Griechische Philosophen aus meiner Sicht

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naddy
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Der Einfluß von Sokrates

Beitrag von naddy »

Ach wie schön, ein Philosophie-Thread! :)

Da werfe ich doch auch gleich mal ein paar "Best-of"-Kandidaten in den Ring:

Demokrit - hat das Atom "erfunden", also zumindest nach der Überlieferung als Erster die Idee eines "Kleinsten Unteilbaren" gedacht. Und damit die Grundlage für immer noch aktuelle empirische Forschung gelegt.
Parmenides - "das Seiende (t’eon, ta eonta) ist, das Nicht-Seiende (mê eonta) hingegen nicht. Das Seiende ist vollendet und daher gänzlich unveränderbar". Leuchtet logisch ein, ist aber nur schwer vorstellbar. Dazu sein Antagonist:
Heraklit - "Alles befindet sich in einem ständigen, fließenden Prozess des Werdens, Alles fließt“ (πάντα ῥεῖ pánta rheî). Entspricht eher zeitgenössischer Auffassung, aber was meint "Alles", wenn es nichts "Seiendes" gibt? Und noch:
Anaxagoras - wurde wegen seiner "Leugnung der Göttlichkeit der Sonne" der Gottlosigkeit angeklagt. "Die Sonne betrachtete Anaxagoras nicht wie viele seiner Zeitgenossen als Gottheit, sondern als einen rotglühenden Stein...".

Nun wähle.

Für uns Heutige allerdings inhaltlich viel näher: Epikur. "Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug". Da hat der Gute vor knapp 2500 Jahren doch glatt den gegenwärtigen Zeitgeist vorausgeahnt. :)

Das größte Verdienst der Philosophie im Allgemeinen liegt aus meiner Sicht darin, die Voraussetzungen des eigenen Denkens permanent in Frage zu stellen. Dazu Kant: "Die philosophische Erkenntnis ist die Vernunfterkenntnis aus Begriffen, die mathematische aus der Konstruktion der Begriffe" (Kritik der reinen Vernunft - 1. Auflage - Kapitel 116). Kann man hier nachlesen, ich rate aber dringend ab. Die Gefahr, dass sich angesichts Kant'scher Formulierungen die Gehirnwindungen verknoten, ist zu groß! Ich habe damals bereits für die Vorrede 3 Stunden gebraucht, wenn ich mich recht erinnere. Und sie danach mindestens noch zehnmal gelesen...
"Das gefährliche an der Dummheit ist, daß sie die dumm macht, die ihr begegnen." (Sokrates).
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Alexyessin
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Griechische Philosophen aus meiner Sicht

Beitrag von Alexyessin »

naddy hat geschrieben:(11 Nov 2019, 16:51)

Ach wie schön, ein Philosophie-Thread! :)

Da werfe ich doch auch gleich mal ein paar "Best-of"-Kandidaten in den Ring:

Demokrit - hat das Atom "erfunden", also zumindest nach der Überlieferung als Erster die Idee eines "Kleinsten Unteilbaren" gedacht. Und damit die Grundlage für immer noch aktuelle empirische Forschung gelegt.
Parmenides - "das Seiende (t’eon, ta eonta) ist, das Nicht-Seiende (mê eonta) hingegen nicht. Das Seiende ist vollendet und daher gänzlich unveränderbar". Leuchtet logisch ein, ist aber nur schwer vorstellbar. Dazu sein Antagonist:
Heraklit - "Alles befindet sich in einem ständigen, fließenden Prozess des Werdens, Alles fließt“ (πάντα ῥεῖ pánta rheî). Entspricht eher zeitgenössischer Auffassung, aber was meint "Alles", wenn es nichts "Seiendes" gibt? Und noch:
Anaxagoras - wurde wegen seiner "Leugnung der Göttlichkeit der Sonne" der Gottlosigkeit angeklagt. "Die Sonne betrachtete Anaxagoras nicht wie viele seiner Zeitgenossen als Gottheit, sondern als einen rotglühenden Stein...".

Nun wähle.

Für uns Heutige allerdings inhaltlich viel näher: Epikur. "Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug". Da hat der Gute vor knapp 2500 Jahren doch glatt den gegenwärtigen Zeitgeist vorausgeahnt. :)

Das größte Verdienst der Philosophie im Allgemeinen liegt aus meiner Sicht darin, die Voraussetzungen des eigenen Denkens permanent in Frage zu stellen. Dazu Kant: "Die philosophische Erkenntnis ist die Vernunfterkenntnis aus Begriffen, die mathematische aus der Konstruktion der Begriffe" (Kritik der reinen Vernunft - 1. Auflage - Kapitel 116). Kann man hier nachlesen, ich rate aber dringend ab. Die Gefahr, dass sich angesichts Kant'scher Formulierungen die Gehirnwindungen verknoten, ist zu groß! Ich habe damals bereits für die Vorrede 3 Stunden gebraucht, wenn ich mich recht erinnere. Und sie danach mindestens noch zehnmal gelesen...
Wir haben ein ganzes Subforum Philosophie :)
Mit deiner Erlaubnis würde ich deinen Beitrag als eigenen Thread starten. Wäre das okay für dich?
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naddy
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Re: Der Einfluß von Sokrates

Beitrag von naddy »

Alexyessin hat geschrieben:(14 Nov 2019, 23:42)

Wir haben ein ganzes Subforum Philosophie :)
Mit deiner Erlaubnis würde ich deinen Beitrag als eigenen Thread starten. Wäre das okay für dich?
Na klar, mit "geistigem Eigentum" hab' ich's nicht so, das "teile" ich gern. Wenn es denn jemanden interessiert, und da befürchte ich allerdings... :cool:

Falls du es tatsächlich machst würde ich mich über einen Link freuen. Als noch relativ jungfräuliches Mitglied in diesem Forum stoße ich hier auf gefühlt 50000 ungelesene Seiten, bis ich wenigstens einigermaßen den Überblick habe wird es wohl noch dauern.

Erfreut war ich über diesen Thread, weil einige meiner Lieblingsforen zum Thema Philosophie infolge des "NetzDGs" dicht gemacht haben. Ich nehme an, dadurch ist Forenadministration und -moderation inzwischen zum Fulltime-Job geworden. Schön, dass es bei euch noch klappt. :)
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Alpha Centauri
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Re: Der Einfluß von Sokrates

Beitrag von Alpha Centauri »

naddy hat geschrieben:(11 Nov 2019, 16:51)

Ach wie schön, ein Philosophie-Thread! :)

Da werfe ich doch auch gleich mal ein paar "Best-of"-Kandidaten in den Ring:

Demokrit - hat das Atom "erfunden", also zumindest nach der Überlieferung als Erster die Idee eines "Kleinsten Unteilbaren" gedacht. Und damit die Grundlage für immer noch aktuelle empirische Forschung gelegt.
Parmenides - "das Seiende (t’eon, ta eonta) ist, das Nicht-Seiende (mê eonta) hingegen nicht. Das Seiende ist vollendet und daher gänzlich unveränderbar". Leuchtet logisch ein, ist aber nur schwer vorstellbar. Dazu sein Antagonist:
Heraklit - "Alles befindet sich in einem ständigen, fließenden Prozess des Werdens, Alles fließt“ (πάντα ῥεῖ pánta rheî). Entspricht eher zeitgenössischer Auffassung, aber was meint "Alles", wenn es nichts "Seiendes" gibt? Und noch:
Anaxagoras - wurde wegen seiner "Leugnung der Göttlichkeit der Sonne" der Gottlosigkeit angeklagt. "Die Sonne betrachtete Anaxagoras nicht wie viele seiner Zeitgenossen als Gottheit, sondern als einen rotglühenden Stein...".

Nun wähle.

Für uns Heutige allerdings inhaltlich viel näher: Epikur. "Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug". Da hat der Gute vor knapp 2500 Jahren doch glatt den gegenwärtigen Zeitgeist vorausgeahnt. :)

Das größte Verdienst der Philosophie im Allgemeinen liegt aus meiner Sicht darin, die Voraussetzungen des eigenen Denkens permanent in Frage zu stellen. Dazu Kant: "Die philosophische Erkenntnis ist die Vernunfterkenntnis aus Begriffen, die mathematische aus der Konstruktion der Begriffe" (Kritik der reinen Vernunft - 1. Auflage - Kapitel 116). Kann man hier nachlesen, ich rate aber dringend ab. Die Gefahr, dass sich angesichts Kant'scher Formulierungen die Gehirnwindungen verknoten, ist zu groß! Ich habe damals bereits für die Vorrede 3 Stunden gebraucht, wenn ich mich recht erinnere. Und sie danach mindestens noch zehnmal gelesen...
Ja Epikur finde ich am interessantesten er war der erste Denker ( vielleicht vor ihm noch Demokrit) von dem wir wissen dass seine Philosophie völlige ohne Götter oder Übernatürlichem auskommt für religiöse Fanatiker war Epikur freilich " das erste große Schwein der Geschichte" die Schließung seiner Schule des Kepos und Verunglimpfung seiner Anhänger durch christliche Fanatiker war da nur der logische Schluss.

Freilich steht uns heute Epikur am nächsten, gleichwohl viele seine Philosophie als ausschweifenden Orgien haften Hedonismus noch immer im Grunde missverstehen.
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Fliege
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Re: Der Einfluß von Sokrates

Beitrag von Fliege »

Alpha Centauri hat geschrieben:(25 Nov 2019, 10:22)
Epikur finde ich am interessantesten er war der erste Denker ( vielleicht vor ihm noch Demokrit) von dem wir wissen dass seine Philosophie völlige ohne Götter oder Übernatürlichem auskommt für religiöse Fanatiker war Epikur freilich " das erste große Schwein der Geschichte" die Schließung seiner Schule des Kepos und Verunglimpfung seiner Anhänger durch christliche Fanatiker war da nur der logische Schluss.
Schon Xenophanes (bis 475; Demokrit von 460 bis 370; Epikur von 341 bis 275) präsentierte eine beachtliche Feuerbach-artige Religionskritik:

"Wenn aber die Rinder und Pferde und Löwen Hände hätten und mit diesen Händen malen könnten und Bildwerke schaffen wie Menschen, so würden die Pferde die Götter abbilden und malen in der Gestalt von Pferden, die Rinder in der von Rindern, und sie würden solche Statuen meißeln ihrer eigenen Körpergestalt entsprechend"

(zitiert nach Wolfgang H. Pleger, Die Vorsokratiker, 1991, S. 80).

Da konnten nachfolgende Religionskritiker wie Epikur anknüpfen.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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