franktoast hat geschrieben:(09 Feb 2021, 16:44)
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Ich kann mir deine Motivation vorstellen. Du möchtest eben, dass die Reichen etwas abgeben, damit die da unten mehr bekommen. Hätten die Reichen halb so viel, wärst du wohl genau der gleichen Meinung. Es ist einfach nur so, weil die viel haben, könnten die mal was abdrücken. Zudem möchtest du das Gefühl haben, dass du den Kongolesen hilft (über Demokratie) und nicht dieser Gates.
Quark.
Erst mal geht es mir um Gerechtigkeit - und zwar keineswegs in einem Sinne, dass man gleich die Demokratie durch Sozialismus ersetzt, oder die soziale Marktwirtschaft durch irgendein staatsgeführtes System. Von all dem halte ich genau gar nichts.
Rechnen wir mal ein paar Sichten deinerseits nach:
2018 war das Privatvermögen der Deutschen bei 14,85 Billionen Euro.
https://crp-infotec.de/deutschland-priv ... oegnsberg/
2018 betrug der Gesamthaushalt der BRD 1,4285 Billionen Euro.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/sozia ... 61470.html
Deine persönliche Steuer- und Abgabenlast, die nach meinem Kriterium in 2018 anzuwenden gewesen wäre, kannst du dir also leicht ausrechnen und es ergibt sich entsprechend deinem Vermögen in 2018 in Höhe von ca. 9,6%.
Jetzt vergleiche das mit deiner Steuer- und Abgabenlast, die du tatsächlich in 2018 hattest - vergiss dabei nicht Steuern und Abgaben wie die Mehrwertsteuer, Energiesteuern, EEG-Umlage, Grundsteuer, KFZ-Steuer, Tabaksteuer, .....
Wenn du jetzt wie weit über 80% der Bevölkerung zu denen gehörst, die so mehr zur Staatsfinanzierung beigetragen haben, als sie bei meinem Vermögensansatz hätten beitragen müssen - dann gehörst du zu denen, die über viele Jahre hinweg im Verhältnis zu viel zahlen, während andere zu wenig zahlen. Dieses "zu wenig zahlen" kann sich schon aus sachlogischen Gründen nicht auf die beziehen, die über weniger Vermögen und Einkommen verfügen als du - also müssen es Menschen sein, die mehr Vermögen haben.
Wenn du diese Schrift mal anschaust, findest du dazu auch eine Abbildung, die das nochmals verdeutlicht:
https://www.diw.de/documents/publikatio ... 6-51-1.pdf Und dort: "Steuern und Sozialbeiträge in Prozent des Haushaltsbruttoeinkommens 2015"
Die Quelle hierbei sind die Daten von SOEP, die Quelle selbst ist das DIW und die Datenbasis stammt aus 2015, wobei sich nichts grundlegendes seitdem im Steuer- und Abgabenrecht so verändert hätte, dass diese seit vielen Jahrzehnten bestehende "Unterbesteuerung von Sehr Reichen und Superreichen" grundlegend so verändert hätte, dass mit aktuelleren Zahlen etwas wesentlich anderes herauskommt.
Schwierig bei diesen Daten ist regelmäßig, dass diese vor allem auf die Einkommenssituation gehen, nicht so sehr auf die Vermögenssituation. Allerdings gibt es zwischen hohen Einkommen und hohen Vermögen eine gewisse Beziehung......wobei gerade auch in der Gruppe der Superreichen immer wieder mal das "Einkommen" eine untergeordnete Rolle spielt, weil das Vermögen exorbitant hoch ist.
Tatsächlich findet man aber sogar Statistiken, dass die Ungleichheit bezüglich der Staatsfinanzierung bezüglich der Einkommensverteilung noch günstiger aussieht, als wenn man auf die konkrete Vermögenssituation geht. Das ist auch wenig überraschend und eigentlich logisch, weil sehr hohe Einkommen, die im Verhältnis zu wenig zur Staatsfinanzierung beitragen, regelmäßig dazu führen, dass ich ein hohes Vermögen überproportional steigern kann (zwingend ist das nicht, ich könnte es auch verprassen.....aber die meisten sehr Reichen agieren eher so....), was bei der Betrachtung der Vermögensanteile zur Staatsfinanzierung die Sachlage noch ungünstiger werden lässt, als bei der reinen Betrachtung der Einkommen.
Weitere Quellen, die sich mal mit der Einkommensverteilung und mal mit der Vermögensverteilung beschäftigen gibt es im Netz sehr viele - viele von denen gehen originär dabei selbst auf die SOEP-Daten.
Ein paar nette Quellen hier mal beispielhaft:
https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen- ... verteilung
http://www.sozialpolitik-aktuell.de/fil ... bIII91.pdf
https://crp-infotec.de/deutschland-verm ... erteilung/
Das größte Problem liegt bezüglich der Einkommen beim 9. Dezil, reicht aber auch ins 8. Dezil und in Teile des 10. Dezils hinein - in diesem Bereich findet tatsächlich die Staatsfinanzierung statt. Gerade im 10. Dezil in der oberen Hälfte hingegen wird anteilig zu wenig beigetragen.
Was würde passieren, wenn man das verändern würde?
Gar nicht so arg viel - der Vermögensaufbau wäre für Berufseinsteiger leichter - das könnte dann auch dazu führen, dass sich junge Familien sogar wieder mal ein Einfamilienhaus leisten können.....das war 1960 durchaus gut möglich, ist es heute aber nicht mehr. Da hat sich was verändert....
Dann würde sich verändern, dass der Mittelstand und insbesondere der gehobene Mittelstand, also regelmäßig die Leistungsträger in der Gesellschaft, die man auf nahezu allen Managementpositionen, Facharbeiterpositionen, etc. etc. findet, würde etwas entlastet, und könnten damit sich ein größeres Vermögen leisten (oder auch mehr Spenden.....)
Eventuell würden diese ja auch ein paar Aktien mehr von BMW kaufen, die würden ja frei, weil Familie Quandt ein paar abgeben würde.....aber dramatisch wäre diese "Umverteilung" nicht.
Würde sich bei den unteren Dezilen was verändern? Eher nicht - die zahlen heute wenig Steuern, und würden auch dann wenig Steuern zahlen, weil sie auch wenig Einkommen und meist auch kein relevantes Vermögen haben.
Also - wenn du mir unterstellst, dass ich "die da unten" besonders fördern möchte - dann kannst du das zumindest aus meinem Ansatz erst mal so gar nicht wirklich rausinterpretieren - damit bleibt es eine Unterstellung, die ich auch zurückweise.
Wenn du meinst, dass ich lieber den Kongolesen helfe, als dass Bill Gates das tut - dann interpretierst du auch was rein, was schlicht und einfach Bullshit ist, weil es von falschen Annahmen ausgeht.
Richtig ist vielmehr, dass ich es durchaus gut und richtig finde, was Bill Gates tut - er kann es aber deshalb in dieser Höhe machen, weil er in seinem Leben über weite Strecken weniger zur Finanzierung des Staatshaushaltes beigetragen hat, als er hätte müssen, wenn man das Vermögenskriterium ansetzt. Er hätte dann immer noch ein ziemlich großes Vermögen und wäre auch sicher weiter in der TOP100-Liste.....es wäre halt nur ein wenig niedriger. Dafür wären ein paar andere Leute etwas mehr in der Lage, selbst und eigenverantwortlich über Spenden zu entscheiden, die das heute nicht in der Höhe können, weil sie mehr Steuern und Abgaben zahlen, als das nach dem Vermögenskriterium der Fall wäre.
Eigentlich sind die Zusammenhänge trivial, und die Zahlen recht gut verfügbar. Nur will sie keiner sehen. Die einen wollen gleich den Sozialismus, die anderen wollen das alles so bleibt wie es ist - nur mal selbst nachdenken und nachrechnen, was vernünftige Kriterien wären, das fällt schwer. Daran krankt gerade auch unsere Steuer- und Abgabenpolitik im Staat. Denn wenn ich jetzt beispielsweise wegen Corona ernsthaft über einen Corona-Soli nachdenke, oder eine Vermögensabgabe für Reiche - dann greift das viel zu kurz. Solche Ansätze implizieren, dass die Reichen zu wenig zur Staatsfinanzierung beitragen.....aber wenn das so ist, dann sollte die Ursache abgestellt werden, und nicht bei erster Gelegenheit nachgefordert werden.
WENN man von der These ausgeht, dass Reiche gerecht zur Staatsfinanzierung beitragen, wäre ein Corona-Soli oder eine entsprechende Vermögensabgabe sogar ungerecht! Und geht man sogar von der These aus, dass die Reichen zu viel zur Staatsfinanzierung beitragen, dann wäre das sogar ein absurder Ansatz, dann müsste man die Reichen sogar entlasten! Man muss also nicht mal eben auf die Schnelle Steuern für die einen erhöhen und die anderen senken, sondern mal an die Ursachen rangehen.
Will man die Ursache abstellen, muss man sich damit beschäftigen, was eigentlich gerecht wäre.
Und das habe ich für mich getan, habe mir eine Definition überlegt, wie es aus meiner Sicht richtig wäre, und dann nachgerechnet, wie das mit der Realität korrelliert. Das Ergebnis ist gerade, dass wir ein Gerechtigkeitsgap insbesondere bei den Superreichen haben - allerdings keines, was in Gleichmacherei münden würde, sondern nur eines, was in einer etwas gerechteren Staatsfinanzierung mündet.
Und wenn man diesen Ungerechtigkeitsbauch ablösen würde, dann könnten auch einige Menschen
mehr sparen oder sich mehr leisten.
Dieser Ungerechtigkeitsbauch ist ja auch keine Entdeckung von mir - mit ähnlichen Ansätzen findet man ihn von vielen auch sehr gelehrten Personen auch von Politikern. Er drückt sich auch auf viele Arten aus - beispielsweise auch in Form des Mittelstandsbauches, der ab und an im Zusammenhang mit Steuergerechtigkeit auch von liberalen Kräften benannt wird. Allerdings bezieht sich die Betrachtung der Steuerfachleute auch meist nur auf diese, und die Ungleichbehandlung die über die Sozialversicherungen noch verstärkt werden, wird ausgeblendet.
Es steht natürlich jedem frei, meine Überlegungen zur gerechten Staatsfinanzierung nicht zu teilen und einen anderen Ansatz zu wählen - gut wäre es aber, wenn dieser auch substanziell durchdacht wäre.
Dass eine Staatsfinanzierung rein als Vermögenssteuer ausgestaltet aus ganz praktischen Gründen nicht gemacht wird, ist ein anderes Thema. Es gibt viele gute Gründe, Vermögen allenfalls niedrig zu besteuern - aber man hat als Staat ja nicht nur eine Möglichkeit sich zu finanzieren, sondern einen ganzen Blumenstrauß. Es reicht unterm Strich, wenn sich dieser Blumenstrauß im statistischen Ergebnis im Mittel dem von mir genannten Ideal annähern würde.