Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

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Quatschki
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Quatschki »

Woppadaq hat geschrieben:(15 Jun 2019, 22:24)
Im übrigen gab es gar nicht so wahnsinnig viel Betriebe, verglichen mit dem Westen. Weshalb die Schliessung von einigen dort ziemliche Löcher hinterliess. Also von wegen "zehntausende Betriebe", so viele waren das gar nicht.
Wenn du da mal nicht falsch liegst.
Es gibt in praktisch jeder Stadt und jedem größeren Ort liquidierte Industriebetriebe,
manchmal nur Betriebsstätten mit 50 Leuten, aber das gilt ja heutzutage im Osten schon als Großunternehmen.
Zum Beispiel das Landmaschinenkombinat "Fortschritt". 1990 waren das 55.000 Beschäftigte, dutzende Zweigwerke und hunderte Betriebsteile für Zulieferkomponenten.
Ein riesiger Maschinenbaukonzern, in der Oberlausitz der Hauptarbeitgeber.
Vor einigen Wochen bin ich am Mähdrescherwerk Singwitz vorbeigewandert.
Südlich von Bautzen im idyllischen Tal der Spree (die da noch ein kleines Flüßchen ist) ein großes stillgelegtes Werk an einer stillgelegten Bahnstrecke in einer stillgelegten Gegend.
Eine der Hallen wird von einem Nachfolgebetrieb mit ein paar Dutzend Beschäftigten genutzt,
eine andere ist Stützpunkt einer LKW-Spedition. Der Rest gammelt vor sich hin...
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Woppadaq »

Misterfritz hat geschrieben:(15 Jun 2019, 22:49)

DAS möchte ich arg bezweifeln. Oder wie kam es, dass es trotz angeblicher Fertigungstrasse nach Westniveau die DDR es nie geschafft hat, Autos in der benötigten Menge zu produzieren (von der Qualität will ich gar nicht erst reden)?
Weil es eben nur eine Fertigungsstrasse war. Der Output von Autos aus jener Fertigungsstrasse ist heute nicht höher als damals.

Produktion von Wartburgs zwischen 88 und 91: 152.775 Stück
Produktion von Opel Adams zwischen 2013 und 2018: 136.069 Stück
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Teeernte
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Teeernte »

Skull hat geschrieben:(15 Jun 2019, 22:51)

Dann frische mal Deine Erinnerungen auf. Wieviel (11.000 ?) klassische VEB‘s es gab,
von den vielen anderen HO‘s, LPG’s, PGH’s , Konsum’s ... und anderen „Unternehmen“ mal ganz abgesehen. :D

mfg
Wir frischen auf..... HO - Handelsorganisation ....sowas wie ein Laden .... LPG - Landwirtschaft.... PGH Handwerk Konsum - ähnlich HO.

Im Westen - kein Problem eine Pleite in Eigenregie der Beschäftigten (Firmenleitung) - und Neuanfang.

In den HO sicher mit einem Umbau und anderem Warensystem - so wie es die EDEKA in vielen übernommenen Kaufhallen gemacht hat .....

...sicher brauchte man für Fotoapparate keine Reparaturhandwerker mehr - aber Elektro, Bau ....Tischler... gibt es ja heute wieder.

Jede Firma kann dazu sicher ein eigenes Lied anstimmen.

-------------------------------------------------------------------------------------

Ich bin die andere Seite >> Firmen Gründer - in der WENDEZEIT .

Man benötigt eine Firmenanschrift - ....auf ein Gewerbeobjekt. Da ging keine Garage... keine Wohnung.

Start mit NULL - ähmmm...stimmt - mit 100 DM - das Begrüssungsgeld. - im Westen - eine Partnerfirma gefunden, (die im alten Rolleigelände für 5 Pfennig Quadratmeter Miete eine halbe Halle angemietet hat.)

Arbeit war da - Leute ausreichend - es hate mir nur die Immobile gefehlt.

Da haben sich die Pleitegeier festgefressen - selbst HEUTE noch sind die Hallenimmobilien NICHT anzumieten - deshalb der Verfall . Kauf zu utopischen Preisen wird gern angeboten.

Über einen Wessi als Strohmann hab ich dann eine PGH MIET-Immobilie 160 qm im NEUBAUBLOCK mit 15 Angestellten übernehmen dürfen .
Volles Auftragsbuch organisiert.. ..satte Tagesumsätze aber keinen Platz zum Arbeiten.

Kredit zum Kaufen ? Als Ossi erstmal nicht.

Am Rande der Stadt hab ich dann einen Kuhstall anmieten ----und umbauen dürfen. 5000 qm 150.000 DM Umbaukosten - daneben angesehene West Firmen .....ebenfalls Umbau - es waren 10 Kuhställe.
Gewerbeanmeldung...

Nach einem halben Jahr wunderbarem Geschäft - kam die Verfügung - Die normale Geschäftsöffnung am Montag der nächsten Woche wird untersagt - bei 250.000 DM Ordnungsgeld. (Erst mal ohne Grund)
(Die Nutzungsänderungsgenehmigung hat gefehlt... :D :D :D ) Hatten die anderen (West) Firmen auch nicht . Nur mich hatte es getroffen. Hier sind die umliegenden Firmen mit ihren Rechtsabteilungen eingesprungen - sonst wär ich platt.

In der PGH Mietimmobilie >> Besuch vom Gewerbeamt - für die Menge Angestellte - zu wenig Toiletten... Nicht mehr als 10 Angestellte und nur ein Geschlecht. (es gab keine getrennten Toiletten - ein NEUBAU Klo im DDR Neubaublock da ist kein Umbau möglich gewesen)

Jeden Monat einen kleinen "Einschlag" ....alle halbe Jahre eben eine "Detonation" - Beispiel >> Knast/Hausdurchsuchung wegen "Verstoß" gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz .....ich hatte !einen! LO des Fischwarenkombinates an einen Holländer verkauft.....der diesen an einen Bulgaren verkauft hat. Der LO sieht so aus >> https://images.app.goo.gl/zEkijAQLPZuLTzwKA
und war GRÜN lackiert. Nach Zahlung von 50 DM "Ordnungsgeld" ein paar Seiten Papier weiter auf dem bewährten Kurs...

Lange Rede.... Nach 5 Jahren "Selbsthaftender" hab ich dann die 40 Leute entlassen - Arbeit war noch GENUG da
Letzter Grund ...Steuernachzahlung - die Fahrtenbücher (die man auf der Tankstelle kauft ) der Firma werden nicht anerkannt - weil nicht gebunden sondern NUR geklammert. ->> bin ich dann als Berater - mit dem selben Gewinn unterwegs gewesen.

Mein RAT >> Keine Selbständige NIEDERLASSUNG im OSTEN !!!

Kein Ost FINANZAMT ! Heute das größte Investitionshemmnis. Rechtsstaat ??? - klar kannst Du klagen....das Geld aber gleich zahlen - und die Verfahren verjähren - weil der Staat die Verfahrensmenge nicht schafft.
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von watisdatdenn? »

Woa @Teeernte!

Das ist ein krasser Erfahrungsbericht!

Wobei das heute mit der haftungsbeschränkten UA einfacher sein sollte?
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sünnerklaas
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von sünnerklaas »

Sören74 hat geschrieben:(15 Jun 2019, 20:49)

Einfache Antwort. Weil die DDR-Bürger praktisch kein Kapital hatten. Viele hätten es wirklich gerne gemacht, ihren eigen Betrieb zu übernehmen.
Das fehlende Eigenkapital war und ist das Drama Osteuropas. Der Teufelskreis wurde dadurch verstärkt, dass qualifizierte Arbeitskräfte die neuen Länder und die Länder Osteuropas in Scharen verlassen haben. Für die osteuropäischen Länder war das am Anfang eine feine Sache: es kamen die Heimatüberweisungen in harter Valuta. das eigentliche Drame wird aber heute sichtbar: man ist auf Gedeih und Verderb auf ausländische Investoren und ausländisches Geld angewiesen. Eine wirkliche Gründerszene gibt es nicht, einen wirklichen Mittelstand auch nicht. Der polnische Handwerker geht lieber nach D, Benelux oder GB und meldet dort sein Unternehmen an. Der polnische Tüftler mach das erst recht - bei dem kommt noch hinzu, dass ein beim Bundespatentamt eingetragenes Patent einen deutlich besseren Ruf hat, als ein in Polen eingetragenes polnisches Patent. Ein polnischstämmiger Unternehmer, der hier in D ansässig ist und mehrere Patente angemeldet hat, hat mir mal erzählt, dass er dem Bundespatentamt mehr vertraut, als dem polnischten Patentamt...
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Teeernte »

watisdatdenn? hat geschrieben:(16 Jun 2019, 07:00)

Woa @Teeernte!

Das ist ein krasser Erfahrungsbericht!

Wobei das heute mit der haftungsbeschränkten UA einfacher sein sollte?
Nö - das Amt wittert hinter ALLEM kriminelle Energie.
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Alter Stubentiger »

Woppadaq hat geschrieben:(15 Jun 2019, 21:24)

Ich würd das nicht so eng sehen. Der KC85 war in etwa auf Höhe mit dem C64, der selbst anfang der 90er noch zahlreich verkauft wurde. Der 1990 vorgestellte EC1835 Turbo war bereits ein 80386, das war zur damaligen Zeit Mittelklasse.
Vorstellen kann man viel. Man muß aber liefern und Gewinn damit machen. Bedenke auch dass die Prozessoren der DDR und illegale Raubkopien waren. Robotron hatte kein Lizenz für Z-80 oder x86 Prozessoren!
Viele ehemalige Ostler machen sich über die Konkurrenzfähigkeit der damaligen Ostbetriebe ziemlich Illusionen.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Alter Stubentiger »

Woppadaq hat geschrieben:(15 Jun 2019, 22:24)

Na, wenn du das sagst...ich glaub mehr der WiWo, zumal sich das mit meinen Beobachtungen deckt.

Die Firma, die den Wartburg hergestellt hat, wurde übrigends von Opel aufgekauft, und dort wird immer noch produziert - anstelle von Rüsselsheim. Der Motorradbau in Zschopau (MZ), der vor der Wende als der grösste Motorradbauer der Welt galt, hat noch bis 2008 produziert.

Im übrigen gab es gar nicht so wahnsinnig viel Betriebe, verglichen mit dem Westen. Weshalb die Schliessung von einigen dort ziemliche Löcher hinterliess. Also von wegen "zehntausende Betriebe", so viele waren das gar nicht.
Opel mußte beim Restart im Osten alles neu bauen. Von den Produktionsstätten des Wartburgs konnte nichts genutzt werden. Alles marode. Alles uralt. Die DDR-Industrie lebte von der Substanz.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von BlueMonday »

Oder so gesagt: Wäre der Realsozialismus der DDR so konkurrenzfähig gewesen, wie manche (immer noch) fantasieren, dann hätte man keine große teure Mauer um ihn bauen müssen und stattdessen wären die Menschen scharenweise vom "kapitalistischen Ausland" ins sozialistische Paradies geströmt. Die Strömungsrichtung war aber bekanntlich entgegengesetzt ... und dieser Sog wirkt ja bis heute über 30 Jahre nach der Revolution noch nach. Und die eigentliche spannende Frage bleibt, wie sich der Osten in Zukunft entwickelt, wie man wirklich konkurrenzfähig wird, wie man die Kehrtwende schafft ...
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Agesilaos Megas »

Inspyration hat geschrieben:(13 Jun 2019, 19:56)
danach werden sich viele Westdeutsche in ihren Legebatterien namens Köln oder Bremen, wo ich nicht mal tot überm Zaun hängen wollte, noch sehnen.
Also Halle und Leipzig sind schon recht schön, fortschrittlich und schneiden im Vgl. mit westdeutschen Städten derselben Größe ganz gut ab, wenn es um den ÖPNV oder die Innenstadt geht (weniger Autos). Braunschweig, Hannover, Wolfsburg etc. - das sind betonierte Massengräber ohne städtische Kultur, aber für eine desaströse Lebensweise.

Aber Du kannst halt auch nicht leugnen, dass schöne Städtchen wie Bautzen gruselig sind, weil halt die Menschen fehlen...
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von BlueMonday »

Wenn man Ende der 80er ein Ostkid gefragt hätte, ob es lieber einen KC85/87 (der im offenen Handel praktisch nicht zu erwerben war - ein Heimcomputer, der in keinem Heim zu finden war) oder einen C64 oder gar einen Amiga 500 oder einen Atari haben will, dann wäre wohl die Antwort in allen Fällen gleich ausgefallen. Für solche Geräte wurden utopische Preise auf dem Schwarzmarkt gezahlt.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von BlueMonday »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(17 Jun 2019, 17:06)

Aber Du kannst halt auch nicht leugnen, dass schöne Städtchen wie Bautzen gruselig sind, weil halt die Menschen fehlen...
https://de.wikipedia.org/wiki/Einwohner ... on_Bautzen

So gruselig liest sich die Entwicklung gar nicht. Man sollte nun auch nicht so tun, als ob im Osten nur noch menschenleere Steppe ist. Der Osten ist sicherlicher "luftiger" bewohnt, was aber auch durchaus mal ein Vorteil sein kann, etwa wenn man eine Wohnung sucht. M.E. wird sich sowieso der Trend umkehren und die Menschen müssen sich wieder mehr verteilen, raus aus den ganz extremen Ansammlungen. Da helfen eben keine "Mietpreisbremsen" und all dieser Quatsch, sondern ... Fortbewegung.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Agesilaos Megas »

Woppadaq hat geschrieben:(15 Jun 2019, 20:24)

Na nun mal langsam. Ich sehe bei den Ossis nach all den Jahren eher sowas wie Widerspruchsgeist, der spricht auch für ein etwas gestiegeneres Selbstbewusstsein. Wenn die in den Osten ziehenden Wessis damit umgehen können, ist irgendwann auch das Vertrauen wieder da. Was man als Wessi jetzt sieht, sind Leute, die sich für die falsche Partei entscheiden, was manch Ossi sieht, ist, dass er sich für eine Partei entscheidet, die die Wessis auf eine Art hassen, die sie an die Verfolgung Andersdenkender in der DDR erinnert. Ost und West mögen nicht ganz gleich denken und fühlen, aber sie brauchen einander, und im Normalfall erkennen sie das auch.
Es ist immer wieder geil, wenn irgendjemand über den Ossi redet. Niemals aber mit ihm. Wollen wir gemeinsam über uns reden, und nicht über "die", Kollege? Ich bin Ost-West-Gänger, Du auch? Und ich muss sagen, dass es ein bisschen simpel ist, zu suggerieren, die AfD würde nur gewählt, um Dir eins auszuwischen. Die Sache ist viel komplexer und teilweise unbequem.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Woppadaq »

BlueMonday hat geschrieben:(17 Jun 2019, 17:14)

Wenn man Ende der 80er ein Ostkid gefragt hätte, ob es lieber einen KC85/87 (der im offenen Handel praktisch nicht zu erwerben war - ein Heimcomputer, der in keinem Heim zu finden war) oder einen C64 oder gar einen Amiga 500 oder einen Atari haben will, dann wäre wohl die Antwort in allen Fällen gleich ausgefallen. Für solche Geräte wurden utopische Preise auf dem Schwarzmarkt gezahlt.
Das weisst du woher?

Der Amiga 500 war zur damaligen Zeit für Ossis unbezahlbar, der KC85/3 war aber auf Höhe mit C64 oder Atari 800XL, und der Preis, wenn man sie denn bekam, war in etwa gleich. Der KC war sogar recht beliebt, weil man problemlos mit jedem Kasettenrekorder abspeichern konnte - während die anderen beiden Spezialkabel oder Extra-Equipment brauchten.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Woppadaq »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(17 Jun 2019, 17:29)

Es ist immer wieder geil, wenn irgendjemand über den Ossi redet. Niemals aber mit ihm. Wollen wir gemeinsam über uns reden, und nicht über "die", Kollege? Ich bin Ost-West-Gänger, Du auch? Und ich muss sagen, dass es ein bisschen simpel ist, zu suggerieren, die AfD würde nur gewählt, um Dir eins auszuwischen. Die Sache ist viel komplexer und teilweise unbequem.
Unbequem für wen? Für mich bestimmt nicht.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Skull »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(17 Jun 2019, 17:29)
Und ich muss sagen, dass es ein bisschen simpel ist, zu suggerieren, die AfD würde nur gewählt,
um Dir eins auszuwischen. Die Sache ist viel komplexer und teilweise unbequem.
Guten Tag,

ich möchte daran erinnern, das dieses kein AfD-Strang ist.

Das Thema ist:

Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch




Es sei denn jemand vertritt die These, dass die AfD schuld sei, dass die Einwohnerzahl im Osten sinkt. :D
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Agesilaos Megas »

BlueMonday hat geschrieben:(17 Jun 2019, 17:21)

https://de.wikipedia.org/wiki/Einwohner ... on_Bautzen

So gruselig liest sich die Entwicklung gar nicht. Man sollte nun auch nicht so tun, als ob im Osten nur noch menschenleere Steppe ist. Der Osten ist sicherlicher "luftiger" bewohnt, was aber auch durchaus mal ein Vorteil sein kann, etwa wenn man eine Wohnung sucht. M.E. wird sich sowieso der Trend umkehren und die Menschen müssen sich wieder mehr verteilen, raus aus den ganz extremen Ansammlungen. Da helfen eben keine "Mietpreisbremsen" und all dieser Quatsch, sondern ... Fortbewegung.
Ach, warme Worte, vielen Dank. Wie schmeichelhaft. Ja, in der virtuellen Welt sind die realen Probleme immer so leicht lösbar - mit viel "müsste", "könnte" und "sollte". Aber sorry, ich miete nicht billig in Bautzen, um ins fette BaWü zu pendeln. Das gibt nicht einmal der westlichste Lebensstil her. Vllt. hast Du ja geniale neue Ansätze, Menschen aus dem Westen in den Osten fortzubewegen? Die Menschen brauchen sie dringend...
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

Es ist sehr differenziert. Einige Städte verlieren derart schnell Einwohner, dass die Kanalisation versandet. Einige wachsen. Einige haben moderate Rückgänge, die höchstens fiskalische Probleme bereiten.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von H2O »

imp hat geschrieben:(16 Jul 2019, 22:05)

Es ist sehr differenziert. Einige Städte verlieren derart schnell Einwohner, dass die Kanalisation versandet. Einige wachsen. Einige haben moderate Rückgänge, die höchstens fiskalische Probleme bereiten.
Tja, man kann ja immer wieder nur den eigenen Eindruck schildern: Vor einigen Monaten war die Nord-Autobahn A20 vor Rostock unterbrochen (weggesackt!), und so bin ich versuchsweise über die Landstraße 110 ausgewichen, so richtig hinein ins Brandenburger Land, oder war das das südliche Mecklenburg-Vorpommern? Das war eine Reise in eine andere Welt. Auf Hauptstraßen durch den historisch bekannten Ort mit Tischlerplatten zugenagelte Häuser, seit vielen Jahren nicht mehr gestrichen. Kein funktionierender Laden oder Betrieb zu entdecken. Am Ortsrand etwas Gewerbegebiet und eine Tankstelle. Da geriet meine Stimmung wie von allein auf einen Nullpunkt... und dann denke ich an die Menschen, die in dieser trostlosen Umgebung ihr Leben fristen sollen. Da bleibt doch nur noch die Flucht für alle jene, die aus ihrem Leben etwas machen möchten... eine beruflich erfolgreiche Laufbahn, gelegentlich einmal nett ausgehen mit Freunden... und da meine ich keine Soljanka-Bude... nix gegen diese Suppe, aber als Höhepunkt eines abendlichen Ausgangs wenig anziehend. Ich vermute, daß diese Suppe in großen Eimern vertrieben wird...
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

H2O hat geschrieben:(16 Jul 2019, 22:33)

Tja, man kann ja immer wieder nur den eigenen Eindruck schildern: Vor einigen Monaten war die Nord-Autobahn A20 vor Rostock unterbrochen (weggesackt!), und so bin ich versuchsweise über die Landstraße 110 ausgewichen, so richtig hinein ins Brandenburger Land, oder war das das südliche Mecklenburg-Vorpommern? Das war eine Reise in eine andere Welt. Auf Hauptstraßen durch den historisch bekannten Ort mit Tischlerplatten zugenagelte Häuser, seit vielen Jahren nicht mehr gestrichen. Kein funktionierender Laden oder Betrieb zu entdecken. Am Ortsrand etwas Gewerbegebiet und eine Tankstelle. Da geriet meine Stimmung wie von allein auf einen Nullpunkt... und dann denke ich an die Menschen, die in dieser trostlosen Umgebung ihr Leben fristen sollen. Da bleibt doch nur noch die Flucht für alle jene, die aus ihrem Leben etwas machen möchten... eine beruflich erfolgreiche Laufbahn, gelegentlich einmal nett ausgehen mit Freunden... und da meine ich keine Soljanka-Bude... nix gegen diese Suppe, aber als Höhepunkt eines abendlichen Ausgangs wenig anziehend. Ich vermute, daß diese Suppe in großen Eimern vertrieben wird...
Ich bereise die Ostgebiete gelegentlich aber was ist eine Soljanka-Bude?
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von H2O »

imp hat geschrieben:(16 Jul 2019, 22:37)

Ich bereise die Ostgebiete gelegentlich aber was ist eine Soljanka-Bude?
Eine Soljankabude ist in meinem Sprachgebrauch eine Gartenlaube in einem Hausgarten, der zur behelfsmäßigen Kneipe für die wenigen verbliebenen Kumpels im Ort entwickelt wurde. Eine ganz andere Welt, wenn ich mit westlichen Kleinstädten vergleiche. Kein Ort zum Ausspannen für verwöhnte Wessis.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

H2O hat geschrieben:(16 Jul 2019, 22:44)

Eine Soljankabude ist in meinem Sprachgebrauch eine Gartenlaube in einem Hausgarten, der zur behelfsmäßigen Kneipe für die wenigen verbliebenen Kumpels im Ort entwickelt wurde. Eine ganz andere Welt, wenn ich mit westlichen Kleinstädten vergleiche. Kein Ort zum Ausspannen für verwöhnte Wessis.
Sowas kenne ich nicht. Ich kenne Dönerläden und sowas.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von H2O »

imp hat geschrieben:(16 Jul 2019, 22:49)

Sowas kenne ich nicht. Ich kenne Dönerläden und sowas.
Tja, ich hatte die Landstraße benannt und den Landesteil.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

H2O hat geschrieben:(16 Jul 2019, 23:06)

Tja, ich hatte die Landstraße benannt und den Landesteil.
Irgendwie sind das auch Deutsche. Evtl kann man eine Art Franchise für Dorfkneipen auflegen, um das zu ändern. Sowas wie McDonald's, wo es äußerlich aussieht wie Hamburger, aber knallhart durchkalkuliert und tausendfach erprobt.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Quatschki »

imp hat geschrieben:(16 Jul 2019, 23:13)

Irgendwie sind das auch Deutsche. Evtl kann man eine Art Franchise für Dorfkneipen auflegen, um das zu ändern. Sowas wie McDonald's, wo es äußerlich aussieht wie Hamburger, aber knallhart durchkalkuliert und tausendfach erprobt.
Glaube ich nicht, dass das funktioniert.
In dem Moment, wo Miete oder Pacht erwirtschaftet werden muß, könnte so eine Bude schon nicht mehr kostendeckend betrieben werden.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

Quatschki hat geschrieben:(16 Jul 2019, 23:21)

Glaube ich nicht, dass das funktioniert.
In dem Moment, wo Miete oder Pacht erwirtschaftet werden muß, könnte so eine Bude schon nicht mehr kostendeckend betrieben werden.
Das ist achon möglich, dass das scheitert. Andererseits kann man vielleicht der Kommune einen Zuschuss aus der Tasche ziehen, leerstehende Ex-Kitas oder dergleichen, die man von der Gemeinde verbilligt pachtet oder sowas. Da können dann die Ex - Kinder auf die Zukunft exen.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Quatschki »

Wenn man eine gut gehende Mafia hätte, könnte man solche Kneipen zur Geldwäsche nutzen.
Da käme es dann auf die tatsächliche Besucherfrequenz nicht so an.
Aber in manchen Gegenden geht sogar die Mafia pleite.
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
„Dies ist wieder ein Exempel!“
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

Quatschki hat geschrieben:(16 Jul 2019, 23:28)

Wenn man eine gut gehende Mafia hätte, könnte man solche Kneipen zur Geldwäsche nutzen.
Da käme es dann auf die tatsächliche Besucherfrequenz nicht so an.
Aber in manchen Gegenden geht sogar die Mafia pleite.
Die andere Option wäre, eine Kneipe von AWO, Diakonie, VS oder dergleichen betreiben zu lassen. Das wäre das Pendant zur Mafia. Oder eine rollende Kneipe auf stillgelegten Bahngleisen pendeln zu lassen. Man müsste nur die Bäume wegsägen, die darauf wachsen. So könnte man auch die Kaufkraft mehrer Dörfer verbinden.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Iwan der Liebe »

Was soll die Panik? Nach dem Wahlsieg der AfD in Sachsen wird dort eine Mauer gebaut und der Zuzug von Wirtschaftsflüchtlingen aus dieser Region verhindert! :thumbup:

Als Mauerschützen könnte man vielleicht neben Frau von Storch ein paar alte DDR-Grenzer gewinnen, die sich auf diese Weise ihre GruSi aufbessern würden.
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Misterfritz
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Misterfritz »

Rasanter Strukturwandel
Jobwunder Ost

Hmmm, es bewegt sich doch was im Osten.
Das Salz in der Suppe des Lebens ist nicht Selbstdisziplin, sondern kontrollierte Unvernunft ;)
Ger9374

Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Ger9374 »

H2O hat geschrieben:(16 Jul 2019, 22:33)

Tja, man kann ja immer wieder nur den eigenen Eindruck schildern: Vor einigen Monaten war die Nord-Autobahn A20 vor Rostock unterbrochen (weggesackt!), und so bin ich versuchsweise über die Landstraße 110 ausgewichen, so richtig hinein ins Brandenburger Land, oder war das das südliche Mecklenburg-Vorpommern? Das war eine Reise in eine andere Welt. Auf Hauptstraßen durch den historisch bekannten Ort mit Tischlerplatten zugenagelte Häuser, seit vielen Jahren nicht mehr gestrichen. Kein funktionierender Laden oder Betrieb zu entdecken. Am Ortsrand etwas Gewerbegebiet und eine Tankstelle. Da geriet meine Stimmung wie von allein auf einen Nullpunkt... und dann denke ich an die Menschen, die in dieser trostlosen Umgebung ihr Leben fristen sollen. Da bleibt doch nur noch die Flucht für alle jene, die aus ihrem Leben etwas machen möchten... eine beruflich erfolgreiche Laufbahn, gelegentlich einmal nett ausgehen mit Freunden... und da meine ich keine Soljanka-Bude... nix gegen diese Suppe, aber als Höhepunkt eines abendlichen Ausgangs wenig anziehend. Ich vermute, daß diese Suppe in großen Eimern vertrieben wird...



Es war mir nicht klar das der Wegzug aus dem Osten so krass ausfällt .
Landflucht auch aus kleineren Orten vermutlich.
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imp
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

Ger9374 hat geschrieben:(17 Jul 2019, 06:59)

Es war mir nicht klar das der Wegzug aus dem Osten so krass ausfällt .
Landflucht auch aus kleineren Orten vermutlich.
Es ist sehr unterschiedlich, wie gesagt. Manchen Klein- und Mittelstädten geht es gar nicht so schlecht, in manchen Dörfern sind die Häuser herausgeputzt und die Grundstücke sehr nachgefragt von jungen Familien oder Zuzüglern. Die Zeit des Strukturwandels haben sich viele Familien eingeigelt, wenn sie nicht wegzogen. Die Rente von "glücklichen Jahrgängen" (Vollverdienerpaare, die rechtzeitig spätestens 1992 mit geringen Abschlägen in den Feierabend gingen) war in vielen Fällen der soziale Rettungsanker für etliche Kleinstadtfamilien. Der Wegzug vieler anderer hat sich auch positiv auf die Arbeitslosigkeit und auf den Lohndruck ausgewirkt. Vereinfacht gesagt, haben die Weggezogenen nicht nur für sich selbst ein besseres Leben ermöglicht - Weil das vereinfacht ist, muss man auch über die Schattenseiten reden: Fachkräfte- und Azubimangel, in vielen Fällen steht bei kleinen Firmen die Schließung aus Altersgründen an, weil oft keine geeigneten Nachfolger gefunden werden. Manche Orte veröden regelrecht, auch wenn das nicht die Regel ist. Zudem schlägt sich der Abfluss mobiler, geistig beweglicher jung-erwachsener Jahrgänge über mehrere Jahrzehnte auch im Wahlverhalten nieder, im bürgerschaftlichen Engagement, im Spendenverhalten. Aktuell gehen auch einige Geschäftsmodelle kaputt, weil sie lediglich auf den geringeren Löhnen in der Region basierten - entweder müssen sie die Löhne wegen Mindestlohnregeln erhöhen oder in anderen Fällen finden sie keine guten Nachfolger mehr auf freiwerdende Stellen, da viele Arbeitnehmer bessere Optionen haben - und der Wegzug ist ultimativ immer noch eine Option.

Daneben gibt es einige Städte wie Potsdam, Jena, Dresden, Halle oder Chemnitz, die mittlerweile wieder an ihren Rang vor dem zweiten Weltkrieg anknüpfen können und Zuzüge aus ganz Deutschland, EU-Land und darüber hinaus anziehen. Die kleinen Firmen oder Konzernfilialen sind teilweise kleine Champions des Weltmarktes und ziehen international hoch- und höchstqualifizierte mobile jüngere Menschen an, teilweise mit Familie. Dadurch wird in diesen Städten ein wesentlich liberaleres und moderneres Gesellschaftsklima in einigen Milieus gestärkt, was umgekehrt in anderen Teilen der Stadtbevölkerung vor allem in Randlagen zu extremen Gegenbeispielen im Kontrast steht. Man darf nicht vergessen, Freital und Heidenau sind im Prinzip Dresden-Vorstadt, ebenso liegen rund um Jena und Potsdam einige Kleinstädte und Dörfer mit extrem rückwärtsgewandten Einflüssen. Über Chemnitz muss an dieser Stelle kaum etwas gesagt werden. Auch Leipzig, in meinen Augen ein Has-Been der ostdeutschen Aufschwung-Story, hat neben dem viel gelobten liberalen Element eine verfestigte rechtsextreme Szene, hat neben den wichtigen Firmen und der Universität auch eine über Jahrzehnte etablierte Schicht von Langzeitarbeitslosen und Teilzeitbeschäftigten in unteren Lohngruppen.

Insgesamt darf man nicht sein Bild von den neuen Bundesländern allein aus dem Besuch einer ausgewählten Großstadt oder eines verfallenen Autobahndorfs beziehen, wenn man das Thema voll erfassen möchte. Soll die Wirtschaft im deutschen Osten auf Dauer bestehen, muss sie das Problem der Betriebsnachfolge und des Arbeitskräftemangels aktiv angehen - das wird nur möglich, wenn die Gesellschaft dort ihren Frieden auch mit Zuzügen von weiter her macht.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Misterfritz hat geschrieben:(17 Jul 2019, 06:26)

Rasanter Strukturwandel
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Hmmm, es bewegt sich doch was im Osten.
Auch wenn es zynisch klingt. Aber irgendwann stirbt auch die Generation aus, die durch den Sozialismus versaut wurde und es wächst eine neue Generation heran, die diese Bürde nicht tragen muss. Und die weiß schon, was sie tun muss.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(17 Jul 2019, 06:59)

Es war mir nicht klar das der Wegzug aus dem Osten so krass ausfällt .
Landflucht auch aus kleineren Orten vermutlich.
Diese Entwicklung trifft sicher auch Gemeinden im Westen Deutschlands; wenn dort der altbewährte Broterwerb entfällt, dann findet man dort überwiegend Menschen, die von öffentlichen Geldern leben. Natürlich sind für Pendler die Entfernungen nicht so groß wie im Osten. In Rheinland-Pfalz, Landkreis Donnersberg, konnte ich solche Verödung auch sehen: Kein Bäcker, kein Schlachter, kein Tante Emma-Laden, nichts. Die Kinder werden in Omnibussen abgefahren... tote Hose. Die Gastwirtschaft meist geschlossen. Ich meine, daß unser Wirtschaftssystem nicht vernünftig aufgebaut ist. Ungesund hohe Verdichtung an vielen Orten und noch mehr Verödung an anderen Orten... wo doch schon einmal Leben war; nicht nur kleine Landwirtschaft. In Lothringen ist das aber auch nicht anders.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von H2O »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(17 Jul 2019, 07:41)

Auch wenn es zynisch klingt. Aber irgendwann stirbt auch die Generation aus, die durch den Sozialismus versaut wurde und es wächst eine neue Generation heran, die diese Bürde nicht tragen muss. Und die weiß schon, was sie tun muss.
Das glaube ich nicht... das mit dem Aussterben schon, aber die Sache mit dem Aufschwung weniger. Das sind Fehlleistungen unserer Wirtschaftsweise, die in ganz Deutschland zu beobachten sind. Eine kaum für möglich zu haltende Selbstlosigkeit überhitzter Standorte müßte geweckt werden, damit Investitionen und Menschen wieder "in die Fläche" geleitet werden. Das Gegenteil ist wirksam: Wo schon etwas brummt, kommen mehr Unternehmen, die da mitbrummen wollen.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Europa2050 »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(17 Jul 2019, 07:41)

Auch wenn es zynisch klingt. Aber irgendwann stirbt auch die Generation aus, die durch den Sozialismus versaut wurde und es wächst eine neue Generation heran, die diese Bürde nicht tragen muss. Und die weiß schon, was sie tun muss.
Die neue Generation muss nur schauen, dass sie sich nicht von den einfachen Parolen des Faschismus versauen lässt.

Denn die Hinwendung zu westlich liberalen Werten sehe ich zumindestens flächendeckend nicht. Offensichtlich hält sich das geistige Vermächtnis von Eduard von Schn doch länger als gedacht.

Gibt halt solche und solche ...
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Alter Stubentiger »

H2O hat geschrieben:(17 Jul 2019, 07:43)

Diese Entwicklung trifft sicher auch Gemeinden im Westen Deutschlands; wenn dort der altbewährte Broterwerb entfällt, dann findet man dort überwiegend Menschen, die von öffentlichen Geldern leben. Natürlich sind für Pendler die Entfernungen nicht so groß wie im Osten. In Rheinland-Pfalz, Landkreis Donnersberg, konnte ich solche Verödung auch sehen: Kein Bäcker, kein Schlachter, kein Tante Emma-Laden, nichts. Die Kinder werden in Omnibussen abgefahren... tote Hose. Die Gastwirtschaft meist geschlossen. Ich meine, daß unser Wirtschaftssystem nicht vernünftig aufgebaut ist. Ungesund hohe Verdichtung an vielen Orten und noch mehr Verödung an anderen Orten... wo doch schon einmal Leben war; nicht nur kleine Landwirtschaft. In Lothringen ist das aber auch nicht anders.
Das hat mit dem Witschaftssystem nichts zu tun. Das war schon bei den Römern und bei den alten Griechen und bei den Ägyptern so. Menschen ziehen da in wo die Bedingungen stimmen. Und in Ostdeutschland, auf dem platten Land, stimmt eben nichts. Das liegt oft an der Mentalität der Leute die da wohnen. Die hätten wie in Baden-Württemberg nach dem Krieg selber viel aktiver werden müssen. Aber man hat gedacht der Staat wäre dafür zuständig. An Neue Dinge gewöhnt man sich da auch viel zu langsam bis gar nicht. Darum wollen da allenfalls Polen hin die zumindest die Grenzregion an manchen Stellen etwas beleben. Die freuen sich über die billigen Immobilien und weil die Lebensbedingungen doch immerhin besser sind als in Westpolen/Schlesien. Und da haben wir es wieder. Die Menschen ziehen dahin wo die Bedingungen besser sind.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Alter Stubentiger »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(17 Jul 2019, 07:41)

Auch wenn es zynisch klingt. Aber irgendwann stirbt auch die Generation aus, die durch den Sozialismus versaut wurde und es wächst eine neue Generation heran, die diese Bürde nicht tragen muss. Und die weiß schon, was sie tun muss.
Die Zahl der Erwerbstätigen im Osten ist kaum höher als 1996. Du hast also Recht. Die Erwerbsfähigen sterben aus oder ziehen weg. Und dann sinkt die Arbeitslosigkeit.
Funktionierenden Strukturwandel gibt es wohl nur im Speckgürtel um Berlin oder Dresden oder Teilen von Thüringen.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

H2O hat geschrieben:(17 Jul 2019, 07:49)

Das glaube ich nicht... das mit dem Aussterben schon, aber die Sache mit dem Aufschwung weniger. Das sind Fehlleistungen unserer Wirtschaftsweise, die in ganz Deutschland zu beobachten sind. Eine kaum für möglich zu haltende Selbstlosigkeit überhitzter Standorte müßte geweckt werden, damit Investitionen und Menschen wieder "in die Fläche" geleitet werden. Das Gegenteil ist wirksam: Wo schon etwas brummt, kommen mehr Unternehmen, die da mitbrummen wollen.
Zu kurz gedacht. Die Gegenden die brummen deswegen, weil die Menschen, die dort leben etwas unternehmen. Daher kommt auch der Begriff "Unternehmer". Wenn alle aber nur darauf warten, dass andere was unternehmen .... dann passiert natürlich nix. Und da sind wir letztendlich wieder beim Sozialismus, der den Menschen das letzte Quäntchen Selbstverantwortung aberzogen hat. Aber wie geschrieben, diese Generationenproblem löst sich mit der Zeit.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(17 Jul 2019, 08:36)

Zu kurz gedacht. Die Gegenden die brummen deswegen, weil die Menschen, die dort leben etwas unternehmen. Daher kommt auch der Begriff "Unternehmer". Wenn alle aber nur darauf warten, dass andere was unternehmen .... dann passiert natürlich nix. Und da sind wir letztendlich wieder beim Sozialismus, der den Menschen das letzte Quäntchen Selbstverantwortung aberzogen hat. Aber wie geschrieben, diese Generationenproblem löst sich mit der Zeit.
Da sehe ich schon auch einen anderen Faktor am Werk. Neben der Tatsache, dass die Menschen im typischen Lebensalter für Selbständigkeit und Investition in der Region eher knapp sind, dürfte auch die meist schmale Kapitalausstattung manchen, der könnte und wollte, ausbremsen. Zwar bekommt man derzeit Kredite und andere Investitionsformen vergleichsweise billig, aber auch nur, wenn dem harte Faktoren wie Eigenkapital, erprobtes Geschäftsmodell, Erfahrungsnachweise hinzukommen. Basel III funktioniert für manche Sektoren nicht so gut, wenn man "einfach mal anpacken" will und am Anfang steht.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

imp hat geschrieben:(17 Jul 2019, 08:56)

Da sehe ich schon auch einen anderen Faktor am Werk. Neben der Tatsache, dass die Menschen im typischen Lebensalter für Selbständigkeit und Investition in der Region eher knapp sind, dürfte auch die meist schmale Kapitalausstattung manchen, der könnte und wollte, ausbremsen. Zwar bekommt man derzeit Kredite und andere Investitionsformen vergleichsweise billig, aber auch nur, wenn dem harte Faktoren wie Eigenkapital, erprobtes Geschäftsmodell, Erfahrungsnachweise hinzukommen. Basel III funktioniert für manche Sektoren nicht so gut, wenn man "einfach mal anpacken" will und am Anfang steht.
Das wäre mir neu, dass das nur in den NBL gilt.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(17 Jul 2019, 09:02)

Das wäre mir neu, dass das nur in den NBL gilt.
Das ist im Grunde nicht neu. Die EK-Ausstattung potentieller Gründer in dieser Region ist schon in den 90ern sehr schmal gewesen. Damals galten noch andere Bedingungen, auch die Kapitalkosten waren andere, es gab noch die DM. Dass es solche verhinderten Gründer auch anderswo gibt, ändert nichts daran, dass dieser Effekt in der Region sehr prägend ist. Da spielt sich der Effekt der sehr egalitären Vorgängergesellschaft nicht so sehr im Kopf wie am Konto aus. Wenn du dich mal in den dortigen Banken, IHKen usw bzw auf Kongressen umhörst, ist EK und Finanzierung ein Dauerthema.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

imp hat geschrieben:(17 Jul 2019, 09:18)
. Wenn du dich mal in den dortigen Banken, IHKen usw bzw auf Kongressen umhörst, ist EK und Finanzierung ein Dauerthema.
Es ist auch in den ABL ein Dauerthema.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von schokoschendrezki »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(17 Jul 2019, 08:21)

Das hat mit dem Witschaftssystem nichts zu tun. Das war schon bei den Römern und bei den alten Griechen und bei den Ägyptern so. Menschen ziehen da in wo die Bedingungen stimmen. Und in Ostdeutschland, auf dem platten Land, stimmt eben nichts. Das liegt oft an der Mentalität der Leute die da wohnen. Die hätten wie in Baden-Württemberg nach dem Krieg selber viel aktiver werden müssen. Aber man hat gedacht der Staat wäre dafür zuständig. An Neue Dinge gewöhnt man sich da auch viel zu langsam bis gar nicht. Darum wollen da allenfalls Polen hin die zumindest die Grenzregion an manchen Stellen etwas beleben. Die freuen sich über die billigen Immobilien und weil die Lebensbedingungen doch immerhin besser sind als in Westpolen/Schlesien. Und da haben wir es wieder. Die Menschen ziehen dahin wo die Bedingungen besser sind.
In Stettin sind schlichtweg einfach die Mieten zu hoch bzw. die Wohnungen knapp. Dann lieber gleich ein EFH in der Uckermark bauen. Infrastruktur, Kultur usw. in Stettin sind eigentlich wesentlich besser als in den Uckermark-Dörfern.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von H2O »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(17 Jul 2019, 08:36)

Zu kurz gedacht. Die Gegenden die brummen deswegen, weil die Menschen, die dort leben etwas unternehmen. Daher kommt auch der Begriff "Unternehmer". Wenn alle aber nur darauf warten, dass andere was unternehmen .... dann passiert natürlich nix. Und da sind wir letztendlich wieder beim Sozialismus, der den Menschen das letzte Quäntchen Selbstverantwortung aberzogen hat. Aber wie geschrieben, diese Generationenproblem löst sich mit der Zeit.
Der erste Satz ist gar nicht zu bestreiten: Da unternehmen Leute etwas. Die Grundlage für solche Unternehmen wurden aber über lange Zeit geschaffen: Infrastruktur in Schulen, Hochschulen, Berufsschulen, Vermögen der Kommunen, Facharbeiter. Dann unternimmt sich leichter etwas als dort, wo hinten und vorne nix zu holen ist, weil etwa Landwirtschaft mit wenigen Leuten betrieben werden kann, der Maschineneinsatz sich so sehr lohnt. Die wenigen gut ausgebildeten Leute ergreifen die Flucht, unternehmen also auch etwas.

Deshalb mache ich unseren Flächennutzungsplan für vieles verantwortlich, was uns als Gesellschaft auf die Füße fällt: Verödung, Übernutzung, Wohnungsmangel, Leerstände und Verfall. Da war der alte Fritz wohl klüger, der planmäßig sein Land entwickelt hat. Wer Augen im Kopf hat, der sieht das heute noch von Sachsen-Anhalt bis Ostpreußen. Heute habe ich den Verdacht, daß die Politik sehr beeinflußbar ist vom Reichtum einiger Regionen. Da fließt eben leichter etwas in ihre Richtung, und wo Armut um sich greift, da droht öffentliche Beschimpfung. Dann lieber Karlspreis oder Ritter der Ehrenlegion... Vom Ruck, der durch unser Land gehen müßte, träumt auch nur noch ein inzwischen verstorbener Bundespräsident!
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(17 Jul 2019, 09:20)

Es ist auch in den ABL ein Dauerthema.
Ja, auch dort ist es für viele Gründer ein Problem. Der Unterschied ist, dass es dort eine andere Sozialstruktur und andere Netzwerke gibt, was in der Problemregion teilweise erst sich noch langsam entwickelt. Es gibt nur begrenzt viele typische Fälle, wie der Wille zum Unternehmen und das nötige EK zusammenkommen. Einige davon sind in den Ostländern sehr unterrepräsentiert. Immer das Bild zu bemühen, die Leute dort seien im Kopf alle anders orientiert, erscheint mir etwas weit hergeholt, wenn es zeigbar weitere Fakten gibt, die eine Rolle spielen.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von schokoschendrezki »

Bei diesem "Verfall"-Begriff habe ich ein wenig ein Problem. Ich sehe, grade im Nordosten des Landes, häufig picobello renovierte Amtshäuser, intakte Straßen, frisch angelegte Radwege ... infrastrukturell häufig neuer, besser als vergleichbare Regionen im Westen. Es wohnen dennoch nur noch ein paar alte Leute dort.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Jul 2019, 10:05)

Bei diesem "Verfall"-Begriff habe ich ein wenig ein Problem. Ich sehe, grade im Nordosten des Landes, häufig picobello renovierte Amtshäuser, intakte Straßen, frisch angelegte Radwege ... infrastrukturell häufig neuer, besser als vergleichbare Regionen im Westen. Es wohnen dennoch nur noch ein paar alte Leute dort.
Es gibt auch genug Häuser, an denen man den gelbbraunen Putz wie vor Jahrzehnten noch sieht und Flickenteppich-Straßen gibt es auch. Die Diskussion dreht sich hier doch um die merklich sinkende Einwohnerzahl aufs Ganze betrachtet und um die Differenzierung, was das für einzelne Regionen heißt. Da sind die Folgen sehr verschieden. In der politischen Repräsentation verliert "der Osten" an Gewicht, zugleich differenzieren sich aber auch die politischen Bedürfnisse der verschiedenen Regionen. Innerhalb des Ostens gewinnen die verhältnismäßig gut gehenden größeren Städte an Gewicht.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von sünnerklaas »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Jul 2019, 09:24)

In Stettin sind schlichtweg einfach die Mieten zu hoch bzw. die Wohnungen knapp. Dann lieber gleich ein EFH in der Uckermark bauen. Infrastruktur, Kultur usw. in Stettin sind eigentlich wesentlich besser als in den Uckermark-Dörfern.
Die Uckermark ist das eigentlich Hinterland von Stettin, der Speckgürtel.
Allerdings glaube ich, dass in manchen Regionen in Ostdeutschland bereits der Point of no return erreicht ist: dort sind oft nur noch diejenigen übrig geblieben, denen der Mut und die Kraft gefehlt hat bzw. fehlt, woanders hinzugehen und die sich mit Neuerungen folgerichtig sehr schwer tun, weil sie die seit 1990 eingetreteben Neuerungen als etwas sehr negatives erfahren haben.
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Re: Ostdeutschland: Einwohnerzahl sinkt dramatisch

Beitrag von Skull »

sünnerklaas hat geschrieben:(17 Jul 2019, 11:20)

Die Uckermark ist das eigentlich Hinterland von Stettin, der Speckgürtel.
Die Uckermark ist weit mehr. :mad:

Bin da bald wieder für 2 Wochen. :)

mfg
Man dient für Lohn und liebt sich für Geschenke
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