schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Oct 2021, 09:22)
Die Argumente bezüglich der Ansicht, politische Unkoordiniertheit oder politisches Versagen könne nicht als militärische Schwäche aufgefasst werden, überzeugen mich nicht. Wenn das so wäre, müsste man das Militär, die regulären Streitkräfte als autonom agierende Instanzen auffassen. Eine gefährliche Richtung. Dem ist auch - zumindest was die Bundesrepublik angeht - auch nicht so. Die Bundeswehr ist bekanntlich ein klassisches Beispiel für das, was man eine "Parlamentsarmee" nennt. Erst 2005 wurde diese Struktur durch das Paramentsbeteiligungsgesetz noch verstärkt. Wir haben es bei der "militärischen Stärke" Deutschlands damit mit einem miltärisch-politischen Gesamtkomplex zu tun.
Gefährlich ist eher Deine Deutung, dass es sowas wie einen militärisch-politischen Gesamtkomplex gibt.
Ja, die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Diese Begriff wird in Deutschland aber zum Teil sehr merkwürdig ausgelegt. Es darf keinen "Gesamtkomplex" geben, in dem die Politik militärische Entscheidungen trifft oder das Militär politische Entscheidungen fällt. Das wäre fatal, wie die deutsche Geschichte gezeigt hat. Bei Politik und Militär muss es sich in einer Demokratie tatsächlich um völlig autonom agierende Instanzen handeln. Wobei ganz klar das Primat der Politik gilt. Das Militär tut nur, was die Politik sagt.
"Parlamentsarmee" bedeutet also dem Grundsatz nach: Die Politik (Parlament und Regierung) gibt vor, welche Aufgaben das Militär haben soll und wann es in den Einsatz gehen muss. Außerdem legt die Politik das Ausmaß möglicher Einsätze fest und bestimmt die "rules of engagement". Dazu gehört dann aber zwingend, dass die Politik das Militär so ausrüsten muss, dass es seine Aufgaben auch erfüllen kann. Und genau dies ist in Deutschland nicht der Fall. Hier entscheiden Politiker, die von Militär keine Ahnung haben, welches Material die Streitkräfte für die Erfüllung ihrer vorgegebenen Aufgaben brauchen. Stichwort: Drohnen. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Bundeswehr solche System dringend braucht. Seit vielen Jahren verweigert die Politik aber die Anschaffung und begründet dies mit dem Schlagwort "Parlamentsarmee". Mal ganz abgesehen davon, dass die Bundeswehr sowieso in allen Bereichen erbärmlich ausgestattet ist.
Genau so lief das auch in Afghanistan. Unsere Politiker haben Soldaten dort hingeschickt und gleichzeitig als militärische Laien entschieden, was für Material diese Soldaten brauchen, um ihren militärischen Auftrag zu erfüllen. So waren diese militärischen Laien der Meinung, dass unsere Soldaten keine Hubschrauber zum Ausfliegen von Verwundeten brauchen, keine schweren weitreichenden Waffen (Artillerie) benötigen, keine eigene Luftaufklärung oder Luftwaffe, keine Ausrüstung zum Schutz gegen Fernwaffenbeschuss unserer Feldlager....
Das wurde alles willkürlich politisch entschieden, ohne den militärischen Sachverstand der Soldaten zu nutzen. Weil, die Bundeswehr ist ja eine "Parlamentsarmee"!
Der richtige Weg hätte folgendermaßen ausgesehen: Die Politik entscheidet, welchen (politischen) Zweck ein möglicher Einsatz haben soll. Dann konsultiert sie ihre ausgebildeten Fachleute (nämlich die Soldaten!) und fragt sie: Was braucht ihr, um dies möglich zu machen? Anschließend hat die Politik dann zu entscheiden, ob dieser Aufwand betrieben werden soll oder nicht. Will die Politik den notwendigen Aufwand nicht betreiben, ordnet sie den Einsatz nicht an. Will sie ihn betreiben, muss sie die nötigen Mittel bereitstellen und dann die Soldaten ihre Arbeit machen lassen, ohne sich direkt einzumischen.
Das Problem beim Aghanistan-Einsatz lag darin, dass die deutsche Politik überhaupt keinen (politischen) Zweck des Einsatzes definiert hat. Die Soldaten wurden quasi blind nach Afghanistan geschickt. Die deutsche Politik hatte ja nichtmal den Mut, das ganze als "Krieg" zu bezeichnen!
Den Ablauf des Kriegs in Afghanistan oder das schlimme Ende jetzt als "militärisches" Versagen zu deuten, geht völlig an der Realität vorbei. Die Nato-Soldaten sind nie militärisch besiegt worden. Sie haben ihre Aufgaben erfüllt. Dass sie die politischen Zwecke des Einsatzes nicht erfüllen konnten, liegt in der Natur der Sache. Soldaten können nur Krieg führen. Sie können nicht Politik machen. Konkret: Die Nato-Soldaten mussten in Afghanistan die Taliban besiegen oder in Schach halten. Sie waren aber völlig außerstande, das Land zu "demokratisieren". Das wa nicht ihr Job. Das hätte die Politik machen müssen. Die Politik hat für diesen konkreten Krieg aber nichtmal einen politischen Zweck definiert. Sie hat die Soldaten nach Afghanistan geschickt mit dem Auftrag: Macht einfach mal ... irgendwas.
Dass das Militär "seinen Job gemacht" habe ...widerspricht zudem einem großen Teil der aktuellen Kommentare zum Thema. In vielen dieser Kommentare und Analysen ist ganz klar, eindeutig und unzweifelhaft von einem "Fiasko" die Rede.
Und das liegt genau daran, dass die betreffenden Kommentatoren und Analysten nicht zwischen dem militärischen Ziel (Besiegen des bewaffneten Feindes) und dem politischen Zweck eines Kriegs unterscheiden (können).
Nochmal: Die Nato-Truppen sind in Afghanistan nie besiegt worden. Ein militärisches "Fiasko" sieht anders aus.