franktoast hat geschrieben:(22 Aug 2019, 11:51)
Sorry, das sehe ich komplett anders. Dinge haben keine Persönlichkeitsrechte. Ein Kugelschreiber hat keine Meinungsfreiheit und hat auch keine Eigentumsrechte. Wenn du sagst, die "eigentliche Wertschöpfung" gehe größtenteils von den Maschinen aus, wo genau soll das sein.
Gucken wir doch mal. Du sollst einen Text schreiben. Deine Wertschöpfung oder Produtivität messen wir durch die Zeit, die du dafür benötigst.
Du fängst an mit einer Steintafel und deinen bloßen Händen. Dafür benötigst du zB. einen Tag.
2. Hilfsmittel anderer Stein: Dadurch kratzt du deutlich schneller und benötigst nur noch 0,5 Tage. Bedeutet das, dass nun die Hälfte der Wertschöpfung durch den Stein ausgeht? Berücksichtigen musst du auch, dass du erstmal einen Tag lang gar nichts tun konntest. Du warst ja erstmal beschäftigt, den Stein zu suchen.
3. Du baust dir ein Jahr lang eine Druckmaschine. Ein Jahr lang war deine Produktivität bei 0. Ab da "schreibst" du den Text in einer Stunde. Werden nun 23/24tel der Wertschöpfung durch die Druckmaschine erbracht?
4. Du baust in 30 Jahren einen Computer mit Bildschirm und brauchst nur noch 1sek. Macht nun der Computer 85399/86400stel der Arbeit?
Und was soll dann mit dem Lohn von dir passieren oder dem Preis für den Text, den andere bezahlen? Tatsächlich ist der Preis dramatisch gesunken und dein Lohn (= Dinge, die du damit kaufen kannst) dramatisch gestiegen.
-> Kapital und Land sind Hilfsmittel.
Es geht mir nicht darum, ob Kapital und Land Hilfsmittel sind. Da haben wir keinen Dissens.
Aber mal ein Beispiel:
Wenn du Bäcker bist, und mit einfachen Maschinen sagen wir mal 500 Brötchen am Tag backst, dann machst du mit deinen eigenen Händen eine Wertschöpfung von 500 Brötchen (also im Wesentlichen....).
Wenn du Großbäcker bist, kaufst du eine Maschine und backst mit derselben Menge an Menschen 10.000 Brötchen am Tag. Nun ist die Maschine das Hilfsmittel, aber die Aussage, dass der Einkäufer der Maschine die Wertschöpfung macht, ist absurd. Eine Unterschrift zu leisten, ist keine Wertschöpfung. Eine Entscheidung zu treffen ist keine Wertschöpfung. Hingegen wenn die Sonne die Gerste wachsen lässt - das ist Wertschöpfung pur, und da ist im Zweifel auch kein Mensch beteiligt.
Ausgangspunkt für mich war dein Statement mit dem "Kuchen", der verteilt werden kann. Solche Betrachtungsweisen sind für mich Gemeinplätze. Sie setzen sich darüber hinweg, dass wir im Faktum einer hochgradig arbeitsteiligen Welt leben. Den genauen Wertschöpfungsbeitrag kann man zwar definieren und dann auch monetär festlegen - doch gerade wenn du dich beispielsweise mal im Controlling mit dem Instrument des Profit Centers beschäftigst, dann ist dir klar, dass es bei der Bewertung häufig auf den Blickwinkel stark ankommt.
Auch dazu ein Beispiel:
Denk mal an einen Händler, einen Filialisten, der vielleicht sagen wir mal ein paar hundert Filialen hat. Er entschließt sich, als weiteren Vertriebskanal einen Onlineshop aufzumachen. Wie berechnet er, ob der Online-Shop profitabel ist?
Klingt nach einer einfachen Aufgabe - ist aber tatsächlich hochgradig eine Frage der Bewertung. Man kann einen Online-Shop als eigene Filiale kalkulieren, könnte aber auch darüber nachdenken, dass der Online-Shop vor allem ein Werbemittel für die Filialen ist, oder man könnte den Online-Shop als "Regalverlängerung" der Filialen nehmen. Wenn die Päckchen für den Online-Shop in der Filiale gepackt werden, könnte man auch die Filialen zukünftig als Lager des Online-Shops betrachten - und je nachdem wie man betrachtet, ergeben sich gänzlich unterschiedliche Ansätze für Profit Center Rechnungen und unterschiedliche Wertbildungsrechnungen. Welcher Mitarbeiter in solchen Konstrukten damit wieviel zur Wertbildung / Wertschöpfung beitgetragen hat, ist damit auch eine Frage des Blickwinkels.
In welchem Sinne trägt ein Datenschutzbeauftragter zur Wertschöpfung eines Unternehmens bei? Inwiefern liefert ein Personal Trainer eine Wertschöpfung ab? Welche Wertschöpfung leistet ein Versicherungsangestellter?
Wenn all diese existenten Berufsbilder einen zumindest fragwürdigen Wertschöpfungsbeitrag leisten - inwiefern kann man dann vom "Kuchen" sprechen, der an diese verteilt werden sollen?
Hat der Einkäufer der Maschine für die Großbäckerei was zur Wertschöpfung beigetragen, oder müsste man den Verdienst durch die Maschine eventuell stark mit den Maschinenbauern teilen?
Und wenn solche hinterfragbaren Punkte hier leicht anzubringen sind - kann man dann nicht die Generationenfrage auch so stellen, dass die junge Generation genau deshalb in der Arbeit das leisten kann, was sie leiten kann, weil die Generation davor das Arbeitsumfeld so bereitet hat, wie sie es vorgefunden haben? Und - wäre dementsprechend auch die Frage nach dem "Kuchen" auch unter Beteiligung der Generation davor mit zu stellen?
Also - konkret geht es mir darum, Alt und Jung nicht gegeneinander auszuspielen. Auch Manager und Arbeiter sollte man nicht gegeneinander stellen. Und Frau und Mann auch nicht. Tatsächlich erlebe ich in Teams regelmäßig, dass diese untereinander ein sehr feines Gespür dafür haben, wer wie wichtig für das Team ist. Wenn das Team durch einen im Team im Gleichgewicht gehalten wird, dann ist dieser eine unglaublich viel Wert - selbst wenn dieser eine "nur" eine Coaching-Funktion übernimmt und die Wertschöpfung des Teams von den anderen geleistet wird.
Fazit: In einer stark arbeitsteiligen Welt ist es wichtig, dass man ein faires Gleichgewicht findet, was die Verteilung der Wertschöpfung angeht. Entscheidend dabei ist nicht, was irgendeine willkürliche oder beliebige theoretische Rechenformel ergibt, sondern das, was möglichst alle Beteiligten (auch die Rentner) als fair empfinden. Ein Patentrezept hierfür gibt es nicht - denn viele Betrachtungsweisen haben auch mit Haltungsfragen, mit Erziehung, Sozialisierung und vieles mehr zu tun. Und genau deshalb muss jede Gesellschaft ihr persönliches Optimum für die Verteilung der Wertschöpfung finden, und dieses auch noch permanent den sich verändernden Bedingungen anpassen.
Transparenz und Offenheit sind eine gute Voraussetzung dafür, dass man faire oder wenigstens akzeptierte Lösungen findet. Ein Patentrezept gibt es aber nicht.