Ach wirklich? Zur Erinnerung: Ich schrieb in dem Posting: Demokratie ist nur möglich in einem funktionierenden Rechts- und Sozialstaat. Ist das bei uns wirklich der Fall?
Wir warten immer noch auf deine konkreten Vorschläge hinsichtlich notwendiger "Systemänderungen" in Deutschland..
Kommt da irgendwann noch was?
Oder weiter nur "Klagelieder" wie schlimm das alles sein?
Ich möchte da nur einmal den dysfunktionalen Rechtsstaat herausgreifen. In der ARD-Sendung "extra 3" kam heute gerade wieder der Punkt, dass alleine durch die Cum-Ex-Skandale dem deutschen Steuerzahler circa 35,9 Milliarden Euro geklaut wurden. Die Cum-Cum-Geschäfte schädigen das deutsche Staatswesen dennoch weiterhin mit einer Milliarde Euro pro Jahr. Insgesamt beläuft sich der weltweite Schaden durch die Cum-Ex-Geschäfte in zwanzig Jahren auf 150 Milliarden Euros.
Was die Gesetze zur Geldwäsche wiederum betrifft, so ist Deutschland ein Paradies. Sogar in der "heute Show" haben sie darüber mal Witze gerissen, dass man hierzulande problemlos 300.000 Euros in bar für ein Haus bezahlen kann, ohne dass der Staat dies nachprüfen kann, woher dieses Bargeld eigentlich kommt. Und die zuständige Behörde kriegt zwar immer wieder Tipps. Aber sie ist von der Anzahl der Beamten her so schlecht aufgestellt, dass sie die meisten Verdachtsfälle gar nicht bearbeiten kann.
Insgesamt betrachtet gehen dem deutschen Staat durch diese lasche Geldwäsche-Politik schätzungsweise 50 Milliarden pro Jahr an Steuereinnahmen verloren, habe ich auch aus dieser Sendung erfahren.
Nicht zu vergessen der ganz normale Raub, mit denen Steuerbetrüger den Staat -und somit die Allgemeinheit- betrügen. Müssen erst die Panama Papers und Pandora Papers aufzeigen, wie schlimm dieser Raubzug ist? Oder ist das, was wir aus diesen Sachen erfahren, nur wieder die Spitze des Eisberges?
Nicht zu vergessen, dass bei reichen Leuten mangels Steuereintreibern kaum mal jemand vorbei schaut. Als Hartz IV-Empfänger muss jeder Cent dokumentiert sein. Bei riesigen Vermögen schaut der Staat dann noch weg, was die Besteuerung betrifft. Der Staat weiß zwar, wie groß die Armut in Deutschland ist. Über die Reichen weiß er jedoch nichts. Er will es auch scheinbar gar nicht wissen, wie viele Milliarden manche Leute besitzen.
Nein. Ich denke, dass das ganze System korrupt ist. Der Staat und die Zivilgesellschaft müssen sich wehren. Wie viele Schulen könnte man digitalisieren, wenn man beispielsweise nur die Geldwäsche-Gesetze nicht nur verschärfen, sondern auch die Gesetze durchsetzen würde? Und dies hat mit Sozialneid gar nichts zu tun. Die Politiker und Beamte lassen sich faktisch zum Narren halten. Nicht der fleißigste und intelligenteste schafft es vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern die skrupellosesten asozialsten Psychopathen beklauen den Staat und die Allgemeinheit, weil sie den Rachen nicht voll genug kriegen.
Und natürlich kann man da auch von Staatsversagen sprechen. Aber was waren es denn für eine Art von Leuten, die den Staat kaputtgespart hatten, weil für sie die Devise galt "Privat vor Staat"? Angeblich soll denen zufolge alles besser werden, wenn sich der Staat aus allem zurückhält. Aber wem nützt das? Und ist eine Marktgesellschaft wirklich gerechter als eine mit funktionierendem Rechtsstaat? Inwieweit sind wir darüber hinaus eine Demokratie, wenn sich regierende Politiker für einen Apfel und ein Ei kaufen lassen? Ist es nicht oft so, dass Politiker zuerst irgendwelche Gesetze im Sinne irgendwelcher Konzerne zusammenwerkeln, um dann direkt nach einer politischen Karriere von ebendiesen Konzernen mit einem gut bezahlten Posten belohnt zu werden? Können oder wollen diese Politiker nicht sehen, wieviele Milliarden alleine dem deutschen Staat durch diese ganzen Sachen durch die Lappen gehen? Und wieso interessiert das die ganzen Zeitungshäuser nicht? Oder sind diese auch interessengeleitet wie beispielsweise Springer, die ja auch vor allem im Sinne ihrer Eigentümer berichten? Also in der Art wie: "Florida-Karl macht sich von Hartz IV ein schönes Leben." Angeblich. Aber über die ganzen Cum-Ex-Skandale oder die Pandora Papers wird vermutlich nicht so viel geschrieben. Und warum auch? Man will ja nicht die Leser intellektuell überfordern. Was Otto Normalverbraucher nicht weiß, macht ihn nicht heiß.
Ein funktionierender Rechtsstaat ist also nicht das Problem, sondern die Lösung. Zudem brauchen wir ganz andere Politiker, die sich für die Interessen der Allgemeinheit einsetzen. Das Glück der Reichen und Mächtigen ist jedoch, dass sich die meisten Menschen viel zu leicht von den Regierungen und den Medien beeinflussen lassen. Und bei "Florida-Karl bekommt missbräuchlich ein paar Euros zu viel an Sozialhilfe" geht denen die Galle hoch. Aber wenn durch die ganzen oben beschriebenen Sachen dem Staat mehrstellige Milliardenbeträge durch die Lappen gehen, so kapieren sie nichts. Und sie lassen sich beklauen von irgendwelchen Steuerbetrügern etc.
Und die paar wenigen, die misstrauisch werden, die misstrauen am ehesten den ÖRR. Und glauben am Ende nur irgendwelchen Verschwörungstheoretikern auf Youtube oder Telegram, was als Fall schon für sich betrachtet tragisch ist.
Von einem funktionierenden Sozialstaat brauche ich folglich gar nichts zu schreiben. Denn auch dieser ist nur möglich, wenn genug Geld in der Staatskasse ist. Wenn dem Fiskus aber jeder Jahr mehrstellige Milliardenbeträge fehlen, dann braucht sich niemand zu wundern, dass kein Geld da ist für Digitalisierung, Erneuerung der Infrastruktur, Klimaschutz, mehr und einen effektiveren Sozialstaat etc.
Und inwieweit wir in einer -funktioniernden- Demokratie leben, kann sich jeder selbst ausmalen. Theoretisch gilt immer noch die Regel: "Eine Person, eine Stimme." Aber inwieweit ist das Recht für alle Leute gleich, wenn sich manche in der Praxis doch viel mehr erlauben können, weil ihnen korrupte Banker und gewiefte Anwälte ihr ohnehin großes Vermögen am Fiskus vorbei enorm vergrößern, während der Großteil der Bevölkerung mit ehrlicher Arbeit gerade mal über die Runden kommen?
Der funktionierende demokratische Rechts- und Sozialstaat kann also nur die Lösung sein. In diesem Sinne ist er aus unserer heutigen Sicht de facto ein fernes Ziel, das wir noch erreichen müssen. Und mit irgendwelchen kommunistischen Enteignungsfantasien braucht hier niemand zu kommen. Es sind die Geldwäscher, Steuerkriminelle usw., die die Allgemeinheit der Steuerzahler enteignen bzw. berauben. Und nicht umgekehrt.
Das korrupte Wirtschaftssystem Kapitalismus hingegen ist zu unethisch, menschenverachtend und umweltzerstörend, um diese ganzen Umtriebe zu beseitigen.
Und auch wenn man sich die Geschichte des Kapitalismus ansieht, so sind in der Regel nicht die fleißigsten und schlauesten mit ehrlicher Arbeit reich geworden. Nein, das ist eine Blendgranate. Sondern die korruptesten und kriminellsten Raubritter haben nicht nur die beiden Amerikas entdeckt, sondern dort auch mit der Hilfe von Sklavenarbeit unermessliche Reichtümer angehäuft. So kann man es auch in dem Zeitungsartikel nachlesen, den ich in meinem letzten Beitrag gepostet habe.
Die kapitalistische (Herrschafts-)Ideologie tut also vor allem immer so, als ob es immer mit rechten Dingen zugeht, wenn manche Leute immer reicher werden, während andere bluten müssen. Aber in der Praxis wird nur kaschiert, dass es sich bei diesem System um modernes Raubrittertum handelt. Stattdessen wird den Leuten verkauft, dass der Kapitalismus gerecht sei, weil seine Protagonisten angeblich mit ehrlicher Arbeit reich wurden und werden.
Und gerade, was die Sklaverei betrifft, durch die der Kapitalismus seine Größe entwickelt hat: Die Besitzer von Sklaven gehören in der Tat enteignet. Wenn die Produktionsmittel aus Menschen bestehen, die angeblich Eigentum von Sklavenhaltern sind, so sind diese Produktionsmittel freizusetzen. Ob nun früher in den USA oder heute in Katar. Aber in Deutschland sind die Machtverhältnisse eher nicht so eindeutig. Da gilt es, sie offenzulegen. Und Menschenrecht bzw. das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit jedes Einzelnen ist meines Erachtens wichtiger als das Recht von wenigen, andere Menschen beherrschen zu dürfen.