Nachrichten aus dem Iran.

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Cobra9
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Cobra9 »

Wenn Religion den effektiven Kampf gegen dass Coronavirus behindert

https://www.nytimes.com/2020/04/14/worl ... HvQ6n9a2sI


Und wenn nichts weiterhilft das sind Israel und der Iran schuld


https://www.jpost.com/Diaspora/Antisemi ... est-624646
Andrij Melnyk nennt Rolf Mützenich den „widerlichsten deutschen Politiker“..wo Er Recht hat...

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Cobra9
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Cobra9 »

Eben mal so verschwinden 5 Milliarden

https://m.dw.com/de/iran-f%C3%BCnf-mill ... a-53294849
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Cobra9
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Cobra9 »

Ja sowas die Raketen wo Saudi Arabien erwischt haben kommen aus dem Iran. Welch Überraschung

Info der UN

https://www.aljazeera.com/news/2020/06/ ... 00642.html
Andrij Melnyk nennt Rolf Mützenich den „widerlichsten deutschen Politiker“..wo Er Recht hat...

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Tom Bombadil
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Tom Bombadil »

Kryptowährungen: Chinesische Miner erobern Iran mit Stromausfällen
https://www.computerbase.de/2021-02/bit ... iner-iran/
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
Thomas Jefferson
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Alexyessin hat geschrieben:(20 Nov 2019, 04:25)

Ob das wirklich nur an den Sanktionen liegt, wag ich zu bezweifeln. Es rumort in Persien schon länger - wie war das vor ein paar Jahren mit dem Gegenkandidaten zum Präsidenten und die Demonstrationen dazu?
Die Proteste im November 2019 hatten vor allem mit der ökonomischen Lage im Iran zu tun. Der Benzinpreis wurde von heute auf morgen erhöht und man hat dadurch selbst die größten Proteste seit der Revolution 79 ausgelöst. Landesweit und ohne Ankündigung kostete der Sprit plötzlich mehr und die Regierung war schuld. Der Punkt war, dass die Benzinpreiserhöhung - die selbst für iranische Verhältnisse minimal und tragbar war, hatte die Angst vor Inflation ausgelöst, welche nach dem erneuten Verhängen der Sanktionen unter Trump stark gestiegen war. Und zwar durchaus in einer Art und Weise, wie das sonst eigentlich nicht üblich war. Das führt dann dazu, dass natürlich die Lebenserhaltungskosten schneller steigen als die Löhne, was gerade für den Großteil der Bevölkerung, der von 100 Euro im Monat oder weniger lebt, natürlich zu großen Existenzängsten führt. Und das halt alles von einem Tag auf den anderen und überall im Land gleichzeitig.

Man hat dann das Internet abgeschaltet, landesweit und damit so noch nie dagewesen, und die Revolutionsgarden haben auf diese Weise überall gleichzeitig die Proteste niederschlagen können. In bestimmten Regionen kam es dabei zu Massakern, vor allem in Khuzestan als Demonstranten bewaffnet aufgetreten sind und die Revolutionsgarden da dann wie in Syrien die Stadt mit Panzern gestürmt haben.
https://en.wikipedia.org/wiki/Mahshahr_massacre

Darum ist der Iran jetzt auch sehr motiviert die ökonomische Lage im Land zu verbessern, weil die Inflation weiterhin hoch ist und Corona auch im Iran große Schäden verursacht. Es kann im Grunde jederzeit wieder losgehen mit Protesten. Vor allem nach Corona wenn beispielsweise die Unis wieder aufmachen.
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Die IRI lässt seit der Revolution immer mal wieder für sich demonstrieren. Am Jahrestag der Islamischen Revolution, am al-Quds-Tag oder auch zu speziellen Anlässen, wie wenn man einen Volksaufstand niedergeschlagen hat oder natürlich die erfolgreichste Demo, nach dem Tod von Qassem Sulaimani. Gestern war mal wieder der Jahrestag der Revolution und in Zeiten von Corona kam man dann zu der Lösung, dass die Leute auf Motorrädern und Fahrrädern demonstrieren sollen, damit so der Mindestabstand eingehalten werden kann.
Struggling with the region’s worst outbreak of the coronavirus, Iran is marking the anniversary of the country’s 1979 Islamic Revolution on Wednesday on wheels — cars, motorcycles, bicycles — instead of traditional rallies and marches.

Tens of thousands were expected to drive through cities and towns as part of the manifestations after the government decided to replace traditional rallies and demonstrations with motorcades.[...]
‘Death to Israel’ on wheels: Iran marks 1979 revolution anniversary

[youtube][/youtube]

Es wirkt auf jeden Fall so, als wäre deutlich weniger los als normalerweise. Kann man sich dann überlegen ob es nur an Corona liegt und diesem Format des Demonstrierens oder auch daran, dass die Unterstützung im Moment nicht so umfangreich ist.
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Um mal ein wenig zu verdeutlichen, in welcher Position die Iraner sich eigentlich befinden im Moment. Im Mai 2018 hat Trump die Sanktionen wieder eingesetzt und damit eine schwere Wirtschaftskrise im Iran ausgelöst. Dabei geht es vor allem um zwei Sachen. 1. Die Inflation, die Staat und Bevölkerung gleichermaßen trifft und zu sozialen Unruhen führt sowie 2. fehlendes Einkommen für den iranischen Staat durch Wegbrechen der Ölverkäufe, was eine Budgetkrise ausgelöst hat.

Im Iran sind die Preise gemessen in ausländischen Währungen recht stabil. Der Burger mit Pommes in der Shopping-Mall im Norden Teherans der vor 2-3 Jahren 5 Euro gekostet hat, kostet immer noch 5 Euro. Nur waren 5 Euro im April/Mai 2018 300 000 Rial, aktuell sind 5 Euro etwa 1 500 000 Rial. Entsprechend lässt sich aus der Entwicklung des tatsächlichen Wechselkurses imho recht gut ablesen, wie sich die Inflation mittelfristig entwickelt:
https://bonbast.com/graph/eur/2018-01-01/2021-02-13, wahre Wechselstubenpreise vor Ort liegen immer ca. 10 000-20 000 Rial darunter

Und dort sehen wir einen ersten Verfall der Währung in den Monaten nach dem erneuten Einsetzen der Sanktionen im Mai 2018, ehe sich die Lage etwas stabilisierte und ein erneuter Verfall der Währung jetzt während der Coronakrise ab März 2020. Wenn wir sagen Ende Februar 2020 150 000 für den Euro und aktuell 300 000 für den Euro waren 100 Mio Rial im Februar 666,67 Euro wert und aktuell 333,34 Euro. Der iranische Rial hat nach aktuellem Stand, während der Coronakrise nochmal ca. 50% an Wert verloren und entsprechend sind die Preise gestiegen. Es hat im Iran in den letzten Jahrzehnten immer hohe Inflation gegeben, aber das ist auch für den Iran nicht normal.

Das ist ein Problem, weil im Iran seit jeher ein Großteil der Bevölkerung arm ist. Das war auch schon vor der Revolution 79 so und hat sich seitdem grundsätzlich nicht geändert. Aus dem Grund sind viele Alltagsgüter wie Brot und Benzin im Iran stark subventioniert, weil anders die öffentliche Ordnung überhaupt nicht aufrecht zu erhalten wäre, und zwar komplett unabhängig davon wer die Herrschaft ausübt. Wenn man sich fragt, von welcher Größenordnung man da redet. Es geht je nachdem was „arm“ bedeutet um Zahlen von 15-20%, ein Drittel oder bis weit über die Hälfte der Bevölkerung. Das ist im Iran einfach so und die Reduktion von Armut ist ein ganz zentraler Punkt im ideologischen Programm der Islamischen Republik. Es gibt große Stiftungen wie die Imam Khomeini Relief Foundation und die Mostazafan Foundation, welche nach der Revolution gegründet wurden um den Bedürftigen zu helfen. Das ist so ein wenig die Version der IRI eines Sozialstaates, ohne die das Land auch völlig unregierbar wäre. Wobei diese Stiftungen lediglich 50%(?) ihrer Ausgaben für wohltätige Zwecke ausgeben müssen und darüber hinaus z.B. dazu dienen Gefolgsleute zu belohnen und entsprechend von den USA mit Sanktionen belegt wurden. Dazu gibt es noch die Sozialversicherung, die bereits bei der Revolution bestanden hat. Aber Subventionen und Sozialhilfen können am Ende nichts an der grundsätzlichen Lage ändern, dass die iranische Wirtschaft einen sehr erheblichen Teil der Bevölkerung nicht mit Jobs und einem Einkommen versorgen kann, welches diese nicht zur Armut verurteilt. Nach meiner eigenen Erfahrung reden wir hier von Leuten, die 100-150 Euro oder weniger im Monat verdienen und davon dann Auto, Kranken- und Sozialversicherungen, Essen, Wohnung und Kinder finanzieren sollen. Und diese Leute erleben dann, dass die Währung innerhalb von ein paar Monaten 50% an Wert verliert und Sozialhilfen und Gehälter natürlich nur nachträglich und womöglich nur zum Teil angepasst werden. Die Kaufkraft sinkt so Stück für Stück, gerade für diejenigen am unteren Ende der sozialen Leiter. Und die daraus entstehende Unzufriedenheit, dass das eigene Geld ständig weniger und weniger wert ist und man beständig ökonomisch unter Druck steht, lässt ein Potenzial für politische Unruhen entstehen.
Deepening Poverty Threatens the Social Contract in Iran
Statistics Suggest Half Of Iranians Living In Poverty
Spiralling poverty in Iran adds to pressure on regime
35 percent of Iranians are on the brink of malnutrition (das sind übrigens Zahlen von der Forschungsstelle des iranischen Parlaments und nichts was sich irgendein ausländischer Think Tank ausgedacht hat!)
With poverty and economic woes growing, unrest looming in Iran

Der zweite Punkt ist das im Iran durch die Sanktionen erneut die Einnahmen aus den Ölverkäufen weggebrochen sind und Investitionen aus Europa und China, die sich nach dem Abschluss des Atomabkommens angekündigt haben, dann nicht erfolgt sind. Die Iraner müssen einsehen, dass auch Länder wie Russland und China, die Gegner der USA auf der weltpolitischen Bühne sind, nicht bereit sind für Geschäfte mit dem Iran ins Visier von US-Sanktionen zu geraten. Darum konnte man nur wenig Öl verkaufen. Käufer sind Länder wie Venezuela, Syrien, Nordkorea oder wie kürzlich hier im Forum hingewiesen auch der Schwarzmarkt in den USA. Der Preis pro Barrel dürfte dabei weit unter dem Marktpreis liegen. Auch können durch die Sanktionen die Iraner auf ihr Geld außerhalb des Landes nicht zugreifen, weil die dortigen Banken Angst vor Vergeltungsmaßnahmen durch die USA haben müssen.

Der Fall Südkorea zeigt, wie das konkret gelaufen ist. Vor den Sanktionen durch Trump hatte Südkorea mit dem Iran gehandelt und man hat Südkorea Öl verkauft und dafür Fertigprodukte aller Art bezogen. Da eine entsprechende Ausnahmegenehmigung der USA abgelaufen ist haben die Südkoreaner ab Mai 2019 kein Öl mehr gekauft und im September 2019 war man gezwungen das Vermögen in zwei südkoreanischen Banken einzufrieren, damit diese nicht wegen Verstoß gegen US-Sanktionen bestraft werden. South Korea responds angrily to Iran threats over frozen assets Das haben die Iraner dann nicht dabei bewenden lassen und haben Anfang Januar den koreanischen Öltanker im Golf festgesetzt und die Besatzung in Gewahrsam genommen. Es kam dann zu diplomatischen Kontakte auf höchster Ebene, aber die Südkoreaner konnten halt auch nichts weiter sagen, als das sie durch die USA nicht in der Lage sind die 7 Milliarden US-$ zurück zu geben. Mittlerweile wurde die Besatzung freigelassen, aber der Öltanker ist immer noch im Iran. Man überlegt jetzt inwiefern die Mittel womöglich für den Kauf von humanitären Hilfsgütern verwendet werden könnten oder für Impfstoffe bei Covax. Die USA haben immer mal wieder Ausnahmen für die Sanktionen zugelassen für diese Sachen. (South Korea and Iran remain split over tanker seizure issue)

Die Iraner versuchen in den letzten Jahren verzweifelt an ausländische Devisen zu kommen. Der aktuelle irakische Premierminister kam ins Amt durch einen Deal zwischen Iran und die USA, das die Iraner ihn als Premier akzeptieren und ihre Verbündeten im Irak anweisen ihn nicht zu verhindern, während die USA zusicherten nicht einzuschreiten, wenn in Europa eingefrorene iranische Gelder freigegeben werden. Es soll sich dabei um 1,6 Milliarden US-$ in Luxemburg gehandelt haben, welche ein dortiges Gericht den Iranern zugesprochen hatte. REVEALED: The secret US-Iran deal that installed Kadhimi in Baghdad. Der Versuch des Iran einen Kredit von 5 Milliarden US-$ bei der IMF aufzunehmen, im Rahmen eines Programms Finanzmittel für die Bekämpfung der ökonomischen Schäden des Coronavirus, wurde nach iranischen Aussagen von den USA verhindert. Iran's Rouhani Says US Blocking $5 Billion IMF Loan To Fight COVID

Um diese Zahlen mal in ein Verhältnis zu setzen: das offizielle Staatsbudget des Iran lag zuletzt zumeist bei ca. 40 Milliarden US-$ Dollar. Wobei das nicht wirkliche alle Ausgaben des Systems umfasst. Beispielsweise sind bei dieser Zahl gerade mal 6-7 Milliarden für die Revolutionsgarden zugeordnet (knapp 3 Milliarden für die Armee/Artesh) und selbstverständlich ist das tatsächliche Budget der Revolutionsgarden weit höher als das. Dazu kommen dann immer noch Einnahmen und Ausgaben der frommen Stiftungen die von den Revolutionsgarden kontrolliert werden. Hier ist dann keine klare Grenze zu ziehen zwischen Staat, Revolutionsgarden und Wirtschaftsunternehmen. Überhaupt werden im Iran viele Aufgaben des Staates durch säkulare NGOs und religiöse Stiftungen übernommen.
https://en.wikipedia.org/wiki/Bonyad
Iran’s Defense Spending

Dies trägt dann auch dazu bei, dass die iranische Regierung nur 1/3 ihrer Einnahmen aus Steuern bekommt, weil natürlich die Revolutionsgarden oder fromme Stiftungen wie die oben genannten oder allgemein wer Einfluss und Macht besitzt, im Iran keinerlei Steuern zahlt. Die Öleinnahmen können das ausgleichen, aber die sind zuletzt größtenteils weggefallen, weswegen man jetzt natürlich ein Problem hat und was erklärt, warum man so verzweifelt nach ausländischen Devisen sucht.
Dazu wird im Budget natürlich in der iranischen Währung gerechnet und man konnte in den letzten Jahren feststellen, dass das offizielle Staatsbudget nicht so schnell gestiegen ist wie die Inflation, nach absoluten Zahlen also geschrumpft ist. Dazu braucht es natürlich ständig neue Nachtragshaushalte und beständig müssen die Löhne und Renten erhöht werden, im jüngsten Budget für 2021/22 wurde alles pauschal um 50% erhöht und im Laufe des Jahres kommt da sicher mehr dazu. Die Inflation betrifft die Mitarbeiter in den staatlichen Behörden natürlich genauso wie den Rest der Bevölkerung.
A Look at Iran’s 2020-2021 Budget
Iran's Crisis Budget
The Revolutionary Guards' Outsize Share of Iran's Next Budget
Iran outlines budget to resist U.S. sanctions as oil exports plunge

In Erwartung einer Einigung mit den USA haben die Iraner auch schon die Ölproduktion hochgefahren und im neuesten Budget wird mit stark steigenden Öleinnahmen gerechnet. Das heißt die iranische Regierung hat damit bereits Anfang Dezember ein Budget vorgelegt, das von einem Ende der Sanktionen in 2021 ausgeht und optimistische Annahmen über Ölverkäufe macht.
Iran's Draft Budget Is Based On Assumption Of An End To US Sanctions
Iran’s oil exports rise in January despite sanctions – trackers
A fragile budget (2 Mitglieder des iranischen Parlaments kritisieren das kommende Budget im Artikel in iranischer Zeitung)

Das ist der Hintergrund vor dem die Iraner nun ihre Verhandlungen mit den USA führen und warum sie ziemlich motiviert sind, dass die USA ihre Sanktionen schnellstmöglich wieder aufheben. Die Proteste im November 2019 nachdem man den Benzinpreis leicht angehoben hat, was die Unzufriedenheit mit der Inflation zum Vorschein kommen ließ, dürften auch dem Letzten im System deutlich gemacht haben, wie groß die Unzufriedenheit unter der armen Bevölkerung ist, welche einen erheblichen Teil, womöglich sogar die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen dürften und eigentlich vom Regime als potenzielle Unterstützer umworben werden. Die Aussage des Geheimdienstministers, dass man durch die Sanktionen womöglich wie eine in die Ecke gedrängte Katze um sich schlagen und doch eine Atombombe entwickeln könnte, sagt viel darüber aus, für wie schlimm man die Sanktionen einschätzt. Eine Revolutionsgardenzeitung hat ihn ja dann für diese Aussagen ermahnt und gemeint, dass auch eine Atombombe einen Kollaps des Systems nicht verhindern könnte. Auch Zarif sprach davon, dass das Ziel der Sanktionen offenbar der Kollaps des Systems sei. Gerade nach dem erneuten Verfall der Währung während der Coronakrise muss das System eine Verbesserung der Lage herbeiführen oder zumindest einen Weg aus der Krise aufzeigen, will man nicht erneute Unruhen heraufbeschwören. Ob diese dann wirklich zum Erfolg führen würden ist dann wieder eine andere Sache. Aber es ist schon klar, dass die derzeitige Situation für die Islamische Republik auf Dauer untragbar ist.

Ein Ende der Sanktionen würde dann auch neue Perspektiven eröffnen für Investitionen aus Europa, aber vor allem auch China. Es ist offenbar eine gemeinsame Stellungnahme von China und dem Iran in Arbeit über vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen der Chinesen in Höhe von bis zu 400 Milliarden US-$ im Iran. Die Chinesen sehen den Iran dabei ein Partner ihrer neuen Seidenstraßeninitiative, mit dem man allein durch seine geographische Lage zusammen arbeiten muss. Diese Partnerschaft würde auch militärische Kooperation umfassen, wobei die Stationierung chinesischen Militärs am Golf, wie mal gemutmaßt wurde, allein schon angesichts der Einstellungen im Iran zu dieser Frage doch ziemlich unwahrscheinlich ist. Man sollte das Ganze aber auch nicht überbewerten, weil China enge Handelsbeziehungen mit allen Ländern in der Region anstrebt und die Partnerschaft mit dem Iran keineswegs umfangreicher oder privilegierter ist als die mit Saudi Arabien und anderen Ländern. Der Iran dürfte ebenfalls gute Beziehungen mit möglichst vielen Ländern anstreben um am Ende nicht doch noch als chinesischer Vasallenstaat zu enden und ohnehin europäische Investitionen bevorzugen.
Iran-China 25-year Cooperation Program
China Won’t Rescue Iran (geschrieben von jemanden, der lange im Iran gefangen gehalten wurde)
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Khamenei gilt seit Jahren als gesundheitlich angeschlagen. Er wird im April 82 Jahre alt und ist damit sogar 3 1/2 Jahre älter als Joe Biden. Über seine Nachfolge wird daher schon länger spekuliert. Es gibt sogar schon einen Wikipedia-Artikel dazu: Next Supreme Leader of Iran election. Der Revolutionsführer wird vom Expertenrat gewählt und es wird dann auch schon wie bei der Wahl von Khamenei viel von den unmittelbaren Umständen abhängen, unter denen die Wahl stattfindet. Damals hatte Rafsanjani mehr oder weniger im Alleingang Khamenei das Amt verschafft:
[youtube][/youtube]

Wie auf Wikipedia steht wurde im Expertenrat von einem Gremium bestehend aus drei seiner Mitglieder über die Frage diskutiert, aber noch nichts groß entschieden. Es wurde zwischenzeitlich auch mal darüber nachgedacht, ob man das Amt des Revolutionsführers nicht aufteilen könnte und statt eines Revolutionsführers drei zu haben. Auf diese Weise könnten verschiedene Strömungen gleichermaßen repräsentiert sein und man müsste nicht den einen perfekten Kandidaten finden, mit dem alle gleichermaßen zufrieden sind.

Ein Kandidat wäre Mojtaba Khamenei. Jetzt im Januar hat jemand Leute dafür bezahlt, dass sie Plakate aufhängen, welche den Machtanspruch von Mojtaba Khamenei zu formulieren scheinen. Das ist aber so eine Sache, weil die IRI keine Erbmonarchie sein soll und Mojtaba beim besten Willen nicht das religiöse Standing hat als herausragender schiitischer Geistlicher zu gelten, was der Revolutionsführer ja eigentlich sein soll. Das ist ja der Grundgedanke beim Velayat-e Faqih. Aber sein Vater scheint ihn zu favorisieren und er hat eine eigene Machtbasis im System.
Wird Iran zur Erbmonarchie? Mojtaba Khamenei greift nach der Macht
https://www.nzz.ch/international/iran-d ... ld.1597853

Iran's Supreme Leader: Who might succeed Ali Khamenei?
https://www.bbc.com/news/world-middle-east-55257059
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Bolero
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Bolero »

Sie starb an einem Schlaganfall kurz vor dem Galgen: Tote Frau im Iran gehängt
Obwohl sie bereits tot war, zeigten die Henker keine Gnade ...
Im Iran ist eine tote Frau gehängt worden, nachdem sie vor dem Galgen mit einem Schlaganfall zusammengebrochen war. Nach Angaben ihres Anwalts hatte Zahra Esmaili zuvor zusehen müssen, wie 16 Männer vor ihr gehängt wurden.
https://www.bild.de/politik/ausland/pol ... .bild.html

Darauf ein paar Bussies und eine tiefe, devote Verbeugung, nicht wahr Herr Steinmeier!
“Wir leben im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat”
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Die letzten Tage kam es zu Protesten und Auseinandersetzungen zwischen Benzinschmugglern in Baluchistan, im Südosten des Landes an der Grenze zu Pakistan und den Revolutionsgarden. Benzin ist wie man weiß im iran stark subventioniert und wird mit Gewinn in die benachbarten Länder geschmuggelt, was in der Region der gewinnbringendste Wirtschaftszweig ist, den es gibt (abgesehen vom Opiumschmuggel). In manchen Berichten werden Leuten interviewt, dass mittlerweile schon mehrere Generationen dem Benzinschmuggelgeschäft nachgehen. Dem iranischen Staat gefällt das natürlich nicht, aber wenn man es wirklich zu 100% unterbinden würde, würde es sofort einen provinz-weiten Aufstand in der Region geben. Das schafft einen unlösbaren Konflikt und kürzlich kam es zu Meinungsverschiedenheiten lokaler Benzinschmuggler und ihrer Familien mit den Revolutionsgarden mit dem Endergebnis, dass letztere auf erstere geschossen haben, ein Dutzend Schmuggler dabei getötet wurden, und erstere dann ein Regierungsgebäude(?) und eine Revolutionsgardenbasis(?) angegriffen haben. Man hat dann wie bei Protesten in den letzten Jahren das Internet in der Region abgeschaltet, es soll aber weiter Unruhen geben. Ich würde es jetzt nicht groß als "Revolution" gegen die islamische Republik hochstilisieren, wie es manche in der iranischen Exilopposition versuchen oder es als eine großartige Oppositionsbewegung sehen. Vielmehr sehe ich es als ein Hochkochen eines strukturellen Konflikts, für den sich außer die unmittelbar betroffenen eigentlich niemand wirklich interessiert, als das es jetzt zu großartigen Solidaritätsaktionen im Rest des Landes kommen würde. Baluchistan ist eine extrem verarmte Region direkt neben Pakistan und Afghanistan, welche sich seit jeher weit weg von der iranischen Zentralmacht gewesen ist, wo man am ehesten seinen Lebensunterhalt mit illegalen Tätigkeiten verdienen kann, weil es sonst nichts gibt. Alle drei Staaten, Iran, Pakistan, Afghanistan tun sich schwer in dieser Ecke staatlicher Peripherie ihre Autorität durchzusetzen und das hat nicht zwangsläufig viel damit zu tun, wer gerade den Staat kontrolliert.

Nach Tod von Treibstoff-Schmuggler erneut Aufruhr in verarmter iranischen Provinz Sistan und Belutschistan
https://www.deutschlandfunk.de/saravan- ... id=1230974

SITUATIONER: Crackdown on oil smuggling
https://www.dawn.com/news/1605012

With Few Job Options, Balochistan Residents Turn To Smuggling
https://gandhara.rferl.org/a/fuel-smugg ... 97489.html

A Revolution In Iran? Baloch Protesters Storm A Govt Building In Saravan [Inklusive Twitter-Videos und allem drum und dran]
https://www.albawaba.com/node/revolutio ... ng-saravan

In der Region gibt es auch sunnitisch-islamistische Militantengruppen mit Jaish al-Adl der Nachfolgeorganisation von Jundallah, deren Operationsgebiet genau dort ist, wo jetzt diese Proteste stattfinden. Die Region hat eine lange Geschichte bewaffneter Auseinandersetzungen der lokalen Bevölkerung mit den Revolutionsgarden und sie gilt auch als die gefährlichste Region für ausländische Reisende, weil ein hohes Entführungsrisiko besteht und darum gibt es eigentlich schon immer eine Reisewarnung der deutschen Botschaft die Region auf gar keinen Fall zu bereisen. Eine Ausnahme ist die Hafenstadt Chabahar. Indien sieht die Hafenstadt als Tor nach Afghanistan und Zentralasien um Erzfeind Pakistan herum und will 8 Milliarden in die Stadt und eine Landverbindung nach Afghanistan investieren, dazu gehört auch eine Eisenbahnlinie nach Zahedan und von dort nach Afghanistan. klick mich

Durch die Region führt auch die wichtige "Südroute" mit der Drogen aus Afghanistan nach Iran und von dort in den Rest der Welt geschmuggelt werden.

Balochistan: Epicenter of Drugs Smuggling and Usage
http://thebalochistanpoint.com/balochis ... and-usage/
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

hrw mit Details zu den Vorfällen in Belutschistan:
The Baluchi Activists Campaign, a website reporting on human rights violations in the area, reported that on February 22, Iran’s Islamic Revolutionary Guard Corps blocked the road that residents use to transport fuel to Pakistan at the Eskan border area in the town of Saravan, in Sistan and Baluchistan province. The security forces then apparently opened fire at those attempting to open the road, killing at least 10 people and injuring 5.

[...]

On February 25, several mobile network operators shut down internet access in several parts of the province, including Zahedan and Saravan, a digital rights researcher reported. According to official statistics, more than 95 percent of internet users in the province are connected through mobile service. Several activists had said that since the February 22 incident, internet access in the area has been disrupted.

On February 23, Mohamad Hadi Marashi, the Sistan and Baluchistan deputy governor for security, told reporters that the shooting started from the Pakistan side of the border and said that two people had died. On February 25, the Islamic Republic News Agency (IRNA) reported that Ali Ahmad Mouhebati, the governor of Sistan and Baluchistan, told representatives of tribal leaders in the area that three people were killed in the incident, two of them in Pakistani territory.
The Human Rights Activists News Agency (HRANA) reported that on the same day, violence broke out when protesters gathered in front of the governor’s office in Saravan. The police used teargas and shot bullets to disperse the crowd, HRANA said. It is not clear if any protester was injured during the incident.[...]
Iran: Killings Near Pakistani Border
http://www.hrw.org/news/2021/02/25/iran ... ani-border
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Im Iran wurde eine große NGO verboten, welche bedürftigen Kindern und Jugendlichen geholfen hat. Nach eigener Angaben hat man landesweit Hilfe für die arme Bevölkerung geleistet und es gab 10 000 Freiwillige.
The lawyer Saeed Dehghan has announced the dissolution of nationwide charity the Imam Ali Society by an Iranian court.

The nonpartisan NGO, which was first set up in 1999 and whose full name is the Imam Ali’s Popular Students Relief Society, is one of the largest non-state-backed charities in Iran with more than 10,000 volunteers across the country.

It supports vulnerable households and children with food packages, school equipment, workshops, therapy and educational and cultural activities in the areas in which they live.[...]
Rouhani’s Government Shuts Down Charity Supporting Vulnerable Children

Bereits vor einem Jahr hat man führende Mitglieder der Organisation verhaftet unter den üblichen Vorwürfen, Propaganda gegen das Regime etc., und es gab eine Rufmordkampagne der in iranischen Zeitungen gegen die Organisation. Vermutlich wurde der Organisation ihr Erfolg zum Verhängnis. Man war die größte nicht-Regierungsorganisation, welche den Armen geholfen hat und welche dabei auch eine Alternative zu regierungsnahen Organisationen dargestellt hat.
Orphans and homeless women. Runaways. People lacking the money for medical treatment. Those deprived of classrooms and education. The children of addicts. Poor families living on food packages. Women heads of households, trying to scratch together a business.

All these people and more rely on the Imam Ali Society, full name the Imam Ali's Popular Students Relief Society, otherwise known as the Society of Students Against Poverty. This nonpartisan student NGO was set up in 1999 and today is a well-established charitable relief organization with thousands of volunteers and several offices in Iran. Its position suddenly appears to be in jeopardy, with three of its senior members abruptly arrested this week and now languishing in prison.

[...]

Referring to the character assassination published by Kayhan on Tuesday, June 23, Soleimanzadeh says he believes the growing popularity of the Imam Ali Society in the hearts of ordinary people was bothering the regime.

“I was shocked to read the accusations,” he said. “Maybe I would be more hesitant if I hadn't worked directly with that organization myself. Where does all this resentment and jealousy and enmity come from?

“In my opinion, they consider any independent activity – and public popularity – a serious threat to themselves. Obviously, the Society’s sin was to divert the money that was supposed to go to the pockets of the mullahs in the name of khums [an Islamic tax meant to be re-routed to charitable causes] and zakat [mandatory charitable contributions], and to get these donations to the real deserving people.”

[...]

Azari speculates that the sheer scale of the organization is a matter of concern for Iran’s ruling system. Generally speaking, third sector activity in the Iranian population has shifted from registration with the Ministry of Interior to membership in international organizations and groups: a potential sign of widespread mistrust either in the government at large, or of its ability to govern. The Imam Ali Society itself is registered with the United Nations Economic and Social Council (ECOSOC) and has been for 20 years.

"The Society’s offices are based in universities,” says Azari. “These are sensitive locations, and the number of volunteers is expanding day by day, and people's trust in them is greater than the Imam Khomeini Relief Foundation - which could have led to a reaction.”

Azari, a historian, points to the fact that most social uprisings have their origins among the poor and dispossessed. “The Imam Ali Society has access to deprived areas and needy families on a large scale, and they conduct various expeditions and ceremonies. It is natural that they are popular among the people.

“Iran’s poor are restless. Especially in the current situation, where people's lives are deteriorating and poverty has reached record levels. The fear that the association will be able to provide the conditions for change, from the heart of these poor communities, is frightening for the regime. This is why they naturally invent a series of accusations and labels - or investigate people’s pasts to see, for example, what their grandfather's position was – as excuses to render that system inefficient."

The issue Azari raises here was also picked up on by Zia Nabavi, a civil and student activist, who recently wrote on Twitter: “The collective and organizational activity of the Imam Ali Society is not to gather individuals and scattered forces for a specific purpose, but in the power of this association to build up human beings. They are threatened because they have interfered in the ‘humanization’ and ideological ‘unification’ project of the government!”.[...]
The Relief Organization that has Angered the Revolutionary Guards

Es ist aber auch ein Symptom der Nervösität im Regime derzeit, dass die arme Bevölkerung durch die schlechte Wirtschaftslage aufbegehren könnte. Da wurden dann scheinbar einige im Regime nervös, dass es eine NGO gibt, welche sich genau um diese Leute kümmert und nicht unmittelbar von den eigenen Leuten gemanaged wurde. Womöglich auch, weil man offenbar im studentischen Umfeld entstand und verwurzelt ist und sich die Unis seit jeher als Zentren von Protest erwiesen haben. Auch zuletzt bei den Protesten wegen Benzin und dem abgeschossenen Flugzeug gab es Aktionen bzw. letzteres fand ausschließlich an Teheraner Unis statt. Dennoch ist mit regierungsferner sozialer Arbeit grundsätzlich auch in der Islamischen Republik mit NGOs einiges möglich, wenn man sich politisch neutral verhält und weiß, wie man mit Regime-Leuten umzugehen hat, aber wie man sieht, darf man nur nicht zu groß werden...

Iran shuts down relief group fighting children’s poverty
Iranian Court Orders Dissolution Of Prominent Anti-Poverty NGO
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Orbiter1
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Orbiter1 »

Der Ölexport nach China nimmt offenbar trotz Sanktionen wieder Fahrt auf.

"China is gorging on sanctioned Iranian oil -- with imports forecast to more than double this month -- even as other countries hold off for fear of incurring the wrath of the U.S." https://t.co/0wP0B6Gf7U
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

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Seit Dezember/Januar finden im Iran organisierte Proteste von Rentnern statt, welche fordern, dass ihre Renten erhöht werden. Die Demonstranten weisen darauf hin, dass diese nicht entsprechend der Inflation angepasst wurden und sich häufig weit unter der Armutsgrenze befinden. Es handelt sich dabei um Rentner, welche ihre Renten von der Social Security Organization erhalten. Dabei handelt es sich um die Sozialversicherung für im Privatsektor angestellten Personen, daneben gibt es noch eigene Organisationen für Staatsangestellte, die Sicherheitsbehörden, die reguläre Armee und die Revolutionsgarden. Die Protestaktionen sind organisiert und finden wöchentlich in 18-20 Städten des Landes statt und umfassen, den Bildern nach zu urteilen, ein paar Dutzend bis wenige Hundert Leute. Sie fanden vor den Niederlassungen der SSO, dem zuständigen Wohlfahrtsministerium und dem Parlament statt. Die Sicherheitskräfte gehen nicht gegen die Proteste vor, es kam aber vereinzelt zu Verhaftungen, dabei scheint es sich aber häufig um jüngere Leute gehandelt zu haben. Prinzipiell finden im Iran ständig kleinere Protestaktionen wegen ökonomischen Anliegen wie ausbleibende Lohnzahlungen, Werkschließungen etc. statt. Diese Aktionen sind als Petitionen an die politischen Autoritäten, d.h. lokale Vertreter des Staates, die Regierung und den Revolutionsführer zu verstehen sich ihrer Anliegen anzunehmen und weniger als Umsturzversuch oder grundsätzlichen Protest gegen das System. Sie werden im allgemeinen toleriert bzw. sind letztlich Teil der politischen Kultur der IRI. Erst wenn derartige Aktionen an Größe und Intensität zunehmen und die "falschen" Slogans gerufen werden, wird hart dagegen vorgegangen. Dennoch sind diese Aktionen zumeist lokal und eine landesweit organisierte Protestwelle - selbst eine vergleichsweise kleine wie diese hier - ist schon ungewöhnlich. Es spiegelt aber die derzeitige Realität wieder, welche von Inflation geprägt ist und jedem innerhalb und außerhalb des Regimes dürfte schon klar sein, dass gerade solche Leute besonders darunter leiden.

Workers and pensioners demand economic rights in several cities across Iran
Iranian pensioners gather in 16 cities to express economic woes in organized effort
Pensioners take to streets in January to demand trampled rights
Two workers, one retired teacher arrested in peaceful Tehran protests for higher wages
https://irannewswire.org/tag/iran-pensioners/
https://www.ilna.news/fa/tags/%D8%AA%D8 ... 8%B9%DB%8C

Security Forces Arrest Several Pension Protesters In Iran Amid High Inflation
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Iraner sind allgemein immer ziemlich am rumjammern, wie ihr Land "in den Medien" dargestellt wird. Man lebe ja nicht in der Wüste "wie die Araber" und man solle den "wahren Iran" kennen lernen. Wenn der Iraner an Iran denkt, dann denkt er an blühende Landschaften mit hohen Bergen im Hintergrund. An die dicht bewaldeten Regionen am kaspischen Meer, an Parks und schön angelegte Gärten mit singenden Nachtigallen. Die Realität ist in weiten Teilen des Landes die meiste Zeit des Jahres ein wenig anders. Aber der Wunsch den wahren Iran darzustellen begegnet einem im Land eigentlich ständig. Ein Weg den "wahren Iran" darzustellen ist mit der HD-Videokamera durch Teheran zu laufen und dann die Videos auf youtube hochzuladen. Einige Videos dazu weiter unten. Natürlich findet auch hier eine Vorauswahl statt, weil natürlich keine Drogensüchtigen, Obdachlose, heruntergekommenen Gebäude und Müllberge in Großaufnahme gefilmt werden, sondern der einigermaßen ansehnliche urbane Raum, Straßen und natürlich ganz viele Autos auf den Straßen, aber auch Parks und Einkaufszentren. Man sieht aber auch viele Straßenhändler, welche entlang der großen/wichtigen Straßen ihre Waren auf den Bürgersteigen ausgebreitet haben. Das sind so die typischen Eindrücke, die man bekommt, wenn man sich in der Stadt einige Zeit aufhält. Es geht ihm darum die reale Erfahrung eines Aufenthalts in der Stadt zu zeigen und dabei vor allem die Normalität der Konsumgesellschaft, die positiven und schönen Seiten der Stadt herauszustellen. Es gibt schon eine gewisse Selbstzensur wegen der Islamischen Republik, d.h. selbstverständlich ist dringend zu vermeiden Regierungsgebäude, Polizei- und MIlitärgebäude, Soldaten und Polizisten zu filmen. Das könnte als Spionage ausgelegt werden und das wären im schlimmsten Fall 10 Jahre Gefängnis. Die Gebäude bzw. der Campus der Uni Teheran, der in vielen der Videos ganz in der Nähe ist, vermeidet er auch zu filmen, wie mir scheint. Ebenso zeigt er kaum Interesse an den typischen Tourizielen wie das Golestanmuseum, lediglich im großen Bazar war er mal. In einem aktuellen Video filmte er ein paar Straßenszenen. Denn die Tage ist im Iran Nouruz, also iranisches Neujahr. Am Mittwoch zuvor macht man bereits ein Fest, bei dem man Feuerwerkskörper abfeuert etc. Dabei gibt es wie hierzulande an Silvester auch viele Verletzte und hin und wieder Tote, dieses Jahr auch wieder, wie im Video am Ende erwähnt.

[youtube][/youtube]
https://de.wikipedia.org/wiki/Tschahar_Schanbe_Suri

Allgemein Videos, die einen Eindruck vermitteln, was man sehen würde, würde man in Teheran ein wenig spazieren gehen.

[youtube][/youtube]

[youtube][/youtube]

[youtube][/youtube]

[youtube][/youtube]

[youtube][/youtube]
The Iran Mall (Persian: ایران مال‎) is a shopping mall located in northwest Tehran, Iran, by Chitgar Lake. Its second phase opened in 2020, occupying an area of 1.95 million square meters with a gross leasable area of 1,950,000 square meters. Parts of it are still under construction.
https://en.wikipedia.org/wiki/Iran_Mall
https://worldarchitecture.org/architect ... malls.html

[youtube][/youtube]

Hier kann man die Tajrish-Moschee ab 11:50 sehen und im Bazar ist ein wenig was wegen Aschura.
[youtube][/youtube]
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Orbiter1
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Orbiter1 »

Die Teheraner machen einen ziemlich gelassenen Eindruck, wenn da jemand mit einer Kamera auf einem Gimbal rumläuft und filmt. Er kommt den Leuten teilweise sehr nahe. Da wirst du hierzulande alle paar Minuten aufgehalten und aufgefordert die Aufnahme zu löschen. Verletzung der Persönlichkeitsrechte, blah, blah, ...
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Die Tage haben die Iraner ihren Abschlussbericht über das ukrainische Flugzeug veröffentlicht, dass sie vor gut einem Jahr abgeschossen haben. Der Abschuss passierte wenige Stunden, nachdem man eine US-Basis im Irak mit Raketen angegriffen hatte. Trump hatte bekanntlich am 3. Januar den iranischen General Qasem Sulaimani töten lassen als Teil einer andauernden Eskalation zwischen Iran und USA und Alliierten in der Region, welche nach dem Rückzug von Trump aus dem Atomabkommen immer weiter an Schärfe zugenommen hatte. Da man nun vermeintlich am Rande des 3. Weltkrieges stand, hatte man sich Nachrichten über die Schweizer Botschaft in Teheran geschickt und am Ende haben die Iraner die US-Basis im Irak angegriffen. Die USA waren offensichtlich vorher informiert und es gab keine Opfer auf US-Seite. Der Angriff auf die US-Basis in etwa um Mitternacht und am frühen Morgen, um viertel nach 6, wurde dann das ukrainische Flugzeug von der Flugabwehr der Revolutionsgarden abgeschossen. Die iranischen Stellen behaupteten umgehend es habe sich um einen technischen Fehler beim Flugzeug gehandelt. Eine Geschichte, die man für drei Tage weiter behauptete, aber zwischenzeitlich konnte man auf Handyvideos sehen, dass das Flugzeug von einer Rakete getroffen wurde. Daraufhin wurde von einem Fehler in der Flugabwehr gesprochen, eine Geschichte, die der Abschlussbericht nun unterstreichen soll. Aber auch dieser Bericht wurde von Seite der Ukraine und Kanadas als nicht zufriedenstellend abgelehnt:
Ukraine has rejected the Civil Aviation Organisation of Iran's final report on the downing of a Ukrainian jet as a "cynical attempt" to conceal the truth.
Ukraine International Airlines flight PS752 was hit by two missiles after taking off from Tehran on 8 January 2020. All 176 people on board died.

The CAOI's report blames errors by an air defence unit for the tragedy. It says an operator "misidentified" the plane as hostile and fired the missiles without authorisation from a commander. In a video posted on Facebook following the report's publication, Ukraine's Foreign Minister Dmytro Kuleba called the Iranian investigation "biased", the evidence presented "selective", and the conclusions "deceptive". "The document does not present all the circumstances, does not reveal the root causes of the tragedy or the chain of actions that led to it. This is not a report, it is a collection of manipulations, the goal of which is not to establish the truth, but to whitewash the Islamic Republic of Iran," he said.

Ukraine and four other countries whose citizens or residents were killed - Canada, the UK, Afghanistan and Sweden - have demanded Iran provide a complete and thorough explanation of what happened.[…]
Ukraine rejects Iran's final report on downing of flight PS752
Die Reaktion der zuständigen Behörde in Kanada war ähnlich, wurde aber diplomatischer ausgedrückt. Siehe weiter unten.

Eine Besonderheit bei der Sache ist die Staatsangehörigkeit der Opfer. An Bord waren 167 Passagiere und 9 Crew-Mitglieder aus der Ukraine. Von den 167 Passagieren nutzten 146 iranische Pässe um auszureisen, 10 Afghanische Pässe, 5 Kanadische, 4 Schweden und zwei Ukrainische Pässe. Von den 167 waren aber 138 auf dem Weg nach Kanada und auf der ukrainischen Liste ist von 82 Iraner, 63 Kanadiern, 11 Ukrainern, 10 Schweden, 7 Afghanen und 3 Briten die Rede. (=Passagiere+Crew) Die meisten dieser Leute dürften Iraner, welche in Kanada studieren oder anderweitig an der Uni beschäftigt sind, und Flüchtlinge gewesen sein. Der Hintergrund ist, dass die iranischen Behörden Doppelstaatlichkeit nicht anerkennen und jeden allein als Iraner sehen, welcher die iranische Staatsangehörigkeit besitzt oder besitzen könnte. Das ermöglicht dem Iran diesen Leuten im Falle eines Falles konsularische Unterstützung durch ausländische Staaten zu verweigern und es verpflichtet Männer auch den zweijährigen Wehrdienst zu leisten. Wer versucht als Iraner mit einem ausländischen Pass aus dem Iran auszureisen, wird ziemliche Probleme bekommen. Daher zeigt man iranischen Behörden den iranischen Pass und z.B. kanadischen Behörden den Kanadischen. Viele dieser Leute dürften auch an iranischen Unis studiert und dann für weitere Studien ins Ausland gegangen sein. Das ist eine gängige Praxis, sofern man die notwendigen Sprachkenntnisse und auch das entsprechende Kleingeld dafür hat. Sie waren über Weihnachten und Silvester im Iran ihre Freunde und Familie besuchen und wollten dann über Kiew zurückfliegen.

Diese Umstände führten nun dazu, dass es einerseits innerhalb des Irans zu Trauerveranstaltungen wegen der Opfer des Flugzeugsabschusses kam, welche teilweise in Protestaktionen mündeten, die vor allem an Teheraner Unis sich ein paar Tage hinzogen. Auf der anderen Seite sind aber auch vor allem die kanadische und ukrainische Regierung sehr interessiert daran die Hintergründe zu eruieren und es geht auch um die Frage finanzieller Entschädigung. Diesbezüglich hat die iranische Regierung angeboten jeder betroffenen Familie 150 000 Dollar zu bezahlen, was aber abgelehnt wurde.

Bezüglich der Trauerfeiern hat die iranische Regierung einen Trauertag ausgerufen und versucht die Trauerfeiern regimekonform zu gestalten. Demnach wurden die Opfer zu Märtyrern erklärt und die Trauerfeiern streng kontrolliert.
Protesters in two Iranian cities on Thursday chanted anti-regime slogans at funeral ceremonies for the victims of the Ukrainian plane downed by the Revolutionary Guards last week. The Iranian security bodies have tried to take over the funerals of the plane crash victims in an apparent attempt to prevent them from turning into anti-regime protests in the past two days. In Isfahan and Sanandaj where on Thursday thousands of people gathered for the ceremonies, protesters chanted "Down with the dictator", a reference used to supreme Leader Ali Khamenei during protests.

Regime agents mobilized by the Revolutionary Guard's Basij militia tried to drawn the protesters' voices by turning up loudspeakers that broadcast funeral Qoran recitations and eulogies for Qods Force Commander Qassem Soleimani who was killed by the United States a few days before the plane crash. According to some social media reports when the ceremonies ended, security forces cracked down on the protesters in Isfahan where a mass funeral was held on Thursday for 11 victims of the crash. Some reports say the militia vigilantes attacked the participants with tasers and chanted pro-regime slogans.

After the Revolutionary Guard accepted responsibility for downing the Ukrainian plane the regime bestowed the title of "martyr" on victims. In Sanandaj, however, on Wednesday and Thursday the families of several crash victims refused to allow their coffins to be draped in the flag of the Islamic Republic or the bodies to be buried in a part of the city's cemetery allocated to "martyrs".
[…]
Protesters Chant Anti-Regime Slogans At Funerals Of Iran Crash Victims

Das ist im Kontext der vorhergehenden Ereignisse zu sehen: Am 7. Januar 2020 gab es die großen Trauerfeiern über den Tod von Qassem Sulaimani an denen Millionen Menschen landesweit teilnahmen, mit der größten Veranstaltung in Teheran. Das war die größte Trauerfeier seit der Beerdigung von Khomeini selbst und eine der größten pro-Regime-Veranstaltungen im Iran überhaupt. Und das nur ~6 Wochen nach den ebenfalls landesweit größten anti-Regierungsprotesten seit der Etablierung der Islamischen Republik. Und in der folgenden Nacht gab es den Militärschlag auf die US-Basis im Irak und den Abschuss des Flugzeugs. Am 11. Januar gab die Regierung schließlich zu, dass man das Flugzeug abgeschossen hat und selben Tag fand an der Amir Kabir Universität eine große Trauerfeier statt. Irgendwann fingen Leute an Anti-Regierungsslogans zu rufen und es kam dann auch zu einer Anti-Regierungsdemo am Eingang zum Campus, und auch an den folgenden Tagen kam es zu weiteren Aktionen in erster Linie ausgehend von Teheraner Unis. Viele der Opfer hatten an Teheraner Unis selbst studiert und man empörte sich über die Verschleierungstaktik unmittelbar nach dem Abschuss des Flugzeugs.
[youtube][/youtube]

Bei dieser Aktion wurde der britische Botschafter im Iran verhaftet. Er hatte die große Trauerfeier für die Opfer des Flugzeugsabsturzes besucht und als diese dann in eine große Protestaktion mündete, hat man ihn kurzzeitig festgenommen. Er hatte seinen Pass nicht dabei und irgendwie wollten die iranischen Sicherheitskräfte nicht glauben, dass er wirklich der britische Botschafter sei. Er musste den stellvertretenden iranischen Außenminister anrufen, damit die Leute ihn gehen lassen. Das war so eine Sache, weil alle europäischen Botschaften ihren Staatsbürgern in den Reisehinweisen sehr deutlich sagen, dass man solchen Veranstaltungen fernbleiben soll, weil man als Ausländer sofort auffällt und wenn es blöd läuft, verhaftet wird. Ein Punkt, auf den die Iraner dann in der Folge sehr ausführlich hinwiesen und es gab auch ein paar pro-Regime-Aktionen vor der britischen Botschaft und man hat natürlich von Revolutionsgardenseite vermutet, dass er den Protest angestachelt hat. Die Briten und die USA haben auf der anderen Seite den Iranern vorgeworfen internationales Recht zu missachten einfach so einen Botschafter zu verhaften, welcher eigentlich diplomatische Immunität genießt.
UK denounces Iran's arrest of ambassador amid protest row

An einer anderen Uni haben Studenten sich geweigert über die Flagge von USA und Israel zu laufen und haben auf diese Weise ihren Unmut über die Islamische Republik deutlich gemacht:
[youtube][/youtube]

Aufgrund der Tatsache, dass viele der Passagiere eine ausländische Staatsangehörigkeit hatten, gibt es ein großes internationales Interesse an dem Fall vor allem von Seiten Kanadas und der Ukraine. Dabei geht es um eine vollständige Untersuchung, die Bestrafung der Verantwortlichen und Entschädigungszahlungen. Beide Länder haben wie erwähnt den iranischen Untersuchungsbericht als nicht zufriedenstellend und unvollständig zurückgewiesen. Die Ergebnisse der ukrainischen Ermittler stehen noch aus. Am Ende ist einfach nicht einzusehen a) warum man den Luftraum nicht gesperrt hat, da sowohl USA als auch Iran über den Raketenangriff des Iran auf die US-Basis im Irak wussten b) wie man bitteschön versehentlich ein Zivilflugzeug mit zwei Raketen abschießen kann c) warum man drei Tage brauchte um das Offensichtliche zuzugeben. Auch gibt es Leerstellen im Bericht. Es gibt also weiterhin noch offene Fragen.
Ten Unanswered Questions in Iran's Official Report on the Flight 752 Crash
https://en.wikipedia.org/wiki/Ukraine_I ... estigation

[youtube][/youtube]

[youtube][/youtube]

https://www.bst-tsb.gc.ca/eng/enquetes- ... f0002.html
This report only partially explains why the airspace remained open and why operators continued to fly after Iran had launched missiles into Iraq. It does not explain any of the underlying factors behind why the missiles were launched at PS752, the stated cause of this tragedy. In short, the report says what happened, but doesn’t address the why.
https://www.bst-tsb.gc.ca/eng/medias-me ... 10318.html

Es gibt auch einen Brief von jemanden bei der UN, welcher dem Iran Vorwürfe macht rücksichtslos gehandelt zu haben und auch die Behandlung der Familien der Opfer kritisiert:
Experts accuse Iran of rights violations in shooting down Ukraine airlines flight
Iranian officials should be charged over shooting down of Ukrainian plane, UN expert says

Im Februar 2021 wurde eine Aufnahme mutmaßlich vom iranischen Außenminister Zarif einer kanadischen Nachrichtenseite zugespielt, wo dieser Zweifel säht an der offiziellen Linie der Islamischen Republik. Er scheint anzudeuten, dass es womöglich doch Absicht war und kein menschliches Versagen, das offenzulegen aber womöglich kritische Militärgeheimnisse veröffentlicht. Aber es zeigt auch, dass er oder die Adminstration Rohani nicht wirklich die Autorität haben die Revolutionsgarden zur Herausgabe von Informationen zu zwingen.
[youtube][/youtube]
Secret recording suggests Iranian official concedes truth about downing of Flight PS752 may never be revealed

Die Aufnahme dürfte authentisch sein und ihre „Veröffentlichung“ hat vermutlich damit zu tun, dass jemand Zarif innerhalb des Regimes Schaden wollte.
IranWire Exclusive: Javad Zarif is "Frustrated" With the Guards and the Government
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Die Tage befindet sich der chinesische Außenminister auf Nahosttour und besucht nach Saudi Arabien und der Türkei als drittes Land den Iran. Während man mit den Saudis einer Meinung ist, dass USA/EU sie wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen nicht sanktionieren sollten ("sich nicht in innere Angelegenheiten einmischen"), wird offenbar erwartet, dass China und Iran ihr 25 Jahr-Kooperationsabkommen unterzeichnen. China unterstützt den JCPOA und stellt die eigene Rolle in dem Abkommen heraus und will die "legitimen chinesisch-iranischen Beziehungen" verteidigen. Damit meint man womöglich die Ölverkäufe, deren Verantwortliche womöglich in Kürze von den USA mit Sanktionen belegt werden.
Wang Yi visits Iran, outlining China’s peace-broker role
Iran, China Will Sign 25-Year Deal Saturday, As Relations With US Remain Tense
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Orbiter1 »

Platon hat geschrieben:(26 Mar 2021, 20:24)

Die Tage befindet sich der chinesische Außenminister auf Nahosttour und besucht nach Saudi Arabien und der Türkei als drittes Land den Iran. Während man mit den Saudis einer Meinung ist, dass USA/EU sie wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen nicht sanktionieren sollten ("sich nicht in innere Angelegenheiten einmischen"), wird offenbar erwartet, dass China und Iran ihr 25 Jahr-Kooperationsabkommen unterzeichnen. China unterstützt den JCPOA und stellt die eigene Rolle in dem Abkommen heraus und will die "legitimen chinesisch-iranischen Beziehungen" verteidigen. Damit meint man womöglich die Ölverkäufe, deren Verantwortliche womöglich in Kürze von den USA mit Sanktionen belegt werden.
Wang Yi visits Iran, outlining China’s peace-broker role
Iran, China Will Sign 25-Year Deal Saturday, As Relations With US Remain Tense
Da die Einhaltung des JCPOA dem Iran im Gegenzug absolut Null eingebracht hat wendet er sich grundsätzlich vom Westen ab und dem Osten zu. China wird zum herausragenden Handelspartner und Investor. Das Abkommen mit China hat offenbar auch eine militärische Komponente. Mal sehen was darunter zu verstehen ist. Chinesische Militärbasen im Persischen Golf wären aus meiner Sicht keine große Überraschung.

Ich glaube nicht dass sich China noch groß von irgendwelchen Sanktionen der USA beeindrucken lässt, weiter verstärkt Öl aus dem Iran importiert und schon bald selbst Sanktionen gegenüber den USA verhängen wird. Das Rennen um die Vormachtstellung in der Welt nimmt an Tempo zu. Die USA und ein paar mehr oder weniger Verbündete gegen China, Russland und einige weitere Autokratien. Der Iran ist nach dem JCPOA-Desaster endgültig in die Hände der Ultraradikalen gefallen und nun klar im Lager Chinas. Ich gehe nicht davon aus dass der Iran nach den Präsidentschaftswahlen mit den USA, über eine Rückkehr der USA zum JCPOA verhandeln wird. Man wird sich nicht einmal über den Vermittler einig.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Orbiter1 hat geschrieben:(27 Mar 2021, 08:51)Da die Einhaltung des JCPOA dem Iran im Gegenzug absolut Null eingebracht hat
abgesehen von einem Haufen Geld, das freigegeben wurde und das man dann in Syrien verballert und in die Entwicklung von Waffensystemen investiert hat...
wendet er sich grundsätzlich vom Westen ab und dem Osten zu. China wird zum herausragenden Handelspartner und Investor.
Nicht wirklich. Es wird auch in Zukunft, wenn Iran und USA sich geeinigt haben und der Weg frei ist für Investitionen auch europäische Investitionen im Iran geben. Allerdings wird man versuchen möglichst viele Investoren gleichzeitig anzulocken um eben nicht von einer Supermacht abhängig zu werden. Es wird also Investitionen aus China, Russland, Indien und Europa gleichermaßen geben.
Das Abkommen mit China hat offenbar auch eine militärische Komponente. Mal sehen was darunter zu verstehen ist. Chinesische Militärbasen im Persischen Golf wären aus meiner Sicht keine große Überraschung.
Das halte ich für extrem unwahrscheinlich und es wäre eine enorme Peinlichkeit für die IRI. Die Russen haben ja zwischenzeitlich eine iranische Luftwaffenbasis in Hamadan im Iran genutzt um Ziele in Syrien anzugreifen. Aber auch da wurde von iranischer Seite deutlich gemacht, dass es sich um eine temporäre Nutzung handelt und es sich um keine dauerhafte russische Basis handelt. Ausländische Basen innerhalb des Iran würden auch gegen die Verfassung der Islamischen Republik verstoßen.
https://en.wikipedia.org/wiki/Hamadan_Airbase

Dauerhafte und offizielle ausländische Basen auf iranischem Boden durch eine Supermacht ist im Iran ein absolutes Tabu, unabhängig ob es die USA, China oder Russland ist. Selbst die temporäre Nutzung durch die Russen war schon so eine Sache...
Ich glaube nicht dass sich China noch groß von irgendwelchen Sanktionen der USA beeindrucken lässt, weiter verstärkt Öl aus dem Iran importiert und schon bald selbst Sanktionen gegenüber den USA verhängen wird.
Das werden wir ja dann bald sehen, aber man sollte die Macht der USA nicht unterschätzen.
Ich gehe nicht davon aus dass der Iran nach den Präsidentschaftswahlen mit den USA, über eine Rückkehr der USA zum JCPOA verhandeln wird. Man wird sich nicht einmal über den Vermittler einig.
Auch das wird man sehen, aber auch hier solltest du die Wirksamkeit der Sanktionen und die Macht der USA nicht unterschätzen. In den letzten Jahren haben die Chinesen sich notgedrungen an die US-Sanktionen halten müssen und das haben sie nicht freiwillig oder aus Überzeugung gemacht...
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von King Kong 2006 »

In der Tat ist die Frage einer möglichen größeren Präsenz von "Sicherheitspersonal" aus China für große Projekte im Iran ein heikler Punkt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß Teheran da Konzessionen macht.

Bei der Nutzung des militärischen Flugplatzes bei Hamadan war ein Argument eine zeitlich befristete Ausnahme zu machen, da es die militärische Führung im Iran es offenbar für angezeigt hielt eine Nutzung zu erlauben, weil das militärische Gesamtbild in Syrien dies vonnöten machte.

Die russischen Kampfflugzeuge benötigen eine Infrastruktur, die syrische Militäranlagen nicht boten. Das galt vor allen für die Tu-22 Langstreckenbomber. Die russischen Su-24 Mittelstreckenbomber, die auch eingesetzt wurden, sind selbst im Iran in der Airforce vorhanden. Was die Sache dahinsichtlich erleichterte.
Wenn man zuviel weiß, wird es immer schwieriger, einfache Entscheidungen zu treffen.
Wissen stellt eine Barriere dar, die einen daran hindert, etwas in Erfahrung zu bringen.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Das südkoreanische Schiff wurde freigelassen. Man konnte Südkorea nicht dazu zwingen die ganzen 7 Milliarden Dollar freizugeben, aber man exportiert humanitäre Güter in den Iran und man wird wohl Schulden des Iran bei der UN in Höhe von 16 Millionen US-Dollar begleichen. Es wird also ein indirektes Lösegeld für das Schiff bezahlt in etwa dieser Größenordnung.
SEOUL, April 9 (Yonhap) -- Iran released a South Korean oil tanker and its captain, Seoul's foreign ministry said Friday, about three months after they were seized over alleged oil pollution.

The ship, with its captain and 12 other crew members aboard, left the port near Bandar Abbas on the southern coast, at around 6 a.m. (Iran time), the ministry said. The crew members had been released earlier but have remained on the ship for maintenance purposes.

[...]

The two countries have been in consultations to resolve the issue of the frozen money, including using a U.S.-backed Swiss humanitarian trade arrangement to facilitate the export of humanitarian goods to Iran.

Using the money to pay off Iran's U.N. dues in arrears has also been among the payment methods being discussed.

"We're expecting to make a considerable progress in terms of paying the U.N. dues," a foreign ministry official said. "We have also exported some $30 million worth of medical equipment since we resumed the humanitarian trade with Iran last April."

[...]
https://en.yna.co.kr/view/AEN2021040900 ... /diplomacy
UNITED NATIONS: The UN chief says nine African nations and Iran are in arrears on paying their dues to the United Nations’ operating budget and should lose their voting rights as required under the UN Charter. In a letter to General Assembly President Volkan Bozkir circulated Monday, Secretary-General Antonio Guterres listed the minimum amount that the 10 countries need to pay to have their voting rights restored. Iran topped the list and needs to pay $16,251,298 followed by Somalia, which must pay $1,443,640, Comoros $871,632, Sao Tome and Principe $829,888, Libya $705,391, Congo $90,844, Zimbabwe $81,770, Central African Republic $29,395, South Sudan $22,804, and Niger $6,733.[...]
UN chief says Iran should lose General Assembly vote over unpaid dues

Seven UN members lose right to vote over unpaid dues
Saeed Khatibzadeh, Iran’s Foreign Ministry Spokesman, on Monday said Iran was in arrears with its dues to the United Nations because funds designated for the payment were blocked in South Korea by United States sanctions. Khatibzadeh said that a solution was being discussed with the UN Secretariat and relevant arrangements being made to avoid American banks being intermediaries, as is usually the case with dollar transfers.

“Given that the United States has encroached upon Iran’s international assets before, the Islamic Republic of Iran insists that the UN not use an American intermediary bank to receive our country’s membership fee, or that this organization guarantee the financial transfer channel,” he said. In the latest such instance, the US Justice Department on January 5 announced that $7 million of Iranian funds had been seized to compensate American victims of “international state-sponsored terrorism.”

Iran lost the right to vote in the General Assembly as of January 13 due arrears in membership fees for 2019 and 2020 and must pay $16.25 million as a minimum to regain voting rights.[...]
Iran Alleges US Sanctions Blocked Paying UN Dues As It Loses Voting Rights
Zuletzt geändert von Platon am Fr 9. Apr 2021, 10:23, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Tom Bombadil »

Toller Erpresserstaat.
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
Thomas Jefferson
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von King Kong 2006 »

Traurig, das es solche Entwicklungen gibt. Das macht die Gefährlichkeit der US Sanktionen deutlich. Südkorea hat aufgrund des US Drucks reagiert und iranisches Eigentum zurückgehalten. Seoul hat sonst gute Beziehungen zu den Iranern.

Diese Sanktionen sind ein gefährliches Instrument. Nicht nur für Leib und Leben, auch können sie gefährlich eskalieren. Hätte man alles ohne dem Kündigen der USA des Abkomnens nicht gehabt.
Wenn man zuviel weiß, wird es immer schwieriger, einfache Entscheidungen zu treffen.
Wissen stellt eine Barriere dar, die einen daran hindert, etwas in Erfahrung zu bringen.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Es gibt Berichte über ein Gespräch von Zarif, wohl mit einem "iranischen Think Tank" oder Journalisten in dem er sich auch über sein Verhältnis zu Qassem Sulaimani auslässt. Demnach hätte Sulaimani unabhängig von Zarif agiert und das iranische Außenministerum hätte kaum Einfluss auf die iranische Außenpolitik in diesen Ländern gehabt. Es erinnert an die berühmte Nachricht, welche Qassem Sulaimani 2008 an den damals für den Irak zuständigen US-General David Petraeus schickte, die laut diesem folgendermaßen lautete: "General Petraeus, you should know that I, Qasem Soleimani, control the policy of Iran for Iraq, and also for Syria, Lebanon, Gaza and Afghanistan."
Iran International TV has gotten hold of an audio recording in which Iran's Foreign Minister Mohammad Javad Zarif says he has been forced to "sacrifice diplomacy for the IRGC's operations", because of interventions by former Qods Force Commander Qasem Soleimani in Iran's diplomatic affairs. Soleimani was killed by a US air strike in Baghdad in January 2020.

Zarif made the statement in an interview in March, apparently intended to be released after the Rouhani administration leaves office in early August. The interview was conducted by Iranian journalist Saeed Laylaz who is close to Rouhani's economic team. Zarif's statements in the recording can put him under further pressure by Iran's hardliners, or the leak could be an attempt to put him under a better light for the West, blaming Soleimani for Iran's interventionist policies in the Middle East.

Zarif said that his ministry followed a "cold war strategy," but under Soleimani's influence, he had to further a diplomacy that would serve Iran's interests in its military operations in the region.

"On the other hand, I have never been able to ask Soleimani to do something that would serve my diplomatic moves," he said.[...]
Exclusive: Zarif Claims Soleimani Intervened In Diplomacy, Russia Wanted To Destroy JCPOA
DUBAI, United Arab Emirates (AP) — A recording of Iran’s foreign minister offering a blunt appraisal of diplomacy and the limits of power within the Islamic Republic has leaked out publicly, providing a rare look inside the country’s theocracy.

The release of the comments by Mohammad Javad Zarif set off a firestorm within Iran, where officials carefully mind their words amid a cut-throat political environment that includes the powerful paramilitary Revolutionary Guard, ultimately overseen by the country’s supreme leader. Zarif has been suggested as a possible candidate for Iran’s June 18 presidential election as well.[...]
Leaked recording of Iran’s top diplomat offers blunt talk
Iran’s foreign minister, Javad Zarif, has criticised the dominance of the assassinated Islamic Revolutionary Guards Corps (IRGC) commander Qassem Suleimani in Iranian diplomacy, and admitted his own influence over Iranian foreign policy was sometimes zero in a leaked audio recording.

The remarks are from an interview the Iranian foreign ministry admits Zarif gave last March, but it says has been distorted through selective quotes. The leak was claimed as an exclusive by Iran International, a Persian language network viewed by Tehran as hostile and owned by Saudi Arabians.
[...]
The Iranian foreign ministry admitted the seven-hour interview was genuine but designed as internal record, and certainly not for release before the end of the government led by President Hassan Rouhani after the June presidential election.

The foreign ministry also claimed the excerpts were a distortion and framed to show Zarif giving an unduly negative view of Suleimani.

It is the second time in four days the Iranian foreign ministry has felt forced to issue statements condemning media distortions of its motives. It has also issued an attack on the distorted coverage of the Vienna talks by one Iranian state-owned broadcaster.[...]
Iran foreign minister criticises power of Qassem Suleimani in leaked interview

Ich vermute, dass das Leak weniger direkt mit den Verhandlungen in Wien zu tun hat bzw. zu versuchen diese zu torpedieren, als mit Vorgängen innerhalb des Regimes und womöglich den Präsidentschaftswahlen im Juni. Es erinnert aber an ein ähnliches Leak Anfang des Jahres, in dem Zarif mutmaßt die Revolutionsgarden würden nicht die volle Wahrheit über den Flugzeugabschuss Anfang 2020 sagen (siehe weiter oben mein Beitrag dazu). Zarif wird einerseits als mutmaßlicher Kandidat des Reformlagers für die Präsidentschaftswahlen gehandelt, dementiert aber antreten zu wollen. Andererseits ist es schon vielsagend, dass er bei den Verhandlungen in Wien keine Rolle spielt. Womöglich ist er nicht mehr in der Lage bei Verhandlungen als Vertreter des gesamten Regimes aufzutreten. Der Konflikt zwischen Außenministerium und Revolutionsgarden um Zuständigkeit ist allerdings beständig, wie jüngste Äußerungen eines Präsidentschaftskandidaten der Revolutionsgarden, Rostam Ghasemi, zeigen. Er hatte bestätigt, dass Iran die Huthis auch mit Waffen und Training unterstützt, was dann aber vom iranischen Außenministerium dementiert wurde. Das wiederum hat Ghasemi veranlasst sich auf Twitter zu verteidigen und das Außenministerium zu verhöhnen:
Guards Commander Rebuked by Diplomats for Confirming Iran’s Military Presence in Yemen
Die Huthis wiederum haben sich der Aussage des iranischen Außenministeriums angeschlossen:
Ansarallah confirms Iranian Foreign Ministry position on Yemen

Es sieht danach aus, als wenn dieser Konflikt schon länger existiert, aber zum Ende der Amtszeit von Rohani und ein Jahr nach dem Tod von Sulaimani nun offen auftritt und man kann nur vermuten, wer hier für sich einen Vorteil sieht diesen auch öffentlich auszutragen.
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King Kong 2006
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von King Kong 2006 »

Die Rolle der IRGC im Iran ist in der Machtstruktur sicher nicht zu unterschätzen. In den Neunziger gab es die Anekdote, daß wenn in einem schmalen Flur ein Geistlicher auf einen IRGC-General traf es der Geistliche war, der Platz macht. Die Aussage ist klar, es sind die Militärs, die hinter den Kulissen die Power haben. Von daher sind die Aussagen Zarifs nicht neu. Nur sie sind an die Öffentlichkeit gekommen. So etwas gab es öfters. 1999 schrieben 24 Generäle der Pasdaran einen Brief an Khatami. Darunter General Qasem Soleimani. Darin "erinnerten" sie ihn, bzw. trugen ihre Sorge vor, wie es mit dem Iran weitergehen sollte. Er wollte eine Annäherung an den Westen. Khatami führe den Iran somit in die Anarchie.
IRGC COMMANDERS’ LETTER TO KHATAMI

https://irandataportal.syr.edu/irgc-com ... to-khatami
Nach Veröffentlichung des Briefes sprang allerdings der damalige Oberkommandierende der IRGC General Safavi Präsident Khatami bei und nahm ihn in Schutz. Zu gefährlich erschien offenbar ein Riss zwischen der Führung.

General Solemani wurde in seiner Funktion als Oberkommandierender des Auslandsarms der IRGC zum single most powerful operative in the Middle East today (lt. CIA) Und damit zum "zweitmächtigsten Mann" im Iran. Wenn der General, der stets still auftrat und leise sprach, was alle zwang in seiner Umgebung ruhig zu werden, persönlich an Frontabschnitten auftrat, dann war er ein Star. Egal, ob es arabische, afghanische oder sogar kurdische Kämpfer waren. Sie umringten ihn (auch bewaffnet!) sofort und wollten Fotos.

Man kann ihm keine politischen Ambitionen nachsagen, dazu war er wohl tatsächlich zu bescheiden. Militärisch war er ein Leistungsträger zwischen Mittelmeer und Mittleren Osten und damit sicher auch ein Macher und Entscheider. Er selbst sah sich als Patriot, der alles unternehmen mußte den Iran zu schützen. Aufgrund der Erfahrungen im Krieg mit Saddam, Giftgas und ballistischen Raketen. Der Iran isoliert. Die Kräfte, die auf einen Ausgleich mit dem Westen aus sind, müssen mit ihm ein Problem gehabt haben. Auch sie sehen sich als Patrioten, aber die Methoden unterschieden sich. Zarif weißt ja auch in den Aufnahmen daraufhin. Nun ist dieser Mann bei einem Attentat der USA getötet worden. Jetzt ist der Mann, über den die eher an einer Annäherung an den Westen interessierten sich rieben weg. Er ist als Märtyrer gestorben, das wollte er und seine Anhänger können das würdigen und beklagen und er kann nicht mehr weitermachen... Wie auch immer.

Zarifs kritische Ansichten zu Russland, sind verständlich. Also, seine Meinung, daß Moskau nicht gerade Tempo machte, daß das Atomabkommen in Gang kam.

Russland hat kein Interesse an einer Annäherung Irans an den Westen. Russland hat kein Interesse an einen starken Iran. Russland hat ein Interesse, daß der Iran für die USA weiter ein Problem bleibt. Moskau kann an einen entfesselten Rohstoffgiganten kein Interesse haben. Rohstoffe sind Russlands größtes Gut. Und Russland bezieht sein politisches Gewicht als Ansprechpartner. Deshalb sind sie nach Syrien. Um mitreden zu können. Als Gegengewicht zur Westexpansion (Baltikum, Ukraine) von der sie sich bedroht fühlen.

Russland ist für die USA und gerade für Israel ein wichtiger Ansprechpartner geworden. Wenn man mit Iran nicht reden kann. Wenn der Iran bei einer Westannäherung wieder selbst spricht, wird Moskau da auch Arbeitslos. Moskau ist dann als der Einzige mit Zugang obsolet. Allerdings scheint man das im Westen verpennt zu haben. Der Iran sitzt jetzt mit China am Esstisch. Auch damit sind viele im Iran nicht zufrieden. Auch die Hardliner.

Wie sehr Russland sich nicht mit dem Iran beeilt sah man an dem Atommeiler Bushehr 1. Es hat ewig gedauert bis das von Siemens begonnene Kraftwerk vollendet wurde. Es gab tatsächlich technische Hürden, aber es hat unnatürlich lange gedauert. Jedem Beobachter war klar, daß das politische Gründe hat. Solange der Atommeiler nicht fertig wurde, konnte Russland damit drohen. Also, machte man Russland Druck konnten die damit drohen das Ding im Iran schnell mit Uranbrennstäben zu beliefern und dann hochzufahren. Teheran soll mehrmals der Kragen deswegen geplatzt sein. Auch mit der ewig währenden Lieferung von S-300 Systemen. Die kamen einfach nicht. Warum? Russland konnte immer damit Angst machen. Dem Westen. "Wenn ihr nicht wollt, daß wir die liefern... dann seid mal netter!" Der Iran war da nur Spielball. Deshalb hat man dann einfach auch gesagt, man reichert jetzt selbst an. Schluß mit dem Quatsch und mit dem Bavar-373 und dem Upgrade Damavand hat man dann selbst ein Langstreckenabwehrsystem gebaut. Natürlich basierend auf dem S-300. Nur besser als die abgespeckte Exportversion. Hilf die selbst, dann hilft die Allah. Kurzum, man weiß im Iran Russland einzuschätzen. Und auch China. Das ist nicht so, daß man nur den USA Machtspielchen unterstellt, das macht jeder. ;)
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

King Kong 2006 hat geschrieben:(26 Apr 2021, 21:00)
[...]1999 schrieben 24 Generäle der Pasdaran einen Brief an Khatami. Darunter General Qasem Soleimani. Darin "erinnerten" sie ihn, bzw. trugen ihre Sorge vor, wie es mit dem Iran weitergehen sollte. Er wollte eine Annäherung an den Westen. Khatami führe den Iran somit in die Anarchie.

Nach Veröffentlichung des Briefes sprang allerdings der damalige Oberkommandierende der IRGC General Safavi Präsident Khatami bei und nahm ihn in Schutz. Zu gefährlich erschien offenbar ein Riss zwischen der Führung.
Der Anlass des Briefes waren offenbar die Studentenproteste 1999, der ersten wirklichen Protesten unter der Islamischen Republik und was damals in den Wohnheimen der Uni Teheran passiert ist.
Die Proteste und Demonstrationen begannen am Vorabend des 9. Juli 1999 oder nach iranischem Kalender dem 18. Tir 1378. Auslöser war die Schließung der Zeitung Salam (persisch روزنامه سلام) durch gerichtlichen Beschluss. Die Zeitung gehörte zur reformorientierten Partei von Mohammad Chātami, dem Verband der kämpfenden Geistlichkeit. Die Studierenden, die in dieser Zeit als eine der Hauptstützen von Präsident Chātami galten, protestierten gegen die Schließung der Zeitung.

Am Abend der Proteste drangen ca. 400 Sicherheitskräfte in Zivilkleidung in Studentenwohnheime ein, traten Türen ein, griffen die Bewohner an und warfen Brandsätze in die Zimmer. Einige Studierende wurden von Balkonen im dritten Stock geworfen, was bei den meisten zu schweren Knochenbrüchen führte. Nach Aussage der Studierenden beobachtete die reguläre Polizei das Geschehen ohne einzugreifen. Zeugen berichteten, dass mindestens ein Student zu Tode gekommen und ca. 300 Studierende verletzt worden sind.[1][3] [...]
https://de.wikipedia.org/wiki/Iranische ... _Juli_1999
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Orbiter1 »

Platon hat geschrieben:(26 Apr 2021, 11:49)

Zarif wird einerseits als mutmaßlicher Kandidat des Reformlagers für die Präsidentschaftswahlen gehandelt, dementiert aber antreten zu wollen.
Die Präsidentschaftswahlen finden in 7 1/2 Wochen statt. Wann wird denn die Kandidatur bekanntgegeben? 3 Tage vorher? Einen langen Wahlkampf gibt es jedenfalls nicht, wenn immer noch nicht klar ist wer überhaupt antritt.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Orbiter1 hat geschrieben:(27 Apr 2021, 07:53)

Die Präsidentschaftswahlen finden in 7 1/2 Wochen statt. Wann wird denn die Kandidatur bekanntgegeben? 3 Tage vorher? Einen langen Wahlkampf gibt es jedenfalls nicht, wenn immer noch nicht klar ist wer überhaupt antritt.
Vom 11. bis 15. Mai können sich Kandidaten registrieren. Der Wächterrat sortiert dann die Meisten aus und eine Liste wird am 26./27. Mai veröffentlicht. Man darf dann Wahlkampf ab der Veröffentlichung der Liste bis zum 17. Juni, dem Tag vor Wahl, betreiben.
https://en.mehrnews.com/news/171668/Ira ... -on-May-11
https://en.mehrnews.com/news/171949/Ira ... -May-26-27
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von King Kong 2006 »

Platon hat geschrieben:(27 Apr 2021, 01:22)

Der Anlass des Briefes waren offenbar die Studentenproteste 1999, der ersten wirklichen Protesten unter der Islamischen Republik und was damals in den Wohnheimen der Uni Teheran passiert ist.


https://de.wikipedia.org/wiki/Iranische ... _Juli_1999
Das war ein konkreter Aufhänger. Insgesamt war er in den konkurrierenden Machtzentren Irans für die Hardliner verdächtig. Die Reformorientierten Studenten gehörten ja zu seinen Unterstützern. Ein Jahr später war Khatami im Jahr 2000 in Weimar und versuchte Kontakte zu Deutschland (dem Westen) zu intensivieren. Anlässlich Goethes Beschäftigung mit Hafis aus der schönen Stadt Schiras ("West östlicher Diwan"). Es sollte natürlich auch um Business gehen, aber es war auch ein Versuch der Reformorienten Irans mit dem Westen eine Annäherung zu versuchen.
Weimarer Gespräch von Bundespräsident Johannes Rau und dem Präsidenten der Islamischen Republik Iran, Seyed Mohammad Chatami im Schloss Weimar

https://www.bundespraesident.de/SharedD ... _Rede.html
Goethe-Hafis-Denkmal

Das Goethe-Hafis-Denkmal bzw. Hafis-Goethe-Denkmal in Weimar erinnert an den deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe und den persischen Dichter Hafis aus dem 14. Jahrhundert. Es wurde im Jahr 2000 anlässlich des Internationalen Jahres des Dialoges der Kultur in Weimar auf dem Beethovenplatz unweit des Hauptstaatsarchivs am Rande des Ilmparks eingeweiht. Anwesend waren der damalige iranische Präsident Mohammed Chatami und der damalige Bundespräsident Johannes Rau. Es entstand als Schenkung der UNESCO an die Klassikstiftung Weimar[1][2] und wurde von den Künstlern Ernst Thevis und Fabian Rabsch gestaltet.

https://de.wikipedia.org/wiki/Goethe-Hafis-Denkmal
Das wurde natürlich von den Hardlinern mißtauisch beobachtet. Von den Hardlinern aller Seiten wohlgemerkt. Im Grunde genommen war das ein potentiell interessanter, ernstzunehmender Prozess der Entspannung zwischen dem Iran und dem Westen. Vorgelagert einer Annäherung. Dann kam der Anschlag auf das WTC. Der Iran gehörte zu den ersten Staaten, die den USA kondolierten.

Oben erwähnter iranische General Qassem Soleimani, Erzschurke für die USA war da noch Allierter der USA! Er war Ansprechpartner bei den nachrichtendienstlichen und militärischen Spezialoperationen zwischen iranischen + us-amerikanischen Einheiten im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan (siehe 2001 uprising in Herat). Soleimani war nie ein Freund des Westens und wäre es nie geworden. Aber er war pragmatisch, er arbeitete mit den USA zusammen. Als dann 2002 Präsident Bush + Neocons einfiel den Iran auf eine Achse des Bösen (State of the Union adress Januar 2002) zu setzen kam alles zum Stehen. Schlagartig.

Die USA wollten die Schwäche Russlands nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nutzen und das langsame Erwachen des Drachen im Ostens nicht abwarten. Aufräumen und das Amerikanische Jahrhundert umsetzen in der Region und zwar schnell, nach Art der Neocons. Irak, Iran, Afghanistan (Syrien und Co. standen auf der zweiten Reihe der Liste). Zack Bumm. Ging bekanntlich alles nach hinten los. Seinerzeit wurde davor gewarnt.

General Soleimani wurde davon überrollt.
When the United States and Qasem Soleimani worked together

https://www.washingtonpost.com/gdpr-con ... ogether%2f
Das Ende der Zusammenarbeit nach der Rede von Bush und dem Frontalangriff auf den Iran, der scheinbar immer knapp vor der Eskalation stand.
Qassem Suleimani is the Iranian operative who has been reshaping the Middle East. Now he’s directing Assad’s war in Syria.

In January, 2002, Crocker, who was by then the deputy chief of the American Embassy in Kabul, was awakened one night by aides, who told him that President George W. Bush, in his State of the Union Address, had named Iran as part of an “Axis of Evil.” Like many senior diplomats, Crocker was caught off guard. He saw the negotiator the next day at the U.N. compound in Kabul, and he was furious. “You completely damaged me,” Crocker recalled him saying. “Suleimani is in a tearing rage. He feels compromised.” The negotiator told Crocker that, at great political risk, Suleimani had been contemplating a complete reëvaluation of the United States, saying, “Maybe it’s time to rethink our relationship with the Americans.” The Axis of Evil speech brought the meetings to an end. Reformers inside the government, who had advocated a rapprochement with the United States, were put on the defensive. Recalling that time, Crocker shook his head. “We were just that close,” he said. “One word in one speech changed history.”

https://www.newyorker.com/magazine/2013 ... -commander
Die militärische und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit Qassem Soleimanis und der USA waren dann Geschichte, praktisch sofort. Der Iran geriet nun unter immensen Druck der USA. Der "Atomkonflikt" wurde dann zeitnah mit einer Pressekonferenz der oppositionellen iranischen MEK in einem Hotel in Washington (!) im August 2002 eröffnet. Dieser dauert bis heute an, weil militärische Optionen im Gegensatz zum Irak und Afghanistan nicht möglich waren.

Soleimanis Hauptziel wurde jetzt die USA so weit es geht aus der Region zu drängen und um den Iran einen Schutzgürtel zu ziehen. Die iranische Doktrin der "Vorwärtsverteidigung". Im Rahmen dessen wurde er der Hauptarchitekt für den Operationsraum Nahen Osten und ebnete ab 2015 bei einem Besuch in Moskau jetzt Russland den Weg nach Syrien.
Iranian commander Soleimani meets Putin in Moscow

DUBAI (Reuters) - The commander of foreign operations for Iran’s elite Revolutionary Guards visited Russia last week and met President Vladimir Putin
General Qassem Soleimani, head of the Quds Force, last visited in July to aid in planning the Russian military intervention in Syria.

https://www.reuters.com/article/uk-mide ... NY20151216
Im Vorfeld nudelten die Reformer um Khatami nach der Bekanntgabe der USA der "Axis of evil" im Iran komplett ab. Mit Ahmadinejad kam ein Hardliner an die Macht und bombardierte nun mit Drohungen die USA. Soleimani von Bush sitzengelassen setzte seine Kräfte nun komplett gegen die USA ein. Kooperierte mit Russland.

Aktuell wird man sehen, was Rohani (der ja nicht mehr antreten kann) und politische Genossen im Iran jetzt noch bei den Wahlen reißen können. Nach dem Kündigen des Atomabkommens durch Trump und alten Weggefährten, die schon unter Bush diesen Plan verfolgten, sind möglicherweise wie seinerzeit nach 2002 jetzt im Iran die Hardliner wieder am Zug.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Panarin »

Sehr interessante Aussagen des iranischen Aussenministers, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren:

https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... d-56951497

Vor allem wird Putin wieder als Lügner enttarnt.
Kurz vor Abschluss des Atomabkommens 2015 sei General Soleimani nach Moskau gefahren, um den Vertrag zu verhindern. Und Wladimir Putin, über den es in Berlin und Washington stets hieß, er habe ja auch ein großes Interesse an der Verhinderung der iranischen Atombombe, tat laut Sarif alles, um das Abkommen dafür zu zerstören. Warum? Damit, sagt Sarif, die USA sich bloß nicht Iran annäherten, dem langjährigen Verbündeten Russlands. Derlei Machtspiele sind für Russland offenbar wichtiger als die Verhinderung der Bombe. Das ist alles ziemlich peinlich für Putin, dessen Vertreter jetzt am Verhandlungstisch wieder so tun, als seien sie für ein Abkommen. Peinlich auch für die Gardisten, die sich offenbar mit fremden Mächten gegen die eigene Regierung verbünden. Schöne Patrioten.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Der Streit zwischen Revolutionsgarden und Regierung scheint immer größere Kreise zu ziehen. Der Präsident hat das Geheimdienstministerium aufgefordert den Fall zu untersuchen und der Geheimdienst der Revolutionsgarden hat beim Außenministerium Dokumente entwendet und 15 Leute, welche in die Produktion der Dokumentation, zu der die Aufnahmen gehören, involviert sind dürfen das Land nicht verlassen. Man darf vermuten, dass sie u.A. die restlichen Aufnahmen des Projekts an sich genommen haben und weitere Infos über das Projekt.
IranWire sources report that this morning officers from the Islamic Revolutionary Guards Corps (IRGC) Intelligence Unit raided the offices of President Hassan Rouhani and Foreign Minister Mohammad Javad Zarif.

After a short altercation with the security guards of the president’s office and the Foreign Ministry, the Guards took a number of documents from the premises.

The raids took place after government spokesman Ali Rabiei had stated that Iran’s intelligence ministry was investigating the source of a recently-leaked interview with Zarif.

The IRGC Intelligence Unit is a rival organisation to the Ministry of Intelligence, which is the country’s equivalent of the CIA and the FBI.
[...]
The interview was one of 33 conducted by the Presidential Center for Strategic Studies for a planned oral history project. It was set to focus on the achievements of the country's 11th and 12th governments and was in its post-production phase at the time of the leak.

Earlier Thursday, the government announced that the head of the Center, Heshamoddin Ashena, who was overseeing the project, had "resigned" and been replaced by Rabiei.[...]
Revolutionary Guards Raid President and Foreign Minister's Offices

Zarif Blames Russia and the Guards for Harming the JCPOA in Leaked Interview
https://iranwire.com/en/features/9414

Zarif vs. the Guards: A New Round
https://iranwire.com/en/features/9422

Beide Geheimdienste arbeiten unabhängig voneinander und haben schon bei der Ermordung von Fakhrizadeh nicht zusammen gearbeitet. Damals hatte das Geheimdienstministerium Hinweise, dass Leute in den Revolutionsgarden Fakhrizadeh ermorden wollen, aber die Revolutionsgarden erlauben keine geheimdienstliche Aufklärung ihrer eigenen Leute durch das Ministerium und so wurde die Sache verzögert und bald darauf war der Atomwissenschaftler dann tot. Jetzt sieht es so aus als würden sich beide Geheimdienste auf unterschiedlichen Seiten eines politischen Skandals wiederfinden. Es ist in jedem Fall eine ordentliche Staatskrise und eigentlich muss der Revolutionsführer in Kürze ein paar Kommentare abgeben, aber natürlich kann er während der Verhandlungen in Wien das Außenministerium nicht entmachten und gleichzeitig wird er negative Aussagen über Sulaimani nicht ungestraft lassen wollen. Auch wird derjenige, welcher die Sache geleaked hat bestraft werden, aber man darf vermuten, dass er womöglich von den Revolutionsgarden stammt und daher geschützt ist. Aber natürlich nicht vor dem Revolutionsführer. Vielleicht war es am Ende ja mal wieder Israel ^^, das wäre für alle sicher die praktischste Erklärung.

Zarif befindet sich offenbar aktuell nicht im Iran, sondern auf Auslandsreise. Er war ja vorher schon teilweise entmachtet und nimmt beispielsweise an den Gesprächen in Wien nicht teil, aber für ihn wird die Sache auf jeden Fall Folgen haben.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

The disciplinary committee of the World Judo Federation announced Thursday that the Islamic Republic of Iran Judo Federation (IRIJF) has been suspended for four years.

According to the ruling, Iran committed a “serious breach” of the rules by forcing Olympian judoka Saeid Mollaei to deliberately lose a round in the 2019 World Championships so he would not have to compete against an Israeli player.

“In addition,” the ruling read, “this matter has shown the combined involvement of the IRI NOC [National Olympic Committee] and the Ministry of Sports, as well as the IRIJF, which clearly reveals an institutionalised scheme” – referring to the systemic practice in Iran of barring its athletes from competing with Israelis in all sports and disciplines.

Iran was temporarily suspended immediately after the incident on September 18, 2019. As such the Federation backdated the start date of the withdrawal to then, meaning the country cannot take part in international judo competitions until September 2023.

It added: “The Disciplinary Commission considers that this sanction… is proportionate to the extremely severe offenses committed by IRIJF.”[...]
Iranian Judo Federation Banned from International Matches for Four Years
https://iranwire.com/en/features/9459

So ärgerlich das für die betroffenen iranischen Sportler auch ist, ist es die einzig richtige Reaktion auf die iranische Haltung, dass aus politischen Gründen ihre Sportler nicht gegen Israelis antreten sollen.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Khamenei hat heute seine Kommentare abgegeben über das geleakde Interview von Zarif.
[...]Referring to Zarif's remarks about the IRGC and Soleimani, Khamenei said: "Some of the country's officials have made remarks in recent days that were both surprising and regrettable."

He said, "the remarks that were broadcast on hostile media are not consistent with the official's position. Some of these remarks were simply the repetition of hostile remarks made by the enemies and echoed the America's positions."

"This was a big mistake that should not have been committed by an Islamic Republic official. The enemies are annoyed by the Qods Force's influence in the region," and one part of the political system should not undermine the other part, Khamenei said.

He further stressed: "I wish to make it known that nowhere in the world the foreign ministry determines foreign policy. There are higher ranking officials beyond the foreign ministry and they make the decisions and policies. The foreign ministry simply carries out those policies."

He also made it clear that in Iran "The Supreme Council of national Security makes the policies and the foreign ministry carries out those policies although it might also play a part in policy making. However, policy making in foreign affairs is not limited to the foreign ministry."[...]
https://iranintl.com/en/world/khamenei- ... -big-error
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

In Iran ist eine Chemiefabrik in Flammen aufgegangen. Reiht sich ein in eine große Anzahl ähnlicher potenzieller Sabotageakte im Iran in den letzten Jahren.
https://iranintl.com/en/iran-in-brief/e ... cals-plant
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Schon vor 2 Wochen wurde erklärt, dass dieses Jahr im Iran der al-Quds-Tag wegen Corona ausfällt.
Iranian officials have canceled this year’s Quds Day rallies due to coronavirus concerns. The annual Iranian-led event aimed at opposing Israel was also called off last year.

An official from Iran’s Islamic Propagation Coordination Council said on Tuesday that the annual event is not scheduled to take place due to the COVID-19 situation in the country.

“Although the issue of Palestine and the fight against arrogance is vital, we announce that no decision has been made about holding the rallies so far considering the latest wave of the coronavirus, which is expected to escalate,” said Nosratollah Lotfi, according to the semi-official Tasnim News Agency.[...]
https://www.al-monitor.com/originals/20 ... d-year-row

Ist jetzt nicht wirklich überraschend. Bereits beim Revolutionsjubiläum hat man auf Motorrädern demonstrieren lassen. Im Moment sind die typischen Massenveranstaltungen einfach nicht möglich. Auch beim Wahlkampf wird es sicher nur kleine Veranstaltungen geben und keine vollen Hallen wie in der Vergangenheit.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Orbiter1 »

Platon hat geschrieben:(03 May 2021, 14:35)

Schon vor 2 Wochen wurde erklärt, dass dieses Jahr im Iran der al-Quds-Tag wegen Corona ausfällt.

https://www.al-monitor.com/originals/20 ... d-year-row

Ist jetzt nicht wirklich überraschend. Bereits beim Revolutionsjubiläum hat man auf Motorrädern demonstrieren lassen. Im Moment sind die typischen Massenveranstaltungen einfach nicht möglich. Auch beim Wahlkampf wird es sicher nur kleine Veranstaltungen geben und keine vollen Hallen wie in der Vergangenheit.
Ich finde das äußerst überraschend. Sind die Mullahs nicht die schlimmsten Fundamentalisten, die man sich überhaupt nur vorstellen kann? Das Mensch gewordene Böse schlechthin? Und da lassen die den al-Quds-Tag und sonstige Massenveranstaltungen ausfallen? Wieso das denn? Da war Modi und seine Regierung in Indien nicht so zimperlich und es gab dort jede Menge religiöse und sonstige Massenveranstaltungen in den letzten Wochen.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Vongole »

Orbiter1 hat geschrieben:(03 May 2021, 16:23)

Ich finde das äußerst überraschend. Sind die Mullahs nicht die schlimmsten Fundamentalisten, die man sich überhaupt nur vorstellen kann? Das Mensch gewordene Böse schlechthin? Und da lassen die den al-Quds-Tag und sonstige Massenveranstaltungen ausfallen? Wieso das denn? Da war Modi und seine Regierung in Indien nicht so zimperlich und es gab dort jede Menge religiöse und sonstige Massenveranstaltungen in den letzten Wochen.
Selbst diesem Regime dürfte klar sein, dass eine Massenveranstaltung, in der zum bewaffneten Kampf gegen Israel aufgerufen und "Tod den Zionisten" skandiert wird, während der Vertragsverhandlungen gar nicht gut ankommt.
Nächstes Jahr wird man dann wieder loslegen.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Orbiter1 »

Vongole hat geschrieben:(03 May 2021, 16:50)

Selbst diesem Regime dürfte klar sein, dass eine Massenveranstaltung, in der zum bewaffneten Kampf gegen Israel aufgerufen und "Tod den Zionisten" skandiert wird, während der Vertragsverhandlungen gar nicht gut ankommt.
Gegen ihre Argumentation spricht, dass auch andere Massenveranstaltungen verboten sind und auch letztes Jahr der al-Quds-Tag abgesagt wurde. Und damals gab es keine Verhandlungen, im Gegenteil, mit Trump war ein US-Präsident im Amt, dem ständig neue Sanktionen gegen den Iran eingefallen sind. Während des Ramadan gibt es auch noch nächtliche Ausgangssperren, damit sich die Menschen nicht treffen und anstecken können. Offenbar ist der iranische Fundamentalismus auch nicht mehr das was er mal war. Wenn das der Prophet wüsste.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Vongole »

Nur bedingt eine Nachricht aus dem Iran, aber den Iran betreffend:

SAID, der Heimkehrer im Glashaus
https://www.zeit.de/kultur/literatur/20 ... od-nachruf
Irans Verlust, unser Gewinn:
in manchen nächten
suchen platanen nach einem gott
der schweigen kann
die dunkelheit zieht sich zurück
der mond ruft die zikaden
die unbelehrbaren beten
auf eine geste des triumphs verzichten sie
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Vongole »

Die Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wurde erneut verurteilt:
Acht Jahre lang saß die iranische Regimegegnerin Narges Mohammadi im Gefängnis. Im Oktober wurde sie dann frühzeitig entlassen. Nun ist sie erneut ins Visier der Behörden geraten. Angaben ihres Anwalts zufolge wurde die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin zu 30 Monaten Haft sowie zu 80 Peitschenhieben verurteilt.
Der Nachrichtenagentur AFP bestätigte der Anwalt Mahmud Behsadi-Rad Berichte iranischer Medien, wonach Mohammadi wegen »Propaganda gegen das politische System« Irans, »Verleumdung« und »Rebellion gegen die Gefängnisverwaltung« verurteilt worden sei.
Der Zeitung »Etemad« zufolge beziehen sich die Anschuldigungen gegen Mohammadi unter anderem auf eine Erklärung, die sie gegen die Todesstrafe abgegeben haben soll. Zudem soll sie unbegründete Anschuldigungen wegen »Folter und Misshandlung« erhoben und während ihrer Haft im Evin-Gefängnis in Teheran einen Sitzstreik organisiert haben.
https://www.spiegel.de/ausland/iran-men ... 3a2c70f8fa
Zum Hintergrund:
https://www.spiegel.de/ausland/iran-men ... 7a2598ce6c
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

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Im Iran findet aktuell ein Streik der Ölindustrie statt:
Organizers of strikes by oil and petrochemical industry workers in Iran announced Sunday that employees of 60 companies in eight provinces have now joined the movement to demand higher wages and better contractual conditions.

The strikes began on June 22, mainly by temporary and contract workers in the petrochemical sector but has since expanded to include workers in the oil and natural gas industries. Regular employees of government-owned oil facilities are scheduled to start their own strike in coming days.

The strikes came days after Ebrahim Raisi, a hardliner cleric backed by Supreme Leader Ali Khamenei, won the presidency in a staged-managed election, after other key candidates were barred from running.[...]
Oil And Petrochemical Workers On Strike In 60 Companies In Iran
https://iranintl.com/en/iran/oil-and-pe ... anies-iran

Die Forderungen der Streikenden:
[...]The labor rights body, known as the Council for Organizing Protests of Contract Oil Workers, had issued its demands in a statement on June 20 published by the Free Trade Union. They were as follows:
  • The wage of any oil industry workers should not fall below 12 million tomans ($550) and should increase according to inflation and increases at other salary bands, as agreed by workers' representatives;
  • The timely payment of wages;
  • Removal of subcontractors in favor of direct, permanent contracts with employees;
  • The prohibition of workers’ undue dismissal;
  • The abolition of “slave-type laws” in Iran’s free economic zones;
  • The observance of health, environmental and workplace safety standards and improved sanitary standards at workers’ dormitories and health services;
  • An end to the “security atmosphere” in the workplace and recognition of workers’ rights of association, assembly and protest.
[...]
Mass Strike Action at Iranian Oil and Gas Plants
https://iranwire.com/en/features/9792
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Platon
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Im Iran hat man derzeit riesige Probleme die eigenen Bürger mit Elektrizität zu versorgen. Grund ist u.A. eine stark gestiegene Nachfrage durch Crypto-Mining. Dieses ist im Iran teilweise erlaubt und es gibt staatlich sanktionierte und illegale Mining-Farmen. Dazu kommt der hohe Verbrauch durch Klimaanlagen jetzt im Sommer - in Teheran z.B. herrschen aktuell Temperaturen um und jenseits der 40 Grad. Strom ist dazu stark subventioniert, d.h. es gibt keinen Anreiz Strom zu sparen. Das führt zu Stromausfällen, welche teils angekündigt sind und teils auch nicht. Grundsätzlich exportiert der Iran Strom in den benachbarten Irak, was jetzt natürlich nicht mehr möglich ist. Das heißt die Versorgungskrise im Iran trägt zu einer Versorgungskrise im Irak bei und das mitten im Hochsommer. In beiden Ländern könnte diese SItuation zu politischer Instabilität führen.

Iran power cuts fuel fears in Iraq as scorching summer peaks
https://apnews.com/article/iraq-iran-mi ... 6f038489cb

Der Iran hat kürzlich das Atomkraftwerk in Bushehr wieder ans Netz genommen, aber dessen Leistung ist bei der Versorgung nicht entscheidend.
Iran restarts Bushehr nuclear power plant after overhaul-state media

Iran International berichtet nun von Protesten vor den Büros der nationalen Elektrizitätsfirma an mehreren Orten im Land aufgrund von plötzlichen Stromausfällen, deren Umfang aber scheinbar noch überschaubar sind.
People Come Out To Protest Widespread Power Cuts In Iran
https://iranintl.com/en/iran/people-com ... -cuts-iran
[...]Mohamed Qalibaf, speaker of the parliament appeared to critique the government’s policies this week with a post about how the “frequent power outages throughout the country and disruption of people's lives and businesses require planning and management. If the increase in consumption and excess demand is not compensated in the short term for any reason, at least stick to the announced blackout schedule so that people can plan for problems.”

This unprecedented critique in the open of the country’s problems apparently reveals the depth of the problem. Iran knows it is not alone. Iraq is also suffering unprecedented electrical problems. This has been made worse by terror attacks on power lines in Iraq. This means a whole swath of territory from Jordan to Pakistan is suffering both extreme heat and power outages.

Reports indicate that the demand far outweighs supply. The gap is said to be 11GW the equivalent of 11,000 megawatts, an unprecedented daily gap. A clock in Iran that supposedly “counts down” to Israel’s destruction, has reportedly stopped due to the outages. Iran’s Bushehr nuclear power plant even had to be pulled offline several weeks ago for maintenance. It is back online now. [...]
Iran power outage crisis leads politicians to slam their own policy
https://www.jpost.com/middle-east/iran- ... icy-672915

12 percent increase in Iranian electricity consumption drives country into darkness
https://www.rudaw.net/english/middleeast/iran/050720211

Sudden Widespread Blackouts Hit Tehran And Other Cities In Iran
https://iranintl.com/en/iran/sudden-wid ... ities-iran

Iran's New Record High Electricity Consumption Hard To Explain
https://iranintl.com/en/iran/irans-new- ... rd-explain
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Das Problem mit der Stromversorgung wird wohl so schnell nicht gelöst werden und die Möglichkeit, dass sich daraus erhebliche politische Unruhen ergeben bleibt bestehen bzw. je länger diese Situation andauert umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass sich daraus etwas ergibt. Da es sich um ein strukturelles Problem handelt und man die Stromerzeugung nicht kurzfristig steigern kann, wird das jetzt die nächsten 1-2 Monate so weitergehen bis es wieder etwas kühler wird. Es geht ja nicht nur darum, dass die Leute keinen Strom mehr haben, sondern es wird dann auch für die Wirtschaft, Kühlketten etc. ein Problem werden. Ich vermute die Stromausfälle sind immer nachts, was dann natürlich zur Situation führt, dass politische Aktionen in erster Linie in der Dunkelheit stattfinden werden. Das System hat die Gefahr erkannt und Rohani hat sich bereits öffentlich entschuldigt, der Innenminister warnt, dass das Problem ernst zu nehmen ist und laut diesem Artikel gibt es auch wieder vermehrte Präsenz von Sicherheitskräften auf den Straßen, während der Blackouts.
Several Iranian cities, including the capital Tehran, have in the past few days been rattled with death shouts against Supreme Leader Ayatollah Ali Khamenei, as unscheduled power cuts continue to disrupt normal life.

Many Iranians have also staged protests outside local offices, calling for the resignation of officials, including Energy Minister Reza Ardakanian.

While the damage dealt by the blackouts has yet to be formally assessed, it has already hit private businesses hard. In tall buildings, the cuts have also led to water outages, further complicating the situation amid the coronavirus pandemic and Iran's typically scorching summer season.

Addressing the matter at a Cabinet meeting July 6, Presidents Hassan Rouhani expressed his apology to Iranians, but absolved the Energy Ministry of the responsibility. "We have no option," he noted, "other than cutting back." Rouhani assigned First Vice President Is'haq Jahangir with the task of investigating the blackouts. The Judiciary, in control of hard-liners, also launched its own probe under the country's ultraconservative prosecutor-general.[...]
https://www.al-monitor.com/originals/20 ... -blackouts
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Verbunden mit der Krise um Versorgung mit Elektrizität sind Versorgungsprobleme mit Wasser. Der Iran erlebt in diesem Sommer eine heftige Dürre mit wenig Regen. Dazu gibt es durch durchgehend hohe Temperaturen weniger Schnee auf den Bergen, welche schmelzen und die umliegenden Gebiete mit Wasser versorgen können. Dadurch sind Seen und Flüsse ausgetrocknet, Wasserkraftwerke bringen weniger Leistung, was zur Elektrizitätskrise beiträgt. Aber auch die Landwirtschaft hat Probleme sich mit Wasser zu versorgen und das Grundwasser wird immer mehr ausgenutzt. Dies führt zu einer immer größeren Urbanisierung der Bevölkerung, d.h. viele Menschen ziehen nach Teheran und werden dort Teil der großen Masse der Armutsbevölkung, welche potenziell an Brotunruhen teilnehmen kann. Das alles ist als eine Folge des weltweiten Klimawandels zu sehen und es ist zweifelhaft, dass der Iran darauf eine Antwort hat.
Iran is on the fast track to severe water scarcity. This semi-arid country, which has stressed the role of agriculture in assuring its economic independence, faces an onslaught of threats to its water supply, including climate change, population growth, mass migration, political instability, and resource mismanagement. Tehran, the capital and largest city, could soon be the epicenter of this crisis. As Iran’s rural areas exhaust their water resources, more and more rural residents are expected to crowd into the capital, intensifying the shortages there.

Iran uses about 90 percent of its water resources for agriculture. About 71 percent of Iran’s eighty-two million population lives in areas at risk of subsidence due to over-extraction of groundwater resources, and 70 percent of water demand in Iran is also related to these areas.[...]
https://www.atlanticcouncil.org/blogs/i ... fty-years/
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

In Khuzestan, der Südwestprovinz des Irans mit mehrheitlich arabischer Bevölkerung und hohen Ölvorkommen gibt es Proteste wegen der Versorgungsprobleme:
People in several cities in Iran’s Khuzestan province came out to streets to protest lack of water and forced migration, for a second consecutive night on Friday, with a young protester killed by gunshot that authorites tried to balme on protesers.

"During the rally, rioters shot in the air to provoke the people, but unfortunately one of the bullets hit a person present at the scene and killed him," Omid Sabripour, the head of the governorate in the town of Shadegan, told IRNA.

The largest protest took place in Susangerd, a city of 120,000 near the Iran-Iraq border with a large Arabic-speaking population. Shush or ancient Susa, an industrial town with an activist workers’ force was also rocked by demonstrations.

The protests appear to be spontaneous, prompted by messages on social media. People protested in several other cities in Khuzestan, the center of Iran’s oil production that provides the economic lifeline of the country.[...]
https://iranintl.com/en/iran/protester- ... tions-iran
DUBAI, July 16 (Reuters) - Street protests broke out overnight over severe water shortages in Iran's oil-rich southwest, according to Iranian news outlets and videos posted on social media on Friday, as the country faces its worst drought in 50 years.

Videos showed protesters setting fire to tyres to block a road and security forces were seen trying to disperse the crowds as some shots were heard. Reuters could not independently verify the videos' authenticity.

"State television should report what we are saying and show the image of the buffaloes that perished from lack of water," an elderly protester said on a video carried by the regional Asrejonoob news website.[...]
https://www.reuters.com/world/middle-ea ... 021-07-16/

WASHINGTON - Iran’s state media report that one person was killed late Friday during a protest of water shortages in the country’s southwest.

The state news agency IRNA quoted Omid Sabripour, head of the local government in Shadegan, as saying “a number of Shadegan's people had gathered to protest water shortages due to the drought, during which opportunists and rioters shot dead one of the demonstrators."

Sabripour told the agency someone had shot into the air and the falling bullet had struck and killed a bystander.

A two-day wave of antigovernment protests in southwest Iran in response to water shortages has drawn new attention to what experts say is the long-running mismanagement of natural resources by Iran’s Islamist rulers.

Videos shared on social media and with VOA Persian appear to show Iranians marching and chanting in Arabic late Thursday and Friday in multiple cities of Iran’s Khuzestan province, home to ethnic minority Arabs who have long accused majority-Persian Iran's ruling clerics of discrimination and neglect.[...]
https://www.voanews.com/middle-east/voa ... e-protests
Zuletzt geändert von Platon am Sa 17. Jul 2021, 12:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Das Wetter in der Stadt in der die größten Proteste stattfinden:
https://www.wetteronline.de/wetter/susangerd

:s

Da wär wohl jeder sauer wenn Strom und Wasser fehlt...
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Es finden wohl auch wieder Proteste in Mahshahr statt. 2019 bei den Benzinprotesten sind dort viele Leute getötet worden:
https://en.wikipedia.org/wiki/Mahshahr_massacre
https://iranintl.com/en/iran/protests-e ... ter-crisis

Bisher zeigen die (lokalen?) Sicherheitskräfte Präsenz, aber es scheint noch zu keinem groß angelegten gewaltsamen Niederschlagen der Proteste gekommen zu sein.
Ich vermute die Revolutionsgarden werden Truppen schicken, wenn das jetzt länger anhält oder sich droht auf weitere Provinzen auszubreiten.

Videos der Proteste sind hier zu finden:
https://www.instagram.com/bbcparham/
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Diese Nacht wurden in Susangerd die Proteste gewaltsam niedergeschlagen.
[...]Videos received by Iran International show security forces deployed in force(link is external) in Susangerd, a city of 120,000 people and firing continuously at protesters. A citizen who sent another video of the chaotic scenes, said special riot police fired tear gas and used heavy pepper spray injuring “many people”. He said there was no reason for the use of force.[...]
https://iranintl.com/en/world/iranian-n ... protesters
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Re: Nachrichten aus dem Iran.

Beitrag von Platon »

Es gibt wohl mittlerweile eine hohe Präsenz von Sicherheitskräften in den betroffenen Städten. Da man wie bei solchen Fällen üblich den Zugang zum Internet eingeschränkt hat, ist es unklar inwiefern es noch Proteste gibt.

Es macht unterdessen ein Foto die Runde wo eine Frau aus einer Pfütze trinkt. Damit keine Missverständisse auftreten hat die Quelle klar gemacht, dass das Foto zwar aus Khorramshahr ist, wo auch Proteste stattfinden, aber von 2005 aus der Zeit von Ahmadinejad. (das ist das was da auf Persisch steht) Es ist aber die Sache, dass in den letzten 16 Jahren offenbar keine Verbesserung eingetreten ist.
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