Die eine Frage ist, wenn man aus unserer westlichen Sicht dafür geeignet hält, die entscheidendere aber, auf wen sich die afghanische Bevölkerung einigen kann.
Fakt ist, dass die Wahlen 2014 und 2019 mit einem sehr umstrittenen Siegen Ghanis endeten. Warum 2014 Abdullah Abdullah die Stichwahl mit 20% Abstand verliert, nach er im ersten Durchgang deutlich vor Ghani lag - und sich vor der Stichwahl ALLE ausgeschiedenen Gegenkandidaten hinter Abdullah stellten, bleibt ein Mysterium.
Abdullah Abdullah hätte - als ehemaliger Weggefährte von Ahmad Schah Massoud - wohl mehr Potential zur Integrationsfigur als Ghani gehabt, hätte aber wohl auch kaum die Paschtunen an sich binden können.
Letztlich: In Afghanistan gibt es eine so komplexe Gemengelage aus Ethnien und deren historischen Fehden, einen über hundert Jahre andauernden "culture clah" zwischen Stadt- und Landbevökerung, dazu Einmischungen aus Pakistan, Iran, Saudi-Arabien, aber Usbekistan, Tadschikistan, dem Westen (stattdessen aktuell dann China und Russland), dass man sich fragen muss, ob auf dieser Basis überhaupt ein Nationalstaat entstehen kann, der breite Akzeptanz findet.
Die Taliban werden dass mithilfe ihres Verständnisses der "Scharia" gewaltsam zu installieren versuchen - aber auch das wird nicht auf Dauer funktionieren.
Der rote Faden in der Geschichte Afghanistans seit den frühen 70ern ist ja, dass sich eine Fraktion gewaltsam an die Spitze des Landes setzt, um dem Rest ihr Verständnis von einer "besseren Gesellschaft" aufzuzwingen. Das führt dann zu gewaltsamen Aufständen der Fraktionen, die das anders sehen und letztlich zu Bürgerkrieg.
Ich denke, um diesen Teufelskreis zu beenden - vier bis fünf traumatisierte Generationen von Afghanen kennen ja gar nichts anderes - hätte man als "Schutzmacht" schon deutlich länger vor Ort bleiben müssen, als die letzten 20 Jahre.
Wir sahen ja gerade durchaus ein Ergebnis von 20 Jahren relativer Freiheit, wenn jetzt junge Frauen (meine Fresse, was für Eier haben die bloß ...) gegen die Taliban auf die Straße gingen und für die für sie schon verinnerlichten Rechte und Werte auf die Straße gehen. All das wird im Würgegriff der Taliban aber wieder eingehen.
Ich denke, die zweite oder dritte Generation, die so aufwächst, wäre bereit und in der Lage gewesen, dafür zu kämpfen. Bis dahin hätten wir bleiben müssen.
Ich verstehe aber, dass das insbesondere in den USA nach all den negativen Erfahrungen der letzten 20 Jahre nicht mehr vermittelbar ist.
(Bidens Entschlossenheit, in Afghanistan lieber ein "Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende" zu erleben soll seinen Urprung in folgender Bewandnis haben: Biden sprach als Obamas Vize Hamid Karzai bei einem offiziellen Diner direkt auf das Thema Korruption an und wollte wissen, wo eigentlich die ganzen Milliarden an Hilfsgeldern blieben. Darauf antwortete Karzai, es gebe absolut keine Korruption in Afghanistan. Und wenn doch, so sei das nicht seine Schuld sondern ein Problem der Amerikaner. Darauf verließ Biden sofort das Diner... Zu einem, der verarscht, gehört aber eben auch einer, der sich verarschen lässt; der Westen ist 20 Jahre auf die Karzais und Ghanis hereingefallen).