Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

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H2O
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von H2O »

Skeptiker hat geschrieben:(16 May 2020, 10:33)

Tja, die Kollaboration mit Nazideutschland wollte ich garnicht ansprechen. Es ist wohl bekannt, dass die nationale Bewegung in der Ukraine Wurzel hat, die bis in diese Zeit zurückgehen. Es kann sich ja jeder mal zur Rolle des heutigen gefeiterten Helden Stepan Bandera informieren. Vielleicht wird dann ja klarer welcher Strömungen man sich in der Ukraine bedient hat, um einen Zwist zwischen Staaten zu fördern, den es originär garnicht in der Breite gab.
Dann haben wir gleich das Thema Jugoslawien am Wickel, mit dem bösen Zwist zwischen Serben/Tschetniks und Kroaten/Ustascha. Aber da ist die Gemengelage noch verrückter mit Bosniern und Slowenen.

Mit Blick auf die Ukraine hat Rußland sich auch nicht gerade durch Liebeswerben hervorgetan, und auch da gibt es Parallelen zu Serbien im Jugoslawienkonflikt.

Wenn Sie dann die obige Quelle darauf überfliegen, dann kommt man zur Erkenntnis, daß seit 1200 Jahren diese zerstörerische Tradition gepflegt wird.
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Quatschki
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Quatschki »

H2O hat geschrieben:(16 May 2020, 11:02)

Mit Blick auf die Ukraine hat Rußland sich auch nicht gerade durch Liebeswerben hervorgetan, und auch da gibt es Parallelen zu Serbien im Jugoslawienkonflikt.
Orthodox vs. Katholisch
Bis Ende 19.Jh war die Identität stärker durch die Religion als die nationale Zugehörigkeit geprägt

Und natürlich hat die Westukraine mit der langen Zugehörigkeit zu Polen eine "Westbindung", die die Gebiete östlich des Dnepr historisch nicht haben.
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DarkLightbringer
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

Der Punkt ist, dass im Zuge des WK II Millionen ukrainischer Zivilisten umkamen, dazu weitere Millionen als Soldaten der Roten Armee.
Insofern lässt sich die damalige Sowjetunion - inklusive der Sowjetukraine - nicht mit der Russischen Föderation von heute gleichsetzen.

Aktuell ist die geschichtspolitische Betrachtung natürlich ein Thema, es spiegelt den heutigen russisch-ukrainischen Krieg.
Kritiker sprechen auch vom "Putin-Stalin-Pakt", weil z. B. die Propaganda die Kriegsverantwortung Polen zuschieben möchte.
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oga
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von oga »

DarkLightbringer hat geschrieben:(16 May 2020, 22:25)

Der Punkt ist, dass im Zuge des WK II Millionen ukrainischer Zivilisten umkamen, dazu weitere Millionen als Soldaten der Roten Armee.
Insofern lässt sich die damalige Sowjetunion - inklusive der Sowjetukraine - nicht mit der Russischen Föderation von heute gleichsetzen.

Aktuell ist die geschichtspolitische Betrachtung natürlich ein Thema, es spiegelt den heutigen russisch-ukrainischen Krieg.
Kritiker sprechen auch vom "Putin-Stalin-Pakt", weil z. B. die Propaganda die Kriegsverantwortung Polen zuschieben möchte.
Wohl eher den damaligen Verbündeten Polens - Grossbritannien und Frankreich, oder?
I guess I should warn you, if I turn out to be particularly clear, you've probably misunderstood what I've said.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

oga hat geschrieben:(16 May 2020, 23:45)

Wohl eher den damaligen Verbündeten Polens - Grossbritannien und Frankreich, oder?
Nein, nein, da ist ganz unbildlich Polen gemeint.

Die Vorwürfe: Polen habe mit Nazi-Deutschland viel früher einen Nichtangriffspakt beschlossen, die Rote Armee sei 39 nur einmarschiert, weil Warschau die Kontrolle verloren habe, und zudem habe sich der damalige polnische Botschafter als Antisemit "komplett mit Hitler" solidarisiert.

https://www.tagesspiegel.de/politik/ges ... 97584.html

Den Warschauer Aufstand habe man nicht unterstützen können, weil die Polen das schlecht vorbereitet hatten - so ein weiterer Vorhalt.
Usw. usf.

Der sog. Erinnerungskrieg tobt ja schon seit Jahren.

2015 nahm Putin höchstpersönlich an der Parade des "Unsterblichen Regimentes" teil, das Bildnis seines Vaters tragend.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

Diese Woche beschuldigte die russische Nachrichtensendung Westi Nedeli Polen, den Zweiten Weltkrieg begonnen zu haben.
https://euvsdisinfo.eu/de/kremlfreundli ... ght=stalin

In dem genannten, fremdsprachigen Sender wird Polen 2017 als "räuberischer Initiator" (des WK II) dargestellt.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von Sungawakan »

H2O hat geschrieben:(16 May 2020, 07:19)

Der Erkenntnis stelle ich einmal eine Aussage eines Korrespondenten in Kiew gegenüber: "Bis zur ernsthaft betriebenen Loslösung der Ukraine aus dem russischen Einflußgebiet galt Kiew als die westlichste durchweg russischsprachige Großstadt!"
Russischsprachig heißt nicht unbedingt russisch. In Österreich-Ungarn gab es viele Beamte aus anderen Landesteilen, die deutsch und / oder ungarisch auch zuhause gesprochen haben, nach Auflösung des Kaiserreiches jedoch wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurückgegangen sind, weil sie sich trotz allem alles Tschechen, Slowaken, Ukrainer usw. gefühlt haben. Hier wird der Fehler begangen, dass Sprache mit der Nation(alität) gleichgesetzt wird. Also wären (fast) alle Österreicher auch Deutsche.
Zuletzt geändert von Sungawakan am So 17. Mai 2020, 15:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

Ukrainisch ist nicht russisch, es sind zwei verschiedene Sprachen. Richtig ist, dass es einen polnischen, ungarischen und russischen Einfluß in der Ukraine gab.

Der renommierte Osteuropa-Historiker Andreas Kappeler kritisierte die "russische Sichtweise" sehr deutlich, die im Westen seit 200 Jahren praktiziert werde.
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H2O
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von H2O »

Sungawakan hat geschrieben:(17 May 2020, 15:14)

Russischsprachig heißt nicht unbedingt russisch. In Österreich-Ungarn gab es viele Beamte aus anderen Landesteilen, die deutsch und / oder ungarisch auch zuhause gesprochen haben, nach Auflösung des Kaiserreiches jedoch wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurückgegangen sind, weil sie sich trotz allem alles Tschechen, Slowaken, Ukrainer usw. gefühlt haben. Hier wird der Fehler begangen, dass Sprache mit der Nation(alität) gleichgesetzt wird. Also wären (fast) alle Österreich auch Deutsche.
Ich meine, daß man über Fragen der Volksangehörigkeit das davon betroffene Volk entscheiden lassen sollte. Der Zerfall eines Vielvölkerstaats ist immer eine sehr bedrückende Angelegenheit, ob nun des Russischen Zarenreichs, des Habsburger Reichs, des Osmanischen Reichs oder zuletzt noch Jugoslawien. Die Vertreibung von viele Jahrhunderte ansässigen Menschen von Haus und Hof ist und bleibt ein Verbrechen. Darüber sollten Außenstehende nicht rechten. Wie Österreicher und Deutsche miteinander umgehen, das sollte unsere innere Angelegenheit bleiben. Als Partner in der EU sind wir doch bestens miteinander verbunden... oder gibt es da andere Gedanken?
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oga
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von oga »

H2O hat geschrieben:(17 May 2020, 15:43)

Ich meine, daß man über Fragen der Volksangehörigkeit das davon betroffene Volk entscheiden lassen sollte. Der Zerfall eines Vielvölkerstaats ist immer eine sehr bedrückende Angelegenheit...
Ja, Selbstbestimmung sollte schon das einzige Kriterium sein, was die Frage der Volksangehörigkeit betrifft. Kritisch wird es aber, wenn die Volksangehörigkeit Stoff für separatistische Tendenzen liefert und zwar in Vielvölkerstaaten, welche nicht oder noch nicht zerfallen sind.
H2O hat geschrieben:(17 May 2020, 15:43)

Wie Österreicher und Deutsche miteinander umgehen, das sollte unsere innere Angelegenheit bleiben. Als Partner in der EU sind wir doch bestens miteinander verbunden... oder gibt es da andere Gedanken?
Ob es sie noch gibt - keine Ahnung. Aber es gab sie vor nicht allzu langer Zeit. Im Vertrag von Saint-Germain war ein Vereinigungsverbot enthalten, im Staatsvertrag von 1955 wohl auch.
Ausserdem gab es eine Phase der österreichischen Identitätssuche, also ganz so einheitlich ist die Meinung nicht gewesen.
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von H2O »

oga hat geschrieben:(17 May 2020, 16:02)

Ja, Selbstbestimmung sollte schon das einzige Kriterium sein, was die Frage der Volksangehörigkeit betrifft. Kritisch wird es aber, wenn die Volksangehörigkeit Stoff für separatistische Tendenzen liefert und zwar in Vielvölkerstaaten, welche nicht oder noch nicht zerfallen sind.

Ob es sie noch gibt - keine Ahnung. Aber es gab sie vor nicht allzu langer Zeit. Im Vertrag von Saint-Germain war ein Vereinigungsverbot enthalten, im Staatsvertrag von 1955 wohl auch.
Ausserdem gab es eine Phase der österreichischen Identitätssuche, also ganz so einheitlich ist die Meinung nicht gewesen.
Das Vereinigungsverbot hat eben mit freier Selbstbestimmung gar nichts am Hut... im Gegenteil ist es eine reine machtpolitische Beschränkung der Deutschen und Österreicher... wie immer sie sich empfinden mögen. Und da ist eben die EU als Gemeinschaft ein wunderbares Gefäß, um solche Empfindungen unschuldig werden zu lassen. So wie ich hier fröhlich unter Polen im ehemals deutschen Pommern lebe und wir hier alle lieb und nett miteinander umgehen, so fröhlich könnte ich auch in Kärnten unter Österreichern leben und mit ihnen scherzen... dann allerdings in einer gemeinsamen Muttersprache, in jedem Falle aber unverdächtig, daraus eine politische Machtzusammenballung werden zu lassen.

Aber wir kommen hier doch weit ab von den Wahrnehmungen der Akteure des zweiten Weltkriegs... wir sind inzwischen bei ihren Enkeln und Urenkeln angekommen. Nicht die schlechteste Entgleisung dieses Strangs!
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Re: Wahrnehmung der Akteure des zweiten Weltkrieges

Beitrag von DarkLightbringer »

Die Sudetenkrise 1938 zeigte, dass der Gedanke eines Großreiches mit weitreichenden Folgen und internationalen Spannungen verbunden sein kann.

Imperiale Zwangsehen werden immer dann besonders hässlich, wenn sie mit Gewaltexzessen einher gehen.
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