Ontologie der Mathematik

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watisdatdenn?
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Re: Ontologie der Mathematik

Beitrag von watisdatdenn? »

z4ubi hat geschrieben:(26 Mar 2019, 16:23)
Exisitieren jetzt Zahlen unabhängig von uns ?
Meiner Ansicht nach Ja.
So wie das Geräusch des umfallenden Baumes exisitert den kein Mensch hört (als Schallwellen).

Es gibt dann nur deren Interpretation in unserem Gehirn nicht.


Für mich sind Zahlen schon fast der Inbegriff von Abstraktion. Das ist ja genau ihre Stärke und macht sie so vielseitig verwendbar.
odiug

Re: Ontologie der Mathematik

Beitrag von odiug »

Mathematik ist eine Sprache und so erklärt sich auch ihre Wesensbestimmung, als Repräsentation logischer Zusammenhänge.
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schokoschendrezki
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Re: Ontologie der Mathematik

Beitrag von schokoschendrezki »

Dimensionslose Naturkonstanten sind Beispiele für real existierende Gegebenheiten. Sofern es sich wirklich um Konstanten handelt. Diese Frage ist in einigen Fällen nicht geklärt. In anderen Fällen schon. Das (gar nicht mal so bekannte) "Buffonsche Nadelproblem", die Frage nach der Wahrscheinlichkeit, dass eine willkürlich geworfene Nadel ein Gitter paralleler Linien schneidet, ist ein Beispiel dafür, dass die Kreiszahl Pi nicht einfach nur im Zusammenhang mit eigentlich abstrakten Fragestellungen auftaucht wie dem nach dem Verhältnis von Radius und Umfang eines idealen Kreises sondern quasi tatsächlich in der Natur als Seinsprinzip existiert. Die Zahl ist nicht nur abstrakt herleitbar sondern mit dem Nadelexperiment experimentell bestimmbar wie Lufttemperatur oder Luftdruck. Kreise und Kugeln in der Natur sind immer nur näherungsweise Kreis oder Kugeln. Die hingeworfene Nadel dagegen führt im Grenzwert exakt zur Kreiszahl. In der Folge: Trigonometrische Funktionen zum Beispiel sind tatsächlich Teil der Realität, der Natur und nicht nur Abstraktionen.

Bei den Strings der Stringtheorie verschmelzen ebenfalls eigentlich totale mathematische Abstraktionen mit zumindest angenommenen, vermuteten realen Objekten der Realität.

Eine ziemlich waghalsige Spekulation könnte sein, dass die widerspruchsfreie Denkbarkeit, Herleitbarkeit von Objekten (wie in der Mathematik) bereits hinreichende Voraussetzung für die reale Existenz irgendeines entsprechenden Phänomens ist. Ich muss es denken können, um zu beweisen, dass es existiert. Dies wäre eine grandiose Wiederauferstehung der deutschen idealistischen Philosophie.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
GerhardLoeffler
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Re: Ontologie der Mathematik

Beitrag von GerhardLoeffler »

Als Planck entdeckte, dass Energie nur ganzzahlig auftritt, hat er mit dem Planckschen Wirkungsquantum die Grundlage für die Quantentheorie gelegt.

Diese Sternstunde hat der Menschheit die wahre Bedeutung der Zahl 1 in der Natur offenbart.

Alles andere ergibt sich daraus.
Oliver Krieger
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Re: Ontologie der Mathematik

Beitrag von Oliver Krieger »

Wesen und Sein bezeichnen zunächst das Konkrete, also Dinge, die eine materielle Existenz haben. Dessen Gegenteil ist die Abstraktion, abstrahiert von dem, was konkret ist, und hebt dessen Wesen und Sein auf, um es formell, oder schematisch zu bezeichnen.

Mathematik befasst sich mit diesen Formeln und Schematisierungen. Bliebe man auf dieser Ebene, so müsste man ausschließen, dass eine "Ontologie der Mathematik" überhaupt denkbar ist, der Begriff wäre ein Oxymoron.

Doch so ausschließlich ist die Beziehung zwischen Konkretion und Abstraktion ist.

Durch die Verallgemeinerung, und höhere Anordnung auf der Ebene der Abstraktion wird das Konkrete zu ihrer Möglichkeit. Sie selbst ist Virtualisierung, und nicht etwa Vernichtung. Nur dann, wenn man nachweisen könnte, dass durch Mathematik das, was existiert, eigentlich zunichte wird, wäre die Möglichkeit einer Ontologie der Mathematik nicht mehr gegeben.

Doch das ist gewiss nicht der Zweck der Mathematik, sondern im Gegenteil, die Formulierung geeigneter Schemata, durch die das, was existiert besser verstanden werden kann. Nicht nur stellen Naturkonstanten sehr viel eher das Gegenteil einer Vernichtung dar, insofern sie Eigenschaften von Materie bezeichnen, die diese entweder tatsächlich hat, oder denen diese zustrebt - hierdurch wird Mathematik beinahe wesentlicher als die wesenhafte Materie selbst - sondern es sind auch die Befassungen der theoretischen Mathematik allein darum nicht sinnlos, oder gar wesenlos, nur weil diesen praktische, konkrete Anwendbarkeit oder Repräsentation fehlt.

Diese sind, als methodische Übungen zur Verbesserung jedweder Formulierung und Schematisierung, an sich wesentlich, und, wie man an den komplexen Zahlen erkennen kann, deren konkrete Anwendungen sich erst später offenbarten, immer möglicherweise auch auf konkrete Verhalte anwendbar, von denen es noch kein genaues Wissen gibt.

Darum hat die Ontologie der Mathematik durchaus einen Sinn.
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Wichtiger, als die Frage, ob und wann Skepsis angemessen ist, ist die Erkenntnis, wo sie regelmäßig endet.
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