 2020, 18:46)

Objektiv(=intersubjektiv, gemeinsam beobachtbar) sind nur die bloßen Fälle. Wobei die Grenze, die man um eine Zahl von Fällen zieht (was betrachten wir, was schließen wir ein und aus, in welchem Zeitraum, wofür interessieren wir uns) ja schon wieder Werturteil ist.
Die Zahl vollstreckter Todesurteile und die Zahl der Straftaten, die mit mit Todesstrafe bestraft werden, das ist nur - Korrelation. Also ein bloßer statistischer Zusammenfall verschiedener vergangener Fälle. Kausalität("Todesstrafe bewirkt ein Absinken von Straftaten") ist hingegen nicht beobachtbar(Hume), sondern nur eine gedankliche Zuschreibung eines Zusammenhangs von Ursache und Wirkung. Also eine gedachte "Gesetzmäßigkeit", die nicht nur für die gemeinsam beobachtbare Vergangenheit gilt, sondern sich vom zeitlichen Rahmen löst und gleichförmig immer und überall gelten soll, wie eine "Kraft", die etwas ursächlich antreibt. Nur hängt so eine Vorstellung, Zuschreibung oder Spekulation eben von einem Zuschreibenden oder Spekulierenden ab. Objektivität im strengeren Sinne hängt letztlich hinter dem Vorhang der Metaphysik. Eine Spekulation darüber, was hinter der Beobachtung "wirkt". Eine der frühesten Spekulationen darauf war "Gott".
Für mich - als "Frequentisten" - steckt hinter eine Korrelation ohne bekannte Kausalität nicht zwangsläufig und immer nur eine subjektive Zuschreibung sondern sehr häufig ein nur (noch) nicht erkannter, noch nicht theoretisch ausformulierter, aber durchaus objektiver Zusammenhang.

Und selbst die subjektiven Zuschreibungen sind als objektive Zusammenhänge erkennbar. Beispiel: Kommerziell angebotene genetische Herkunftsanalysen. Für diese benötigt man Referenzdatenbanken als Hintergrundmodell. Wie entstehen die? Man fragt vereinfacht gesagt eine Menge Leute, ob sie genau und lückenlos wissen woher ihre Großeltern stammen und wenn ja, ob diese aus der gleichen Region stammen. In diesem Falle kommen die genetischen Daten in die Referenzdatenbank. In allen anderen Fällen werden die Daten gar nicht erst erhoben. Schon als Mensch mit einem statistischen Laienwissen kann man sich denken, dass Gen-Tests auf der Basis dieser Referenzmodelle tendenziell höchst fehlerhaft sein werden. Denn hinter diesem Aussondern steht die (natürlich fälschliche) Modell-Annahme, dass Menschen Vorfahren im Wesentlichen aus gleichen Großregionen haben. Und dass die, die das so nicht beantworten können lediglich Ausreißer sind. Sind sie natürlich nicht. Weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinne.

Diese Zusammenhänge bzw. diese meine Ansichten jetzt aber auf so etwas wie "moralische Urteile" anzuwenden ... da bin ich mir sicher, dass ich mich da verrennen werde. Da lass ich die Finger weg!
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Objektive moralische Urteile

Beitrag von Oliver Krieger »

Recht und Gesetz sind (persönlich) äußere Regel, Moral ist (persönlich) innere Regel. Darum hat Moral mit Strafmaßen nichts zu tun. Recht muss einheitliche Strafmaße definieren, soweit möglich, die Moral muss charakterlich einheitlich sein.

Ein Verbrecher ist, wer durch die Verübung eines Verbrechens eine äußere Regel bricht, die für alle gilt. Ohne Moral handelt, wer die eigenen Regeln, Werte, Tugenden willkürlich und je nach Sachverhalt ändert oder ignoriert.

Bislang wurde in diesem Diskurs beides miteinander weitestgehend gleichgesetzt.

Ein objektives Recht, oder Gesetz kann es nicht geben, weil kein Gesetzgeber und keine Justiz sämtliche möglichen Rechtsbrüche und Freiheitsmaße kennen kann. Das Recht hinkt der Realität immer hinterher. Außerdem sind gesellschaftliche Zustände viel zu uneinheitlich hierfür.

Um Objektivität des Rechts zu erreichen, hätte nicht nur nie ein Gesetz geändert werden dürfen, und es müssten nicht nur alle Gesetzbücher aller Gesellschaften gleich sein, sondern es müsste auch die Endgültigkeit des Rechts erreicht werden können, weil der Mensch sich nie mehr ändert. Das alles ist undenkbar.

Recht kann allenfalls allgemein sein, in Abgrenzung zum besonderen Recht, oder international, in Abgrenzung zum staatlichen.

Die Zwecke der Strafen festlegenden und verhängenden Staatsgewalten sind vielfältig. Durch die Strafe wird gebessert, gerächt, geschützt, wiedergutgemacht, abgeschreckt, gesondert, demonstriert, befriedet und gepeinigt, um die wichtigsten zu nennen.

Eine objektive Moral kann es nur unter einer einzigen Bedingung geben, und diese ist denkbar unerquicklich : Alle Menschen lebten unter exakt gleichen gesellschaftlichen Bedingungen, und hätten aufgrund seelischer Identität und identischer Mentalität überhaupt keine andere Möglichkeit, als dasselbe zu fühlen, zu wollen, zu urteilen, und zu schließen. Diese Vorstellung entspricht einer Menschheit der Klone mit einem einzigen Geschlecht in einer klassenlosen, ideologisierten und totalitären Dystopie. Es hätte eine feste, immer gleiche Hierarchie der Tugenden, Menschen änderten sich nie, weil der Charakter sonst moralisch abwiche.

Kant empfahl die Objektivität der Moral. Der Mensch solle eigene Maximen entwickeln, die für alle gleich sein können, und denen er zu folgen, und in deren Gebrauch er idealerweise so wenig Freiheit genießen solle, wie der unbelebte Himmelskörper in seinem Orbit. Derlei ist nicht mehr Liberalität, es ist Dogmatik, und es überfordert jede Vernunft, weil kein Mensch jedes Menschenschicksal apriori kennen kann.
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Wichtiger, als die Frage, ob und wann Skepsis angemessen ist, ist die Erkenntnis, wo sie regelmäßig endet.
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