Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

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Platon
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Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Im Juni, d.h. in ziemlich genau drei Monaten, finden im Iran Präsidentschaftswahlen statt. Der Amtsinhaber Rohani kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten und ein neuer Präsident wird gewählt werden. In diesem Strang möchte ich alle Infos und Neuigkeiten zu dieser Wahl sammeln und jetzt im Eingangsbeitrag direkt einmal die Bedeutung der Wahlen und den derzeitigen Stand zusammenfassen.

Das politische System der Islamische Republik ist eine komplizierte Mischung aus theokratischen und demokratischen Elementen. Dieses System basiert auf Ideen von Staatsgründer Khomeini, welcher die Herrschaft der schiitischen Rechtsgelehrten in der Politik umsetzen wollte. In diesem Sinne haben nicht-gewählte theokratische Amtsinhaber, d.h. der Revolutionsführer und Wächterrat die größte Macht. Letzterer bestimmt wer bei den Wahlen zugelassen wird und ist selbst zu 50% gewählt und zu 50% vom Revolutionsführer ernannt. Daneben gibt es als gewählte Institutionen das Parlament und den Präsidenten. In der Praxis hat sich der Revolutionsführer als zentraler Machtfaktor im politischen System etabliert, welcher alle wichtige Entscheidungen trifft und der in allen Angelegenheiten das letzte Wort hat und damit über eine Machtfülle verfügt, die über das rein vom Gesetz Vorgegebene hinausgeht. Es gab und gibt Bemühungen dieses System zu ändern. Die Reformbewegung hätte am liebsten die gewählten Elemente gestärkt und den Revolutionsführer zu einer rein repräsentativen Figur gemacht, während manche Konservative die Machtfülle des Revolutionsführers formell festschreiben und ihm z.B. die Macht geben wollen jederzeit den Präsidenten abzusetzen. In der Praxis soll das System die Herrschaft der politischen Elite festigen und alle Andersdenkenden, solche die nicht dem „Pfade des Imams“ (d.h. von Khomeini) folgen aus dem politischen System ausschließen. Dies geschieht dadurch, dass alle nicht-genehmen Personen sich zwar zur Wahl registrieren können, dann aber nicht zugelassen werden. In zumindest einem Fall hat Khamenei Ahmadinejad auch mal per offiziellen Ratschlag dazu gezwungen einen Vizepräsidenten zu entlassen. (klick mich)

Einmal gewählt ist die Macht des Präsidenten daher trotzdem eingeschränkt. Er kann sich nicht den Wünschen des Revolutionsführers direkt widersetzen. Der Revolutionsführer trifft auch alle Grundsatzentscheidungen in der Außenpolitik. Er muss dazu auch auf Querschüsse des Parlaments achtgeben, welches ihn absetzen und z.B. sein Budget ablehnen kann. Ebenso sind die Revolutionsgarden seinem Machtbereich entzogen. Diese finanzieren sich in weiten Teilen selbst über ihr eigenes Budget und Wirtschaftsimperium. Die Streitkräfte unterstehen formell dem Revolutionsführer und nicht dem Präsidenten. Daher koordinieren sich diese eher mit der Regierung und z.B. dem Außenministerium, als dass man sich ihr unterordnet. Dazu gibt es auch einen eigenen Regierungsgeheimdienst mit einem eigenen Ministerium und daneben ein Geheimdienst der Revolutionsgarden. Am Ende ist in der Praxis alles Verhandlungssache und Entscheidungsprozesse fallen wohl häufig auch über informelle Gespräche zwischen Leuten aus verschiedenen Lagern mit dem Büro des Revolutionsführers als Zentrum. Auch wenn es so einigermaßen verschiedene Zuständigkeitsbereiche gibt, läuft es auf ein „Teile und Herrsche“-System mit dem Revolutionsführer an der Spitze hinaus. Dennoch ist der Präsident eine der zentralsten und wichtigsten Figuren im politischen System, dessen Bedeutung je nach Verhältnis des Präsidenten mit dem Revolutionsführer steht und fällt und der das Land auch nach außen repräsentiert.

Darüber hinaus sind die Wahlen in der Islamischen Republik sehr bedeutsam. Das System ist zwar keine Demokratie, aber es sieht sich selbst als ein „populäres“ politisches System, welches die Unterstützung der Massen hat und sucht. Diese Unterstützung drückt sich laut Aussage von Khamenei und Angehörigen des Systems allgemein darin aus, dass die Leute zur Wahl gehen. In diesem Sinne ist es eine Sache wer tatsächlich gewählt wird, aber fast ebenso wichtig ist die Wahlbeteiligung. Denn im Allgemeinen ist es so, dass im Iran zwar die Kandidaten vorher ausgewählt werden, danach dann aber die Wahlergebnisse recht realistisch zu sein scheinen. Dabei zeigt sich, dass die Reformbewegung im Allgemeinen ihre Macht darauf gestützt hatte bzw. ausrichten wollte, dass sie in der Lage ist, eine breite Masse an Menschen im Iran zur Wahlurne zu bringen und so das System mit Legitimität auszustatten. Das zeigt sich dann sehr deutlich, dass Khatami und Rohani, welche die Unterstützung der Reformbewegung hatten, mit einer sehr hohen Wahlbeteiligung gewählt wurden, während es bei anderen Kandidaten etwas knapper war.

Wahlbeteiligung Präsidentschaftswahlen:
1989 54% Rafsanjani
1993 50% Rafsanjani
1997 79% Khatami
2001 66% Khatami
2005 62% (Stichwahl 59%) Ahmadinejad
2009 85% Ahmadinejad
2013 72% Rohani
2017 73% Rohani

Wie man sieht, ist die Wiederwahl von Ahmadinejad 2009 der offensichtliche Ausreißer. Das konnte nicht sein, dass er bei der Wahl 62% der Stimmen bekommen und der unterlegene Reformkandidat, Mussawi, nur halb so viel Stimmen. Als sich dieser dann lautstark beschwerte gab es dann auch große Proteste nach der Wahl, was von Khamenei als Spaltung und politischen Verrat bewertet wurde und Mussawi steht seitdem unter Hausarrest. Bei den Parlamentswahlen zeigt sich ein sehr ähnlicher Trend im Laufe der Jahre.

Wahlbeteiligung Parlamentswahlen:
1988 52%
1992 57%
1996 71%
2000 69%
2004 51%
2008 51%
2012 66%
2016 61%
2020 42%

Hier ist der Ausreißer die letzte Wahl 2020, als praktisch alle moderaten und Reformkräfte von der Wahl ausgeschlossen wurden. Die Wahl fand dazu im Februar 2020 statt, in den ersten Wochen der Corona-Epidemie und unter den Bedingungen der aktuellen Wirtschaftskrise wegen den Sanktionen und ein paar Monate nach den schwersten Protesten seit der Revolution im November 2019. Wenn sich im Juni die Wahlbeteiligung auf einem ähnlich niedrigen Niveau bewegt oder noch niedriger ist, könnte das für das politische System eine schwere Legitimationskrise bedeuten. Und das scheint im Moment sehr wahrscheinlich. Daher kann man fast erwarten, dass man am Ende die Zahl nach oben korrigieren wird.

Die Bedeutung der nun kommenden Wahlen ist hoch, weil Khamenei mittlerweile 81 Jahre alt ist. Wenn man davon ausgeht, dass der neue Präsident zwei Amtszeiten im Amt ist, dann darf man vermuten, dass er die Wahl eines neuen Revolutionsführers als Präsident erlebt. Im Allgemeinen wird die Lage so eingeschätzt, dass Khamenei derzeit die Bedingungen schaffen will, unter denen sein Nachfolger ausgewählt wird und er da jetzt schon die Weichen stellen will, dass da aus seiner Sicht nichts schief gehen kann. In diesem Sinne hat er dafür gesorgt, dass vor allem Leute in Posten gewählt und ernannt werden, welche seine Vision der Islamischen Republik teilen und Reformkandidaten dabei keine Berücksichtigung finden. Die Quittung kam bei der Parlamentswahl mit einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung. Das Schlagwort ist dabei „young and hisbollahi“. Demnach soll die Regierung der Zukunft von Leuten geleitet werden, welche nicht zu alt sind und eine bestimmte ideologische Hardline-Ausrichtung innerhalb des Regimes vertreten. Die Unterstützer für manche der Kandidaten haben diese Phrase dann auch für den eigenen Kandidaten reklamiert. Als besonders aussichtsreich von dieser Ausrichtung von Khamenei zu profitieren gelten im Moment die Kandidaten der Revolutionsgarden. Das würde eine lange Entwicklung zum Abschluss bringen, in denen die Revolutionsgarden immer mächtiger und zum zentralen Rückrad des Systems werden. Über drei aussichtsreiche Kandidaten von ihnen wurden von zwei Analysten verschiedene Artikel verfasst.

Parviz Fattah: Er hat die großen sozialen Stiftungen der IRI geleitet und wäre jemand der vor allem die arme Bevölkerung anspricht.
The IRGC eyes Iran’s presidency
Parviz Fattah: The new Ahmadinejad that may be running for president

Saeed Mohammad: Er ist der Technokrat, der die große Wirtschaftsmacht der Revolutionsgarden kontrolliert und eine jüngeren Generation der Garden repräsentiert.
The IRGC’s Dark Horse for Iran’s 2021 Elections: Saeed Mohammad
Saeed Mohammad: The young face of the IRGC weighing his political options

Hossein Deghan: Er ist der alteingesessene General und einer der auch sonst wichtigsten Generäle der Revolutionsgarden.
The Militarisation of Iran’s Presidency: The IRGC and the 2021 Elections
Hossein Dehghan and other military vets vie for Iran’s presidency

Ein TV-Auftritt von ihm, derzeit wohl das politische Schwergewicht innerhalb des Systems von den Kandidaten:
[youtube][/youtube]

Eigentlich soll es laut Khomeini in der Islamischen Republik eine Trennung zwischen Militär und Politik geben. Hier hatte Khomeini natürlich vor allem im Sinn einen Militärputsch zu verhindern. Da die Revolutionsgarden dazu geschaffen wurden das politische System der IRI zu schützen, sieht Khamenei da kein Problem mehr. Mit der Zeit wurde dieses strenge Verbot immer mehr aufgeweicht:
Iran Braces for a Revolutionary Guard to Become President

Diese Angst vor einem Militärcoup hat Hossein Deghan dann auch in einem Interview widersprochen und sich stattdessen als effektiver Technokrat darzustellen versucht, welcher die Probleme des Landes lösen kann. Iran General Says Military Candidates For President Do Not Pose A Threat Der Wächterrat hat dann auch offiziell bestätigt, dass Militärs bei der Wahl zugelassen werden. (Candidacy of Military Staff for President OK: Iran’s Guardian Council) Man bekommt den Eindruck, dass man sich das so vorstellt, dass die Revolutionsgarden neben Konservativen und Reformern/Moderaten in Zukunft einen dritten politischen Block darstellen könnten. Es scheint mir darauf hinauszulaufen, dass Kandidaten der Revolutionsgarden gute Chancen haben, aber man von Seiten der Garden keine direkte Wahlkampfhilfe betreiben oder sich gar die höchste Führung für einen Kandidaten aussprechen wird.

Auf Seiten der Reformer sieht es ziemlich schlecht aus. Rohani ist selbst kein Mitglied der Reformbewegung, hatte aber deren Unterstützung. Er hat das Abkommen mit den USA geschlossen, aber konnte durch den Ausstieg von Trump nicht davon profitieren. Im Moment sind viele Mitglieder der Reformbewegung und ihre Wähler desillusioniert. Die Reformbewegung hat spätestens nach der Niederlage 2009 und den Protesten schwer gelitten und jeden Enthusiasmus verloren. Man hat sich längst von Versuchen verabschiedet tiefgreifende Reformen des Systems anzustreben. Dennoch ist praktisch ausgeschlossen, dass ein aussichtsreicher Kandidat der Reformer zur Wahl zugelassen wird, weil das den Wünschen von Khamenei widersprechen würde. Dennoch gibt es die Möglichkeit, ähnlich wie mit Rohani, einen Kandidaten zu unterstützen, der zwar nicht zur eigenen Bewegung gehört, mit dem es aber inhaltliche Überschneidungen gibt. Aber selbst das ist nach der Enttäuschung des Misserfolgs unter Rohani zweifelhaft.
Iran's Reform Camp Abandoned By Voters, Shunned By The System
Will Iran's Weakened Reformists Field A Presidential Candidate In 2021?

Wenn aber die Reformer der Wahl fernbleiben, dann ist eine hohe Wahlbeteiligung unrealistisch. Das gilt insbesondere für den Fall, wenn die aussichtsreichsten Kandidaten tatsächlich alle von den Revolutionsgarden kommen. Denn diese Kandidaten haben bei Wahlen bisher immer katastrophal schlecht abgeschnitten. Der Erfolgreichste war Ghalibaf, welcher 2013 als Gegenkandidat zu Rohani auf 16.56% der Stimmen kam. Wenn die Reformbewegung der Wahl komplett fernbleibt, könnte die Wahlbeteiligung bei 20-30% liegen, was für die IRI eine echte Katastrophe wäre.
A Hardline President In Iran Will Make A Deal With US, Says Pundit
Iran Reformist Figure Warns Of Low Turnout In Presidential Election

Ein konservativer Kandidat, welcher gezeigt hat, dass er viele Leute zur Wahlurne bringen kann, wäre Ebrahim Raisi, derzeit oberster Richter des Iran. Er hat 2017 bei der Wahl verloren und 38% der Stimmen bekommen und gilt als der populärste konservative Kandidat. Damit gilt er nun aber nicht nur als aussichtsreicher konservativer Kandidat auf das Präsidentenamt, sondern auch auf die Nachfolge von Khamenei. Er hat bisher angekündigt nicht bei der Wahl antreten zu wollen, aber das kann sich natürlich noch ändern bis die Kandidaten sich offiziell zur Wahl registrieren.
Iran's Conservatives Likely To Support A Hanging Judge In Presidential Election
[youtube][/youtube]
[youtube][/youtube]

Eine weitere Sache ist die Frage, ob womöglich eine Frau zur Wahl zugelassen wird. Der Wächterrat hat kürzlich ausdrücklich bestätigt, dass eine Frau sich zur Wahl registrieren kann. Iran’s Guardian Council: Women Can Register to Run for President Aber es ist fraglich, dass eine davon zugelassen wird. Die Tochter von Rafsanjani wird sich wohl zur Wahl registrieren, aber es ist praktisch ausgeschlossen, dass sie zugelassen wird. Former Lawmaker Signals Presidential Candidacy To Challenge Government's Misogyny Frauen sind/waren? durchaus im Parlament vertreten und es gab/gibt? unter Rohani auch weibliche VIzepräsidentinnen. Es gibt im iranischen Kabinett 12 Vizepräsidenten.

Ein weiterer Kandidat wäre womöglich Zarif, aber dieser hat bisher alle Vermutungen in diese Richtung kategorisch zurück gewiesen und man hat auch den EIndruck, dass er auf keinerlei eigene Machtbasis im Regime zurückgreifen kann.

Die Wahl im Juni wirft bereits ihre Schatten voraus. Nach der Amtsübernahme von Biden in den USA hat dieser dem Iran ein Gesprächsangebot gemacht, welches vom Iran abgelehnt wurde. Es spricht einiges dafür, dass das Angebot von Khamenei abgelehnt wurde, um einem möglichen Kandidaten der von den Reformern und Moderaten unterstützt wird, keinen Rückenwind zu geben und einem seiner Wunschkandidaten zum Erfolg zu verhelfen. Es gilt im Allgemeinen aber als sehr wahrscheinlich, dass Khamenei sich nach der Wahl deutlich gesprächsbereiter zeigt:
Khamenei may show more ‘heroic flexibility’ after Iranian elections
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Platon
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Der Wächterrat hat nun offiziell strenge Regeln dafür bekannt gegeben, wer sich als Präsidentschaftskandidat registrieren kann. Bisher konnte sich fast jeder registrieren und wurde dann aussortiert, bis auf ein paar handverlesene Kandidaten. Nun hat der Wächterrat dafür gesorgt, dass selbst das Registrieren nur noch einer kleinen Gruppe vorbehalten ist.
According to the new directive, the candidates should be between 40 to 75 years old, they should hold a master's degree and have served in an executive position for at least four years, instead of the current eight years. They should also have a record as a former cabinet minister, or a governor-general, or mayor at a city with over two million population. Candidates should present police clearance upon their registration, and military candidates should be major generals or higher in rank.
https://iranintl.com/en/iran/iran-watch ... terference
https://iranwire.com/en/features/9491

Damit hat sich beispielsweise die Kandidatur von Saeed Mohammad erledigt, welcher die Anforderung 4 Jahre in der Exekutive tätig gewesen zu sein nicht erfüllt.

Eigentlich ist es auch von der Verfassung her nicht vorgesehen, dass der Wächterrat de facto ein Gesetz erlässt und damit die Legislative umgeht. Aber das Ganze wird mit dem Revolutionsführer abgesprochen sein und damit dürfte da kaum etwas zu machen sein.
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Tom Bombadil
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Tom Bombadil »

Platon hat geschrieben:(07 May 2021, 06:46)

Eigentlich ist es auch von der Verfassung her nicht vorgesehen, dass der Wächterrat de facto ein Gesetz erlässt und damit die Legislative umgeht. Aber das Ganze wird mit dem Revolutionsführer abgesprochen sein und damit dürfte da kaum etwas zu machen sein.
So läuft das halt in Diktaturen.
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
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Platon
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Die Registrierung der Kandidaten läuft. Ahmadinejad hat sich auch registriert und dabei eine kleine Show beim Innenministerium abgezogen. Er wird natürlich wie schon vor 4 Jahren disqualifiziert werden. Er hat ein paar Anhänger und potenziell eine große Wählerschaft im Land, aber im Regime keinen echten Rückhalt mehr. Ahmadinejad ist im Grunde ein Troll-Kandidat, welcher versucht relevant zu bleiben.
https://www.aljazeera.com/news/2021/5/1 ... -president
https://iranintl.com/en/iran/ahmadineja ... squalified

Es heißt, dass Ebrahim Raisi sich registrieren will, womit er praktisch der sichere Sieger wäre. Vermutlich läuft es dann auf einen Revolutionsgardenmann vs. Raisi hinaus.

Bisher noch keinen echten Kandidaten vom Reformlager. Zarif wäre ein potenzieller Kandidat gewesen und hätte gute Chancen gehabt, aber der wurde ja kürzlich per Leak unmöglich gemacht...
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Orbiter1
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Orbiter1 »

Platon hat geschrieben:(12 May 2021, 18:28)

Die Registrierung der Kandidaten läuft. Ahmadinejad hat sich auch registriert und dabei eine kleine Show beim Innenministerium abgezogen. Er wird natürlich wie schon vor 4 Jahren disqualifiziert werden.
Werden Liberaldemokraten wie Ahmadinejad nicht zu den Wahlen zugelassen? :D
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King Kong 2006
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von King Kong 2006 »

Ahmadinjad ist für Hardlinermilitärs nicht der Hit. So soll es zwischen dem ehemaligen Chef des IRGC General Jafari und ihm geknallt haben. Durch seine Reden soll er den Iran erst in die Bredrouille gebracht haben, so der Vorwurf. Seine ständiges verweisen auf mehr Pressefreiheit und Rechte für Frauen soll dann dem General den Kragen zum Platzen gebracht haben. Für westliche Begriffe sicher kein Liberaldemokrat, für die Militärs aber vielleicht ein spinnerter Sozialromantiker, der trotz Präsidentenamt mit alten Paykan und schmucklosen Anzügen auftrat. ;)
Wenn man zuviel weiß, wird es immer schwieriger, einfache Entscheidungen zu treffen.
Wissen stellt eine Barriere dar, die einen daran hindert, etwas in Erfahrung zu bringen.
- Frank Herbert, Die Kinder des Wüstenplaneten
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Platon
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Platon hat geschrieben:(07 May 2021, 06:46)

Der Wächterrat hat nun offiziell strenge Regeln dafür bekannt gegeben, wer sich als Präsidentschaftskandidat registrieren kann. Bisher konnte sich fast jeder registrieren und wurde dann aussortiert, bis auf ein paar handverlesene Kandidaten. Nun hat der Wächterrat dafür gesorgt, dass selbst das Registrieren nur noch einer kleinen Gruppe vorbehalten ist.

https://iranintl.com/en/iran/iran-watch ... terference
https://iranwire.com/en/features/9491

Damit hat sich beispielsweise die Kandidatur von Saeed Mohammad erledigt, welcher die Anforderung 4 Jahre in der Exekutive tätig gewesen zu sein nicht erfüllt.

Eigentlich ist es auch von der Verfassung her nicht vorgesehen, dass der Wächterrat de facto ein Gesetz erlässt und damit die Legislative umgeht. Aber das Ganze wird mit dem Revolutionsführer abgesprochen sein und damit dürfte da kaum etwas zu machen sein.
Wie es aussieht ignoriert das Innenministerium auf Anweisung von Rohani diese Anweisung und so wie sonst auch registrieren sich alle möglichen Leute.
https://iranintl.com/en/iran/registrati ... -motorbike
https://www.al-monitor.com/originals/20 ... ntial-poll
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Platon
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Raisi hat sich zur Wahl angemeldet und ist damit der wahrscheinliche Sieger bei der Wahl.
DUBAI, United Arab Emirates (AP) — The hard-line cleric in charge of Iran’s judiciary who also took part in a panel involved in the mass execution of thousands of prisoners in 1988 registered Saturday to run against for the country’s presidency.

Ebrahim Raisi has been named as a possible successor to Iran’s 82-year-old Supreme Leader Ayatollah Ali Khamenei, leading some to suggest he wouldn’t run in the race. However, his registration shows he still has interest in the office he failed to obtain in 2017.

His close ties to Khamenei and popularity in part from his televised anti-corruption campaign could make him a favorite in an election in which analysts already believe that hard-liners enjoy an edge. A crush of journalists followed Raisi through the Interior Ministry as he registered, the 60-year-old cleric waving to staffers as he passed. [...]
Iran’s hard-line judiciary chief registers presidential run

Dazu hat sich Ali Larijani registriert. Ein Kandidat der sicher versuchen soll wie Rohani die Stimmen der Moderaten und Reformer auf sich zu vereinigen.
Iran's former parliament speaker Ali Larijani, a moderate conservative and a supporter of Tehran's nuclear deal with world powers, submitted his candidacy Saturday for next month's presidential election.

Larijani, 63, waited until the last day to register at the interior ministry after intense speculation in the media.

This is his second run for the presidency. He ran in 2005, which saw a surprise victory by the ultraconservative Mahmoud Ahmadinejad -- who is now running again as well.

Larijani, seen as a prominent establishment figure, was then in charge of Iran's nuclear negotiations with the West, a post he resigned from two years later over serious disagreements with Ahmadinejad.
https://www.france24.com/en/live-news/2 ... ntial-race
https://www.reuters.com/world/middle-ea ... 021-05-15/

Er weiß genau wie das läuft im Regime:
[...]The Council will not have an easy task if they decide to eliminate Ali Larijani. The Iranian Students News Agency (ISNA) on Friday suggested that Larijani has received the blessing of several very senior clerics in Qom including Grand Ayatollahs Lotfollah Safi Golpaygan, Abdollah Javadi-Amoli and Hossein Nouri-Hamedani as well as the representative of the Iraq-based Grand Ayatollah Ali Sistani to run.[...]
https://iranintl.com/en/iran/heavyweigh ... ntial-race

Larijani ist so etwas wie die Personifizierung des Establishment. Er ist der Sohn eines prominenten Klerikers der Pahlavi-Zeit und Schwiegersohn von Motahhari, hat aber selber Computerwissenschaften, Mathematik und westliche Philosophie studiert. Seine ganze Sippe ist zumeist in prominenten Posten im Regime. Sein Schwager ist Ali Motahari, der auch fürs Präsidentenamt kandidieren wollte, aber schon bei den Parlamentswahlen disqualifiziert wurde. Ich weiß nicht, ob er sich registriert hat. Er ist ein ziemlicher Sonderling, der immer mal wieder für eine Überraschung gut ist, in alle möglichen Richtungen, aber kürzlich hat er mit Aussagen von sich reden gemacht, die selbst für IRI-Verhältnisse recht kurios waren. (Iran pres candidate gives racist/sexist rant: Women resort to African men, Link) Ali Larijani selbst war lange Sprecher des Parlaments, Sekretär im Nationalen Sicherheitsrat und auch mal Minister in der Rafsanjani-Regierung. Dazu ist er ein enger Vertrauter von Khamenei. Das er sich in der aktuellen Situation gegen Raisi durchsetzen kann darf aber bezweifelt werden. Ich vermute mal, dass Raisi, Ali Larijani und Hossein Deghan im Moment die etabliertesten Kandidaten sind mit Raisi als dem offensichtlichen Sieger, wenn man davon ausgeht, dass die Reformanhänger größtenteils nicht wählen gehen.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Ein Artikel über die aussichtsreichen Kandidaten, die sich registriert haben. Eine Liste der zugelassenen Kandidaten wird es Ende nächster Woche am 27. Mai geben.
https://www.rferl.org/a/iran-presidenti ... 61582.html
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Ernst76

Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Ernst76 »

Tom Bombadil hat geschrieben:(07 May 2021, 07:38)

So läuft das halt in Diktaturen.
Finden in Diktaturen Wahlen statt?
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Keoma »

Ernst76 hat geschrieben:(19 May 2021, 09:04)

Finden in Diktaturen Wahlen statt?
Sicher.
Meist mit eindeutigem Ergebnis.
Der Gescheitere gibt nach!
Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.

Marie von Ebner-Eschenbach
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Ernst76 »

Keoma hat geschrieben:(19 May 2021, 09:57)

Sicher.
Meist mit eindeutigem Ergebnis.
Das heißt, im Iran, in Russland und in der Türkei
wird der Bürger beim Wählen an der Hand geführt
und man guckt zu?
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Ernst76 hat geschrieben:(19 May 2021, 09:04)Finden in Diktaturen Wahlen statt?
Es gibt tatsächlich nur sehr wenig Länder, in denen überhaupt keine Wahlen stattfinden. Saudi Arabien oder der Vatikan wären da als Erstes zu nennen. In Brunei gibt es ein gewähltes Parlament, aber die letzten Wahlen waren vor 60 Jahren. In Ländern wie Nordkorea, Ägypten oder Syrien wird regelmäßig gewählt, aber natürlich ist das Ergebnis vorher schon klar. Trotzdem hält man es für die Legitimation des Systems auch dort für notwendig Wahlen zu veranstalten und ein Lippenbekenntnis zur Volkssouveränität abzugeben. Das Konzept der Volkssouveränität und von Wahlen wird häufig theoretisch anerkannt, praktisch dann aber nicht oder nur eingeschränkt umgesetzt.

Wahlen gibt es im Iran seit 1906. Damals wurde erstmals eine Verfassung und ein Parlament eingeführt und auch die islamische Republik leitet ihre eigentliche Legitimation auf ein Referendum zurück. Und es wird immer wieder vom Regime darauf verwiesen, dass die Teilnahme der Bevölkerung an den Wahlen (und den diversen politischen Massenveranstaltungen) die fortwährende Legitimation des Systems zeigt. Vom Grundgedanken her ist die islamische Republik eine Mischung aus demokratischen und theokratischen Elementen und man versucht sich demokratisch und religiös zu legitimieren. Faktisch könnte man es eher als eine ideologische Oligarchie bezeichnen, welche zum Machterhalt einer Elite - die selbst durch eine Ideologie zusammen gehalten wird - dienen soll. Aber es gibt tatsächlich bei den Präsidentschaftswahlen TV-Debatten der Kanidaten zum Beispiel. Denn im Allgemeinen gilt, dass die Wahlen "echt" sind, zumindest ab dem Punkt wo die Kandidaten ausgewählt wurden.

Auch ist es so, dass die Freiheiten zumindest bisher größer wurden je weiter nach "unten" es geht. Das heißt die Wahl von Bürgermeistern und Stadträten war bisher vergleichsweise "freier" als jetzt die Wahl zum Präsidenten. In diesen Gremien muss man auch zumindest nach außen hin pro-Islamische Republik sein, aber die Auswahl der Kandidaten ist weniger strikt. Der aktuelle Stadtrat von Teheran, gewählt 2017, besteht zu 100% aus Reformern, aber es ist derzeit völlig undenkbar, dass ein Reformer zum Präsidenten gewählt wird.

Wenngleich man im Moment daran arbeitet, dass bei den Wahlen im Juni - wo neben dem Präsidenten auch diese Stadträte gewählt werden - das richtige Ergebnis herauskommt. 10 der bisherigen 12 Stadträte der Reformer in Teheran wurden disqualifiziert und es gibt neue Gesetzgebung, welche dem Revolutionsgardengeheimdienst ein Mitspracherecht bei der Kandidatenauswahl einräumt.
Hardliners, IRGC Chop Candidates In Iran's Upcoming Local Elections

Demokratische Wahlen und das Konzept der Volkssouveränität ist weltweit eigentlich nahezu universell anerkannt, aber in der Realität werden dann häufig Einschränkungen gemacht um den Machterhalt der herrschenden Elite zu sichern.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Artikel über Raisi. Khamenei hat erst vor gut einer Woche erzählt, dass "young and hisbollahi" nicht meint, dass der Kandidat 30-35 Jahre alt sein soll. Raisi ist 61.
[...]The groundwork for Raeesi’s candidacy was not only laid in the past couple of months. For quite some time now, the main media outlets of the regime, including IRIB, have tried to burnish his reputation for candidacy.

The volume of news coverage Raeesi has been so overwhelming that even some principalists have criticized it. Most recently, the cleric Mohammad Reza Zaeri said: “TV is presenting Mr. Raeesi in such a way that we shouldn’t be surprised if they interview him in a program about cooking or a nature documentary about Iran. The only thing that remains is for him to read fairytales in a children’s program.”

In the last presidential election, which Raeesi lost, propaganda about him by official institutions and the IRIB revolved around his charity work and the Friday Prayers that he led. But since he took over the judiciary, the volume of coverage seeking to portray him as a crusader against corruption and a champion of justice has increased considerably.

In a move that has little precedent, conservative websites also recently published pictures of him reviewing the military. All of this is intended to encourage the public to accept him as their president and, perhaps, as the eventual Supreme Leader of the Islamic Republic.[...]
Ebrahim Raeesi’s Presidential Candidacy: A Gamble on Succeeding Khamenei
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Larijani gab in Clubhouse ein paar Kommentare ab. Er unterstützt den JCPOA selbstverständlich, lobt Zarif und kritisiert Ahmadinejad, dass dessen Kommentare über den Holocaust unnötige Probleme verursacht haben:

Er macht offenbar ernst damit bei dieser Wahl diejenigen für sich zu gewinnen die 2014 und 2017 für Rohani gestimmt haben.

Man beachte in dem Zusammenhang Stil und Professionalität seiner Twitter-Videos:



Ein erster Artikel über die Präsidentschaftswahlen. Interessant sind auch die Überlegungen, was Ahmadinejad mit seinem aktuellen Verhalten eigentlich erreichen will:

Iran’s presidential elections are all about the post-Khamenei era
https://www.mei.edu/publications/irans- ... amenei-era

Is Ahmadinejad set for a comeback?
https://www.mei.edu/publications/ahmadi ... t-comeback
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Vongole »

Platon hat geschrieben:(21 May 2021, 17:10)

(..)

Ein erster Artikel über die Präsidentschaftswahlen. Interessant sind auch die Überlegungen, was Ahmadinejad mit seinem aktuellen Verhalten eigentlich erreichen will:
(..)
Mir kommen immer mehr Zweifel, ob es diese Dualität zwischen Reformern und Hardlinern, die Ahmadinejad angeblich aufbrechen möchte, überhaupt gibt, oder ob Chimären
erzeugt werden, um der Bevölkerung und dem Westen Sand in die Augen zu streuen.
Die Iraner jedenfalls scheinen die Wahl mehrheitlich als das zu betrachten, was sie ist, nämlich eine Farce.
Am Yisrael Chai

"It's God's job to judge the terrorists, it's our duty to arrange that meeting." (IDF)
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Vongole hat geschrieben:(21 May 2021, 17:22)

Mir kommen immer mehr Zweifel, ob es diese Dualität zwischen Reformern und Hardlinern, die Ahmadinejad angeblich aufbrechen möchte, überhaupt gibt, oder ob Chimären
erzeugt werden, um der Bevölkerung und dem Westen Sand in die Augen zu streuen.
Die Iraner jedenfalls scheinen die Wahl mehrheitlich als das zu betrachten, was sie ist, nämlich eine Farce.
Eine strikte Dualität ist es nicht. Es sind aber schon zwei Lager, die sich grob voneinander unterscheiden lassen. Allerdings ist die heutige Reformbewegung nicht mehr die gleiche wie in den 90ern. Damals wollte man ernsthaft das System verändern und die demokratischen Elemente gegenüber den theokratischen stärken. Das sollte nach Saeed Hajjarian erreicht werden durch Verhandlungen mit konservativeren Teilen des Regimes. Man selber sei immer in der Lage die Massen zu mobilisieren und Wahlen zu gewinnen. Daraus ist aber wie man weiß nichts geworden und die verbliebene Reformbewegung ist vor allem daran interessiert ihren Mitgliedern Posten und Auskommen in der staatlichen Administration zu sichern und ein paar der eher gemäßigten politischen Vorstellungen einzubringen. Man ist dadurch immer noch in der Lage viele Wähler zu mobilisieren. Aber man hat die Idee einer grundlegenden Reform des politischen System aufgeben müssen und ist ideologisch kaum noch von gemäßigten Konservativen zu unterscheiden, wie eben Rohani oder Ali Larijani. Diese Leute sind loyale Anhänger von Khamenei und seit jeher Teil des Establishments, sehen jetzt aber vielleicht nicht die Notwendigkeit die Bevölkerung mehr als unbedingt notwendig Dinge aufzuzwingen.

Umgekehrt gab es aber unter den Hardlinern aber auch Leute, welche die demokratischen Elemente des Systems abschaffen wollen und die beispielsweise dem Revolutionsführer die Macht geben wollen den Präsidenten jederzeit ernennen und absetzen zu können. Das ist quasi die andere Seite des Spektrums und die meisten finden sich da irgendwo zwischen drin und Khamenei hat die eine wie die andere Änderung des politischen Systems klare Absagen erteilt. Ich denke, dass Patronagenetzwerke innerhalb des Regimes am Ende das eigentlich entscheidende sind und ideologische Unterschiede kaum noch eine Rolle spielen. Diese werden eher dann hochgespielt um sich einen Namen zu machen und sich an der Spitze von neuen Netzwerken zu positionieren. Wie beispielsweise die Leute im aktuellen Parlament, welche ständig Rohani wegen allem möglichen kritisieren und sabotieren wollen, aber am Ende natürlich nicht wirklich etwas zu sagen haben. Oder auch was Ahmadinejad und seine Anhänger oder die Revolutionsgarden versuchen. Auch Hossein Deghan meinte mal, dass die Revolutionsgarden einen eigenen Block bilden könnten, neben Prinzipialisten und Reformern. Es geht letztlich immer darum das eigene Patronagenetzwerk in Posten zu bringen und die eigene Zukunft im System, d.h. Arbeitsplätze in der Administration und politischen EInfluss, zu sichern. Die politischen Ansichten, welche von diesen Netzwerken dann jeweils artikuliert werden, würde ich dabei nicht überbewerten.

Die unterschiedlichen Ansichten sind für das Regime am Ende aber gut und wichtig, weil man so mehr Leute ans System binden und in es integrieren kann und weil Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Systems dem Revolutionsführer die Möglichkeit geben, sich als oberster Entscheider zu positionieren, der immer das letzte Wort hat.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Vongole »

Es ist eine Schande, was die Mullahs aus dem wunderschönen Iran und mit seinen Menschen gemacht haben. :(
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Orbiter1 »

Platon hat geschrieben:(21 May 2021, 17:10)

Larijani gab in Clubhouse ein paar Kommentare ab. Er unterstützt den JCPOA selbstverständlich, lobt Zarif und kritisiert Ahmadinejad, dass dessen Kommentare über den Holocaust unnötige Probleme verursacht haben:

Er macht offenbar ernst damit bei dieser Wahl diejenigen für sich zu gewinnen die 2014 und 2017 für Rohani gestimmt haben.

Man beachte in dem Zusammenhang Stil und Professionalität seiner Twitter-Videos:
Angeblich lebt die Tochter von Larijani im Land des großen Satans (aus Sicht der Mullahs). Und so jemand darf bei den Wahlen mitmachen?
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 May 2021, 14:40)

Angeblich lebt die Tochter von Larijani im Land des großen Satans (aus Sicht der Mullahs). Und so jemand darf bei den Wahlen mitmachen?
Die Kinder von sehr vielen wohlhabenden Iranern leben im Westen. Dazu gehören Größen des Regimes, wie auch Revolutionsgardengeneräle. Zarif selber hat in den 1980ern in den USA studiert. Grundsätzlich ist das kein Problem.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Tom Bombadil »

Ernst76 hat geschrieben:(19 May 2021, 09:04)

Finden in Diktaturen Wahlen statt?
Du hast offensichtlich in Geschichte nicht aufgepasst oder von der Zeitgeschichte nur wenig mitbekommen.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Fars News hat eine inoffizielle Liste der Kandidaten veröffentlicht, die aber doch stutzig macht. Die Namen sind Said Ibrahim Raisi (Chef der Judikative, Gewinner der Wahl und nächster Präsident des Iran), Mohsen Rezai (prominenter Revolutionsgardengeneral), Mohsen Mehralizadeh (Reformkandidat aus der zweiten Reihe), Said Jalili (Konservativer, der bereits angekündigt hat zugunsten von Raisi zu verzichten. War mal Chef-Atomunterhändler, aber der Kandidat bei dem man sicher sein kann, dass diplomatisch aber auch gar nichts zustande kommt), Alireza Zakani (Konservativer), Abd al-Nasr Hemati (Ökonom, Aktuell Chef der iranischen Zentralbank) und Said Amir Hussein Qazizadeh Hashemi (konservatives Parlamentsmitglied sagt Wikipedia). Zwei prominente Revolutionsgardengeneräle haben bereits zugunsten von Raisi ein Ende der eigenen Kandidatur erklärt, Hossein Deghan und Rostam Ghasemi. Man durfte fest davon ausgehen, dass Ahmadinejad nicht auf der Liste steht, aber es fehlen vor allem die Namen von Larijani und Ishaq Jahangiri, der einzige wirkliche Reformkandidat, der eine Rolle spielen könnte und vermutlich irgendwann zugunsten von Larijani verzichtet.

Report: Jahangiri, Larijani disqualified from running in June 18 election
Iran Election Watchdog Disqualifies Three Main Candidates - Fars Report

Ich gehe davon aus, dass sich ein paar der Namen noch verändern werden und man im Regime jetzt miteinander reden und verhandeln wird, ehe am Ende ein wie auch immer gearteter Konsens der Kandidatenliste erreicht ist.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Es sieht danach aus, als würden es tatsächlich diese sieben Namen werden.
The lengths Iran's Guardian Council went to to squash the presidential hopes of top moderates shocked even many hard-liners in the Islamic Republic.

After nearly 10 days of deliberations, the 12-member body of ultraconservative clerics and lawyers came out with a list of seven candidates from among nearly 600 individuals who had registered. Ali Larijani, Iran's long-serving former parliament speaker, was not on the list.

Rising as a conservative politician in the 1980s, Larijani has been for decades at the very top circle of decision-making in the Islamic Republic and is currently serving as an adviser to Supreme Leader Ayatollah Ali Khamenei. Yet he has gradually transformed into a moderate figure, showing increasing closeness to incumbent President Hassan Rouhani. Larijani's shift toward the center has earned him the ire of hard-liners.
[...]
Tehran hard-liner council bans leading centrists from presidential race
https://www.al-monitor.com/originals/20 ... ntial-race

Theoretisch könnte Khamenei noch intervenieren zugunsten von Larijani, der aber schon die Entscheidung akzeptiert hat.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Orbiter1 »

Platon hat geschrieben:(26 May 2021, 00:56)

Es sieht danach aus, als würden es tatsächlich diese sieben Namen werden.

Tehran hard-liner council bans leading centrists from presidential race
https://www.al-monitor.com/originals/20 ... ntial-race

Theoretisch könnte Khamenei noch intervenieren zugunsten von Larijani, der aber schon die Entscheidung akzeptiert hat.
Spielt letztlich keine Rolle ob Larijani noch zugelassen wird oder nicht. Der nächste Präsident wird der ultrakonservative Ebrahim Raissi. Bei Wikipedia kann man sich einen ersten Eindruck von ihm verschaffen. Und der zeichnet ein klares Bild.

"Ebrahim Raissi ... ist ein islamischer Geistlicher und ultrakonservativer Politiker im Iran. Er war einer der Hauptverantwortlichen für die Massenhinrichtung politischer Gefangener 1988, die als Chomeini-Massaker bekannt wurden. Wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen steht Raissi auf der Sanktionsliste der Europäischen Union und des Außenministeriums der Vereinigten Staaten. ...

Ebrahim Raissi ist ein Befürworter der Geschlechtertrennung und der Anwendung der Todesstrafe. Auch unterstützt er die Islamisierung der Universitäten sowie die Zensur im Internet und lehnt westliche Hochkultur ab. Wirtschaftlich schwebt ihm eine sogenannte „Widerstands-Ökonomie“ gegen Sanktionen vor. Raissi ist Mitglied der klerikal-konservativen Vereinigung der kämpfenden Geistlichkeit und gilt als israelfeindlicher „Hardliner“." Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Ebrahim_R ... prov=sfla1

Das bestärkt mich in der Überzeugung dass die USA nicht mehr in den JCPOA zurückkehren werden. Der Iran wird sich unter Raissi vollständig vom Westen abwenden und weiter daran arbeiten mit den Sanktionen zu leben. Die Proxies, die im Ausland für Unruhe sorgen, werden weiter gestärkt. Die IAEA wird in den iranischen Atomanlagen nicht mehr viel zu sehen bekommen. Die "Reformer" haben in den vergangenen Jahren ihre Chance nicht genutzt und hatten das Pech auf einen US-Präsidenten Trump zu stoßen. Jetzt sind die "Hardliner" dran.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Vongole »

Platon hat geschrieben:(26 May 2021, 00:56)

(..)

Theoretisch könnte Khamenei noch intervenieren zugunsten von Larijani, der aber schon die Entscheidung akzeptiert hat.
Natürlich hat Larijani "akzeptiert", nachdem Karimi-Ghodousi ihn bezichtigte, ein britischer Agent zu sein.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Vongole hat geschrieben:(27 May 2021, 00:14)

Natürlich hat Larijani "akzeptiert", nachdem Karimi-Ghodousi ihn bezichtigte, ein britischer Agent zu sein.
Man muss mal abwarten. Die Reformer haben angekündigt keinen Kandidaten unterstützen zu wollen und Ahmadinejad meint, dass er auch nicht wählen und niemanden unterstützen wird. Rohani hat einen Brief an Khamenei geschrieben und Raisi selbst meinte auf Twitter er agiere hinter den Kulissen, dass man die Wahl etwas kompetitiver gestaltet. Und selbst ein Mitglied des Wächterrats hat die Liste öffentlich kritisiert. Es macht den Eindruck, dass doch ein erheblicher Teil des Regimes - womöglich sogar die überwiegende Mehrheit - die aktuelle Kandidatenliste so nicht gut heißt. Es verletzt den bisherigen Konsens des Systems wie Präsidentschaftswahlen im Iran ablaufen und dass die verschiedenen Lager innerhalb des Regimes bei Wahlen miteinander konkurrieren. Aber der Wächterrat hat ja schon bei der Ankündigung der Kriterien, wer sich als Kandidat registrieren darf, gegen den bisherigen Konsens verstoßen. Das wurde dann de facto auch ignoriert. Es würde mich nicht wundern, wenn da nicht doch noch was kommt.
Gerade nach den letzten Protesten kann sich das Regime eine politische Krise und einen ernsthaften internen Machtkampf eigentlich kaum leisten. Auch wäre es ja lächerlich und könnte Unruhen hervorrufen, wenn Raisi am Ende mit 30% Wahlbeteilligung gewählt wird. Ahmadinejad spielt darauf mit seiner Rhetorik an. Es ist am Ende einfach politisch unklug das so zu machen, wie der Wächterrat das offenbar versucht durchzusetzen.

https://iranintl.com/en/iran/ahmadineja ... candidates
https://iranintl.com/en/iran/iran-refor ... ntial-poll
https://iranintl.com/en/iran/iran%E2%80 ... ime-change
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Khamenei unterstützt die Entscheidung vom Wächterrat. Da kann man mal gespannt sein. Ich tippe wie schon geschrieben auf eine offizielle Wahlbeteilligung von 51%. Die reale wird bei 20-30% liegen, aber wer eine solche Zahl offiziell veröffentlichen würde, sollte in den Wochen und Monaten danach keine dunklen oder abgelegenen Gassen mehr aufsuchen...

https://www.reuters.com/article/iran-el ... SKCN2D80W8
https://iranintl.com/en/iran/khamenei-d ... candidates
https://www.presstv.com/Detail/2021/05/ ... al-Council
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 May 2021, 14:40)

Angeblich lebt die Tochter von Larijani im Land des großen Satans (aus Sicht der Mullahs). Und so jemand darf bei den Wahlen mitmachen?
Das war offenbar für ein paar Leute wirklich ein Thema, auch wenn es am Ende vermutlich nicht das ausschlaggebende war.

Daughter’s Foreign Ties Used To Exclude Larijani From Iran Poll
https://iranintl.com/en/iran/daughter%E ... -iran-poll
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von GreenStorm »

Interessant auch, dass mögliche Dynamiken vielleicht ziemliche Außenseiter wie Abdolnasser Hemmati ins Reformerlager spülen. Bzw. eher das Reformerlager Richtung Hemmati.
Zuletzt geändert von Moses am Do 1. Jul 2021, 17:38, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: moderiert
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Da die Wahlen nun nur noch gut 2 Wochen entfernt sind nehmen sich auch die großen Nachrichtenseiten langsam dem Thema an:
(CNN)The list of candidates for the June 18 Iranian presidential election is out, and it's worse than anyone hoping for a moderate leader could have imagined. The top candidate is the chief justice of Iran, Ebrahim Raisi, a thorough hard-liner and the favorite of Supreme Leader Ali Khamenei.

Khamenei, who oversees the Guardian Council that approves the candidate list, is not leaving this critical election to chance. Last time, the supreme leader's willingness to admit moderates -- at least in Iranian terms -- to the list of candidates led to Raisi's 2017 defeat at the hands of Hassan Rouhani, the two-term incumbent who is not eligible to stand for reelection. Now, there will be no viable moderate candidate on the ballot. Raisi seems to be a shoo-in.[...]
https://edition.cnn.com/2021/06/01/opin ... index.html

In diesem Artikel von CNN ist der Autor der Meinung, dass die Konservativen/Hardliner gegen den JCPOA wären. Das ist m.E. nicht der Fall, weil die Notwendigkeit die US-Sanktionen aufzuheben - trotz aller Rhetorik von Resistance Economy etc. - offensichtlich und alternativlos ist. Die Entscheidung den JCPOA abzuschließen und auch die Entscheidung aktuell über eine Rückkehr zu verhandeln wurde nicht von Rohani getroffen, sondern vom Nationalen Sicherheitsrat und damit von allen Machtzentren im System, selbstverständlich inklusive Khamenei. Es ist auch Khamenei der seinen Unterhändlern Vorgaben macht und der allem zustimmt, was diese verhandeln. Meiner Meinung nach sind die Gegner von Rohani nicht prinzipiell gegen den JCPOA, sie sind aber gegen Rohani und ihnen passt nicht, dass dieser den Vertrag als seinen Erfolg reklamieren kann.
Iranians are due to choose a new president this month at a pivotal time for the country, both at home and abroad. Much has changed in the four years since the last election - and here are key reasons why this one will be closely watched.

Growing dissatisfaction

Since the last presidential election in 2017, a series of events has drastically changed the Iranian political landscape. They include deadly crackdowns on anti-government protests; arrests of political and social activists, executions of political prisoners; the shooting down of a Ukrainian airliner by Iran's Islamic Revolution Guard Corps (IRGC); and a severe economic crisis as a result of US sanctions.

The repercussions among ordinary Iranians are having a significant impact on the upcoming election. Perhaps the most substantial blow to Iran's rulers would be low voter turnout, as dissatisfaction among the electorate is at its peak.[...]
https://www.bbc.com/news/world-middle-east-57097664

Auf Atlantic Council erscheinen immer mal wieder interessante Artikel über die Wahlen:
The Guardian Council, which vets all candidates for elected office in Iran, has done everything possible to ensure that Judiciary Chief and hardliner Ebrahim Raisi is elected president on June 18 by disqualifying all those who presented any semblance of competition to him. Conventional wisdom is that the election will facilitate Raisi’s ascent to the real decision-making post in Iran—that of Supreme Leader—when its 82-year-old incumbent passes from the scene.

But nothing is ever certain in Iran’s contentious politics. In the thirty-two years since Ayatollah Ali Khamenei has led the country, many would-be successors have fallen one way or another.

Former Judiciary Chief Ayatollah Mahmoud Hashemi Shahroudi died of a brain tumor in 2018. Former President Akbar Hashemi Rafsanjani died a year earlier while swimming—circumstances that even regime loyalists considered suspicious. A third contender, Expediency Council chairman and former judiciary chief Ayatollah Sadeq Larijani, faces allegations of corruption. Larijani, who is also a veteran member of the Guardian Council, has confirmed that security forces directly intervened in the presidential process to eliminate Raisi competitors, such as Larijani’s brother, former parliamentary speaker Ali Larijani.

The disqualification of Larijani had a dual function: not just removing a pragmatist who was considered Raisi’s main rival, but ensuring that his brother Sadeq would lose influence over the battle to succeed Khamenei. Besides Raisi, the only remaining leadership hopeful with a significant chance is Khamenei’s powerful second son, Mojtaba. [...]
https://www.atlanticcouncil.org/blogs/i ... me-leader/

The race for Iran’s presidency - Who will win Iran’s presidential election in June? This rolling series examines the likely candidates and the issues that may impact the race.
https://www.atlanticcouncil.org/program ... residency/
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 May 2021, 14:40)

Angeblich lebt die Tochter von Larijani im Land des großen Satans (aus Sicht der Mullahs). Und so jemand darf bei den Wahlen mitmachen?
Platon hat geschrieben:(28 May 2021, 13:44)

Das war offenbar für ein paar Leute wirklich ein Thema, auch wenn es am Ende vermutlich nicht das ausschlaggebende war.

Daughter’s Foreign Ties Used To Exclude Larijani From Iran Poll
https://iranintl.com/en/iran/daughter%E ... -iran-poll
Khamenei hat ein Statement abgegeben, welches nach allgemeiner Auffassung wohl u.A. auf diese Vorwürfe anspielt. Es sieht aber im Moment nicht so aus, als wenn das an der Entscheidung noch etwas ändert.
Iran’s Constitutional Council says no erroneous information was used in its vetting of presidential hopefuls, rejecting speculation that some of the hopefuls may have been disqualified based on untrue reports.

The statement by the Council came shortly after concise remarks on Friday (June 4) by Leader of the Islamic Revolution Ayatollah Seyyed Ali Khamenei about some of the hopefuls who were disqualified sparked a media frenzy and a flurry of speculation about the meaning of the Leader’s comments.

Earlier in the day, Ayatollah Khamenei said at the end of a televised speech that some of the hopefuls who had been disqualified had been treated unjustly.

“In the episode [where some hopefuls were not found qualified]…, some of those whose qualification [to run for president] had not been ascertained were wronged, were treated unjustly” the Leader said in his speech.

“Certain things were attributed to them — either to themselves or to their family members — that were not true. Well, there were wrong and incorrect reports… and they were later proven wrong, but they were spread among people by word-of-mouth, [and] were unfortunately published on virtual space,” he added.[...]
Leader’s remark about ‘unjust treatment’ of some hopefuls prompts vetting body to issue statement

Iran's Supreme Leader said on Friday some of the candidates rejected from this month's presidential election had been "wronged" and unfairly maligned online, though the vote watchdog said its original decision to bar them still held.

Supreme Leader Ayatollah Ali Khamenei, who has the final say on Iran's affairs, last month endorsed the watchdog's rejection of several prominent moderate and conservative candidates for the June 18 vote, including former parliament speaker Ali Larijani.[...]
Iran leader says some rejected vote candidates were 'wronged''
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Die erste TV-Debatte fand die Tage statt:
[youtube][/youtube]


Iran Presidential Candidates Clash On Economic Crisis In First Debate
https://www.rferl.org/a/iran-election-d ... 92555.html
Moments after it began, Iran’s first presidential election debate of 2021 descended into all-out warfare. Perhaps aware that they have little time for courtesy and appeasement, the atmosphere between the candidates was far more hostile than in 2013 and 2017 and two of the participants, Abdolnaser Hemmati and Mohsen Rezaei, even threatened each other with legal action.

Hemmati, the former governor of Iran’s Central Bank, presented himself as the main competitor to Chief Justice Ebrahim Raeesi in the upcoming race. In turn, he dismissed other candidates – especially conservative ex-MP Alireza Zakani – as nothing more than “supporting actors” for Raeesi. [...]
Amid Old Jokes and Fake Tears, Hemmati Outshines Raeesi in the First Presidential Election Debate
https://iranwire.com/en/features/9673

Man kann die gesamte TV-Debatte auf PressTV auf Englisch anschauen:
Iranian presidential candidates trade barbs in 1st TV debate: Part I
https://www.presstv.com/election/Detail ... ate-PART-1

Iranian presidential candidates trade barbs in 1st TV debate: Part II
https://www.presstv.com/election/Detail ... ate-PART-2

Bezüglich der Ökonomischen Situation im Iran kann ich nur auf folgenden Post von mir hinweisen:
https://www.politik-forum.eu/viewtopic. ... 5#p4929995
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Ali Larijani fordert auf Twitter und in einem Brief eine öffentliche Stellungname vom Wächterrat warum er disqualifiziert wurde. Dabei bezieht er sich (im persischen Text auf Twitter/ISNA) ausdrücklich auf die oben erwähnte Rede von Khamenei, wo er falsche Berichte als Qualifikationsgrund nennt, d.h. es geht ihm darum, ob es an den Berichten über seine Familie gelegen hat.
The former speaker of the Iranian parliament Ali Larijani demanded on Saturday an explanation from an election watchdog on why he was barred from running in next week’s presidential vote.
Last month, the hardline Guardian Council approved just seven hopefuls to stand in Friday’s poll and disqualified several prominent candidates, including Larijani and former president Mahmoud Ahmadinejad.
“I urge the esteemed Guardian Council...to formally, publicly and transparently provide all the reasons behind my disqualification,” Larijani said in a tweet hours before the final presidential debate.[...]
https://www.jpost.com/breaking-news/ira ... ion-670806
https://www.reuters.com/world/middle-ea ... 021-06-12/

https://www.isna.ir/news/1400032215629/ ... 9%86%D8%AF
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Man hat den Eindruck, dass es immer mehr auf einen Zweikampf zwischen Raisi und Hemmati hinausläuft. Man darf aber erwarten, dass in den nächsten Tagen vor der Wahl der ein oder andere konservative Kandidat noch zugunsten von Raisi seine Kandidatur zurückzieht, was auch schon gefordert wurde. Ebenso könnte der einzige Reformkandidat Mohsen Mehralizadeh zugunsten von Hemmati zurückziehen. Hemmati ist ein Technokrat/Ökonom, der den gemäßigten Konservativen zugerechnet wird und der als Leiter der iranischen Zentralbank ein paar Erfolge vorzuweisen hat beim Abfedern der Sanktionen unter Trump. (Hemmati: The dark horse of the Iranian presidential election?) Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass seine potenziellen Wähler, d.h. Unterstützer der Reformbewegung in großer Zahl an die Urnen gehen. Wenn man davon ausgeht, dass sich das Kandidatefeld kurzfristig noch verkleinert ist die Frage ob Raisi direkt im ersten Wahlgang gewählt wird und dort über 50% der Stimmen kommt.

Bezüglich der Aussichten einer Präsidentschaft von Raisi kann man im Grunde nicht viel aussagen, weil Raisi nie in der Exekutive tätig war. Er war bisher immer jemand, der außerhalb der Öffentlichkeit in der Judikative gewirkt hat. Daraus stammt dann auch seine Beteilligung an der Ermordung von tausenden Oppositionellen, hauptsächlich von den Volksmujahedin in 1988. Diese geschahen auf Anweisung von Khomeini und Raisi war Mitglied in einer vierköpfigen Kommission, welche an der Umsetzung dieser Anweisung beteilligt war. Ich vermute mal, dass wir in Zukunft noch verschiedene Versionen davon zu hören bekommen, wie groß seine Rolle dabei tatsächlich war.
https://en.wikipedia.org/wiki/1988_exec ... _prisoners
Dies und seine weiteren Tätigkeiten im Justizsystem wird dann in der aktuellen Berichterstattung gerne als Hinweis genommen, dass man unter seiner Präsidentschaft einen Anstieg an Repressialien zu erwarten hat. Das heißt gegen Oppositionelle und eine Verschärfung z.B. der Kontrollen ob die Kleidungsvorschriften in der Öffentlichkeit eingehalten werden. Die bekannte Moralpolizei, welche unter Ahmadinejad weitaus aktiver und präsenter war im Land als unter Rohani.
Unter den Talaren: ein Favorit mit dunkler Vergangenheit

Bezüglich des JCPOA ist mittlerweile bei den Meisten angekommen, dass auch die Ultra-Konservativen/Prinzipialisten den JCPOA unterstützen, auch wenn sie das nicht davon abhält Rohani zu kritiseren, wo es nur geht. Denn diese haben sich längst mit den Einschränkungen des Atomprogramms abgefunden und wollen selbstverständlich, wenn es auch nur irgendwie möglich ist, die Sanktionen aufheben lassen. (With a Raisi presidency, would the Iran nuclear deal remain on the table?, Die EU und Iran nach Rohani: Beziehungen auf Sparflamme?)

Im Endeffekt weiß man nicht viel darüber, wie eine Regierung von Raisi aussehen wird, weil er wie gesagt nie ein politisches Amt bekleidet hat und sich auch sonst mit konkreten Aussagen zurückhält. ich habe nicht viel von ihm gesehen, aber mal ein wenig hier und da in die erste TV-Debatte reingehört und Raisi hat hauptsächlich davon geredet, dass er das Prinzip der Gerechtigkeit wieder anwenden will. Das ist ein zentrales Motiv im politischen Denken des klassischen Islams (klick mich) und es geht im Grunde darum, dass eine islamische Herrschaft immer danach streben sollte möglichst große Gerechtigkeit herzustellen. Zumindest in dem Sinne, wie man sich das für eine islamische Gesellschaft vorstellt. Das heißt beispielsweise, dass die Löhne von Reich und Arm nicht zu weit auseinander liegen sollten und das es keine Korruption geben sollte. Raisi hat ja bekanntlich seit seiner Wahlniederlage öffentlichkeitswirksam Korruptionsverfahren eröffnet. Das heißt Raisi versucht sich als jemand aufzubauen, welcher für eine gerechte islamische Herrschaft steht und im Wahlkampf versucht er auch genau das hervorzuheben. Es ist auch zumeist übersehen worden, dass Raisi, als er sich zur Wahl registriert hat, sich keineswegs als Kandidat einer bestimmten Gruppe oder Richtung, z.B. der Prinzipialisten, hat aufstellen lassen, sondern er präsentiert sich als unabhängiger Kandidat, der keiner bestimmten Richtung angehört. All diese Dinge deuten m.E. darauf hin, dass Raisi nicht in erster Linie versucht Präsident zu werden, sondern er versucht sich in Stellung zu bringen als Nachfolger von Khamenei. Seine allgemein und abstrakt gehaltenen Reden über Gerechtigkeit machen bei einem TV-Wahlkampf wenig Eindruck, sie taugen aber sehr dafür als zukünftige Zitate eines Revolutionsführers herzuhalten.

Ein Problem für Raisi ist, dass er bisher noch keine Wahl gewonnen hat und noch keine Erfahrung in der Exekutive hat. Als Präsident hätte er das und er würde damit dem Beispiel von Khamenei folgen, welcher selbst vor seiner Wahl zum Revolutionsführer iranischer Präsident war. Aber, und das ist ein großes Aber, die letzten Präsidenten haben sich allesamt zu eher kontroversen Persönlichkeiten im Iran und innerhalb des Regimes entwickelt. Vor allem Khatami und Ahmadinejad aber auch Rohani sind nicht gerade unumstritten im System und wenn Raisi nach der Präsidentschaft Revolutionsführer werden will, dann braucht er die Unterstützung oder zumindest stillschweigende Akzeptanz von allen Strömungen und Gruppen innerhalb des Regimes inklusive der Reformer und eher moderaten Konservativen. Wenn er jetzt im Laufe der Präsidentschaft im Regime und der Bevölkerung unpopuläre Entscheidungen trifft und so zu einer sehr kontroversen Figur wird, dann wäre es ein Risiko für das Regime ihn zum obersten Führer desselben zu küren. Einen ähnlichen Effekt könnte eine extrem niedrige Wahlbeteilligung und die Niederschlagung von Protesten nach der Wahl haben. Raisi wird also ein großes Interesse daran haben, sich als Präsident aus Kontroversen raus zu halten und versuchen möglichst populäre Entscheidungen zu treffen und unpopuläre zu vermeiden. (A Raisi presidential win may be his undoing as future Supreme Leader)

Dafür ist ja durchaus auch mit der Rückkehr in den JCPOA der Boden bereitet, weil in Folge des Aufhebens der Sanktionen ein wirtschaftlicher Aufschwung zu erwarten ist, welcher den Leuten innerhalb des Regimes, wie auch der allgemeinen Bevölkerung zu gute kommen wird. Es wird zu steigenden Staatseinnahmen führen, was beispielsweise Spielraum eröffnen wird die Sozialleistungen, Renten und Löhne zu erhöhen und allgemein Geld in der Bevölkerung zu verteilen. Das wird natürlich die Popularität von Raisi steigern und eine stabile Situation für eine Machtübergabe schaffen.

Auf der anderen Seite wird er natürlich Leute aus dem konservativen Lager, welche ihn bei der Wahl unterstützen Posten verschaffen müssen. Diese werden dann bestrebt sein Teile der Politik aus der Zeit von Ahmadinejad wieder aufleben zu lassen. Beispielsweise was die striktere Durchsetzung von islamischen Normen angeht. Auch ist zu befürchten, dass die Außenpolitik sich verändert. Vor allem, wenn er jemanden wie Said Jalili zum Außenminister macht. Dieser könnte/dürfte die Tage seine eigene Kandidatur als Präsident zugunsten von Raisi zurückziehen und dafür genau diesen Posten fordern. Er hatte als Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats und Chefunterhändler zum Atomprogramm einen maßgeblichen Anteil an der Außenpolitik von Ahmadinejad und der Eskalation im Atomstreit. (Saeed Jalili: The former nuclear negotiator that rubs diplomats the wrong way) Der Typ hat einfach einen an der Waffel und gehört zu den Leuten im Regime mit denen beim besten Willen nichts anzufangen ist...

Innenpolitisch hoffe ich aber, dass Raisi aufgrund der Absicht Revolutionsführer werden zu wollen, eher eine gemäßigte Politik verfolgt und womöglich auch Leute in sein Kabinett holt, die dem gemäßigten Lager oder gar den Reformern zuzurechnen sind um eine überparteiliche Koalition zu schmieden, die seinen angestrebten Status als Revolutionsführer schon ein wenig vorweg nimmt. Denn das Regime im Iran funktioniert, wie vorherige Regimes auch, nach einem "Teile und Herrsche"-Prinzip. Es gibt verschiedene politische Strömungen, Netzwerke, Lager die miteinander um Einfluss und Macht konkurrieren. Darüber steht ein Schah oder Revolutionsführer, welcher als oberster Entscheider fungiert und vor allem dafür sorgen muss, dass kein Lager zu viel Macht erlangt und dominant werden kann, um ihn selbst in seiner Macht beschneiden zu können. Das System bleibt aber natürlich nur solange stabil, wie alle Gruppen die eigene Rolle und die Rolle des obersten Entscheiders akzeptieren. Daher wird Raisi bereits als Präsident versuchen wollen eine gewisse Überparteilichkeit für sich in Anspruch zu nehmen um dann bei der zukünftigen Auswahl des Revolutionsführers als eine gute und unkontroverse Option zu erscheinen.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Eine recht ulkige Aktion, welche Raisi 2017 gemacht hat, als er gegen Rohani die Wahl zum Präsidenten verloren hat, war ein Treffen mit dem iranischen Rapper Amir Tataloo. Das war offenbar ein Versuch Leute aus der jüngeren Generation für sich zu gewinnen. Amir Tataloo meinte, dass er eher unpolitisch ist, aber einen Freund bei den Revolutionsgarden hat und dieser Raisi unterstützt. Ging womöglich darum, dass Amir Tataloo versucht hat eine offizielle Erlaubnis zu bekommen aufzutreten und seine Musik zu vertreiben. Die ganze Aktion war so ein wenig ein Anime Crossover und recht ulkig.

[youtube][/youtube]
[youtube][/youtube]
Iranian rapper drops bomb with pro-nuke video
https://en.wikipedia.org/wiki/IRIS_Damavand_(77)
[youtube][/youtube]

This young Iranian rapper may have cost Raisi the presidency

Amir Tataloo ist mittlerweile in Istanbul und hat auch dort ein paar Schlagzeilen gemacht. Er wurde vom Regime für seine pro-Regime-Aktionen offenbar nicht hinreichend entlohnt.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/na ... _id=469622
https://en.radiofarda.com/a/iranian-rap ... 76509.html
https://en.wikipedia.org/wiki/Amir_Tataloo#Politics
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Die ersten zwei Leute haben ihre Kandidatur zurückgezogen. Der Reformkandidat Mohsen Mehralizadeh und der Prinzipialist Ali Reza Zakani.
https://www.tasnimnews.com/en/news/2021 ... nt-in-iran
https://www.tasnimnews.com/en/news/2021 ... l-election

Damit bleiben noch fünf Kandidaten. Neben Raisi und Hemmati noch zwei bekannte Namen: Mohsen Rezai und Said Jalili, und der eher unbekannte Amir-Hossein Ghazizadeh Hashemi. Es ist davon auszugehen, dass sich das Feld der Kandidaten noch weiter verkleinern wird.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Said Jalili hat nun auch zurückgezogen. Damit sind nur noch vier Kandidaten im Rennen.


Reformist Candidate, Two Hard-Liners Drop Out Of Iran's Presidential Election
https://www.rferl.org/a/reformist-candi ... 10681.html

Im Artikel ist dieses Video verlinkt:
[youtube][/youtube]

Es ist diese Krise, die hier anhand ein paar Eindrücke vor allem aus der immer größer werdenden Unterschicht gezeigt wird, weswegen im Iran jederzeit wieder Proteste ausbrechen können. Eine Gelegenheit wäre jetzt nach der Wahl und es ist der Grund warum das Regime gezwungen ist in den JCPOA zurück zu kehren, völlig egal welcher Richtung man angehört. Das ist keine Propaganda, sondern es zeigt realistische Eindrücke vor Ort.
https://en.wikipedia.org/wiki/Kidney_trade_in_Iran
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

[youtube][/youtube]

Aktueller Bericht des Weltspiegels aus dem Iran. Haben in Teheran, Rascht und Esfahan Leute interviewed. Jetzt nichts spektakuläres, aber nicht schlecht und auch der Blick auf iranische Frauen wirkt nicht übermäßig patronisierend, wie es häufiger der Fall ist. Allein das sie da aktuell recht frei mit der Kamera durchs Land fahren konnte, macht die 30 Minuten sehenswert. Das ist nicht selbstverständlich und da wird sie schon irgendeine Erlaubnis haben das zu machen. Ohne kommt sie mit derartigen Kameras nicht weit. :|
https://twitter.com/k_willinger?lang=en :thumbup:
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von lili »

Iran: Handverlesene, linientreue Kandidaten:

https://www.sueddeutsche.de/politik/ira ... -1.5320923
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Erste Berichte deuten erwartungsgemäß auf eine niedrige Wahlbeteilligung hin. 59.311 Mio Wähler sind möglich, davon 3.5 Mio im Ausland. Die Wahllokale sind bis Mitternacht Ortszeit (=21.30 Uhr deutscher Zeit) geöffnet, was aber um 2 Stunden verlängert werden kann. Das iranische Innenministerium sagte bis 13 Uhr Mittags haben 5 Millionen ihre Stimme abgegeben. Fars News berichtet von 14 Millionen die bis 16.45 Uhr Ortszeit ihre Stimme abgegeben haben. Damit liegt die Wahlbeteilligung bisher bei 23%. Man darf erwarten, dass sich diese Zahl am Ende bei 30-40% bewegen wird. Ein Endergebnis ist daher bereits am späten Abend zu erwarten. Da die Wahlbeteilligung niedrig ist, hat Hemmati die Wähler der Reformbewegung nicht mobilisieren können und damit ist ein klarer Sieg von Raisi - womöglich bereits im ersten Wahlgang - zu erwarten. Die Frage ist nun wie peinlich die Wahlbeteilligung für die Islamische Republik wird. Da die Wahl vom Innenministerium abgehalten wird und damit von Rohani und den moderaten Konservativen, deren aussichtsreiche Kandidaten alle ausgeschlossen wurden, könnte es sogar sein, dass die Zahl am Ende nicht nach oben "korrigiert" wird. Es wäre besonders peinlich, wenn Raisi weniger Stimmen bekommt als vor 4 Jahren als er klar gegen Rohani verloren hat.

https://iranintl.com/en/iran/live-cover ... -elections
https://www.tasnimnews.com/en/news/2021 ... ion-photos
https://www.presstv.com/Detail/2021/06/ ... polls-open
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Vongole »

So ungern ich deutsche Medien zu Nahost-Themen verlinke, trifft dieser Artikel zur Scheinwahl im Iran auf den Punkt!
Zumal Natalie Amiri weiß, wovon sie spricht und schreibt. Ihre Bericht deckt sich mit allem, was ich von iranischen Freunden und Ex-Kollegen höre:
Der Hashtag, der seit Wochen in den sozialen Medien zu lesen ist, lautet #NeinzurIslamischenRepublik. Auf Farsi, auf Englisch, in anderen Sprachen. Und: #RaibiRai, was soviel bedeutet wie: Meine Stimme bekommt ihr nicht. IranerInnen im Inland (dort ist es unter Androhung von Haftstrafe verboten, diesen Hashtag zu verwenden) und Ausland versehen ihre Tweets damit.
(..)
Die Bevölkerung hat inzwischen erkannt, dass die Politiker, die im Iran auf der politischen Bühne erscheinen, alle aus einem Topf stammen. Egal ob vermeintliche Reformer oder Konservative – Reformen wird es nicht geben. Eine Verbesserung ihres Lebensstandards auch nicht. Freiheit, darüber spricht schon lange keiner mehr. Nicht innerhalb diesen Systems.
(..)
Ich habe mit vielen gesprochen, doch einen Tag vor der Wahl erklärte mir eine Bekannte aus Teheran ausdrücklich : Sie kenne keinen, der zur Wahl geht, nicht einmal ihre Nachbarin, und die sei religiös. Sie sagte das mit einer Stimme, die verriet, dass sie sich schon lange dazu entschlossen hatte, Es war offenbar kein Thema, das sie aktuell bewegte.
(..)
Laut Umfragen iranischer Institute werden um die 40 Prozent der 59 Millionen Wahlberechtigten im Land zur Wahl gehen. Davon sind zahlreiche gezwungen, denn sie sind Staatsbedienstete und müssen ihren Wahlstempel vorweisen. Der Revolutionsführer hat im Staatsfernsehen aufgerufen, am Freitag zahlreich zur Wahl zu erscheinen, die Wahlen im Iran seien frei und kompetitiv. Ein Iraner schrieb dazu auf Twitter: „Entweder ist er wirklich weltfremd oder richtig dreist.“
https://www.tagesspiegel.de/politik/wah ... 97096.html
Nun wird man den Blutrichter Raisi "wählen", und schickt damit eine deutliche Botschaft an das iranische Volk: Wagt euch nicht, zu protestieren, wenn doch, werden die Folgen fürchterlich für euch werden!
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Tom Bombadil »

Gibt es internationale Wahlbeobachter?
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Tom Bombadil hat geschrieben:(18 Jun 2021, 15:58)

Gibt es internationale Wahlbeobachter?
Also es sind internationale Medien vor Ort, aber von einer Überwachung durch eine internationale Organisation der UN oder so was wüsste ich nichts. Wüsste auch gar nicht wer für so etwas zuständig wäre. Das Problem ist ja auch weniger der Prozess der Stimmabgabe als vielmehr wer als Kandidat antritt.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Tom Bombadil »

Platon hat geschrieben:(18 Jun 2021, 16:05)

Wüsste auch gar nicht wer für so etwas zuständig wäre.
Für Europa ist wohl die OSZE zuständig.
Das Problem ist ja auch weniger der Prozess der Stimmabgabe als vielmehr wer als Kandidat antritt.
Das Regime könnte sich ja eine tolle Wahlbeteiligung von 90% basteln. Die Kandidaten sind eh nur die Handpuppen des Wächterrates, was vermutlich auch im Iran bekannt ist.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Sungawakan »

Ernsthaft? Der Iran in einem Strang der arabischen Welt? Zarathustras Fluch über euch.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Vongole »

Tom Bombadil hat geschrieben:(18 Jun 2021, 15:58)

Gibt es internationale Wahlbeobachter?
Ist nach diesen Kriterien gar nicht möglich:
Wahlbeobachtung setzt voraus, dass die technischen und rechtlichen Voraussetzungen für die Abhaltung demokratischer Wahlen im Grundsatz gegeben sind: eine unabhängige Wahlkommission, ein demokratisches Wahlgesetz, die Teilnahme der Opposition an der Wahl, freie Meinungsäußerung und der Zugang zu den Medien für alle politischen Parteien.
Grundlage für die Entsendung von Wahlbeobachtern ist eine entsprechende Einladung der jeweiligen Regierung sowie eine internationale Koordinierung der Mission.
https://www.auswaertiges-amt.de/de/auss ... lfe/217424
Außerdem, wie man bei Natalie Amiri sehen kann, deren Artikel ich verlinkt hatte, könnte das ziemlich gefährlich werden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Natalie_Amiri
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Tom Bombadil hat geschrieben:(18 Jun 2021, 16:16)Für Europa ist wohl die OSZE zuständig.

Das Regime könnte sich ja eine tolle Wahlbeteiligung von 90% basteln. Die Kandidaten sind eh nur die Handpuppen des Wächterrates, was vermutlich auch im Iran bekannt ist.
Eine Wahlbeteilligung von 90% wäre aber offensichtlich gefälscht und könnte Proteste auslösen. Prinzipiell sind die Wahlen eine Möglichkeit für das Regime die eigene Legitimität zu stärken, weil die Bevölkerung aktiv am politischen Prozess teilnimmt und durch die Teilnahme das System fortwährend legitimiert. Es ist auch ein Weg um die verschiedenen Machtzentren innerhalb des Regimes miteinander konkurrieren zu lassen. Die Wahlen sind daher schon sehr wichtig für die Stabilität und Integrität des Systems. Aber es sind natürlich keine freien Wahlen. In dem Sinne ist es auch überhaupt nicht wünschenswert, dass internationale Beobachter die Stimmabgabe etc. beobachten, weil das den gesamten Prozess nur unnötig legitimieren würde.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Platon »

Vongole hat geschrieben:(18 Jun 2021, 16:26)
[...]
Außerdem, wie man bei Natalie Amiri sehen kann, deren Artikel ich verlinkt hatte, könnte das ziemlich gefährlich werden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Natalie_Amiri
Als Doppelstaatlerin und Journalistin ist es insbesondere seit dem Ausstieg von Trump im Iran wirklich zu gefährlich. Eher schon erstaunlich, dass sie bis 2020 durchgehalten hat. Das AA warnt in ihren Warnhinweisen schon länger Doppenstaatlern vor Reisen in den Iran bzw. es wird " dringend abgeraten" das zu machen.
Zuletzt geändert von Platon am Fr 18. Jun 2021, 16:41, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

Beitrag von Tom Bombadil »

Vongole hat geschrieben:(18 Jun 2021, 16:26)

Ist nach diesen Kriterien gar nicht möglich:
Alles klar.
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Re: Iranische Präsidentsschaftswahlen 2021

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Sungawakan hat geschrieben:(18 Jun 2021, 16:23)

Ernsthaft? Der Iran in einem Strang der arabischen Welt? Zarathustras Fluch über euch.
Was ist denn sein Fluch? Ist seine Religion im Iran weiterhin auf dem Vormarsch?
Die Zukunft ist Geschichte.
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